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Brandmal der Gesellschaft: Demonstranten rollen die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston ins Hafenbecken/ dpa

„Black Lives Matter"-Proteste in Großbritannien - „Die Regierung tut so, als ginge uns das nichts an“

In Bristol sah die Polizei tatenlos zu, wie Demonstranten die Statue eines bekannten Sklavenhändlers stürzten. Das Vereinigte Königreich hat seine eigene Geschichte mit dem Rassismus nie aufgearbeitet. Das rächt sich nun bei den „Black Lives Matter"-Protesten.

Tessa Szyszkowitz

Autoreninfo

Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Bevor die Sklaven der Royal African Company auf Schiffe verladen wurden, brannte man ihnen, auch den Frauen und Kindern, das Firmenkürzel RAC auf die Brust. Zwischen 1680 und 1692 wurden 84.000 Sklaven aus Westafrika in die Karibik und nach Amerika verschifft. Ein Viertel starb auf der Überfahrt an den unmenschlichen Bedingungen. Einer der wichtigsten Geschäftsleute in der Royal African Company in diesen Jahren war ein Mann namens Edward Colston.

Gute dreihundert Jahre nach seinem Ableben ist der Name des Sklaventreibers wieder in aller Munde. Am Sonntag abend wurde seine Statue von anti-rassistischen Demonstranten vom Podest gestürzt, durch das Stadtzentrum von Bristol gerollt und im Hafen ins Wasser geworfen. Die Stadtväter von Bristol hatten Edward Colston 1895 ein Denkmal gesetzt, weil er auch eine philanthropische Seite hatte und mit seinem im Sklaven- und Zuckerhandel erwirtschafteten Vermögen viel Gutes getan hat. Er hat Schulen, Kirchen und Krankenhäuser in Bristol gesponsert. 

„I can't breathe“

„Ich kann den entstandenen Schaden nicht entschuldigen. Und die Massenproteste ohne soziale Distanz sind gefährlich für eine zweite Welle von Covid-19“, sagt Marvin Rees, Bürgermeister von Bristol, am Montag in einem Interview. Im speziellen Fall der gestürzten Statue zeigt Rees allerdings Verständnis für den politischen Hintergrund des Vandalismus: „Ich stamme selbst aus Jamaica, und ich kann nicht so tun, als wäre diese Statue für mich nicht ein Affront gewesen.“

Seit Tagen kommt es in Großbritannien zu heftigen Straßenprotesten, die von den „Black Lives Matter”-Demonstrationen in den Vereinigten Staaten inspiriert wurden. Diese brachen aus, nachdem George Floyd am 25. Mai in Minnesota von einem weißen Polizisten getötet worden war. Seine letzten Worte „I can’t breathe“ – „Ich bekomme keine Luft“– die auf einem fast neun Minuten langen Video festgehalten wurden, sind zum Protestruf der antirassistischen Demonstrationen weltweit geworden. Im Vereinigten Königreich sind rassistische Vorfälle bei polizeilichen Amtshandlungen ebenfalls keine Seltenheit. 

Großbritanniens Beitrag zum Sklavenhandel

Die Briten haben sich im Unterschied von den Amerikanern nie direkt mit dem Rassismus in ihrer Gesellschaft auseinandergesetzt. Dabei hat das Britische Empire vom Sklavenhandel enorm profitiert.

Es gab im 17. Jahrhundert ein lukratives Dreieckssystem: In Afrika luden britische Sklavenhändler ihre Schiffe mit menschlicher Fracht voll, in der Karibik und in Amerika wurde sie verkauft und die Schiffe mit Produkten aus den Plantagen wie Zucker und Rum aufgefüllt. Die Fracht wurde in England zu Gewinn gemacht. In Britannien selbst gab es nie Sklavenplantagen. Deshalb konnte man später leichter so tun, als hätte man sich am schändlichen Menschenhandel nur peripher beteiligt. 

