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„Der Schrebergarten verändert den Menschen“: Wladimir Kaminer / dpa

Schrebergärten als Integrationskurse - „Rhabarber gehört zur Leitkultur“

In der Coronakrise schlägt die Stunde der Schrebergärtner. Besonders in den Städten flüchten sich die Menschen in ihre Biotope, wo alles geregelt ist. Wladimir Kaminer hat seinen Kleingarten inzwischen verkauft. Im Interview verrät er, warum der die bessere Alternative zum Integrationskurs war.

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Wladimir Kaminer ist Schriftsteller, Kolumnist und Veranstalter der bekannten Partyreihe „Russendisko". Das ist auch der Titel seines ersten Kurzgeschichtenbands, mit dem der gebürtige Moskauer 2000 den Durchbruch als Autor schaffte. Inzwischen sind 29 Bücher von ihm erschienen, u.a. auch „Mein Leben im Schrebergarten“, Goldmann, 10 Euro. 

Herr Kaminer, ich höre Vogelgezwitscher im Hintergrund. Erreiche ich Sie gerade in Ihrem Schrebergarten?
Nein, den Schrebergarten habe ich verkauft. Ich hab jetzt einen richtigen Garten in der Prignitz mit einem alten Haus, einer Grillanlage und einem Teich. Da sitze ich gerade. Hier gibt’s tatsächlich viele Vögel, und in diesem Jahr sind sie besonders laut und frech, weil sich die Menschen in der Coronakrise zurückgezogen haben.

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gabriele bondzio | So., 19. April 2020 - 08:48

versenkt, sieht George Clooney frappierend ähnlich. Und er hat recht, so ohne Prüfungskommission und Pflanzbeauftragten ist ein Garten pure Lust am Gestalten.
Schon Cicero wusste: „Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.“
Das Fühlen der Erde, das Wachsen der Pflanzen, ihr Duft und Geschmack, spricht alle Sinne an. Und kann für den Besitzer zu einem Ort der Kraft und Erholung, Stärkung, Entspannung, eigener Kreativität werden.
Natürlich ist auch der Austausch, über Wachstum, Ernteerfolge usw. ein Bindeglied zwischen den Gartenbesitzern. Ganz zu schweigen von den beliebten Grill-und Gartenpartys.

Ja jetzt beginnt der Run auf die Kleingärten,habe schon viele Anzeigen gelesen.
Ihre Beschreibung stimmt,auch ich habe mich mit Büchern eingedeckt,die ich dann in aller Ruhe lesen werde.Theoretisch hat sich für mich als Rentner nicht viel geändert,dass Einzige ist die Begrenzung der Bewegungsfreiheit zwecks mal in Kurzurlaub zu fahren oder in ein Konzert oder Musikevent zu gehen,aber ich denke das kann man verschmerzen,ist nicht lebenswichtig,genau wie Fußball oder Formel 1.

doch die meisten Menschen hier haben nicht einmal einen Ausblick aufs Grüne, weil Flächen zugebaut werden und weil ein Hauseigentümer mit einer betonierten Parkfläche mehr verdient als mit einer Rasenfläche. Darauf noch einen Baum? Der macht nur Dreck bzw. Laub. Den letzten großen, jahrhundertalten Baum haben Hauseigentümer gefällt. Bringt halt keine Rendite.

Heidemarie Heim | So., 19. April 2020 - 16:39

Danke liebe Frau Hildebrandt für dieses Interview! Ihre Fragen und die launigen Antworten von Herr Kaminer haben mich sehr amüsiert;)Wir haben einen leicht zu bewirtschaftenden Balkon ohne Gefahr für Muskelkater. Jedenfalls solange ich nicht wie vor einem Jahr auf die Schnapsidee komme meinen Riesenmutanten von Oleander allein vom Winterquartier nach draußen zu verfrachten. Danach kroch ich wirklich 14 Tage auf allen Vieren;(. Das Fantastische an unserem Balkon ist die Aussicht auf die topgepflegten Gärten unserer Nachbarn, die zur Zeit täglich jeden überstehenden Grashalm und jeden ungebührlichen Wildwuchs präventiv eindämmen.
Und seit es leise Rasenmäher und Heckenscheren gibt in deren Haushalt, müssen meine direkte Balkonnachbarin und ich uns nicht mal mehr anschreien wenn wir gemeinsam das schweißtreibende Treiben gegenüber beobachten und kommentieren;). Meinen Rhabarber samt Kuchen bekomme ich übrigens von meiner liebsten russischen Freundin Margareta! Spasibo!
MfG

Frau Heim, das haben Sie wunderschön geschrieben!

Ein Posting ohne Corona, Klima, AfD und was sonst noch so bisher im Angebot war.

Ich hatte soeben dieses sehr gute Interview selbst kommentiert, möchte mich insoweit nicht wiederholen.
Nur eine Anmerkung.
Zitat:
"Meinen Rhabarber samt Kuchen bekomme ich übrigens von meiner liebsten russischen Freundin Margareta! Spasibo!"

Im Haus gegenüber wohnen Irina und Wislaw. Er ist Pole, sie stammt aus "UdSSR-Usbekistan"; eine so genannte Deutsch-Russin.
Wir kommen sehr gut miteinander aus!
WHY NOT?

Zitat:
"die topgepflegten Gärten unserer Nachbarn, die zur Zeit täglich jeden überstehenden Grashalm und jeden ungebührlichen Wildwuchs präventiv eindämmen."
AAA+++

... und bis Anfang Mai sind die Figaros (offiziell) geschlossen!

... learning by doing ...

