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An die Herbsternte denkt, laut dem Winzer, noch niemand / picture alliance

Weinbau in Corona-Zeiten - „Auch wir spüren die Krise“

Obgleich viele Arbeiten am Weinberg schon verrichtet wurden, drohen Probleme beim Absatz der edlen Tropfen. Im Interview erklärt der Winzer Klaus Schneider, warum Umsatzeinbrüche drohen und weshalb jetzt dringend Saisonarbeiter benötigt werden.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Klaus Schneider betreibt gemeinsam mit seinem Sohn das Weingut „Jesuitenhof“ in Rheinland-Pfalz. Der Winzer ist seit 2017 Präsident des Deutschen Weinbauverbandes.

Herr Schneider, Sie sind Winzer und betreiben gemeinsam mit Ihrem Sohn Moritz das Weingut „Jesuitenhof“ im pfälzischen Dirmstein. Immerhin 25 Hektar gilt es zu bewirtschaften. Welche Arbeiten stehen denn jetzt an?
Die Hälfte der Außenarbeiten im Weinberg ist erledigt. Der Rebschnitt liegt hinter uns, die Drähte und Pfähle wurden ausgebessert, die Reben angebunden und gebogen, Humus oder Dünger aufgetragen. Die erste Runde der Bodenbearbeitung ist abgeschlossen, um künftige Verdunstungsverluste zu vermeiden. Wir sind gerüstet für den Austrieb, den wir in den nächsten Tagen oder Wochen erwarten. Die Entwicklung hängt davon ab, ob es Nachtfrost geben wird. Das ist jedes Jahr ein Angstzustand, bis hin zu den sogenannten Eisheiligen Mitte Mai.

Waren Sie in Ihrer Arbeit bisher von der Corona-Krise betroffen?
Wir konnten unsere Außenarbeiten glücklicherweise sehr früh abschließen. Unsere überwiegend osteuropäischen Saisonkräfte, die wir im Winter und im frühen Frühjahr neben unseren festangestellten Mitarbeitern brauchen, standen uns noch uneingeschränkt zur Verfügung. Das dürfte bei rund 90 Prozent der Kollegen auch der Fall gewesen sein.

Klaus Schneider
Klaus Schneider / Foto: DWV

Also alles in Butter?
Keineswegs. Auch wir spüren die Krise. Die entscheidende Frage, vor der jetzt jeder Winzer steht, lautet: Wie viel Wein fülle ich von welcher Rebsorte ab? Niemand weiß, welche Mengen des Jahrgangs 2019 er überhaupt verkaufen kann.

Sie sind der Präsident des Deutschen Weinbauverbands. Woraus besteht dieser?
Der DWV ist die Dachorganisation von Weinbauverbänden aus allen 13 deutschen Anbaugebieten. Auch Genossenschafts- und Raiffeisenverbände und Spezialverbände wie die Prädikatsweingüter VDP, Ecovin, „Fair 'N Green“ oder „Vinissima – Frauen und Wein“ gehören uns an. Wir decken die komplette Branche ab.

Ausländische Saisonarbeiter für die Landwirtschaft, besonders für die Spargelernte, sollen im April und Mai trotz Reisebeschränkungen eingeflogen werden dürfen. Von 40.000 Kräften pro Monat ist die Rede. Der Weinbau braucht erst wieder zur Lese im Herbst neue Saisonarbeiter, vermute ich.
Nein, da irren Sie sich. Wir brauchen spätestens ab Anfang Mai Saisonkräfte für die Laubarbeiten. Sobald der Austrieb da ist, müssen die Stämme ausgeputzt, die Seitentriebe entfernt und die Laubwände erzogen werden. Auch die Entblätterung steht an. Da greift Eines ins Andere. Je besser ich jetzt meine Laubwandarbeit erledige, desto weniger Pflanzenschutzmittel brauche ich später. Darum sind wir glücklich, dass wir über die Online-Plattform des Deutschen Bauernverbands DBV auch unsere ausländischen Saisonarbeiter registrieren lassen können und diese einreisen dürfen.

Wird es dazu kommen?
Davon gehe ich aus. Genau wie etwa der DBV haben wir unseren Bedarf dem Bundeslandwirtschaftsministerium mitgeteilt.

Kann unter diesen Voraussetzungen die Ernte im Herbst ohne Einbußen gelingen?
Daran denken wir noch gar nicht. Niemand weiß, wie die Krise sich entwickeln wird. Wenn auch nicht überall, haben beziehungsweise hätten wir doch in weiten Teilen des Weinbaus die Möglichkeit der maschinellen Lese. Das könnte uns zupass kommen.

