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Woody Allen: "Unerträglich, dass dieser Mann am Ende seines Lebens am öffentlichen Pranger steht" / dpa

Protest gegen Biografie-Veröffentlichung - Stokowski und ihre Moralapostel-Truppe gegen Woody Allen

Rowohlt-Autoren wie Margarete Stokowski fordern ihren Verlag auf, Woody Allens Autobiografie „Ganz nebenbei“ nicht zu veröffentlichen. Dabei sind die Missbrauchsvorwürfe gegen ihn nie bewiesen worden. Für den Traditionsverlag wäre ein Einknicken vor den Moralaposteln ein Armutszeugnis.

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Ernst Rowohlt, der Gründer des Rowohlt-Verlags, war vier Mal verheiratet und hatte ein Kind mit seiner langjährigen Geliebten. Rowohlt verlegte kontrovers diskutierte jüdische Autoren, darunter Kurt Tucholsky, die von den Nazis als Pornografen geschmäht wurden. 1936 erhielt er Berufsverbot, 1938 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Man darf getrost annehmen, dass Ernst Rowohlt sich im Grab umdrehen würde, wenn sein Verlag dem Druck eines Rudels politisch überkorrekter Autoren nachgeben und die Autobiografie des New Yorker Filmemachers Woody Allen — wie Tucholsky eine jüdische Ikone — nicht veröffentlichen würde.

Denn das wird gefordert. Rund 20 Rowohlt-Autoren, darunter die Spiegel-Blogger Sascha Lobo und Margarete Stokowski fordern von ihrem Verlag, Allens Autobiografie „Ganz nebenbei“ zurückzuziehen. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der amerikanische Großverlag Hachette Allens Biografie storniert hat. Die englische Ausgabe ist bereits fertig und hätte zeitgleich mit der deutschen Rowohlt-Ausgabe im April erscheinen sollen. Das ist nicht der erste Schlag gegen Allen, zuvor hatte der Internetgigant Amazon einen Deal gecancelt, vier Filme von Allen zu vertreiben.

Der Vorwurf wurde nie belegt

Hachette seinerseits reagierte auf Proteste seiner Mitarbeiter, aber auch auf Drohungen von Ronan Farrow, der seine Geschäftsbeziehung zu Hachette gekündigt hat. Ronan Farrow ist nicht nur Pulitzerpreisträger, Bestsellerautor und der Mann, der Harvey Weinstein mit zu Fall gebracht hat, er ist auch der Sohn von Allens früherer Freundin Mia Farrow. Wer sein Vater ist, ist nicht so ganz klar, entweder Allen oder Frank Sinatra. 

Aber von vorne: Woody Allen und Mia Farrow waren ein Traum-Filmpaar, bis Woody eine Affäre mit Mias (nicht seiner eigenen) 21-jährigen Adoptivtochter Soon-Yi anfing. Die beiden sind heute verheiratet und haben zwei Adoptivkinder; seitdem führt Mia Farrow einen Rachefeldzug, für den sie auch ihre übrigen Kinder einspannt. Sie wirft Allen vor, die gemeinsame, damals siebenjährige Tochter Dylan 1992 missbraucht zu haben. Der Vorwurf, der die Polizei und mehrere Gerichte beschäftigte, wurde nie belegt.

Angeschrien, geschlagen, eingesperrt

Ronan Farrow, Mias Lieblingssohn, hat derweil eine Karriere auf der MeToo-Bewegung aufgebaut, die darin gipfelte, dass der Filmproduzent Harvey Weinstein auch aufgrund von Ronans Artikeln wegen Vergewaltigung verurteilt wurde. Nun tun Allens Kritiker so, als sei Allen so eine Art Weinstein 2.0 und die nunmehr 50-jährige Soon-Yi sein hilfloses Opfer. Davon könne gar keine Rede sein, schreibt Moses Farrow, eines der Adoptivkinder von Mia Farrow, in seinem Blog: Mia Farrow habe nach der Trennung von Woody all ihren Kindern eingedrillt, was für ein „schrecklicher Vater“ der sei. Dabei habe Mia, die selbst aus eine dysfunktionalen Familie stamme, ihre Adoptivkinder ständig angeschrien, geschlagen, eingesperrt, oder Gehirnwäschen unterzogen, damit sie kleine Vergehen gestehen.

