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Die Verantwortung der Aufklärung liegt bei der Politik / dpa

Corona-Informationspolitik der Bundesregierung - Man kann und muss mit den Bürgern über alles reden

Eigentlich sollte die Politik der Bevölkerung die Entscheidungen in der Corona-Krise erklären können. Doch die Verantwortlichen sind überfordert. Das ständig neue Lagebild begünstigt Fehlinformationen und Propaganda. Plädoyer für eine Taskforce der Kommunikation.

Autoreninfo

Hans-Roland Fäßler ist Geschäftsführer der Polimedia Beratungsgesellschaft mbH und war langjähriges SPD-Mitglied. Der Medienberater half unter anderem Peer Steinbrück in seinem Wahlkampf zur Bundestagswahl 2013.

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Nichts zu wissen, ist keine Schande. Welche sicheren Erkenntnisse sollen wir auch über ein Virus haben, das vermutlich erst vor einem knappen halben Jahr in die Welt der Menschen eingedrungen ist? Seriöse Wissenschaftler – und seriöse Politiker und Medienleute, die sich als Entscheider und Kommunikatoren auf deren immer noch rudimentäre Corona-Expertise beziehen – räumen dies auch freimütig ein. Und das ist gut so.

In der globalen Virologie und Epidemiologie baut sich gerade – immer noch stark mit Irrtümern behaftet – in atemberaubenden Tempo Wissen auf, aber die Schlüsse, die man in Deutschland oder in Schweden auf sehr unterschiedliche Weise daraus zieht, fußen auf dem Glauben, das Richtige zu tun.

Die Wissenschaft und Politik in der Verantwortung

Mit dem Glauben ist es außerhalb der Religionsgemeinschaften – die sich explizit zu ihrer Nichtwissen-Schaft bekennen – so eine Sache. Im mehr oder weniger wissensfreien Raum bewegt sich rationale Politik nach dem demokratischen Prinzip der checks and balances sowohl abwägend als auch entschlossen. Jede Entscheidung muss jederzeit auf den Prüfstand. Und sie muss immer erklärt werden. Daran mangelt es.

Denn im mehr oder weniger wissensfreien Raum bewegen sich gerade im Internet Besserwisser, Verschwörungstheoretiker, Hassprediger und Fakenews-Verbreiter auf monströse Art und Weise. Solange sie keine Straftaten begehen, steht ihnen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung uneingeschränkt zu. Das ist manchmal nur schwer zu ertragen. Aufklärung ist deshalb das Gebot der Stunde. Vor allem die Politik – nicht nur die Wissenschaft – ist aufgerufen, zu sagen, was ist.

Dynamischer Prozess als Nährboden für Desinformation

Die Ist-Zustände variieren: Mundschutz – Ja oder Nein, Verdoppelungszeitraum der Infektionsraten - wichtig oder nicht, die R-Zahl – noch viel wichtiger oder doch nicht? Es ist nicht vorwerfbar, wenn sich in diesem dynamischen Prozess neue Erkenntnisse und wechselnde Plausibilitäten ergeben. Vorwerfbar ist, das die politisch Verantwortlichen die Bevölkerung oft tagelang mit neuen Informationen und wilden Spekulationen allein lassen.

Auf diesem Boden verbreitet sich das Virus von Desinformation und Propaganda schneller als Covid-19. Am 15. April meldet das Robert-Koch-Institut (RKI), dass sich die R(eprouktions)-Zahl seit dem 22. März unter dem Wert 1 stabilisiere. Damit war der Zielwert bereits erreicht, ehe am 23. März der lockdown verkündet wurde. Tagelang wurde daraufhin in vielen Medien die Frage gestellt, ob der lockdown nach dieser Erkenntnis überhaupt notwendig gewesen wäre.

