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Einst strategisches Tor nach Nordafrika und Wahlheimat amerikanischer Dandys: Tanger / Hemis

Kultur in Marokko - Was vom Tanger-Mythos in Zeiten der Scharia geblieben ist

Die marokkanische Hafenstadt Tanger galt einst als Sehnsuchtsort amerikanischer Dandys. Heute kämpfen Einheimische für die Eigenständigkeit ihrer Kunst – und gegen den Widerstand des konservativen Islam.

Benedikt Herber

Autoreninfo

Benedikt Herber ist freier Journalist. Er studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie in München. Seine Ausbildung absolviert er an der Deutschen Journalistenschule und schreibt für die Zeit, die Welt und die Süddeutsche Zeitung.

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Es gibt diesen Tanger-Mythos: Du bist eigentlich nur auf der Durchreise, aber irgendetwas hält dich fest – und ehe du dich versiehst, kaufst du dir ein Haus, beobachtest für den Rest deines Lebens mit einem frisch gepressten Orangensaft in der Hand, wie sich die Wellen vor der Kasbah brechen. Tanger ist wie ein Magnet, wer ihm zu nahe kommt, kann sich ihm nicht entziehen. Ein schwarzes Loch, das dich verschluckt. Wenn Tanger also die Stadt der Gelegenheitsabenteurer ist, dann gehört Mohammed Mrabet eigentlich gar nicht hierher. Denn Mrabet, der Maler und Geschichtenerzähler, wollte nie woanders sein.

An der Straße von Gibraltar wirkt es fast so, als würden sich Europa und Afrika die Finger reichen. Rund zehn Seemeilen sind es von Spanien übers Mittelmeer bis nach Tanger, der Millionenstadt im Norden Marokkos. Mit der Fähre vom andalusischen Tarifa aus braucht man für die Strecke etwas mehr als eine Stunde. Schon wenn sich das Schiff der afrikanischen Küste nähert, zeigt sich Tanger mit seinem gesamten Charme: Die weißen Altstadthäuschen reihen sich manierlich wie Bausteine aufeinander, vom Hafen bis hoch zur historischen Festung, der Kasbah. Vom ersten Moment an ist der Reisende erfüllt durch diese Tanger-spezifische Leichtigkeit. Am Stadtstrand traben Kamele und Pferde durch den Sand, der Geruch von Kümmel, Safran und frischem Obst liegt in der Luft, und auf den Dachterrassen tanzt die Wäsche im warmen Wind des Mittelmeers. 

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Bernd Muhlack | Do., 9. April 2020 - 19:19

Ein olles Buch des genialen Peter Scholl-Latour.
Allerdings geht es um Algier, nicht Tanger, Marokko.

Herr Herber, ich habe Ihren Artikel soeben lediglich "überflogen", werde ihn am Wochenende konzentriert durchlesen.
Vorab bereits meine (unmaßgebliche) Bewertung: hervorragend!

Ich hatte vor gefühlten hundert Jahren einen genialen Deutschlehrer, gar ein Gymnasialprofessor!
Er sprach uns alle mit Freund + Nachnahme an, Geschlecht egal.
"Freund Pöckler (also Ilona), ich kann Ihre Schrift trotz Brille nicht lesen, schlicht zu klein … aber Sie bekommen natürlich ein sehr gut!"

Spontaner Einfall zu Ihrem Artikel.

FROHE OSTERN!

"Der tuntige Exzentriker Truman Capote, …"

"Der Fänger im Roggen" ist nur klasse, hatte mir meine Oma Miechen damals geschenkt.

Bernd Muhlack | Do., 9. April 2020 - 19:38

Et mea culpa, mea maxima culpa!

"Der Fänger im Roggen" ist natürlich von Salinger, nicht von Truman Capote.

Capote:
Von "Kaltblütig" bis "Frühstück bei Tiffany".
Für jeden etwas dabei!

Gleichwohl lese ich am Wochenende Ihren Artikel und der "Fänger im Roggen" liegt auch schon parat!