Soon-Yi habe die Affäre mit Allen nur angefangen, um Mia zu entkommen, wohingehend zwei andere Adoptivkinder Selbstmord begangen hätten. Was den angeblichen Missbrauch von 1992 anging: Der damals 16-jährige Moses war an diesem Tag mit Dylan und dem vierjährigen Ronan in Mias Landhaus, zusammen mit drei Nannies. Es sei völlig ausgeschlossen, dass Allen seine Tochter unbeaufsichtigt auf den Dachboden geführt und missbraucht haben könnte.

Nicht nur wildgewordene politische Korrektheit

Auch Soon-Yi hatte ihren Mann im New York Magazine verteidigt und wurde dafür von ihrem kleinen Bruder Ronan angegriffen. Überhaupt beharken Ronan und Dylan jeden auf Twitter, der sich ihrem Feldzug entgegenstellt, und niemand in der Branche möchte sich Ronans Rache aussetzen. Inzwischen haben sich mehrere Schauspielerinnen, darunter Natalie Portman und Mia Sorvino, dafür entschuldigt, in Allens Filmen aufgetreten zu sein — wobei ihm keine vorwarf, ihr zu nahe getreten zu sein. Selbst Regisseure wie Greta Gerwig distanzierten sich von ihm.

Das ist nicht nur wildgewordene politische Korrektheit. A-List-Schauspielerinnen können sich ganz gut an die vorherrschende gesellschaftliche Strömung anpassen, um die Karriere nicht zu gefährden. Ähnlich sieht es offenbar in der Verlagswelt aus. Dass Hachette von einem Übermaß an emotionalen Einfühlungsvermögen angetrieben wird, darf man ausschließen. Das Haus, eine Tochter des französischen Konzerns Lagardère, dessen Geschäftsführer Jean-Luc Lagardère von Airbus kommt, verlegt beispielsweise das Buch von Donald Trump Jr. Es geht also darum, des lieben Geschäfts wegen dorthin auszuweichen, wo der geringste Druck ist. Dass Allens Gegner nun auch noch behaupten, es gäbe gar keine Zensur, wirkt perfide.

Ausgerechnet Stokowski

Immerhin: Der Schriftstellerverband PEN America stellte sich — vorsichtig — hinter Allen: „Wenn es das Ergebnis sein wird, dass das Buch ungeachtet seines Wertes spurlos verschwindet, dann werden Leser der Chance beraubt, es zu lesen und ihr eigenes Urteil zu fällen“, schreibt PEN. Welcher Linie Rowohlt folgt, wird man sehen. Es gibt auch Autoren wie der Schwulencomiczeichner Ralf König, der Rowohlt auffordert, an Allens Buch festzuhalten. „Es ist schwer erträglich, diesen Mann, der uns über Jahrzehnte wunderbar kluge liebenswerte Filme geschenkt hat — ja, mit all seinen Neurosen, gerade deswegen! — diesen Mann am Ende seines Lebens am öffentlichen Pranger gestellt zu sehen, aufgrund eines aufgeregten und hysterischen öffentlichen Familiendramas.“

Und dass ausgerechnet Stokowski fordert, Allen seines Privatlebens wegen zu zensieren, ist beinahe komisch. Die Spiegel-Kolumnistin ist Trägerin des Kurt-Tucholsky-Preises, immerhin ein Autor, der einerseits radikal gegen jegliche Zensur eintrat, auch wenn sie unter dem Deckmantel der Moral und des Jugendschutzes daherkam und dessen erste Frau andererseits die Scheidung einreichte, weil sie (wie sie sagte), über seine Geliebten hinwegsteigen musste, um in ihr Ehebett zu kommen. Vielleicht sollte Stokowski wenigstens das Preisgeld an ein Frauenhaus stiften.

