Seit sich das Coronavirus immer weiter ausbreitet, sind auch die Finanzmärkte unter Druck / picture alliance

Corona und die Konjunktur - Es braucht unkonventionelle Maßnahmen

Das Coronavirus droht, auch die deutsche Wirtschaft zu infizieren. Das verstärkt noch die Probleme der Exportnation Deutschland, die in den letzten Jahren bereits immer sichtbarer geworden sind. Wir müssen endlich handeln und massiv investieren. Nur dann steckt in der Krise eine Überlebenschance.

Markus Karp

Autoreninfo

Markus Karp ist an der Technischen Hochschule Wildau Professor für Public Management und Staatssekretär a.D.

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Schon seit Beginn dieses Jahres war das Coronavirus in der Weltöffentlichkeit immer stärker präsent. War es anfangs nur ein fernöstlicher Schrecken, sorgt es inzwischen mitten in Europa für Panik. Dabei schwankt die politische Klasse Europas zwischen Aktionismus und Stoizismus. In Deutschland ist die politische Reaktion nach wie vor sehr verhalten. Aber das kann sich schnell ändern, wenn die Epidemie hier demnächst womöglich dasselbe Ausmaß wie in Italien annehmen sollte.

Optimal vorbereitet wirkt das Land jedenfalls nicht, obgleich bislang eine breite Bevölkerungsmehrheit Vertrauen in die diesbezügliche Kompetenz der politischen Entscheider hegt. Die Herangehensweise passt zu den Expertenaussagen, die zwischen Gelassenheit und Vergleichen mit der spanischen Grippe changieren, welche vor ziemlich genau hundert Jahren mehr Menschenleben forderte als der gerade zu Ende gegangene Erste Weltkrieg.

Ein wirtschaftlich verheerendes Ereignis

Offenkundig sind auch für Experten die Folgen der Seuche nach jetzigem Stand schwer einzuschätzen. Für Laien gilt das erst recht. Allerdings sind andere Auswirkungen des Coronavirus, ganz unabhängig von dessen weiterer Verbreitung und deren gesundheiltichen Auswirkungen, schon jetzt sichtbar: Es ist ein wirtschaftlich verheerendes Ereignis.

Die aufstrebenden Ökonomien Asiens sind lahmgelegt. Das internationale Geschäftsleben ist gestört. Weltumspannende Produtkions- und Lieferketten wurden unterbrochen. Und während die Bevölkerung noch gelassen ist, herrscht an den Finanzmärkten bereits Panik: Ein großer Börsenkrach hat die zu erwartende Beschädigung der Realwirtschaft schon vorweggenommen.

Lieber Schutzzölle statt Freihandel?

Die offenkundigen wirtschaftlichen Negativfolgen der Epidemie treffen auf andere Probleme, die sich in den letzten Jahren für die Europäische Union im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen aufgetürmt haben: Hierzulande schwindet das Produktivitätswachstum, die Produktionskosten steigen. Der Standort droht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Schlüsselindustrien wie die Autoindustrie sind vom technologischen Wandel bedroht. Die größten demographischen Herausforderungen stehen mit der Verrentung der Baby-Boomer-Jahrgänge unmittelbar bevor. Der Brexit ist ein schwerer Schlag für den europäischen Binnenmarkt. Und ein schleichender Globalisierungsabriss ist längst im Gange. Vielen Länder setzen inzwischen eher auf Friedrich Lists Schutzzölle als auf Adam Smiths Freihandel, wenn es darum geht, die innenpolitischen Schattenseiten der Globalisierung zu adressieren.

Die Politik muss gegensteuern

Für das exportorientierte Deutschland ein weiteres Problem. Im Verbund mit diesen bestehenden Problemen, die die wirtschaftlichen und politischen Aussichten der Bundesrepublik seit einiger Zeit schon verdüstern, kann die Coronaungewissheit und -furcht schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung des scheinbar unvermeidlichen Crashes werden – wie es ja an den Finanzmärkten schon zu besichtigen ist.