Die Regierung ignoriert den Rassismus

„Bis heute tut die Regierung so, als ginge uns das alles nicht an“, sagt David Lammy, Schatten-Justizminister der Labour-Party: „Das ist pure Ignoranz.“ Tatsächlich hatte etwa Gesundheitsminister Matt Hancock in Interviews am Sonntag noch gesagt: „Dankenswerter Weise sind die Demonstrationen hier im Vereinigten Königreich bloß eine Antwort auf die Ereignisse in Amerika.“ Innenministerin Priti Patel, die in der konservativen britischen Regierung als Hardlinerin gilt, meldete sich ebenfalls zu Wort. Der Sturz der Colston-Statue sei „absolut schändlich“ und „purer Vandalismus komplett unakzeptabel.“

Nachdem tausende Demonstranten seit Tagen mehrheitlich friedlich – und teilweise auch sozial distanziert im Hyde Park – demonstriert hatten, kam es vor Downing Street und am Parlamentsplatz am Wochenende zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. 27 Polizisten wurden verletzt, einige Ruhestörer wurden verhaftet. Die Statue von Winston Churchill wurde beschmiert. „Ich bin sehr traurig darüber, dass eine Minderheit gestern gegenüber der Polizei gewalttätig geworden ist“, sagte Polizeichefin Cressida Dick.

Polizisten ließen den Denkmalsturz zu

Die britische Polizei hat sich seit Tagen ganz offensichtlich zurückgehalten und versucht, die Wut der Demonstranten nicht noch anzuheizen. Auffallend war dies auch am Sonntag Abend in Bristol, als die Polizei nicht eingriff, während Colstons Statue gestürzt und entsorgt wurde. Als die mehrheitlich weißen Aktivisten die Statue durch die Innenstadt zum Hafen rollten, sahen die ebenfalls mehrheitlich weißen Polizisten zu.

„Es war richtig, nicht einzugreifen, ich bereue es nicht“, meinte Superintendent Andy Bennett von der Polizei von Avon und Somerset am Montag Vormittag: “Diese Statue hat in der schwarzen Gemeinschaft ziemlich viel Kummer ausgelöst.”

Petition zur Entfernung der Statue 

Der Ruf, sich kritisch mit der Vergangenheit verschiedener englischer Philanthropen auseinanderzusetzen, wird seit Jahren im Vereinigten Königreich lauter. Vor einem College in Oxford steht nach wie vor die Statue von Cecil Rhodes, der wie Colston von Sklavenarbeit profitiert und einen Teil seines Profits später dem College spendete. Oxford hat sich geweigert, die Statue zu entfernen. 

Eine Petition für die Entfernung von Colstons Statue hatte bereits 11.000 Unterschriften gesammelt. Passiert aber war nichts. Die Konzerthalle in Bristol, die seinen Namen trägt, wird demnächst allerdings umbenannt. Was für die einen politischer Aktivismus im Namen von Menschenrechten ist, gefährdet für andere Ruhe und Ordnung. Labour-Chef Keir Starmer klärte diese Frage für sich am Montag so: „Die Statue hätte längst entfernt werden sollen. Sie zu stürzen war allerdings nicht richtig.” 

Das Covid-19-Virus fordert täglich 300 Tote

Für den britischen Premierminister Boris Johnson ist die Rassismus-Debatte nur eine Sorge mehr auf seiner ohne gut gefüllten Agenda. Die Bekämpfung des Coronavirus verläuft nach wie vor chaotisch. Ab heute gilt für Einreisende in der UK eine zweiwöchige Quarantäne, eine Maßnahme, die vor drei Monaten vielleicht wirksamer gewesen wäre, als man niemanden getestet hat.

Es sterben immer noch täglich bis zu 300 Menschen an Covid-19 im Vereinigten Königreich, 40.000 Tote hat das Virus bereits gekostet. Daneben gehen die Brexitverhandlungen über die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und UK in eine entscheidende Runde. In Brüssel wird ein hartes Ende ohne Abkommen befürchtet.

Sind die Demos zu Schlägereien „verkommen“? 

Auch in Sachen Rassimus kann Boris Johnson keine Erfolgsbilanz vorweisen. Er selbst wurde mehrfach für mangelnde Sensibilität in Fragen Kolonialismus und Rassismus kritisiert – eine Eigenschaft, die in der englischen Upperclass öfters anzutreffen ist. Bei einem Besuch als Außenminister 2017 in Myanmar geriet er in die Schlagzeilen, als er in einer Pagode ein kolonialistisches Gedicht des englischen Schriftstellers Rudyard Kipling zitierte: „Komm zurück, du englischer Soldat!“ Der britische Botschafter stoppte ihn damals vor laufender Kamera mit den Worten: „Das ist unangebracht.“

Zum Sturz von Edward Colstons Statue in Bristol und den gewalttätigen Ausschreitungen vor seinem Regierungssitz in London versuchte Boris Johnson jetzt staatsmännisch zu klingen: „Die Leute haben das Recht friedlich zu demonstrieren, aber nicht die Polizei anzugreifen.” Und dann setzte der Premierminister hinzu: „Die Demonstrationen sind zu Schlägereien verkommen.“ Ob das die Gemüter beruhigt, wird sich in den kommenden Tagen auf Englands Straßen zeigen.

