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China muss seine Binnennachfrage steigern, um die Exportverluste zu kompensieren / dpa

Der wirtschaftliche Abstieg einer Supermacht - Wer wird Chinas Platz einnehmen?

Die Covid 19-Krise hat dazu geführt, dass China mit der Produktion auch die Exportmärkte weggebrochen sind. Seine Handelspartner versuchen sich jetzt unabhängig zu machen von Billigprodukten made in China. Dabei gibt es ein Land, das China beerben könnte.

Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

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Diese Kolumne erscheint regelmäßig auf cicero.de in Kooperation mit der Denkfabrik Geopolitical Futures.

Die Beziehungen zwischen den USA und China sind seit langem im Niedergang begriffen. Die Vereinigten Staaten hatten China jahrelang einen relativ freien Zugang zum amerikanischen Markt gewährt. Sie wollten einen gleichwertigen Zugang zum chinesischen Markt, aber China war nicht in der Lage, diesen zu gewähren.

Seine industrielle Basis produzierte mehr Produkte, als das chinesische Volk konsumieren konnte, was die Menge, den Preis und die Art der hergestellten Produkte betraf. China war gezwungen, Produkte zu exportieren, weil es seine industrielle Basis und damit seine Wirtschaft und sein Finanzsystem nur durch den Export aufrechterhalten konnte.

Warum China US-Zölle einführen musste

Hätte man den Vereinigten Staaten einen breiten Zugang zum chinesischen Markt gewährt, der auf der Finanzordnung der chinesischen Exporte in die Vereinigten Staaten beruhte, hätte dies die finanziellen Grundlagen des chinesischen Systems untergraben – eines Systems, das die Schaffung der chinesischen Industries in hohem Maße finanziert hatte und zum Ausgleich sowohl vom Inlandsverbrauch als auch von den Auslandsverkäufen abhing.

Chinas Finanzsystem stand schon vor dem Jahr 2008 unter Druck. Daher konnten die Chinesen den USA keine gleichwertigen Handelsrechte einräumen, was zur Einführung von US-Zöllen führte. Die Chinesen waren wegen der finanziellen Folgen nicht in der Lage, den amerikanischen Forderungen zuzustimmen, und die Vereinigten Staaten waren aufgrund der sozialen Realitäten innerhalb der USA nicht in der Lage, die Zölle zu senken.

Die Ursprünge der industriellen Revolution 

Viele Industriezweige profitierten stark von den niedrigeren Produktionskosten und dem selektiv erlaubten Zugang zum chinesischen Markt, obwohl die chinesischen Importe einige amerikanische Industrien zerstört hatten. Sie repräsentierten jeweils unterschiedliche soziale Gruppen und provozierten Spannungen in der amerikanischen Wirtschaft.

Dies war keine neue Geschichte in der Geschichte des Kapitalismus. Von etwa 1890 bis in die späten 1920er Jahre waren es die Vereinigten Staaten, die den Platz Chinas einnahmen. Ende des 19. Jahrhunderts leiteten die Vereinigten Staaten eine industrielle Revolution ein, die vom Zugang zu ausländischen Märkten abhing, da der inländische Verbrauch nicht in der Lage war, die industrielle Basis zu stützen.

Der Kapitalismus braucht keine effizienten Hersteller 

Billige US-Waren überschwemmten Europa, bis der Erste Weltkrieg den Markt für die USA zerstörte. Die USA versuchten weiterhin, die Exporte anzukurbeln, aber auch die Importe zu begrenzen. Letztendlich führte der Zusammenbruch der weltweiten Nachfrage nach amerikanischen Waren zu lebenswichtigen Importen aus dem Ausland. Er war eine bedeutende Kraft, die die USA in die Depression trieb.

Die Geschichte Chinas ist eine Geschichte der sozialen Spannungen. Der globale Kapitalismus, der auf einer globalen Versorgungskette aufbaut, benötigt keinen effizienten, kostengünstigen Hersteller von Produkten. Der Name dafür lautet jetzt „Supply Chain“. Die US-amerikanische Lieferkette ist für das Funktionieren eines großen Teils der globalen Lieferkette von entscheidender Bedeutung. Dasselbe gilt für China. Der Erste Weltkrieg schränkte die Importe ein und traf den amerikanischen Teil der Lieferkette.

 Wie das Covid-19-Virus Chinas Wirtschaft schädigte

Dasselbe ist China als Folge der COVID-19-Krise passiert. Der Schaden für die betroffenen Volkswirtschaften führte in den meisten Ländern zu einem Nachfragerückgang, was China in eine schwierige Lage brachte.

Aber es gab noch eine andere Dimension. Die gestiegene Nachfrage nach einigen Produkten wie etwa Pharmazeutika, konnte nicht gedeckt werden. Das Virus hatte auch China getroffen, und die eigene interne Versorgungskette war unterbrochen oder auf den chinesischen Bedarf umgelenkt worden. Als der Verlust der Exportmärkte die chinesische Wirtschaft ins Wanken brachte, wurde sie auch von der Erkenntnis der Importeure getroffen, dass die Abhängigkeit von einem Land für ihre Lieferkette zu riskant war.

