
- „Dir geht's doch gut in Deutschland, Shary!“
Als Carolin Kebekus jüngst in ihrer Comedy-Show einen ARD-Brennpunkt „Rassismus“ improvisierte, trat auch Shary Reeves auf. Hier erzählt die bekannte Moderatorin, wie sie Rassismus im Alltag erlebt. Und warum sie die Hoffnung nicht aufgibt, dass ihre Hautfarbe irgendwann keine Rolle mehr spielt.
Ich möchte meine Story und meine Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland gerne mit einem Zitat von Will Smith beginnen: „Racism Is Not Getting Worse, It’s getting filmed“: Rassismus wird nicht schlimmer, er wird anders als sonst nun gefilmt. Man könnte auch sagen, er wird gesellschaftlich schneller erkannt, denn die Täter werden nun häufiger mit einer reflektierten Wahrheit konfrontiert, die sich aufgrund von Echtzeitbildaufnahmen nicht mehr so leicht leugnen lässt.
Ellenbogen in den Rippen
Geboren und aufgewachsen in Köln, bin ich schon sehr früh mit Alltagsrassismus konfrontiert worden. In Dresden wurde ich nach einem Open-Air Interview im Umfeld der FIFA-Frauen-WM von einem Rechtsextremen, der vor der Bühne auf mich lauerte, belästigt, indem er mir im Vorbeigehen sehr hart den Ellbogen in meine Rippen rammte. So überzeugend, dass ich darum bat, sofort ins Hotel gebracht zu werden und so lange darin blieb, bis es am Tag darauf heim ging nach Köln.
Auch kann ich mich nicht daran erinnern, in der Grundschule gerne zu Geburtstagen eingeladen worden zu sein. Ich weiß allerdings noch sehr genau, dass diese eine Sportbank in der Schule, gefühlt aus zwei Bänken bestand. Auf der einen Seite saßen ein Mitschüler mit türkischem Elternhaus und ich, auf der anderen Seite der Rest der Klasse. Außerdem wurde ich häufig genug auch heute noch von der Polizei, ohne Anlass, nach meinem Ausweisdokument gefragt.
Gebrochenes Deutsch im Amt
In den Medien wundere ich mich bis heute, warum Menschen mit dunkler Haut, in amerikanischen Produktionen, nicht von ihresgleichen synchronisiert werden. Wieso bekomme ich keine alltäglichen Rollen oder Jobs in der Moderation, obwohl ich als langjährige Moderatorin der Sendung „Wissen macht Ah!“ mehr als nur eine Generation von Zuschauern meine treue Fan-Community nennen kann. Auch auf dem Amt wurde ich gerne schon mal mit gebrochenem Deutsch angesprochen, wenn ich mal wieder eine Aufenthaltserlaubnis einholte.
Mittlerweile habe ich einen deutschen Pass. Soviel zum Thema: Institutionellen und strukturellen Rassismus gibt es nicht. Leider können auch das wieder nur diejenigen behaupten, die nie damit konfrontiert wurden. Es gibt ihn.
„Zurück in den Urwald!“
Wie der Passant, der mich auf der Straße in der Kölner Südstadt in Hitlers Gaskammer „vergasen“ wollte. Und dann war da noch das gut situierte Pärchen, das mich beim Anrempeln auf die Straße schubste, so dass ich fast vor ein Auto gefallen wäre. Sie waren der Meinung, „ich sollte wieder zurück in den Urwald gehen, wo ich hingehöre“, hier in Deutschland sei kein Platz für mich. Ganz zu schweigen von den Affengeräuschen, die ich während meiner professionellen Fußball-Laufbahn auch zu hören bekam.
