
- „Plötzlich soll ich alles aufbrauchen, bevor ich Hilfe kriege“
In der Coronavirus-Krise starten die Bundesländer mit ihren Soforthilfe-Programmen für kleine und mittelständische Unternehmen. Doch was gut gemeint ist, scheint nicht zu funktionieren. Ein Hotelier aus Baden-Württemberg klagt an, es würden die Falschen unterstützt und die Richtigen geschröpft.
Herr Geiger, Sie haben ein Landhotel zwischen Stuttgart und München. Wann mussten Sie die Sonnenhalde in Bad Boll schließen?
Im Endeffekt seit Mitte März. Zu etwa 20 Prozent haben wir noch geöffnet. So versuchen wir noch die Geschäftsreisenden mitzunehmen. Das ist ja noch erlaubt.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Im Endeffekt haben wir seit dem 16.3. einen wirklich massiven Umsatzeinbruch, resultierend aus einer hohen Menge an Stornierungen. Also tatsächlichen Buchungen, die storniert wurden von den Kunden. Wir haben damit von Mitte März bis Ende Juni komplett zwei Monate an Einnahmen verloren. Und das allein durch Stornierungen. Ein Teil des Hotelgebäudes ist angepachtet – wir haben nun mit dem Verpächter gesprochen, ob er uns mit 3 Monatspachten entgegenkommt. Wir haben versucht, die Lohnkosten durch Kurzarbeit zu senken und den Wareneinkauf so organisiert, dass wir so wenig verbrauchen wie möglich.
Die baden-württembergische Landesregierung verspricht Soforthilfen für Betriebe wie den Ihren.
Ja, aber die Soforthilfe muss beantragt werden und die Voraussetzungen dafür sind wirr und nicht gleichberechtigt.
Eigentlich klingt die Regelung aber doch ganz übersichtlich. Solo-Selbstständige und bis zu 5 Beschäftigte bekommen für drei Monate eine Soforthilfe von 9.000 Euro, bis zu 10 Beschäftigte 15.000 Euro, bis zu 50 Beschäftigte 30.000 Euro.
Genauso habe ich das am Anfang auch gesehen. Wunderbar. Der Antrag kommt. Ich beantrage, dann ist die Sache da. Und dann kann jedem geholfen werden, egal in welcher Situation. Dann meldete sich aber mein Steuerberater. Ich sei gar nicht antragsberechtigt, weil ich ja noch liquide Mittel hätte. Da ist mir die Hutschnur geplatzt.
Dann haben Sie ein Video bei Facebook hochgeladen und sich über die Situation beklagt. Inzwischen wurde es von Tausenden geteilt.
Es ist einfach der Wahnsinn, was da über Nacht passiert ist. Das Video wurde mehr als tausendfach geteilt, hunderte Menschen haben mir geantwortet. Ich glaube, ich habe tatsächlich vielen aus der Seele gesprochen.

Warum beklagen Sie sich gerade auf Facebook?
Also zuerst habe ich ja bei der IHK angerufen. Die sagten, leider sei es tatsächlich so, dass ich erst die liquiden Mitteln aufbrauchen muss. Man hat mich auf eine Passage im offiziellen Merkblatt der Regierung zu den Voraussetzungen hingewiesen. Da steht drin, dass man privates Vermögen einsetzen soll, dass man es aber bis zu einem angemessenen Betrag zurückhalten darf. Aber das versteht kein Mensch. Ja, muss ich denn erst so abgebrannt sein, dass ich überhaupt erst eine Hilfe erfahren kann? Muss es denn überhaupt so weit kommen?
Was bedeutet denn, man darf einen „angemessen Betrag zurückhalten“?
Eben. Jeder sieht angemessen völlig anders. Der eine fährt Porsche, der andere fährt einen Dacia. Warum sollte der mit dem Dacia weniger Geld zurückhalten dürfen als der mit dem Porsche? Nur weil der einen höheren Lebensstandard fährt? Das hat sehr viele gestört. Und hinzu kommt noch, dass man all das noch an Eides statt versichern muss. Da fühlen sich viele derart in einer Rechtspresse gefangen, dass sie sich lieber als nicht förderfähig einstufen, bevor sie nachher im Gefängnis landen.
Und jetzt hoffen Sie, auf anderem Wege gehört zu werden?
Klar, über Facebook erreichst du einfach wahnsinnig viel, schnell, eine Wahnsinnsmenge von Menschen. Das war aber eigentlich nicht mein Hauptziel. Ich wollte einfach mal ein Statement abschicken an meinen direkten Freundeskreis. Da sind ja viele Kollegen, Gastronomen und Selbständige drunter. Aber dass das dann so stark geteilt wurde und so eine Reichweite bekommen hat, konnte ich vorher nicht ahnen. Aber es freut mich natürlich, dass dieses Thema so weiter getragen wurde, dass es sogar die Medien erreicht.