RKI und Regierung beherrschen die Debatte nicht

Es dauerte fast eine Woche, bis das RKI schließlich die Angelegenheit einordnete und die tatsächliche Bedeutung des lockdown für den Rückgang der Infektionsraten erläuterte. Tagelang kursierten die wildesten Thesen und widerlichsten Gerüchte über diese „sinnlose Maßnahme“ durch Teile der Medien und durchs Internet. Das hing – und hängt! – vor allem damit zusammen, dass es keine glaubwürdige Krisen-Kommunikation aus einer Hand gibt. Das RKI beherrscht die Debatte ebenso wenig wie die Bundesregierung.

Dem RKI – und wissenschaftlichen Institutionen, die über andere Expertise verfügen müssen – darf man das teilweise nachsehen, der Politik nicht. Sie muss sich als einzig demokratische legitimierte Institution darum bemühen, den Bürgerinnen und Bürgern alle Entwicklungen offenzulegen und – vor allem – verständlich zu machen. Dieser Bringschuld wird sie nicht gerecht.

Niemand kümmert sich um das große Ganze

Der Sprecher der Kanzlerin und die Presseabteilungen der Bundesministerien sehen ihre Aufgabe darin, die Politik ihrer Chefinnen und Chefs zu erklären. Selbst wenn sie willens wären: Sie sind gar nicht in der Lage, die komplexen krisenhaften Zusammenhänge wissenschaftlicher, gesellschaftlicher, ökonomischer und sozialer Entwicklungen zu überblicken und der Allgemeinheit verständlich zu machen.

Genau darin aber liegt das Problem dieser Seuchen-Kommunikation: Jeder macht seinen Teil, aber niemand kümmert sich um das große Ganze. Und die Kanzlerin mag keine „Öffnungsdiskussionsorgien“: Das klingt mehr nach der von ihr stets abgelehnten „Basta-Politik“ ihres Vorgängers, als ihr – und vor allem den verunsicherten Menschen – lieb sein kann. Gerade Angela Merkel weiß, dass es in der Politik nicht nur ums Recht haben geht, sondern ums Recht kriegen.

Krisenkommunikation muss Kräfte bündeln

Man kann mit mündigen Bürgern über alles reden, solange man mit ihnen über alles spricht. Das passiert zu wenig – und der Unmut wächst. Das Virus darf nicht unser demokratisches System infizieren. Mundschutz und social distancing taugen hier gerade nichts. Krisenkommunikation muss Kräfte bündeln: Wissenschaftler und Ökonomen, Sozial- und Finanzpolitiker müssen an einen Tisch, um mit dem jeweiligen Stand der Erkenntnis Medienprofis täglich in die Lage zu versetzen, auf die wichtigsten Fragen klar verständliche Antworten zu geben.

Diese Taskforce braucht ein Gesicht, das seine Glaubwürdigkeit daraus bezieht, zu sagen, was ist. Nicht, was der eine oder die andere gerne hätte. Und das stets bereit ist, Fehleinschätzungen und Irrtümer offenzulegen. Da sich die Corona-Krise noch über Monate hinziehen kann, muss diese interdisziplinäre, politisch unabhängige Task-Force so schnell wie möglich ihre Arbeit aufnehmen. Wenn die Menschen wissen, was Sache ist, werden sie endlich in die Lage versetzt, die Verhältnismäßigkeit und die Plausibilität politischer Entscheidungen nachvollziehen zu können. Darauf kommt es an.

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Michaela 29 Diederichs | Fr., 8. Mai 2020 - 17:03

"Sagen, was ist" übernimmt dann der SPIEGEL oder BILD oder oder oder und so werden aus Gerüchten Wahrheiten und (Verschwörungs-)theorien, Menschen klagen vor Gerichten, verweigern die Kooperation, lehnen sich auf, sehen Maßnahmen schlicht nicht ein. Die Kommunikation war bislang grottenschlecht. Besser wird es wohl auch nicht mehr. Guter Beitrag. Vielen Dank.