Dann wird es schwere Verwerfungen geben, selbst wenn die Entwicklung der Epidemie schon zum jetzigen Zeitpunkt auf ihrem Höhepunkt wäre und von da an erfolgreich eingedämmt werden kann. Gegensteuern ist dringend nötig. Das jüngst beschlossene Investitionsprogramm ist ein erster Schritt in die richtige Richtung – aber nicht mehr, denn das Volumen ist angesichts der Wucht der Entwicklungen zu gering. Wichtig ist indes, dass es zu keiner Verstetigung erhöhter konsumtiver Ausgaben und direkter Subventionen kommt.

Konjunkturprogramm mit Modernisierung verbinden

Das kann im Notfall Sinn ergeben, ist auf Dauer aber marktwirtschaftliches Gift in einem ohnehin stark regulierten Land mit einer Staatsquote wie der unsrigen. Viel besser eignen sich Infrastrukturinvestitionen. Es ist ein beschämender Zustand, dass in einem Land, welches vor allem vom Export hochwertiger Technik lebt, an vielen Stellen keinerlei Mobilfunkempfang vorhanden ist. Dabei bräuchte das vielbeschworene „Internet der Dinge“, die „smarte“ Technologie, die „Industrie 4.0“ und auch das autonome Fahren unbedingt flächendeckend leistungsfähigen Mobilfunk.

An dieser Stelle ließe sich also das Konjunkturprogramm mit der Modernisierung verbinden, die es ohnedies bräuchte, damit das Land nicht abgehängt wird. Und wenn der Streit über die Zulassung ausländischer Netzausrüster auch eine Geldfrage ist, dann wäre hier die Gelegenheit, genügend monetäre Mittel in die Hand zu nehmen, um eine souveräne Entscheidung treffen zu können. Infrastrukturinvestitionen wären aber auch bei grundlastfähigen modernen Kraftwerken möglich, die die Stromversorgung angesichts einer fortschreitenden Energiewende absichern.

Es gibt viele Baustellen

Die Stromnetze sind ebenfalls ein ewiger Engpass, dessen Behebung oftmals an der Frage scheitert, ob eine unterirdische Verlegung überhaupt finanzierbar ist. Denkbar wären auch Investitionen in öffentliche Einrichtungen, allen voran Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Auch die Justiz und die Sicherheitskräfte haben an vielen Stellen Modernisierungsbedarf.

Das Schienennetz, Straßen und Brücken harren der Erneuerung. Der Wohnungsbau muss angekurbelt werden. All das weist daraufhin, dass ein großangelegtes Konjunkturprogramm die Themen angehen könnte, die sowieso spaltend in unserer Gesellschaft wirken: Chancengleichheit, die in Deutschland geringer ist als in anderen Industrieländern. Gute Bildungseinrichtungen sind dabei der beste Ausweg. Umweltschutz und Verkehrspolitik sorgen für harte Polarisierung.

Die schwarze Null ist nicht haltbar

Ein moderner Ausbau könnte aber dafür sorgen, dass Umweltbelastungen sinken, ohne dass bei der Lebensqualität Abstriche gemacht werden müssen. Die überfüllten Pendlerzüge in den Metropolräumen sollten hier deutliche Inspirationen liefern. Wird ein Teil des Konjunkturprogramms auch noch europäisch gespielt, könnte es sogar dem Europagedanken zum Fortschritt verhelfen und zugleich ganz praktisch eine kontinentale Wirtschaftsdepression im Gefolge der Epidemie verhindern. Gleichzeitig gilt, die Investitionen rechtlich und steuerpolitisch zu flankieren.

Arbeitende Menschen müssen mehr zur Verfügung haben und leichter zu Wohneigentum kommen können. Beides stärkt den Binnenkonsum und verringert die Exportabhängigkeit. Entbürokratisierung muss für genügend Dynamik sorgen, Geld allein genügt dafür nicht. Die Koalitionsbeschlüsse zur Reform des Planungsrechts sind gut, aber für sich allein noch nicht weitreichend genug. Insbesondere die Union muss dafür ein Opfer bringen: Die schwarze Null, an der stets ehern festgehalten wurde, auch um konservative Konsistenz in Zeiten des Wandels zu demonstrieren, ist nicht haltbar.