Der Präsident der Prädikatsweingüter VDP, Steffen Christmann, schreibt: „Auch für uns Winzer sind dies schwere Zeiten. Es ist völlig unabsehbar, wie stark unser Absatz getroffen wird. Einfach wird es sicher nicht werden.“ Hat er Recht? Wein wird doch immer getrunken.
Aber kommt er noch zum Kunden? Wir erleben gerade auf sehr grundsätzliche Weise, was Föderalismus bedeutet. Obwohl ich persönlich ihn aus tiefer Überzeugung befürworte, muss ich sagen: So kann es nicht weitergehen. Es gibt Regelungen in Landesverordnungen, die von Kreis zu Kreis, von Stadt zu Stadt unterschiedlich ausgelegt werden. Mal dürfen Weinfachgeschäfte offen bleiben, mal müssen sie schließen. Der Einzelhandel darf Wein verkaufen, das Non-Food-Warenhaus nicht. Da wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Winzer, die ihren Wein bevorzugt über Fachgeschäfte vertreiben, haben jetzt ein deutlich größeres Problem als jene Betriebe, die den Lebensmitteleinzelhandel beliefern. Von dort wie auch von den Discountern werden gute Umsätze gemeldet. Katastrophal wiederum sieht es bei der Gastronomie aus. Jedes Restaurant, das jetzt geschlossen bleiben muss, bedeutet einen Umsatzverlust für dessen Weinlieferanten. Nicht jeder Winzer, nicht jedes Weingut, nicht jeder Händler hat das nötige finanzielle Polster, um eine solche Durststrecke zu überstehen. Da tut sich ein gigantisches Absatzproblem auf.

Leben die Weingüter von der Hand in den Mund oder schlummern in den Kellern finanzielle Reserven?
Bei gravierenden Umsatzeinbrüchen kämen viele Betriebe ans Limit – besonders jene, die in den letzten Jahren stark investiert oder expandiert haben und hohe Kredite aufnahmen. Da kann es dramatisch werden. Am meisten aber sorge ich mich um die Gastronomie. Wir hätten keinen Markt mehr, sollten Restaurants massenhaft pleite gehen. Auch Prädikatsweingüter, die stärker auf den Endverbraucher statt auf den Handel setzen, könnten Probleme bekommen. Da stimme ich Steffen Christmann zu.

Gibt es Weingüter, die auf Kurzarbeit umgestellt haben?
Das ist eigentlich unmöglich. Die Arbeiten im Weinberg müssen ja gemacht werden. In Einzelfällen kann Kurzarbeit aber für Mitarbeiter im Vertrieb, Marketing oder in der Kellerwirtschaft angemeldet werden.

Werden die Weinbauern von der Politik wertgeschätzt?
Im Großen und Ganzen sind wir mit der Bundesregierung und der Bundeslandwirtschaftsministerin zufrieden. Frau Klöckner hat den richtigen Sachverstand. Die Hilfen zur Saisonarbeit, die uns angeboten werden, nutzen wir gern.

Haben Sie, ähnlich wie die Spargelbauern, spontane Unterstützung erfahren durch Kunden, die kommen und mithelfen wollen?
Frau Klöckner hat gerade an die Agrarstudenten appelliert, in den Semesterferien die landwirtschaftlichen Betriebe zu unterstützen. Das ist eine gute Anregung.

Wenn der Absatz sinkt, kann man entweder billiger produzieren oder teurer verkaufen. In welche Richtung wird sich der neue Weinjahrgang entwickeln?
Ich wünsche uns allen, dass es so bleibt, wie es vorher war. Dass uns die Lieferketten und die Absatzmärkte erhalten bleiben. Und dass keiner seine Arbeit verliert und niemand die Freude am Wein.

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Wolfgang Tröbner | Mi., 8. April 2020 - 09:23

Ich verstehe, dass die Landwirtschaft, zu der ich auch den Weinanbau und den Spargel-Anbau zähle, angesichts der Corona-Krise große Probleme hat, weil die osteuropäischen Saisonarbeitskräfte nicht mehr so zur Verfügung stehen, wie man das in der Vergangenheit gewohnt war. Allerdings stellt sich mir eine Frage. Die Osterweiterung der EU und damit die Möglichkeit, osteuropäische Arbeitskräfte anzustellen, erfolgte erst nach der Jahrtausendwende. Wie haben die Winzer und Spargelbauern davor ihre Arbeit erledigt? Wer hat ihnen geholfen?

Einfache Antwort: davor waren es auch Arbeiter aus Osteuropa, nur Illegale.