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Ernst-Günther Konrad | Di., 10. März 2020 - 13:02

Auch die Amerikaner haben genauso wenig, wie wir Deutschen aus ihrer Vergangenheit gelernt. Die Amis haben die Mc Carthy-Ära 1950-1955 vergessen. Damals wurde alles und jeder als Kommunist verdächtigt, der anders war und anders dachte. Wir Deutschen haben gleich zweimal diktatorische Denunziantenstaaten 1933-1945 und ein Teil Deutschlands bis 1989 erlebt und sind wieder am vergessen. Auch wir lernen aus beiden Geschichtsabschnitten nichts.
Unschuldsvermutung gilt nicht, wenn eine Behauptung von moralischen überhöhten "Gutmenschen" geäußert wird. Wer sich mit ihnen gemein macht ist genauso zu ächten, wie der vermeintliche Denunzierte selbst. Was braucht es gerichtlicher Überprüfung. Die Moral steht über allem und wenn eine Ehefrau es sagt, wird es stimmen. Fakten egal. Me too lebe hoch. Alle Männer sind Sexverbrecher und Kinderverderber. Wo her ich das weis? Die "Guten" sagen es und viele andere die "gut" sein wollen auch. Gehe zurück ins Labor. Muss ein Mittel gegen Dummheit suchen.

Die Dummen sind eigentlich schlau. Die moralische Überhöhung wirkt. In den USA schon lange, weil das meiste von Identitätspolitik, Genderstudies, Political Correctness, und was es sonst noch an Dummheiten gibt, von dort kommt. In D haben wir eine 9%-Partei, die eine führende Stellung im öffentlichen Diskurs einnimmt. Habeck/EKD/PoAsyl usw. erhalten was sie seit ca. 2 Monaten fordern - ca. 1500 Jugendliche und Kinder sollen aus Lesbos herausgeholt werden, weil sie dort nicht angemessen betreut werden könnten. Dies ist eine platte Lüge, die mittlerweile als glaubwürdig gilt. Dummheit ist mächtig, weil Frechheit siegt.

Wir brauchen einen Kampfbund 'für saubere Kultur'. Und dieser sollte eines 'Liste des zugelassenen Schriftguts (entsprechendes für Filme und Musik) erstellen und quartalsweise akualisieren. Da würden sich viele 'Hasser und Hetzer' und alte weiße Männer wie Woody Allen und Polansky und Sarrazin und Broder und Steimle und Tellkamp und Klonovsky und ... umgucken. Und einmal im Jahr wird ein Autodafe veranstaltet, auf welchem die 'unsaubere Kunst' vernichtet wird. Als Termin schlage ich vor - den 10. Mai. Die Deliquenten könnten in Arme-Sünder-Uniform und mit gesenktem Haupt dem Volksfest beiwohnen und 'sich entschuldigen'
Und Frau Stokowski übernimmt die Funktion des Bundes-Sauber-Warts.

Dennis Staudmann | Di., 10. März 2020 - 13:28

mit den Hexenjagden früherer Jahrhunderte oder der Verfolgung politischer Gegner in Diktaturen? Wer verdächtig ist, ist schuldig! Jede Argumentation für den vermeintlichen Täter und jeder Zweifel an dessen Schuld werden von selbsternannten Moralisten erbittert bekämpft. Strafprozesse dienen nur noch als Schaubühne, um ein Urteil zu erzielen, welches ohnehin schon feststeht. So wurden die freundschaftlich formulierten Emails derjenigen, die Weinstein jahrelang, nachdem dieser sie angeblich vergewaltigt hat, schrieben, nun zu etwas erklärt, was "absolut nicht ungewöhnlich" ist für Opfer sexueller Gewalt. Deren Existenz und Inhalt wurden vom Grossteil der amerikanischen und deutschen Presse ohnehin ignoriert. Die Presse hatte ihr Urteil längst gefällt. Wen interessiert also noch, ob es schriftliche Belege gibt, die Zweifel an der Schuld Weinsteins aufkommen lassen könnten? Woody Allen wurde bereits 1994 von einem New Yorker Gericht vom Missbrauchsvorwurf freigesprochen.