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Sandra Richter | Mo., 8. Juni 2020 - 15:10

Interessant ist, dass es vor allem Weisse sind, die mit gewalttätigen Aktionen gegen Menschen und Sachen auffallen, so auch hier bei der Zerstörung der Statue. Das zeigt, dass es hier nicht wirklich um Rassismus geht, sondern dass der Tod von Georg Floyd nur als Vorwand dient, um eine linksradikale politische Agenda voranzutreiben.

wie schwer sich hier manche mit der Verurteilung von Rassismus tun. Ähnliche Verleugnungsreflexe beobachtet man regelmässig bei Beiträgen zum rechten Extremismus. Dabei gibt man sich doch so gerne demokatisch-konservativ, neuerdings gar besorgt um unsere freiheitlichen Grundrechte
Sofort, ja reflexartig keilt man dann lieber auf die Linken ein.
Entlarvend.

Rolf Rattay | Mo., 8. Juni 2020 - 23:42

Antwort auf von Gerhard Lenz

Wer hat denn wohl in unserem Land die Deutungshoheit?
Das sollte doch kein Geheimnis sein.
Die Protestkultur kann man doch wohl statistisch klar verorten wo die politisch steht!!

Gerhard Lenz | Di., 9. Juni 2020 - 11:50

Antwort auf von Rolf Rattay

..mit dem Protest gegen Rassismus zu tun?

Ist, wer gegen Rassismus protestiert, also automatisch ein Linksextremist? So wie angeblich jeder, der rechten Extremismus ablehnt?

Ich neige dazu, vorsichtig ausgedrückt, eine solche Abbildung der Realität als "schlicht" zu bezeichnen...

Das ist mir bei dem Bild auch aufgefallen. Wird das nicht als "kulturelle Aneignung" heutzutage abgelehnt? Wo ist der tatsächliche Protest der Schwarzen? Oder haben die keine Zeit für so etwas, weil sie arbeiten müssen.

Brigitte Miller | Mo., 8. Juni 2020 - 15:15

"Über 17 Millionen Menschen habe Afrika in den letzten dreizehnhundert Jahren an araboislamische Sklavenhändler verloren, und dabei sei die noch weit größere Zahl derer nicht mitgerechnet, die bei der Versklavung ganzer Dörfer umgebracht wurden. Aus wenn "sich Horror und Grausamkeit weder differenzieren noch monopolisieren lassen", könne man doch sagen; "dass der von den erbarmungslosen arabomuslimischen Räubern betriebene Sklavenhandel und der von ihnen geführte Dschihad weitaus verheerender für Schwarzafrika war als der transatlantische Sklavenhandel.""Fast zehn Jahrhunderte lang, vom 7. bis 16. Jahrhundert, besaßen sie sogar das Monopol auf diesen schmählichen Handel". Der fiel, so wie seinerzeit hunderttausende europäischer Seeleute, zunächst in die Hand eines türkischen Korsaren aus dem nordafrikanischen Salé und wurde zu dessen Haussklaven. "Der verschleiert Völkermord" Tidiane N'Diaye
Keine Relativierung des transatlantischen Sklavenhandels, nur eine Erinnerung an die Fakten.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 8. Juni 2020 - 15:53

man hat sich eben doch in der englischen Gesellschaft sowohl mit der Kolonialzeit, als auch mit dem Sklavenhandel und in England existierendem Rassismus auseinandergesetzt.
Wunderbare und etwas entspanntere Einblicke, weil gespielt, geben Filme wie "Amazing Grace" British-American 2006 oder die wunderbaren Serien wie "Der junge Inspektor Morse" und Folgende, sowie "Georg Gently" "Vera ..."und sicher viele mehr.
Die Öffnung Britanniens für die Einwohner ehemaliger Kolonien, überhaupt das Commonwealth zeigen ausreichend Anlässe, jetzt KEINE RIOTS zu veranstalten.
Im Moment würde ich vieles ohnehin auf den durch die Pandemie erzeugten psycho-sozialen Druck zurückführen.
Ich finde, kein Anlass, alte Rechnungen zu begleichen, sondern verständig mit noch vorhandenen Problemen umzugehen bzw. in Demonstrationen Solidarität zu bekunden.
In Deutschland geht es auch um die zukünftige Entwicklung.
Macht die Parlamente wieder auf, desinfiziert, aber voll einsatzfähig.
Wurde das schon gemacht?