Urban Will | Mi., 8. April 2020 - 13:32

Antwort auf von Manfred Bühring

Weinbau sprechen und da sind mir keine „Illegalen“ in Erinnerung.

Ich selbst stamme aus einem kleinen Weingut, wir brauchten nur zur Lesezeit fremde Hilfe und die fand man problemlos im Lande.
Freunde, Bekannte, Verwandte...

Ich selbst verdiente mir als Jugendlicher auch ordentlich Geld in anderen Weingütern als „Hilfsarbeiter“.

Als der Osten offen war, wurde gezielt geworben, Menschen von dort als Helfer bei der Weinlese zu engagieren. Wir nahmen Kontakt zu einem polnischen Ehepaar auf.
Sie waren sehr dankbar für die D – Mark, die sie bei uns verdienen konnten.

Aus Erntehelfern wurden dann in zunehmendem Maße ganzjährig Angestellte, da die Winzerbetriebe immer größer wurden (kleinere Weingüter wurden aufgelöst und die Flächen konzentrierten sich auf immer weniger Betriebe.).

Christa Wallau | Mi., 8. April 2020 - 10:18

Als Wein-Liebhaberin wünsche ich den fleißigen Winzern und allen ihren Mitarbeitern von Herzen, daß sie diese Krise gut überstehen.
Demnächst, an den Ostertagen, gehört bei uns selbstverständlich guter Wein zum Essen, und ein "Viertele" Rotwein ist abends sowieso oft "drin".
Wir beziehen unseren Wein zum größten Teil direkt von Winzerbetrieben.

Für die Landwirte hoffe ich auch, daß sie aus dieser mißlichen Lage gestärkt hervorgehen, weil die Verbraucher zur Zeit etwas besser begreifen, welche ihrer Mitmenschen Lebensnotweniges produzieren (meist in schwerer, verantwortungsvoller Arbeit) und auf welche
Leistungen sie notfalls auch verzichten können.
Daß man den Produzenten frischer und qualitativ hochwertiger Lebensmittel dann auch finanziell entsprechend mehr Einkommen zugestehen muß, wäre die natürliche Schlußfolgerung -
das ist jedenfalls meine Meinung.

dieter schimanek | Mi., 8. April 2020 - 14:17

Da z.Z. aus Alkohol massenweise Desinfektionsmittel hergestellt wird, kann nicht nur der Wein knapp werden. Für Alkis brechen schwere Zeiten an, zumindest aber teure. Vorratshaltung ist angesagt, gut das Herr Schneider darauf aufmerksam gemacht hat. Im Keller lagerte man früher ein, ein Fass Most und ein Fass Wein. Prost!

August Weidlhofer | Mi., 8. April 2020 - 16:30

Traurig, dass ohne WanderarbeiterInnen aus Zentraleuropa die deutsche Landwirtschaft nicht mehr Leistung bringen kann. Der Handel hat wohl so sehr die Spannen reduziert, dass nur mehr mit den billigsten Kräften regional produziert werden kann. Dasselbe in Österreich. Jetzt die Lohnsklaven einfliegen zu lassen entspricht dem obszönen Zeitgeist, jedoch wäre ein Umdenken angesagt, aber das wird es mit den aktuellen Strukturen des billigen Fressens nicht geben. Schade!

Heidemarie Heim | Do., 9. April 2020 - 12:35

Antwort auf von August Weidlhofer

Da gebe ich Ihnen unbesehen recht werter Herr Weidlhofer! Doch ist es wie früher bei uns mit z.B. der Müllabfuhr. Wer wollte da vom normalen Volk arbeiten? Sich dann aber beschweren wenn die Gebühren hochgehen oder infolge Streik sich die Müllberge u.U. auf der Straße türmen und die Ratten Party machen;). Und kaum hat man leerere Regale zu fürchten, wird gehamstert was das Zeug hält und auch die sonst so großherzig verteilten "Reste" für die Tafeln im sooo reichen Deutschland
interessieren niemanden mehr sonderlich. "Me, myself and I" ist die Devise in der Krise. Und Lohnsklaven bekommen Sie auch nicht mehr so leicht. Neben freier Kost und Logis man für gute Leute Mindestlohn und Prämien für Mehrleistung anbieten. Und selbst dafür ( Std.Lohn ca. 10€ plus) bekommen sie deutsche Arbeitslose scheinbar nicht in ausreichender Zahl auf die Felder zu dieser körperlich anstrengenden Arbeit. Da meldeten sich in Mehrzahl Menschen aus Gastronomie/Hotel, die dies ebenfalls gewohnt sind. MfG