..anders kann man die Reaktionen hier nicht deuten. Die AfD forderte übrigens vor Jahren, bei Scheidungen wieder das Schuldprinzip einzuführen. Verumutlich dachte man, der überflüsssig gewordene, einstmals stolze Herr des Hauses könnte dann per Gesetz wieder die Oberhoheit am Küchentisch erringen oder mindestens ordentlich finanzielle Kompensation für die ergangene Schmach kassieren.
Die MeToo-Bewegung setzt sich gegen sexuelle Gewalt physischer und psychischer Form ein. Was ist daran zu beanstanden? Scheinbar ist für den Wutbürger nicht nur die Forderung nach beruflicher Gleichberechtigung, sondern auch der geforderte Schutz vor sexueller Gewalt verwerflich. Frustrierte alte Männer eben, die sich ständig brüskiert fühlen?
Die Person Woody Allen ist durchaus komplex...Immerhn gab es zu einem bestimmten Zeitpunkt Gerede über Nackfotos seiner Adoptivtocher, die übrigens später seine Frau wurde...Der Rest der Familie will angeblich noch immer nichts mehr mit ihm zu tun haben...

Und auch nicht gekränkt oder brüskiert? Man kann nur vermuten, dass das bei Ihnen auch nicht soo viel anders ist. Offensichtlich gibt es ja für Sie kein Thema, bei dem Sie es der AfD wieder mal so richtig geben können. Chapeau, das muss man erst mal hinkriegen. Erinnert mich verdammt an den römischen Senator, der seine Reden stets mit: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss" beendete. Und nun zu # Metoo. Haben Sie schon mal was von Gesetzen und Gerichten gehört, die solche Fragen zu beurteilen haben? Nicht aber Menschen, die irgendetwas davon gehört haben und nun meinen, etwas dazu beitragen können. Bitte Fakten und nicht immer Unterstellungen und Vermutungen! Das langweilt.

Constantin Bögner | Di., 10. März 2020 - 13:31

ist exakt einer der Hauptgründe, warum der Spiegel für mich nicht mehr lesbar ist. Diese Frau vertritt eine Meinung, der ich mich gerne entziehe. Gibt ja genug Alternativen für ein politisches Magazin, z.B. den Cicero. Gott sei gepriesen!

G. Wolfskehl | Mi., 11. März 2020 - 20:22

Antwort auf von Constantin Bögner

(S. Betreff.)

Thomas Hechinger | Di., 10. März 2020 - 15:12

So unappetitlich die ganze Angelegenheit ist, sie hat auch bizarr-komische Züge. Wenn Woody Allen noch je Sorgen um einen neuen Stoff gehabt haben sollte, so ist er dieser nun ledig. Er muß ja nur seine eigene Geschichte verfilmen. Ein Film mit Überlänge dürfte nicht reichen, das könnte durchaus ein Mehrteiler werden: "Abgründe der Liebe", Teil 1 bis 5. Da ist alles drin und auch das Gegenteil davon: wahre Liebe und Freundschaft, Treue, Eifersucht, Trennung, Verrat, Intrigen, Haß, Verleumdung, Verfolgung, Vernichtungswille, Zerstörung, Abwehrkampf, Siege und Niederlagen und - ein Happy End? Wohl eher nicht. Am besten einen offenen Schluß mit der Aussicht auf weitere Folgen.