Hans Jürgen Wienroth | Fr., 8. Mai 2020 - 19:57

Antwort auf von Michaela 29 Di…

Wie sagt man was los ist, wenn man es selbst nicht weiß? Das genau ist hier leider der Fall, bei der Regierung und bei den Fachleuten. Corona ist neu, da hilft es nichts, wenn unsere Kanzlerin sagt: „Vertrauen sie mir.“ Da wäre es hilfreich, wenn man das Ziel aller Maßnahmen erklären würde, wenn man erklärte, wie sich die Reprod.-Zahl aus den Infektionen errechnet. Der Wähler will nicht als Kleinkind, sondern als mündiger Bürger behandelt werden.
Ein Schutz vor Überlastung des Gesundheitssystems wird bis jetzt erklärt. Wer kann sagen, ob das Ziel der Regierung und Experten eine Herdenimmunität oder die Ausrottung des Virus ist (in D oder in der Welt)? Erläutert werden muss auch der geplante Weg dorthin. Voraussetzung dafür ist eine abgestimmte Meinung aller Experten, die sich beraten müssen. Wenn der Bürger das nachvollziehen kann, dann haben „Verschwörungstheoretiker“ keine Chance. Nur eine „Kommunikations-Taskforce“ zu schaffen hilft wenig.

Barbara Piele | Sa., 9. Mai 2020 - 07:54

Antwort auf von Michaela 29 Di…

Das kommt mir so vor wie 1989: "Wir sind das Volk!" -- Allerdings mit dem großen Unterschied zu 2020: "Wir sind die Länder, wir sind die Ministerpräsidenten!" Dazwischen Erich (alias Merkel), der auch nicht mehr ganz begriffen hatte, was um ihn vorgeht. Allerdings macht sie das jetzt ganz tricky. Sie sagt: Ok., dann ist das Eure Verantwortung!" Und so entstehen dann weiter - durch jeden MP und (seinen) Virologen anders gesteuert - die irrwitzigsten Theorien, Formeln, Halbwahrheiten, Ungereimtheiten - und zum Schluss auch teilw. körperliche "Aktivitäten" gegen die Polizei. - Gesorgt dafür hat allen voran (wie immer) Merkel.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 8. Mai 2020 - 17:32

Seit 2013 hätte die Regierung bereits dezidierte Pläne auch u.a. Kommunikationspläne entwerfen können. So z.B. einen Virussender andenken können, wo alle ihre Botschaften zentral hätten unter das Volk bringen können. Stattdessen Hektik, Panik, Angstmacherei auf allen Sendern und Radiostationen. Jeder weiß was anderes, jeder hat die "Topexperten". Alle wissen genau, wer was wie meint. Täglich hin- und her in den Vermutungen, Einschätzungen und angeblichen Erkenntnissen. Wer gerade Spiegel, BILD oder Focus und wie sie alle heißen liest, jeder weiß angeblich was. Kritische Sichtweisen werden versucht zu unterdrücken bis dann tatsächlich die Verschwörungstheorien aus allen Ecken gekrochen kommen. Es hätten auf dem Coronasender Experten unterschiedlichster Couleur diskutieren können und vor allem, ehrlich sagen, was man definitiv weiß und was Vermutung ist bzw,. ungesichert. Werden jetzt die Sterbestatistiken bereinigt? Wird die Notwendigkeit des Lockdown sachlich diskutiert? Es wird Zeit.

Die berühmte Drucksache aus dem Jahr 2013. Offensichtlich glaubt der verkniffene Merkel-Feind, eine neue Geheimwaffe in seinem heroischen Kampf gegen das tyrannische Merkel-System gefunden zu haben, sonst würde er den Rest der Welt nicht laufend damit nerven.
Was denn: Noch einen öffentlichen Sender, nur für den Fall einer Pandemie, die es doch gar nicht gibt (Originalton Konrad)? Sonst will er doch, täglich, den ÖR in seiner Gänze abwickeln!
Gut, man kann argumentieren, auch solcher Unsinn muss hier erscheinen können, sonst weiss man ja nicht, was im Umfeld der "Corona-Pegida" (Spiegel) gedacht wird. Schlimm aber, dass Kritik daran immer öfter nicht deduldet wird.
Der Magier Roy ist an Corona verstorben. Hätte er mal vorher die Herren Konrad oder Funke gefragt. Der eine hätte ihn belehrt, dass Corona doch gar nicht so schlimm ist, der zweite ihn "aufgeklärt", dass Corona doch nur ein Phantom ist. Zu lesen hier, in diesen Zeilen.
Unwidersprochen, meistens jedenfalls.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 8. Mai 2020 - 17:35