China muss die Binnennachfrage ankurbeln

China galt als zuverlässiger Exporteur, eine seiner wichtigsten Tugenden. Aber selbst wenn es Produkte zu niedrigen Kosten anbieten konnte, nutzte es den Importeuren nichts, wenn die von ihnen benötigten Produkte nicht verfügbar waren. Es ist nicht so, dass das Vertrauen in China zwangsläufig erschüttert wird; vielmehr hat das Fehlen von Reserven in der Lieferkette ein Risiko offenbart.

Es stellen sich zwei Fragen. Erstens ist China an die politischen Grenzen einer exportbasierten Wirtschaft gestoßen, mit einer Reihe von Spannungen mit den Vereinigten Staaten und mit großem Misstrauen gegenüber der Robustheit seiner Lieferkette. China muss tun, was die USA nach zwei Jahrzehnten der Depression und des Krieges getan hatten, und eine massive Binnennachfrage schaffen, um seine Wirtschaft voranzutreiben. Da der globale Kapitalismus einen Billiganbieter – oder viele Billiganbieter – bevorzugt, stellt sich jetzt die Frage: Wer wird den Platz Chinas einnehmen?

Kann Indien China ablösen? 

Die naheliegende erste Option ist Indien, ein Land mit einer massiven, vielfältigen und im allgemeinen armen Bevölkerung, das jedoch ein gewisses Maß an Disziplin und Unternehmergeist aufweist, ähnlich wie China anno 1980. Indien befindet sich jedoch nicht in einer Startsituation. Es ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und ist auch bereits ein wichtiger Exporteur. China exportiert Waren im Wert von zwei Billionen Dollar pro Jahr, Indien nur im Wert von 345 Milliarden Dollar.

Die Exporte machen 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Chinas und 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Indiens aus. China hat eine Bevölkerung von etwa 1,4 Milliarden Menschen, was in etwa der Bevölkerung Indiens entspricht. Es hat eine große, verfügbare Arbeitskraft. Noch wichtiger ist, dass Indien eine Nation ist, die weit weniger von Exporten abhängig ist, um ihre Wirtschaft voranzutreiben, und dennoch ist sie immer noch arm. Das Hauptmerkmal des Entwicklungsmodells der USA und Chinas ist die Tatsache, dass die Arbeitskräfte besser bezahlt werden. 

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Tomas Poth | So., 7. Juni 2020 - 13:09

Wer Chinas Platz Einehmen wird?
Bei einer zivilen Krise, wie jetzt mit Covid-19, wäre das ziemlich egal wo die globale Lieferkette zuerst bricht, ob China, Indien oder gar Afrika!
Die Unternehmen werden alle überprüfen müssen, wie sie zukünftig mit dieser neuen Erfahrung die Herstellung und den Verkauf ihrer Produkte sicher stellen, bzw. den wirtschaftlichen Einbruch minimieren können.
Also das Risiko auf verschiedene Lieferquellen und Produktionsstandorte streuen?
Bei solch einer Streuung erhöhen sich die Stückkosten mit entsprechender Auswirkung auf den Produktpreis und die Wettbewerbsfähigkeit.
Es gibt also alles zu überdenken und viel zu tun.

Marianne Bernstein | So., 7. Juni 2020 - 14:37

Nach wie vor leben ca. 50% der Chinesen in eher ärmlichen Verhältnissen und träumen von einem besseren Leben, dass ihnen die Industrialisierung bringen wird.
Indien war vor 30 Jahren vielleicht sogar in einer besseren Position als China. Aber China hat etwas aus sich gemacht und Indien nicht. Indien wird den Platz Chinas nur dann einnehmen können, wenn es mit der Tradition der Kastensystem bricht und allen Entwicklungschancen gibt. Billige Arbeitskräfte hat es genügend, ob daraus aber eine Entwicklung des Landes selbst folgt ist mehr als fraglich.

Erstens kann man China und Indien nun wirklich nicht vergleichen. sowohl vom System her, als auch von Infrastruktur und Durchscnittseinkommen. Da es heutzutage schon, aber spätestens in der nahen Zukunft keine "dummen" Jobs mehr gibt, hat die Quantität der Arbeitnehmer keinerlei Aussagekraft. Und die Qualität in der Breite . . . .. na ja ??!! Ökologische Bewußtsein einesteils und Rückführung von Produktion in den Westen andernteils wird China (dessen Löhne längst nicht mehr sooo niedrig sind) aber vor allem Indien ganz neu alles durchdenken lassen müssen.

Robert Müller | Mo., 8. Juni 2020 - 09:05

Antwort auf von Peter Silie

Warum sollte es die nicht mehr geben? Vielleicht beim Export, in der Dienstleistung sicher schon. Da Dienstleistung etwa 2/3 aller Jobs sind, haben einfache Jobs mit Sicherheit eine Zukunft. Ein anderer Punkt ist, dass es aus kapitalistische Logik eine Tendenz zur Vereinfachung von Jobs gibt. Der Grund zur Digitalisierung ist z. B. genau hier zu sehen, da Wissen aus den Köpfen in die Software verschoben wird.