Karl Kuhn | Mo., 8. Juni 2020 - 17:40

"Die Briten haben sich im Unterschied von den Amerikanern nie direkt mit dem Rassismus in ihrer Gesellschaft auseinandergesetzt. Dabei hat das Britische Empire vom Sklavenhandel enorm profitiert."

Ach nööö, is klar ... und zu diesem Zweck der Verschleierung der eigenen Rolle hat das perfide Albion den Sklavenhandel zu Anfang des 19. Jahrhunderts verboten und Jagd auf Sklavenhändlerschiffe aller noch beteiligten Nationen vor Westafrika gemacht. Da sind einigen westafrikanischen Königreichen ganz schön die Einnahmequellen versiegt! Aber was interessieren uns schon historische Fakten, wenn es um modernes Virtue signalling geht?

Bernd Muhlack | Mo., 8. Juni 2020 - 17:41

Ich erwähne ja des Öfteren unsere Tochter. Sie lebt seit 2010 in UK, direkt nach dem Abi Abflug.
"Spread your little wings and fly away, far away!"
QUEEN.
Masterstudium im wunderschönen Edinburgh und seit Mitte 2017 ein absolut toller Job in London.
Sie ist (natürlich) weiterhin Deutsche, also eine "Kraut"; das ist jedoch so gut wie unproblematisch.

Natürlich gebe es Rassismus, das sei allerdings überall so, isn´t it?
Andererseits müsse man sehr gut aufpassen, wo man sich aufhalte, gar wohne.
Die NoGoAreas entsprächen locker einer Fläche einer deutschen Großstadt; rechtsfreie Räume.
Hier herrschen Clans, Strukturen unterschiedlichster Kultur.

"Kampf gegen Rassismus?"
Welch geflügeltes Wort, welch edler Gedanke, Anspruch!

"Was zählt ist auffem Platz!" lautet ein Fußballerspruch.
Rassismus, Toleranz, Akzeptanz ist keine Einbahnstraße, One Way!

Es ist in UK wie überall: es gibt "Gute Ausländer" und "Schlechte Ausländer".
Und das wird sich niemals ändern!

..and God save the Queen!

wie selbstverständlich überall, können Sie die gleiche Unterscheidung auch bei den Einheimischen machen - there are good and bad ones! Meistens sehr freundlich, aber manchmal nationalistisch und gar offen rassistisch! Rule Britannia! In England (ausserhalb Londons) weit mehr als in Schottland. Da müssen Sie durchaus schon mal aufpassen, in welches Pub Sie gehen.
It's not a question of race or colour..

Clara Schwarze | Mo., 8. Juni 2020 - 17:49

Ich muss mich hier auch einreihen mit einer Kritik. Bei aller Berechtigung über das Entsetzung von dem Tod von George Floyd hat man hier zunehmend eher den Eindruck, es geht um eine etwas dubiose linke Agenda, die ich auch doch teilweise merkwürdig finde.
Allzu massiv wird die gesamte Gesellschaft und alle Weißen angegriffen und man hat auch den Eindruck, dass teilweise regelrecht mit ethnischen Konflikten gezündelt wird. So berechtigt vieles ist - man muss auch aufpassen, nicht "schwarz" und "weiß" jetzt erst recht gegeneinander aufzustellen, denn solche Konflikte kriegt man schwer wieder eingefangen und wozu sie jetzt genau dienen sollen, außer linke Agenda, sehe ich auch nicht so recht.

Markus Michaelis | Mo., 8. Juni 2020 - 20:27

Die Statue eines Sklavenhändlers ins Wasser zu schmeißen finde ich eine angebrachte politische Aktion. Die Würdigung der philanthropischen Seite kann es auch sein - nur nicht hier. Politik ist ambivalent, Geschichte noch mehr.