Finanzkrise erinnern und daran, dass die Kanzlerin, ich würde es so formulieren, an der Seite von Peer Steinbrück stand und verlautbarte, was m.E. eher er verstand als sie.
Frau Merkel griff dann gerne zum Griffigen, wenn der Euro stirbt, stirbt Europa oder so.
Ich war ruhig, weil ich Peer Steinbrück sah.
Ich kann mich täuschen, aber bei YouTube oder standard.online sah ich oft Herrn Kurz UND Herrn Kogler, angetreten zu einer Art Verlautbarung.
Wann stand Merkel mit dem Vizekanzler vor der Kamera im Sinne von Regierungshandeln?
Ich hätte nun gedacht, die beiden hätten bündeln und vertreten müssen, aber dann hätte sich Frau Merkel ja festgelegt?
Niemand hätte ihr das übel genommen, sich evtl. auch zu irren, aber es scheint nicht ihr Ding, eher das, man kann es nicht wissen.
Deswegen muss ja dennoch entschieden werden!
Herr Laschet hat jetzt Zweifel?
Das kann ich verstehen, aber dass er es äussert, zeigt mir,
dass er zuvor nach bestem Wissen und Gewissen entschied, nicht als Allmächtiger

Das finde ich interessant! Das mit Steinbrück ging mir genauso. Nur festgestellt hatte ich das sehr viel später. Leider erst dort wo die BK ihre Nacht- und Nebelaktionen am BT vorbei installiert hatte.

Brigitte Simon | Sa., 9. Mai 2020 - 18:23

Antwort auf von Werner Gottschämmer

Mir erging es auch so wie Ihnen. Wie stünde heute die SPD da? Wir stünden alle bestens da. Die ehemalige SPD gab Steinbrück keine Beinfreiheit, sie umgab seine Beine mit Steinen. Aber wie gesagt, was wäre wann. Steinbrück wurde von Merkel
plagiatiert.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 10. Mai 2020 - 16:00

Antwort auf von Werner Gottschämmer

im Reichstag.
Er hat Ahnung, aber er hatte evtl. nicht die Übersicht, !Aktionen am Bundestag vorbei" zu verhindern oder jedem Anschein entgegenzutreten, dies würde geschehen.
Es wurde doch aber durch das Bundesverfassungsgericht geprüft und zugelassen?
Ich hätte mir da strengere Regeln des Gerichtes für ein eben nicht weiter so gewünscht und dann bei der Migrationskrise ebenso.
Frau Merkel konnte m.E. nichts erklären, aber nutzen, Ärger bekamen Steinbrück und Gabriel.
Mit Verweis auf zugeben Euro- und Migrations-freundlichere Vorhaben der SPD und natürlich auf Gott und das große Weltgewissen, konnte sich Merkel in der CDU/CSU teils gegen diese durchsetzen.
Mir schwante schon damals der Niedergang der SPD, denn Merkel war noch genug CDU, aber die SPD spielte den "Steigbügelhalter" für sie, vielleicht blieb sie zu sehr SPD und begriff zuwenig die Kollateralschäden.
In der Krise mußte man SICHERN, NICHT beschwingt nach vorne gestalten.
Krisen muss man meistern, dann politisch gestalten

Gerhard Lenz | Sa., 9. Mai 2020 - 10:01

Antwort auf von Michaela 29 Di…

Auch Gegner der APP verweisen, wenn sie der Merkel-Regierung mal wieder Totalversagen vorwerfen, gerne auf das bei der Corona-Bekämpfung wesentlich erfolgreichere Südkorea.

Dort aber ist eine ähnlich APP die Regel. In Südkorea, wohlgemerkt, einem demokratischen Land.

