Noch gilt die Wahrung von 1,5 Metern Abstand als das elfte Gebot der Post-Corona-Welt / dpa

Corona-Beschränkungen - Raus aus der Lockerungsspirale!

Die Aufregung über die fast schüchterne Lockerungsrhetorik von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zeigt: Die Gesellschaft braucht eine Exit-Strategie aus der Angststarre. Die Politik muss die Verantwortung wieder in die Hände des Individuums legen.

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Seit Wochen ist das Land auf Lockerungskurs. Tagtäglich werden Verbote und Beschränkungen diskutiert, infrage gestellt und zum Teil auch kassiert. Doch je mehr Lockerungen beschlossen werden, desto verkrampfter schaut die Gesellschaft auf deren Auswirkungen – ganz so, als seien die Lockerungen nicht Ausdruck eines gesunkenen Risikos, sondern unvermeidliche Quellen neuen Unheils. Der Lockdown unter den Locken hält sich hartnäckig. Die Gaststätten bekommen dies zu spüren: Ihnen geht nun die Luft aus, denn die Tische bleiben leer und die Menschen daheim.

Eineinhalb Meter sind ein Lichtjahr

Die schrittweisen Aufhebungen der Kontaktbeschränkungen haben einen zwiespältigen Effekt auf das gesellschaftliche Klima: Zum einen wirken sie wie Signale dafür, dass theoretisch alles wieder so werden könnte wie früher und sich die Entscheidungsträger genau darum bemühen. Zum anderen aber wird so der mentale Lockdown zementiert: Die Lockerungslogik basiert darauf, dass der tatsächliche Abschluss der Maßnahmen nicht abzusehen ist. Wer aber immer weiter lockert, ohne jemals den Status zu erreichen, der vor Einführung der Beschränkungen geherrscht hat, der normalisiert den Ausnahmezustand und injiziert ihn als Neo-Normalität ins gesellschaftliche Bewusstsein.
 
Die politische Rhetorik ist dabei überaus heuchlerisch: Sie suggeriert, als sei der einzige nicht verhandelbare Bereich der Beschränkungen – die Abstandsregel – nur ein kleines, fast zu vernachlässigendes Detail, mit dem sich leicht leben ließe. In Wirklichkeit aber ist die Abstandsregel der Todesstoß für unser kulturelles, wirtschaftliches und soziales Leben! Wer tatsächlich glaubt, wir seien nur 1,5 Meter von der Normalität entfernt, der hat diese entweder nie erlebt oder längst abgeschrieben. Nicht nur in der Arbeitswelt, auch in Kunst und Kultur, in Zerstreuung und Genuss ist das Einhalten eines Mindestabstands zwischen Menschen von eineinhalb Metern schlicht nicht umsetzbar, ohne den eigentlichen Kern der jeweiligen Aktivität auszuhöhlen. Fakt ist: Die Abstandsregel hält die Gesellschaft Lichtjahre von dem entfernt, was die Menschen als halbwegs normales, zivilisiertes Leben empfinden.

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Tomas Poth | So., 31. Mai 2020 - 09:37

Ich frage mich immer wieder welches Spiel hier mit Covid-19 getrieben wird, fast weltweit.
Erneut zur Erinnerung, Wintersaison 2017/18 allein in Deutschland ca. 9 Mio. Influenzafälle mit rd. 25.000 Toten.
Durch Medien getriebene Politiker? Alarmismus zum Zwecke der Einübung eines Notstandes? Verrannte politisch, mediale Welle aus der keiner weiß wie man ohne Gesichtsverlust herauskommt?
Das Einzige was klar ist Demokratie, Freiheitsrechte, Selbstverantwortung wurden ausgehebelt .

sich zu fragen, ob es sich nicht um ein Spiel, sondern um traurige Realität handelt? Oder kann nicht sein, was nicht sein darf? Brauchen Sie den Glauben an irgendwelche finsteren Hintergründe?
Dass Grippe gefährlicher als Corona ist, ist ein alter, abgetragener Hut. Selbst in Teilen der AfD ernten Sie für solche Verharmlosungsversuche nur noch Kopfschütteln. Und bei Hygienedemos bleiben zunehmend die Teilnehmer weg. Das wird nix mit dem Aufstand der Massen...

Ist das Ihre Sichtweise, Vergleichsmaßstäbe und Fragen zu den Motiven als finstere Mächte abzutun?
Vielleicht war die Regierung auch nur schlecht beraten und wäre mit anderen beratenden Virologen, Immunologen etc. zu anderen Ergebnissen/Maßnahmen gekommen.
Die Fragen bleiben alle mal und den Toten ist es egal ob sie an/mit Influenza oder Covid-19 verstorben sind.
Die Zeit wird die Antworten bringen.