Allerdings wird im Moment die Bundesrepublik bisweilen sogar dafür bezahlt, dass sie sich verschuldet. Im Angesicht der drohenden Wirtschaftskrise täten die Hüter der schwarzen Null daher gut daran, auf eine nachhaltige Verwendung von Neuschulden zu achten, anstatt durch verbissene Prinzipienreiterei prozyklisch mit dem Abschwung die Investitionen drosseln zu müssen und so die Talfahrt zu beschleunigen.

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Edgar Timm | Do., 12. März 2020 - 12:44

geforderten Infrastrukturinvestitionen erfordern qualifizierte Ingenieure und gut ausgebildete, hart arbeitende Handwerker. Die werden aber von einer wenig leistungsorientierten Steuer-und Sozialpolitik ins Ausland vertrieben. Und die Schulabgänger der Schneeflöckchen Generation wollen lieber etwas mit Medien machen oder Laberfächer studieren als sich mit technischen Fragestellungen zu beschäftigen.

Gisela Fimiani | Do., 12. März 2020 - 13:24

„Es gibt zu viele Baustellen“......Herbeigeführt von dilettantischer Politik, die in blindem, ideologisiertem Aktionismus das Land mit Problemen überschwemmt hat, mit deren möglichen! Lösungen man sich nie ernsthaft beschäftigte. Tägliches Durchwursteln, statt eines Zu-Ende-Denkens ist seit langem entgeistert zu bestaunen. Womöglich sorgt die Corona Krise für die endgültige Entlarvung einer Politik, die ein einst erfolgreiches Land bis in sein Innerstes zersetzte und zerstörte.

Urban Will | Do., 12. März 2020 - 14:20

Ereignisse wirkt dieser Artikel ein wenig weltfremd.

Die Wirtschaft steht in vielen Bereichen, ein Ende oder gar eine „Wende“ ist nicht in Sicht.
Zugegeben, es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Corona – Epidemie irgendwann ein Ende findet, aber warum jetzt so ein Artikel?

Von einem CDU – Mitglied?

Ihre Partei regiert dieses Land seit 15 Jahren und verantwortlich für vieles von dem, was Sie hier schreiben.
Aber gut, es ist ja vielleicht nicht Ihre Schuld.

„Arbeitende Menschen müssen mehr zur Verfügung haben...“

Das nennt man Steuersenkungen.
Mal gespannt, was Ihre zukünftigen Partner der links – grünen Abteilung dazu sagen.

Um ein Land voran zu bringen, braucht es Leistungsträger und Leistungsbereitschaft. Und Eliten, die man fördern und nicht beneiden und belasten sollte.
Keine Massenzuwanderung in die Sozialsysteme...

In manchen Mainstream - Kreisen nennt man solches Denken „faschistisch“...

Ja, es gibt noch viel zu tun.

Ein Potpourri von Investitionsideen ist in der aktuellen Lage wenig sinnvoll. Autonomes Fahren ist sicher keine Priorität. Degressive Abschreibungsmöglichkeiten für privatwirtschaftliche Anlageninvestitionen, ohne Bau weil dort keine Kapazitäten mehr sind, und auch sonstige steuerliche Maßnahmen für Unternehmen wären naheliegender. Wenn tatsächlich bis zu 2/3 der Bevölkerung in D infiziert werden könnten, was wahrscheinlich dem worst-case-scenario des RKI entspricht und deshalb von Frau Merkel so gesagt wurde, dann wird man einige zehntausend zusätzliche Intensivbetten mit Beatmungsgeräten brauchen - in 2020 und 2021.

Eventuell könnte man die Betten irgendwo kaufen, aber damit ist es ja nicht getan. Die Chinesen haben ein Krankenhaus innerhalb von Tagen gebaut, hier würde das Jahre dauern, wenn es denn nicht wegen Einsprüchen gänzlich abgelehnt werden würde. Mitarbeiter für ein Krankenhaus müsste man erst irgendwo im Ausland anwerben und dann anschließend erst mal Deutsch beibringen. Dass das nicht erfunden ist, kann man am Beispiel Bundeswehr sehen, wo die einfachsten Dinge Jahre brauchen. AKK hat jetzt endlich die Bürokratie als Ursache erkannt und möchte die Bundeswehr wieder etwas dezentralisieren. Wie viele Jahrzehnte hat es gebraucht, bis diese Erkenntnis bei der Politik angekommen ist? Überall, dauert alles ewig oder geht gar nicht, weil die Politik den falschen Weg geht. Und die CDU mitten drin.