Hier aber fürchtet der "aufgeklärte", "besorgte" Bürger vermutlich, Bill Gates wollte ihm irgendeine Apperatur verpassen, mit der er den "unbequemen Kritiker" besser kontrollieren kann.

Das muss wohl am "deutschen Wesen" liegen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 8. Mai 2020 - 17:50

meine aber, dass Politiker können müssen, wovon der Autor spricht und in dem Sinne habe ich Frau Merkel nie als Politikerin empfunden.
Verlautbarungen konnte sie wiedergeben, aber politische Öffentlichkeit war für sie eher ein Buch mit 7 Siegeln.
Mein Fazit, sie hat eher nie Politik gemacht und mußte es in der DDR oder als Ministerin auch nicht.
Entsprechend sind "wir" gehalten, anzunehmen, dass es irgendwo Politik gibt, über deren Ergebnisse sie uns informiert.
Für mich eine seltsame Person und in der Politik eher eine Fehlbesetzung.
Wahrscheinlich gut als Sachbearbeiterin, klar umrissene Aufgabe und jemand anderes, der Verantwortung trägt.
Das ist das Alpha und Omega in der Politik, Verantwortung übernehmen.
Dafür ist man gewählt, dafür besitzt man gar Immunität.
Dafür haben evtl. die meisten Kommentatoren, auch wenn sie unterschiedliche Meinungen vertreten, ein Gespür.
Eine Taskforce besäße keine Immunität, Merkel hätte sie, aber evtl. nicht die Kompetenz.
Keine Lösung in Sicht

Herr Fäßler, ein sehr guter Beitrag!

Neben den dezentralen operativen Dingen in den einzelnen Landkreisen (lokal), die jetzt in den Vordergrund treten, sollte es eine Art Masterplan (global) für Wissenschaft und Forschung geben. Interdisziplinär verstanden.

Der Mensch lebt ja nicht nur in der Gegenwart, sondern auch im Zeitmodus Zukunft. Wir müssen nach neuen Problemlösungen suchen und neue Anpassungsleistungen erbringen. Ein vernünftiger Wille zur Problemlösung mit stabilen Handlungsgrundlagen. Die müssen logisch vermittelbar und logisch stabil sein, das heißt sozial stabil sein, mit dem Ziel einer selbstorganisierten Ordnungsbildung, die ständig aktiv aufrechterhalten werden muss.

Liebe Frau Sehrt-Irrek, Sie müssen sich nicht "klein" machen. Sie äußern hier seit langem Ihre Meinung. Nicht immer meine, aber Sie machen das in einer brillanten Art und Weise und immer anständig im Ton und nie persönlich angreifend. Ihre beiden Kommentare kann ich nur bravourös bezeichnen. Sie haben ohne drastische Worte letztlich zumindest mir aus dem Herzen gesprochen. Natürlich gibt es Zeitgenossen, die jede Form von Kritik "böswillig" auffassen wollen. Wir sind hier aber alle, so denke ich das, gefestigt und lebenserfahren genug, Ihre völlig berechtigten Aussagen genauso einzuordnen, wie Sie sie meinen.
Bleiben Sie gesund und uns allen hier noch ganz lange erhalten. Alles Gute.

Jürgen Keil | Fr., 8. Mai 2020 - 19:03

„Man kann mit mündigen Bürgern über alles reden, solange man mit ihnen über alles spricht. Das passiert zu wenig – und der Unmut wächst. … Diese Taskforce braucht ein Gesicht, das seine Glaubwürdigkeit daraus bezieht, zu sagen, was ist. Nicht, was der eine oder die andere gerne hätte. Und das stets bereit ist, Fehleinschätzungen und Irrtümer offenzulegen.“
Mein Eindruck:
1.Unsere Regierung hält ihre Bürger per se für zu dumm, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Das trifft sicher für einige Bürger wohl auch zu. Aber daraus zu schlussfolgern, dass das für alle zutrifft, ist fatal.
2.Fehler, die unsere Regierenden, so wie eben alle ihre Bürger auch mitunter machen, werden als solche nicht selbst erkannt oder einfach nicht zugegeben. Eine Regierung muss fehlerfrei sein. Das Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben, wird als Schwäche ausgelegt, dabei ist dies eine Stärke.
3.Das Gesicht von Frau Merkel ist nicht das, woraus ich Glaubwürdigkeit beziehen könnte, sagt mir meine Erfahrung!