Es war einmal das Wort "bugsieren" in Gebrauch. Bedeutung: dirigieren, stoßen, ins Schlepptau nehmen, an eineStelle bringen, etc. Das trifft's ja ebenso!

Danke für den Mut machenden Artikel des Autors. Ruhe ist angesagt! Ängste schürende Beispiele von Schwerstkranken bringen uns nicht weiter, so bedauerlich die Einzelschicksale auch sind. Um bei der Seemannssprache des Bugsierens zu bleiben: Wir müssen den Kahn wieder flott kriegen und dürfen uns nicht schon vor einer 2. Welle fürchten. Leider kamen auch im Cicero die ' umstrittenen' Virologen nicht zu Wort. Selbst Drosten versprüht aber nach vielen nicht eingetroffenen Vorhersagen jetzt Zuversicht!

Ich würde eher sagen, dass man die jährliche Influenza-Welle ernster nehmen sollte. Auch für die Alten ist die eine große Gefahr, genau wie Covid-19. Der Lockdown war eine verzweifelte Maßnahme nach den Bildern aus der Lombardei und wie wir jetzt bei den vielen kleinen Ausbrüchen sehen: Die Leute passen nicht auf. Das aktuell ist vergleichbar zu den Karneval und Starkbier Veranstaltungen im Februar, nur das jetzt alle Infizierten und Bekannte in Quarantäne gesteckt werden, damals nicht. Eventuell kann so auch die Influenza im Herbst ausgebremst werden.

Germana Schuff | So., 31. Mai 2020 - 09:53

Danke für diesen Beitrag! Passend zu Pfingsten ein erleuchtender Beitrag, auf dass uns allen ein Licht aufgeht. Freiheit ist wichtiger als Angst. Nur in der Freiheit können wir als "Kinder Gottes" unsere Schöpferkraft entfalten und somit Gottes Auftrag erfüllen.

Urban Will | So., 31. Mai 2020 - 10:01

Herr Heitmann.
Und das „shitstürmchen“ hier im Forum von Seiten derjenigen, die an die Allwissenheit der Obrigkeit ebenso glauben wie sie die von dort jonglierten Maßnahmen dann jeweils für das Allheilmittel halten ist Ihnen gewiss.

Angstdenken und Risikoscheu ersetzen durch Freiheit. Sehr richtig.
Ein wesentlicher Baustein einer funktionierenden Demokratie. Haben wir die noch?
Mich erschreckt es immer wieder, wie aggressiv unterwürfig so Viele so schnell werden konnten, wie wirksam mediales Dauerfeuer ist.

Die Abstandsregel habe auch ich immer für wichtig gehalten und tue es noch, aber wie Sie sagen: es ist die Art und Weise, wie sie „gepflegt“ wird.
In meinem direkten Umfeld gottseidank oft sehr „menschlich“, das gefällt mir.

Eigenverantwortung. Immer und immer wieder zu betonen.

Wenn ich beständig glaube, sie mir von anderen durch Gebote ersetzen zu lassen, mutiere ich zum „Wackeldackel“.
Kein Virus oder sonst irgendetwas sollte uns soweit erniedrigen.

Wir "erniedrigen" uns nicht nur. Wenn ich unsere Mitmenschen beobachte, die selbst im Wald oder sonst in Bereichen, in denen keine Regeln zu beachten sind, die Masken tragen, frage ich mich, warum es in Deutschland so viele Menschen gibt, die sich freiwillig selbst ent-"münd"-igen.

Reinhard Klie | So., 31. Mai 2020 - 10:16

Sehr gut entwickelte Gedanken, die die unselige Logik am Festhalten der verordneten Abstandsregel aufzeigt: die verheerenden Konsequenzen für die Gesellschaft, für das soziale, kulturelle und das ökonomische Leben. Wir werden mit dem Virus (Sterblichkeit in Deutschland wohl weniger als 1 %) leben müssen, was bedeutet, dass jeder Einzelne auf andere Rücksicht nehmen muss, ansonsten aber über sein eigenes Risiko selbst bestimmt. Leider wurde das ursprüngliche Kriterium, wonach für jeden Erkrankten die bestmögliche medizinische Behandlung gewährleistet sein muss, fallen gelassen und durch Ziele ersetzt, die mehr Schaden anrichten als das Virus selbst.

