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Leere Plätze, keine Gäste im Nikolaiviertel / dpa

Restaurants in der Krise - „Bis Anfang Mai halten wir auf jeden Fall durch“

Die Corona-Krise trifft die Gastronomie in die Magengrube. Die Gäste bleiben aus – die Umsätze auch. Der Betreiber des Alt-Berliner Restaurants „Julchen Hoppe“ bleibt trotzdem optimistisch. Er arbeitet jetzt mit einem Lieferdienst zusammen.

Autoreninfo

Rixa Rieß hat Germanistik und VWL an der Universität Mannheim studiert und hospitiert derzeit in der Redaktion von CICERO.

 

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Seit 2017 betreibt Philipp Satzer das Restaurant „Julchen Hoppe“ im Nikolaiviertel in Berlin. Das Alt-Berliner Gasthaus hat Platz für über 150 Personen.

Herr Satzer, die Corona-Krise stellt die gastronomischen Betriebe vor heftige Herausforderungen. Wie geht das „Julchen Hoppe“ mit der Krise um?
Ganz gut, finde ich. Wir haben für alle Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Dann haben wir uns – eigentlich schon vor der Krise – entschlossen, mit einem Online-Lieferservice zusammenzuarbeiten und einen Außer-Haus-Verkauf anzubieten für  Anwohner und diejenigen, die in der Nähe arbeiten.

Philipp Satzer
Philipp Satzer in der Küche des „Julchen Hoppe“ /
Foto: privat

Dass heißt, Sie haben Ihr Konzept in der Krise geändert?
Als Corona kam, war zunächst nicht klar, ob wir jetzt schließen müssen oder welche Auswirkungen das jetzt hat. Da habe ich bereits mit einem Online-Lieferservice gesprochen, weil man schon gemerkt hat, dass ein Gäste-Rückgang stattfindet und die Reservierungen zurückgehen.

Ab dem 1. Juli soll die Mehrwertsteuer in der Gastronomie für ein Jahr auf sieben Prozent gesenkt werden. Wieviel nutzt das Ihnen, wenn Sie jetzt weniger Einnahmen haben? Kann man die Verluste überhaupt aufholen?
Ich glaube nicht, dass man das in der Gastronomie oder Hotellerie aufholen kann. Einen Vierer-Tisch im Restaurant kann ich nicht plötzlich mit acht Personen besetzen. Es ist hier nicht wie in der Industrie, wo man einfach mehr produziert. Eine Hilfe ist die Steuer trotzdem.

Das heißt, das „Julchen Hoppe“ wird diese Krise überleben?
Das ist auf jeden Fall der Plan, ja. Ich gehe davon aus. Man weiß nicht, was in der Zukunft noch passiert und was für weitere Maßnahmen getroffen werden. Auch die Frage, wie sich das mit den Grenzen innerhalb Europas verhält. Bekommen wir noch Touristen in diesem Jahr oder nicht? Gerade das Nikolaiviertel lebt ja vom Tourismus – auch vom deutschen Tourismus. Wenn sich die Leute aus Bayern nicht nach Berlin trauen, ist das natürlich schlecht. Bis Anfang Mai halten wir aber auf jeden Fall durch. Man konnte ja staatliche Hilfe beantragen. Ich finde schon, dass man sich da sehr kümmern und alles in Anspruch nehmen sollte.

Man hört immer wieder, dass die Welt nach Corona nicht mehr die gleiche sein wird. Glauben Sie, dass sich auch die Gastronomie nachhaltig verändern wird?
Ja, das denke ich schon. Dahingehend, dass man vielleicht mehr auf regionale Produkte setzt und die Landwirtschaft mehr unterstützt.

Jetzt ist auch die Treue ihrer Kunden gefragt. Was kann die Gesellschaft für Sie tun?
Die lokalen Restaurants weiter unterstützen. Oder den nächsten Urlaub in Deutschland verbringen – wir haben auch Stammkunden aus Köln.

Wie steht es um den Zusammenhalt in der Branche? Oder kämpft jeder für sich allein?
Im Nikolaiviertel gibt es eine WhatsApp-Gruppe. Dann gibt es die IG – die Interessengemeinschaft. Da tauscht man sich schon aus und unterstützt sich gegenseitig. Manche bestellen bei uns Essen; in einem Cafè hole ich für meine Mitarbeiter und mich ab und zu Kuchen. Einfach nur, um ein bisschen zu unterstützen.