Urban Will | Fr., 8. Mai 2020 - 19:18

Liebe Frau Sehrt – Irrek.

Frau Merkel musste zumindest während der letzten Legislaturperiode bis '17 nicht mehr viel erklären.
Es gab keine nennenswerte Opposition.

Aber Sie haben Recht, sie kann es eh nicht, ebenso wenig, wie sie wirklich weitsichtige Politik zu gestalten in der Lage war. Und ist.

Die Immunität schützt, aber sie befreit nicht von der Verantwortung, das merkt man der Kanzlerin zusehends an. Sie ist ermattet, oder etwas salopp formuliert: sie ist fertig.

Vielleicht, weil sie in der Tat völlig ungeeignet ist, Entscheidungen zu treffen.
Aber da fehlen jetzt die Zeichen, dies näher auszuführen.
Die "wichtigsten" Entscheidungen ihrer Kanzlerschaft (Migration, Energie) fielen spontan, sie war sich der Unterstützung des Mainstreams aber gewiss.
Ebenso wie der Tatsache, dass sie deshalb nie jemand hierfür zur Verantwortung ziehen würde.

Es bleiben trotzdem historische Fehlentscheidungen.
Auch der shutdown, aber da musste sie ja nur mitlaufen.

Gisela Fimiani | Fr., 8. Mai 2020 - 19:32

Wenn der Autor noch einen Spatenstich tiefer grübe würde er entdecken, warum es hapert woran es hapert. Daraus ergäbe sich eine zu gründende Taskforce, die sich zunächst darum kümmern müsste Politiker zu lehren was Demokratie bedeutet und wer deren Souverän ist. Bei Erfolg einer solchen Taskforce würden die vom Autor beklagten Probleme, dank demokratischer Bewusstwerdung, von selbst verschwinden. Natürlich kann ein begabter Kommunikator sich dienlich machen, indem er, mit rhetorischer Brillanz, die eklatante undemokratische Verfasstheit der Politiker zu verschleiern hilft. Die demokratische Gesinnung und Denkart ist die Voraussetzung für klare, ehrliche Kommunikation. Wer nicht nur der Beratung, sondern einer „Taskforce“ bedarf, hat als Berufspolitiker den Beruf verfehlt. Welchem ist der Autor zugeneigt?

Walter Müller | Sa., 9. Mai 2020 - 08:55

Richtig erkannt. Auch Merkel-Anhänger werden nicht abstreiten, dass Kommunikation und Erklären nie ihr Ding war. Kommunikation sollte zwar die Kernkompetenz einer Kanzlerin sein, aber Schwächen sind menschlich. Erwarten darf man aber, dass Schwächen a) erkannt und b) mittels intelligenten Lösungen kompensiert werden. Ein Gremium aus kompetenten Köpfen, die das Denken und Handeln und Nichthandeln der Kanzlerin immer wieder klar und nachvollziehbar hätten erklären können, wäre eine gute Sache gewesen. Ich habe Herrn Seibert nie in dieser Rolle wahrgenommen, sondern eher als Abwehr- und Vernebelungseinrichtung.
Im Corona-Kontext wurden die Kommunikationsmängel erneut überdeutlich. Der Versuch, die Bürger in der Krise mit autoritären Mitteln (z.B. mutwilliges Abwürgen von Debatten, rechtlich fragwürdige Anordnungen) zu ihrem Glück zu zwingen, hat zu einer Erosion des Vertrauens geführt, die Folgen sind nicht absehbar. Die Demokratie hat Schaden genommen.

Albert Schultheis | So., 10. Mai 2020 - 11:04

"Man kann und man muss mit dem Bürger über alles reden." - Was für ein abgrundtiefer Zynismus unserer neoaristokratischen Politkaste wird in diesen Worten deutlich!