Unsinn,

Heidemarie Heim | Mo., 20. April 2020 - 12:02

Antwort auf von Bernd Muhlack

Und für Ihr Triple-A lieber Herr Muhlack! In der Tat war das Gespräch zwischen unserer Frau Hildebrandt und Herrn Kaminer dazu angetan mal die üblichen Themen außen vor zu lassen und selbst etwas aus dem privaten Nähkästchen zu plaudern. Es freut mich ehrlich, das Sie und in der Vergangenheit auch andere Foristi so offen und frei darauf reagieren und wir uns nach und nach besser kennenlernen bei allem Disput und Differenzen die wir hier pflegen dürfen Dank Cicero! Vor nicht all zu langer Zeit bekam ich neben dem Geburtstagskuchen folgende handgeschriebene Liebeserklärung meiner liebsten Freundin, die wie ihr Gatte aus einem heute noch kleinen Kaff in Kasachstan mit deutschem Wurzelwerk stammen:" Ich mag Dich dafür, weil Du bist wer Du bist, aber vor allem dafür, wer ich bin, wenn ich mit Dir zusammen bin." Seufz. Treffer und versenkt! Margareta teilt mein Politikinteresse und meine unproduktive Tätigkeit hier kein bisschen, erdet mich jedoch mit ihrer russisch-deutschen Seele. MfG

eine ganz berührende Schilderung von Ihnen.
Vielleicht darf ich anfügen, dass evtl. die meisten Linken nur gerne sagen würden, geerdet mit ihrer Seele.
Ich kenne natürlich die Verknüpfungen "russische Seele, tiefe Seele" von Religion, Musik, Literatur usw. her würde ich das auch nicht verneinen, aber die Prußen sind auch tief im Empfinden, die Deutschen auch "Tief verwurzelt - hoch hinaus" Pietismus etc. all over the world.
Und doch gibt es eben viele Ausprägungen, unterschiedliche Schwerpunkte oder manches Widerstrebende.
Das meiste wird sicher über unser Menschsein oder unsere Teilhabe am Lebendigen verständigt werden können, manches ganz nah, manches ferner.
Ich wehre mich sowohl gegen Direktiven von einem Punkt aus als auch gegen Bewegungen zu nur einem Punkt hin.
Was ich übrigens auch für eine philosophische und theologische Frage erachte.

Heidemarie Heim | Mo., 20. April 2020 - 20:49

Antwort auf von Dorothee Sehrt-Irrek

Lieben Dank geehrte Frau Sehrt-Irrek für Ihre Gedanken zu unser aller Seelen. Natürlich bediente ich womöglich fast ein Klischee, aber ich muss gestehen, bei einer klassischen Schwanensee-Aufführung der Bolschoi-Truppe schmelze ich wie Butter in der Sonne;). Für mich der perfekte Ausdruck der Seele. Obwohl protestantisch getauft und konfirmiert mit dem eigens für mich vom Pfarrer ausgewählte Spruch: "Behüte Dein Herz mit allem Fleiß. Denn daraus quillt das Leben " Sprüche 3.24, ist mir ein streng gefasster Pietismus einigermaßen fremd wie ihn unsere Auswanderer in alle Welt trugen. Ebenso wie die Bekehrungsmethoden der katholischen Eroberer anderer Völker und deren Seelen. Was Direktiven betrifft scheine ich vermutlich die gleiche, etwas rebellische Seele mit Ihnen zu teilen. Alles Gute und bleiben Sie und alle bitte gesund! MfG

Bernd Muhlack | So., 19. April 2020 - 18:26

Ein wunderschönes Interview!
Ob weiterhin geschlossener Buchläden habe ich soeben dieses wohl geniale Machwerk bestellt.
booklooker! Amazon?

Ich habe keinerlei Bezug zu Grünzeug, Tieren, Gedöns.
Als Kind habe ich meinem Opa immer im Kirchengarten geholfen, das war sein "ein-und-alles!"
Meine Mutter hat ebenfalls einen großen Garten, welchen Sie ob des fortgeschritten Alters nicht mehr in ihrem Sinne selbst gestalten kann.
Zitat:
"Hier gibt’s tatsächlich viele Vögel, und in diesem Jahr sind sie besonders laut und frech, weil sich die Menschen in der Coronakrise zurückgezogen haben."
Genauso ist es!
Nein, in ihrem Garten hängt keine Deutschlandfahne; das Stadtwappen von Koblenz prangt jedoch!

RUSSEN?
Mein Opa JG war 5 J in sowjetischer Gefangenschaft; in der Ukraine, bei Dnepropetrowsk.
"Jungsche, die hatten doch selwer nix!"
Niemals ein böses Wort ob RUSSEN!

Kuchen?
Nöö.
Jedoch ist ein Rhabarberkuchen mit diesem "Baiser-Deckel" nur klasse!

Mir fällt dazu jetzt sehr viel ein....

Learning by Figaro YouTube verpasste auch ich meinem besten aller Ehemänner frei Schere einen Nachschnitt;) Er gehört ohne Übertreibung zu den gesegneten Rentnern mit dem dichtesten und schnellsten Haarwuchs aller Zeiten. Unsere gelben Säcke für Plastik eignen sich prima als Friseurumhang und weil ich früher Pony trug habe ich sogar meine alte Profischere ausgraben können. Also frisch ans Werk und nach einer Stunde, länger hielt er es auf dem Klapphocker nicht aus!, bekam ich doppelten Mindeststundenlohn plus 1,50€ Tip. Feine Sache! Mit Ihrem "Baiser-Deckel" lieber Herr Muhlack bescherten Sie mir etwas Herzeleid. Denn GENAU so einen Kuchen, Hefeteig,3cm hoch Rhabarber und oben Baiser mit "Honigtropfen" machte meine darin unübertroffene Mutter, die leider viel zu früh von uns ging. Danke für diese Erinnerung! Bleiben Sie gesund! MfG