Michaela 29 Diederichs | Do., 12. März 2020 - 14:25

Gesundheitswesen haben Sie vergessen. Dank des Versäumnisses unseres Kanzlerkandidaten Laschet und seines Adlatus Spahn wurde nämlich in NRW fröhlich Fasching gefeiert, als andere Länder bereits solche Veranstaltungen abgesagt hatten. Wo häufen sich Coronafälle? In NRW. Die Länder um uns herum reagieren längst. Die CDU wirkt angesichts der vielen von Ihnen erwähnten Probleme im Land völlig überfordert auf mich - zu langsam, zu spät, nie agierend, immer nur reagierend. So hat man´s bei Merkel gelernt. Abwarten und Tee trinken und hoffen, dass sich die Probleme erledigen.

schönes Wort, liebe Frau 29 (ist das Ihr Alter?)!
Mal in Ernst, sollte besser "GesundheitsVerwesen" heißen oder noch besser "Krankenverwaltung". Das obige ist mir zu positiv belegt.
Nicht nur das erheblich Personalmangel herrscht, nein, da sind auch die Einrichtungen selber oft in einem erbärmlichen Zustand. Aber ist ja in Old Germoney nichts Neues.
Lassen Sie doch der Kanzlerin Zeit, die überfallartig hereinbrechende Pandemie von Ende her aufzurollen. Solche Entscheidungen brauchen einen klaren Kopf! Gut Ding hat (eben) Weile.
Und erstmal mußte ja noch Karneval & Fasching hinter uns gebracht werden bevor irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden. Wir können doch dem Volk nicht den Spaß an der Freude nehmen!
Und seien Sie solidarisch (lt. AM) und geben ihren Mitmenschen etwas von ihren gebunkerten Reserven ab (1 Paket Toiletten-P, paar Dosen Erasco u.ä)
Wir haben die "Probleme" völlig unter Kontrolle oder bemühen uns wenigtens so zu tun!
Bischen mehr Geduld, Frau 29!
Salute

Gabriele GÖTTELMANN-DURET | Fr., 13. März 2020 - 09:01

Bravo Professor Karp!
Ich teile Ihre Vorschläge zu den dringend zu ergreifenden Massnahmen im derzeitigen 'Kontext'voll und ganz (und würde öffentliche Spezialfonds für Ausbildung, Umwelt und Relokalisierung strategischer Produktionen hinzufügen bzw. betonen).
Warum sind Wirtschaftswissenschaftler wie Sie nicht schon lange einflussreicher in der CDU?

Herrn Kraps Aussagen könnte Merkel durchaus zum Plagiieren animieren. Dazu müßte sie aus ihrem schwarzen Loch emporsteigen. Doch ihrem Demoskopen Matthias Jung fehlt noch die rote Linie. Merkel benötigt eine funktionierende Kabinetts-Crew mit der Fähigkeit, voraussehend denken kann und tatkräftig handelt. Doch das erlaubt Merkel ihren Vasallen nicht. Denn uneigennützige Führung erlaubt sich Merkel nie.
Nach Ankunft des europaweiten Coronavirus läßt sie wertvolle Zeit verstreichen und nicht, wie es der Virologe Alexander Kekulé von ihr fordert, eine deutschlandweite Informationskampagne zu starten, nicht peu a peu zu handeln. Sie erkennt oder will
nicht die Brisanz beim Namen nennen. Die Bevölkerung beruhigen, Führungsstärke zu beweisen. Als gewollte Regierungschefin des größten EU-Landes müßte sie für eine bessere Koordination kämpfen, dem Erreger entgegentreten. Eine einheitliche Strategie einfordern. Nein, sie kocht Spahns übergelaufenes und eingetrocknetes
Süppchen.