Meine Geschichten zum Thema Rassismus in Deutschland aus eigener Erfahrung sind unendlich, weil ich sie noch immer tagtäglich erlebe . Dabei hatte ich als Kind immer die Hoffnung, wenn du später mal älter bist, eine eigene Familie hast, dann wird sich das alles beruhigt haben. Heute macht es mich traurig, noch immer darüber stolpern zu müssen. Hautfarbe stigmatisiert. Ein Prozess, den andere gerne verwenden, um Menschen wie mich in eine Schublade zu sperren.
Die Sprache der Straße
Ob das aufgehört hat? Nein. Es ging etwas ruhiger zu in den 1990er Jahren. Zumindest kam es mir so vor. Die Hosen hingen tief, die Kleidung und die Menschen, die sie trugen, waren bunt. Tupac Shakur vereinte mit seinen Songtexten Menschen unterschiedlicher Herkunft. Die Kölner Bands und wir, die 4 Reeves, meine Geschwister und ich, sangen im Kollektiv vor 100.000 Menschen, die spontan mitdemonstrierten gegen Rassismus.
Die Sprache der Straße bekam ihre ganz individuelle, charakteristische Klangfarbe. Hip-Hop, Dance-Music, House und R’nB, diese Musikstile die den Geschmack einer ganzen jungen Generation vereinten, ließ diese Menschen zu einer Masse verschmelzen. Natürlich gab es ihn nach wie vor, den Alltagsrassismus. Aber die Hoffnung auf ein rücksichtsvolles Miteinander war größer. Was Will Smith meint, um das nochmals aufzugreifen, ist die Wucht der Aufmerksamkeit, die dafür sorgt, dass man endlich richtig hinschaut und zuhört.
In der Sackgasse gelandet
Dass es Nicht-Betroffene gibt, die sich an der Seite derer solidarisieren, die betroffen sind. Jene, die seit Jahren verzweifelt versuchen, darauf aufmerksam zu machen und die häufig in einer Sackgasse enden, weil ihr Gegenüber nicht nachvollziehen kann, was es bedeutet, wenn man aufgrund äußerer Merkmale wie der Hautfarbe immer sofort kategorisiert wird.
Begriffe wie Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Hasskriminalität, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile, Sexismus müssen klar definiert werden.Denn auch eine unpräzise Sprache trägt letztlich zur Verharmlosung bei. Zu der Ahnungslosigkeit, die mir entgegenschlägt, wenn ich mir wieder mal anhören muss: „Was willst Du denn, Shary? DIr geht es doch gut in Deutschland.“
Weg mit dem „Negerkuss“
Die USA mögen eine andere Geschichte im Umgang mit Rassismus haben als die Deutschen. Am Ende eint uns jedoch die Tatsache, dass Rassismus weltweit ein systemisches Konstrukt ist. Eine Inszenierung, die auf der Basis der Sklaverei und des Kolonialismus beruht. Das wiederum ist die Geschichte vieler ehemaliger oder gefühlt immer noch aktiver Kolonialmächte, die wichtige historische Theme totschweigen oder vor allem im Schulunterricht als Randthema betrachten, die ein Teil unserer Menschheitsgeschichte sind. Das und so vieles, was im Alltag so selbstverständlich wie der ‚Negerkuss‘ ist, muss sich ändern, wenn ein Miteinander auf gleichberechtigter Basis möglich sein soll.
Ich bin stolz auf die vielen, vornehmlich jungen Menschen, die auf dem gesamten Globus solidarisch für ein gleichberechtigtes Miteinander demonstrieren. Und ein bisschen habe ich dann wieder die Hoffnung, ihn doch noch miterleben zu können, den Moment, an dem die Hautfarbe, die Religion oder das Geschlecht keine Rolle mehr spielen. Wenn wir uns eines Tages darauf besinnen können, dass hinter dem Begriff ‚Mensch‘ eine Gesellschaft steht, deren Miteinander immer abhängig ist von der Wertschätzung eines jeden einzelnen, der diese Gemeinschaft ausmacht, dann wäre ein nächster großer wichtiger Schritt gemacht und die Shary sehr sehr happy.