Christa Wallau | So., 31. Mai 2020 - 10:31

Sie haben recht, lieber Herr Heitmann.
Es paßt absolut nicht zu den Freiheiten, die unsere Gesellschaft sonst in allen Bereichen einfordert, daß bei der Gefahr durch das Corona-Virus derart dirigistisch gehandelt wird. Für das Maß der eigenen Gefährdung ist schließlich bei uns längst jeder selber verantwortlich, o b w o h l die sozialen Folgen individuellen Verhaltens (also die Beeinträchtigung anderer) von uns in Kauf genommen werden.
So dulden wir z.B. ein ungezügeltes Sexualleben von frühester Jugend auf u. bezahlen für die daraus resultierenden Abtreibungen, Tausende von ungewollten Kindern, welche die Gesellschaft alimentieren muß, Geschlechtserkrankungen usw.
Ebenso erlauben wir risikoreiche Sportarten u.
Autos, die rasende Geschwindigkeiten ermöglichen, obwohl dadurch andere Menschen permanent gefährdet werden.
Letztlich ist es so, wie Sie schreiben:
Entweder trauen wir den Menschen oder nicht.
Wenn nicht, dann sollten wir über Demokratie
grundsätzlich neu nachdenken.

Maja Schneider | So., 31. Mai 2020 - 18:35

Ihrem Beitrag,lieber Herr Heitmann, möchte ich voll zustimmen. Das eigenständige Denken ist uns schon in der Zeit vor Corona ausgetrieben worden, und jetzt sind die meisten Menschen, beeinflusst von der ständigen politischen und medialen Panikmache so in Angst erstarrt, dass sie in jedem Menschen schon fast einen potenziellen Virus - und damit Gefahrenträger sehen und ihm in vorauseilendem Gehorsam, verkleidet mit einer Maske, in mindestens zwei Metern Entfernung aus dem Wege gehen. Das widerspricht eigentlich dem Verhalten des Menschen, der eher die Nähe anderer sucht, und muss endlich aufhören! Ein Leben ohne Risiken für alle Lebensbereiche wird es nie geben und hat es nie gegeben, und wir müssen uns endlich wieder auf eigenes Denken und eigene Verantwortung besinnen, auch wenn die Politik - aus welchen Gründen auch immer - uns das offensichtlich gern abspricht oder ganz austreiben möchte.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 1. Juni 2020 - 10:11

Das Thema Klima war zu ungenau, nicht ausreichend weltweite Panik zu erzeugen. Das Thema Virus schon. Hat eigentlich jemand schon mal ein Virus gesehen? Grafiken gibt es viele, aber echte Bilder?
Die Politik braucht die Hysterie, die Angst noch, um ihr Ding zu machen. Täglich hört man weiter nur Corona hier und Corona dort, Statistiken, Mutmaßungen, angebliche Durchbrüche bei Erkenntnissen, Medikamenten, Impfstoffen usw. füllen die regierungsfreundlichen Medien, die davon ebenso profitieren.
Politiker generieren ihre Wiederwahl, ihre Kanzlerkandidatur, versuchen so ganz unauffällig politische Themen am Bürger vorbei zu Fakten zu machen. Die angeblichen Lockerungen sind eine Farce. Warum? Die Politik gibt überall nur soweit nach, wie ihnen ihre Maßnahmen gerichtlich bereits kassiert wurden. Söder will Kanzler, er braucht das Virus. Er ist der Mahner, der Warner, der "Größte" Menschheitsretter. Gibt ja genug Virus gläubige, die Schätzungen und Rechenmodelle als Fakten ansehen. Uffpasse.

Gisela Fimiani | Mo., 1. Juni 2020 - 15:05

Vielen Dank, Herr Heitmann, für einen Beitrag, der DEN demokratischen Wert schlechthin zur Sprache bringt: Die Freiheit des Individuums. Die individuelle Gedanken- und Entscheidungsfreiheit selbst, stellt einen letzten Wert dar, der nicht auf materielle Werte zurückgeführt werden kann. Der Respekt vor dem einzelnen und seiner Meinung führt zur Anerkennung der Würde der menschlichen Person. Statt dessen wird eine romantische Kombination von Egoismus und Kollektivismus hysterisch übersteigert und das Kollektiv nimmt den Platz der anderen Individuen ein. Unterwirf dich der Führerschaft und opfere dich für die höhere Sache deines menschlichen Kollektivs. So lautet der Ruf des Zeitgeistes der intellektuellen und moralischen Unredlichkeit. Dieser derzeit „modischen Bewegung“ dürfen keine Konzessionen gemacht werden, denn sie hat eine verheerende und verdummende Wirkung.

Karla Vetter | Mo., 1. Juni 2020 - 19:45

könnte man glauben die Politik brauche dieses Virus um uns in "Schach" zu halten. Nun will ich gar nicht abstreiten, dass eine COVIT -19 Erkrankung auch sehr ernsthaft verlaufen kann, andere Viruserkrankungen aber auch. Oder auch bakteriell Verursachte, wie MRSA- in Deutschland jährlich bis zu 40000Todesfälle-.Wollen wir Abstand halten bis es eine Impfung oder ein antivirales Mittel gibt? Was wird, wenn das Jahrzehnte dauert wie bei HIV? Welches Verhalten wird dann das Äquivalent zur Enthaltsamkeit oder dem Kondom sein?