Schwieriger finde ich die Frage, wer heute was aufarbeiten muss. In unserer früheren Gesellschaftauffassung, die sich über Kinder und eine kontinuierliche Geschichte definiert, scheint das klar. Nach X Generationen ist das aber eine Frage. Nochmehr aber, weil wir am Beginn von Gesellschaften stehen, die sich nicht mehr so definieren? Der Bürgermeister von Bristol stammt selbst aus Jamaika. Ist das dann ein symbolischer letzter Schritt zu einer neuen Gesellschaft, solange man die alten Zuordnungen noch als Halt hat?

Welche Gräuel der Vergangenheit zwischen welchen Gruppen sind ebenso aufzuarbeiten - welche nicht? Ist Macht heute der Punkt? Wer sind die Machtgruppen? Die Aktionen sind gut - der Rahmen wäre mir gerne klarer.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 8. Juni 2020 - 21:14

Das Sie, wie so oft, alles nur negativ beschreiben was in GB passiert überrascht mich nicht. Die Gewalttäter in GB, die das Denkmal stürzten sind britische Berufschaoten, hier heißen sie ANTIFA.
Wer sind wir eigentlich, das wir mit den heutigen moralischen Maßstäben das Handeln von Menschen und Gesellschaft von damals glauben mit aktuellen Gewalttaten zum Konfliktfeld der Gegenwart zu machen. Man muss kein großer Menschenfreund sein, um zu erkennen, dass die Sklaverei natürlich unmenschlich und widerlich aus heutiger Sicht war. Warum sollten die Briten mehrere Jahrhunderte zurückliegende geschichtliche Abläufe heute zum Gegenstand von Gewaltprotesten machen und da etwas "aufarbeiten". Die Zeit war damals so. Wollen wir noch nach den Nachfahren von Sklavenhaltern forschen lassen und diese heute zur Verantwortung ziehen. Der Tod von dem Kriminellen in den USA ist tragisch, möglicherweise rassistisch gewesen und bedarf gerichtlicher Überprüfung. Nur Zerstörung ist eben auch Gewalt, oder?

gabriele bondzio | Di., 9. Juni 2020 - 07:51

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

das wir mit den heutigen moralischen Maßstäben..." genauso sehe ich es auch, werter Konrad!
Dieser Aktionismus ist vorwiegend gedacht anderen Menschen Angst zu machen, eigene Agressionen auszuleben.

christoph ernst | Mo., 8. Juni 2020 - 22:58

gab es früher und länger als westeuropäische - und es waren die Briten, die in den 1960ern die Sklaverei in Jemen abschafften. Gibt es in arabischen Ländern "black lives matter" Demos, Selbstkasteiungen - etwa in Sansibar, Riad, Kairo oder Bagdad? Klar haben die Briten allen Grund sich zu schämen - aber wie viele von den wütenden weißen Demonstranten wissen, dass über 1200 Jahre lang nicht nur aus Ostafrika zahllose Schwarze in die islamische Sklaverei verschleppt wurden, sondern auch Millionen junger Christen aus dem Osten Europas? In ganzen Zahlen waren das vermutlich sogar mehr als je von weißen Sklavenhändlern über den Atlantik geschafft wurden. Das gehört AUCH zur Geschichte und zum Selbstverständnis der Europäer - denn das passierte zeitgleich - aber bizarrerweise wird der Teil, bei dem die Europäer ähnliche Opfer wie Schwarzafrikaner waren, komplett ausgeblendet. Das verrät uns nicht nur eine Menge über unser Selbstbild, sondern auch über historisches "Framing" und "Narrative".

Alexander Mazurek | Di., 9. Juni 2020 - 10:04

... und unsere heutigen Gutmenschen haben eine ganze Menge nicht verarbeitet, z.B. auch die Geschichte der "indentured servants" nicht, die anders als Sklaven, welche gekauft und zum Eigentum wurden, welches die Herrschaften i.d.R. sich auch erhalten wollten, Eigentum verpflichtet ja, durchaus der "Vernichtung durch Arbeit" ausgesetzt waren, neue waren ja umsonst zu haben und ihr Überleben lohnte für die Herrschaften nicht, im Gegenteil. Für eine gute Selbstdarstellung spielt man hat besser die zeitgeistgemäßen Joker aus, wie Rassismus, den wir übrigens den Cousins Darwin und Galton verdanken. Manche ihrer "Erkenntnisse" sind heute wieder trendy, wie z.B. Sterbehilfe ...