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Michaela 29 Diederichs | So., 26. April 2020 - 21:20

Stammgäste unterstützen ihre Stammlokale, indem sie Essen außer Haus bestellen. Das funktioniert ganz außerordentlich gut. Nicht nachvollziehbar ist für mich, warum Restaurants nicht mit den kleinen Läden öffnen durften. Tische weiter auseinander, Personal trägt Masken und auch wenn der Umsatz vielleicht nicht mehr so hoch ist wie in der Vergangenheit, wenigstens die Kosten werden damit vielleicht gedeckt. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Restaurants wieder öffnen können. Dankeschön für das Interview, liebe Frau Rieß.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 27. April 2020 - 09:12

Antwort auf von Michaela 29 Di…

Ja, liebe Frau Diederichs, dass frage ich mich auch. Es ging doch vorher auch, mit Tischabständen usw. Viele Maßnahmen machen bei näherer Betrachtung keinen Sinn oder haben ihre Sinnhaftigkeit verloren. Dennoch wird weiter Angst erzeugt, vor der zweiten Welle gewarnt usw.
Obwohl keiner so richtig was weiß, viel vermutet und ständig neu interpretiert wird, hält die Politik an ihren zum Teil wahnwitzigen Maßnahmenkatalogen fest.
Die haben einfach nicht den Mut zu zugeben, dass sie mit der Pandemie falsch umgeangen sind und eben nicht, so wie die Kanzlerin es sonst betont, vom Ende her gedacht.
Dieses Ende ist noch nicht erreicht. Das "dicke" Ende kommt noch, wenn die wirtschaftlichen Konsequenzen eintreten und sichtbar werden. Nach Corona kommt vielleicht wieder Klima, da werden wir dann eingesperrt, weil wir CO² produzieren im "Freien". Obwohl, die Stickoxyde haben lt. Medien sich nicht besonders in den Innenstädten positiv bemerkbar gemacht. Warum wohl? Bleiben Sie gesund.

Bernhard K. Kopp | Mo., 27. April 2020 - 10:20

Antwort auf von Michaela 29 Di…

Es ist wahrscheinlich schwieriger als man denkt brauchbare Kriterien zu definieren zu denen geöffnet werden dürfte. Dazu ist die Branche zu vielfältig. Zudem hat " gefühlt " die Mehrheit der Gastronomen schon in besten Zeiten ein Hygiene-Problem.

Ich befürchte fast lieber Herr Kopp, das es wie in früheren Zeiten nur noch bestimmten Menschen vorbehalten bleiben wird, sich den Zutritt zu den wenigen verbleibenden Gourmet-Tempeln leisten zu können. Für den Normalo;) bleibt dann der Gang zu MacFood und mobilen Restaurants a la Imbiss. Oder wie in Zeiten meiner Großmutter, die ihre Vesper noch ungeniert im Gasthaus auspackte;) und nur was zum Trinken dazu bestellte. Kennen Sie noch " Auf der Terrasse gibt es nur Kännchen!". Das waren noch Zeiten! Da gab es mein Elternhaus, in dem es nur an Sonn-und Feiertagen nach Braten und Kuchen roch. Und man neidisch auf die Cousins und Cousinen sah, die einmal im Jahr samt Campingzelt in den 500er Fiat oder Brezelkäfer gepackt wurden und in Intervallen Richtung Rimini fuhren weil auf dem Brenner Pass des Öfteren die Kühlung schlapp machte. Mir machte eine Rückkehr in solche Zeiten evtl. weniger aus als der jetzigen Generation, die "bezwungen" durch Viren neu leben lernen muss! Alles Gute! MfG

Hygiene-Problem hin oder her: Da erhält die Firma CONDOR für das Überleben ihrer Fluggesellschaft eine Staatshilfe in Milliardenhöhe; LUFTHANSA in den nächsten Tagen wohl die doppelte Summe.
Und die deutsche Gastronomie? Es sind ja alles Kleinbetriebe, die kurz vor ihrem Zusammenbruch stehen und deren Betreiber in nächster Zeit ihre Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) eingestehen müssen.
Es sollten jedoch nicht - wie bisher üblich - die Finanzstarken unterstützt werden, sondern gerade solche Unternehmen und Kleinbetriebe, die für unser gesellschaftliches Leben existentiell sind.
Aber die Lobbyistinnen und Lobbyisten der Großkonzerne haben dieses Hase-Igel-Rennen längst für sich entschieden, wie immer. Leider.

Paul Hulot | Mo., 27. April 2020 - 14:37

also noch eine gute Woche ?

Bettina Jung | Mo., 27. April 2020 - 15:51

musste ich zum Gesundheitsamt. U.a. erfolgte eine Stuhlprobe. Erst dann gab es ein Gesundheitszeugnis und die Erlaubnis, in der Gastronomie zu arbeiten. Seit Jahren reicht es aus, zum Arzt zu gehen, dieser fragt dann nach dem Wohlbefinden (haben Sie sich übergeben oder hatten Sie Durchfall heute morgen?). Wenn diese Symptome nicht vorhanden, gibt es ein Gesundheitszeugnis auf Lebenszeit. Ich empfand diese Vorgehensweise schon immer als skandalös.
Diese Vorschriften haben HIV, Vogelgrippe, Schweinepest u.a. überlebt. Guten Appetit.