Das Kastensystem ist offiziell n. m. K. abgeschafft. Es hält sich aber hartnäckiger als Corona und ist meiner Meinung nach das größte Hindernis für die Entwicklung Indiens - neben der grenzenlosen Frauenverachtung. Unsere Kambodschareise wurde von perfekt Deutsch sprechenden Inderinnen begleitet. Die hatten uns sofort in eine Whatsapp-Gruppe gepackt und die kleinste Unannehmlichkeit für uns geregelt. Mich hat das sehr beeindruckt. Aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel.

Alexander Mazurek | So., 7. Juni 2020 - 15:31

... leben länger.

Robert Müller | Mo., 8. Juni 2020 - 04:16

Antwort auf von Alexander Mazurek

Das China abgelöst wird, dürfte Wunschdenken der US- Amerikaner sein.

Klaus Funke | So., 7. Juni 2020 - 17:59

Ach lieber Herr Friedman, was Sie da schreiben, das ist wie Pfeifen im Walde. China ist weder am Ende noch gibt es eine Ablösung. Und wenn, schon gar nicht durch Indien. Erstmal wird China, trotz Corona, (totale Übertreibung!!!) den USA den Rang ablaufen. Dass Regenerationspotenzial der Chinesen ist riesig. Man soll AH nicht zitieren, ich weiß, trotzdem hat er mit seiner VIsion von der "Gelben Gefahr" eine Tatsache beschrieben, die tatsächlich Realität wird, natürlich anders als dies der Herr Schnauzbärtel vorhersehen konnte. DIe Geschichte der Menschheit kennt sozusagen "wandernde" Weltzentren der Wirtchaft und Kultur: Mesopotamien - Ägypten - Griechenland - Rom - Europa mit wechselnden Akteuren - Nordamerika usw. Aber immer und beinahe unbemerkt hat China eine Rolle gespielt, eine ungeheure Kulturnation. Indien ist zu zersplittert und nicht geeint, da wird nix. Irgendwann wird auch Afrika eine Rolle spielen, aber erst dann, wenn Europa und die USA herunter sind wie das Alte Rom...

Ich habe vor etlichen Jahren mal ein Buch über Nostradamus gelesen. Komischerweise hatte auch der den "Untergang" des Abendlandes mit einer "Invasion" der sog. "gelben Gefahr" begründet. Ob es AH dort her hat, weiß ich nicht, aber doch sehr wahrscheinlich. Er war ja den okkulten Dingen nicht abgeneigt.
Ich habe ein ganz anderes Problem. China hin und USA her. Welche Lehren zieht DE aus dem ganzen Desaster? Wollen die Lernen? Wollen die Selbstreflektion? Können Sie überhaupt lernen? Fragen sie alle und nicht wieder ausgesuchte "Experten".
Ich habe in den letzten Jahren so viele Dinge gelesen, wonach der oder die "untergehen" und doch sind die allermeisten noch da, schalten und walten, so sie der biologische Abgang nicht ereilt hat.
Ich bleibe Optimist. Die Welt wird nicht untergehen und China auch nicht. Ich wollte, ich könnte das auch für DE sagen. Kommt mir derzeit nicht über die Lippen. Traurig, aber wahr. Ich traue den deutschen Politikern alles zu,vor allem ihre Selbstversorgung.

Christoph Kuhlmann | Mo., 8. Juni 2020 - 13:44

und zwar dreimal so schnell wie die Exporte. Insofern bleibt abzuwarten wer besser aus der Krise kommt. Was ich nicht verstehe, ist dass trotz der gigantischen Fehlallokation von Ressourcen in China mittelfristig kein Ende des Booms abzusehen ist. Es werden sicherlich neue Anbieter von billigen Arbeitskräften auf dem Weltmarkt auftauchen. Entscheidend dürften dürften dabei Faktoren wie soziale Unruhen und korrupte Bürokratien sein. An der Lösung dieser Probleme arbeitet auch die KP-Chinas.

Wolfgang Schuckmann | Mo., 15. Juni 2020 - 00:26

So weit mir bekannt ist, ist China eine uralte Kulturnation. Konfuzius war einer der Aufklärer dieser Nation. China hat seine Kaiser überlebt, das Elend im Laufe seiner Geschichte in den Griff bekommen. Ist ein moderner Industriestaat, der in der Lage ist z.B. in ca. 2 (!) Wochen ein komplettes Krankenhaus entstehen zu lassen und China wird die ganzen Faxen, die da von den Interessierten gemacht werden, glänzend überstehen. Über China mache ich mir gar keine Sorgen.
Im Gegensatz zu Deutschland, da mache ich mir schwere Sorgen. Besonders im Hinblick auf sein Bildungsniveau. Das wird ihm nämlich noch sehr weh tun. Und leid außerdem. Ob die Unverantwortlichen darüber auch schon mal nachgedacht haben?