Gerhard Lenz | Fr., 10. April 2020 - 11:35

Antwort auf von Bernd Muhlack

Orte wie Bagdad, Beirut, Kairo ....Sehnsuchtsorte, voller Geschichte und Exotik. Wer die Geschichten aus Tausend-und-einer-Nacht kennt, vermutet sie dort, die Orte orientalischer Sinnlichkeit, der bunten Bazarre, der fliegenden Teppiche....Weit weg von der deutschen Gartenzwerg-Romantik.
Verloren, oder zumindest im Moment zu gefährlich..
Ganze Länder, wie Syrien oder Afghanistan..der Iran, zunehmend auch die Türkei, wenn auch aus anderen Gründen, unangenehme Reiseziele.
Selbst bei Aufenthalten in Ländern wie Marokko oder Tunesien, die als verhältnismässig sicher gelten, schleicht sich ein Bedrohungsgefühl ein.

Es ist ein Jammer: Ausgerechnet Lehren, die die Erlösung des Menschen versprechen, führen zu Terror, Bürgerkrieg, Zerstörung, menschlichem Leid.
Religiöser Fundamentalismus, eins der schlimmsten Übel unserer Zeit.
Die Fortsetzung des Mittelalters: Menschen fanden/finden Trost in dem Gedanken, im Jenseits stünde Ihnen eine angenehmere Form von Existenz bevor.

Bernd Muhlack | Fr., 10. April 2020 - 15:25

Antwort auf von Gerhard Lenz

Herr Lenz, kennen Sie das Buch "Islamische Welt - der Nahe Osten - Erfahrungen, Begegnungen, Analysen"?

Sehr lesenswert, informativ.
Im NZZ-Verlag erschienen und zeitlos klasse.

Solche Zeitgenossen wie er oder Scholl-Latour sind unersetzlich abhanden gekommen.
"Wir schalten jetzt zu unserem ZDF-Terrorismus-Islam-Experten Elmar Theveßen."

Und ich schalte dort erst gar nicht ein!

FROHE OSTERN!

Roland Völkel | Fr., 10. April 2020 - 16:05

Antwort auf von Gerhard Lenz

au, Backe, da hat die AfD das Kommando übernommen. Und der Aloisius zupft die Harfe, während Heino sein Bestes dazu gibt. Er schmettert voller Insbrunst: "Schwarzbraun ist die Haselnuss". Verdutzt steht die Band "Rammstein" im Hintergrund und wartet sehnsüchtig, dass Heino ein Ende findet.
Derweil schreibt Erika Steinbach ein Pamphlet für die Aufnahme in den Himmel-äh Paradies. Und Thilo, der kleine Sarrazene, sucht sein Manuscript für seine neue Denkschrift :"Der Himmel schafft sich ab-wann?" Daneben sitzt Höcke in der Hocke und überlegt seinen nächsten "Schachzug". Derweil grübelt Angie, Armin und der Rest der "Viererbande" über ein mögliches Comeback nach. Donald sitzt schmollend auf dem weißen Stuhl,und überlegt den Duck zu machen. Da kommt der russische Bär Wladimir angetabst und verkündet, der Chef im Ring-äh Himmel zu sein! Xi Jinping widerspricht ihm weil ja hier "Das Reich der Mitte" sei und er das Kommando deshalb inne hat.
Die "Sinnlichkeit" im Himmel ist wohl ein Traum?

Michael Theuring | Sa., 11. April 2020 - 19:40

Ich kam 1971 als 21jöhriger Hippie, Woodstockveteran und Zivilisationsflüchtling nach Tanger und blieb sechs Monate. Hier, wie auch in Chefchouen, Essaouira, Marrakesch. Mit Büchern im Rucksack von Paul Bowles (Short Stories), Mohamed Choukri (Das nackte Brot), Elias Canetti (Die Stimmen von Marrakesch). Mein größtes Interesse: Das Studium der Rahmentrommel Tar und der Gnawa Musik. Schlief einmal in einem sandigen kleinen Hotel am Atlantik, in dem, so wurde stolz erzählt, schon Jimi Hendrix sich einquartiert haben soll. Stimmte tatsächlich! - Tanger und das ganze Land: Inbegriff von Freiheit und Unabhängigkeit (so lange man Geld hatte). Der Traum von Orient, archaischer Naturschönheiten, dem ganz Anderen.
Auf das Leben in Utopia folgte die Ernüchterung, spätestens seit 9/11. Verpüre heute keine große Lust mehr, in fernen Ländern meine Mitte zu finden und habe erst so Deutschland und Europa als meine Heimat lieben gelernt.