Armin Latell | Di., 10. März 2020 - 15:43

Mir ist Woody Allens Autobiografie schlichtweg völlig egal. Ich werde sie nie lesen, so oder so. Aber: Es zeigt sich immer wieder, dass man nur links genug, radikal genug, feministisch genug, gegen möglichst alle und alles sein muss, um sich, auch wenn man strohdumm ist, bei einem bestimmten Klientel Gehör zu verschaffen und erfolgreich zu sein. Ob Spargel Suada oder die Absage einer vereinbarten Lesung in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl wegen „neurechter Bücher“ dort im Sortiment, ich kann nicht verstehen, warum so viel Wert auf die Meinung eines mental beeinträchtigten Menschen gelegt wird. Genau das ist sie für mich.

Stefan Teschner | Di., 10. März 2020 - 17:12

Lobo und Stokowski, die sich auf "SPIEGEL ONLINE" gern als Bewahrer von Demokratie und Toleranz inszenieren, müssten eigentlich spätestens jetzt den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit verspielt haben. Rechtsstaatliche Prinzipien wie "Unschuldsvermutung"? Wozu, wenn man/frau doch "Haltung" demonstrieren kann, was auch immer man darunter verstehen mag...
Der unbewiesene Missbrauchs-Vorwurf war der letzte, aber offenbar wirkungsvollste Trumpf in einem schmutzigen Scheidungskrieg. Wirtschaftliche Zerstörung durch öffentliche Ächtung. Eigentlich nicht vorstellbar in einer funktionierenden Gesellschaft, in der rechtsstaatliche Prinzipien geachtet werden. Aber was die 15-20 Rowohlt "Autoren" hier zelebrieren ist erschreckenderweise gar nicht so weit entfernt von der Mentalität, die sich zu Fackelzug, Buchverbrennungen und Judenboykott versammelte.

Manfred Sonntag | Di., 10. März 2020 - 18:09

Wer ist Sascha Lobo? Von Frau Stokowski habe ich schon mal gehört. Diese "Dame" hat eine Lesung platzen lassen, weil in dem Buchladen in dem sie auftreten sollte, Bücher in der Auslage waren, welche ihr nicht genehm waren. Von solchen Handlungen ist es nicht mehr weit bis zu den Inhalten und Strukturen wie im Roman und Film "Die Welle". Die darin vorkommenden Verhaltensweisen sind in totalitären Systemen und Gruppierungen wie dem Nationalsozialismus, Faschismus, Stalinismus, Sozialismus oder religiösen Ideologien üblich und werden auch gefördert. Dieser Feldzug, "Identitätspolitik" genannt, zerstört die Grundlagen unseres Landes, der EU und ganz nebenbei auch unser Leben. RRG&Schwarz und viele "Medienschaffende" sehen dabei der Vernichtung unserer Kultur begeistert zu. Die Beschreibung "wildgewordene politische Korrektheit" ist für diese Verhaltensweisen noch geschmeichelt, besser wäre "verdorbene und unethische politische Korrektheit".

Wolfgang Borchardt | Di., 10. März 2020 - 18:35

Diese Denunzianten sind nicht so zahlreich, wie es scheint. Ihre Macht beziehen sie aus ihrer Lautstärke, ihrer effizienten Vernetzung und dem Glauben, die Guten zu sein. Die Quelle dieses Glaubens ist unklar. Da/wenn sich kein Widerstand regt, dürfen die Glaubensbrüder und -schwestern meinen, dass es keine Gesinnungsdiktatur gibt. Sie selbst merken schließlich nichts davon.

Tomas Poth | Di., 10. März 2020 - 18:57

una frescura intelectual

Michael Theuring | Di., 10. März 2020 - 21:03

Die Lebensleistung dieser beiden begnadeten Filmkünstler, gehört zum Besten, was uns das 20. Jahrhundert hinterlassen hat. Alles wird nun von einigen wenigen Hypermoralisten so weit entwertet, dass es bald nicht mehr existent sein wird.

Es soll aus dem kulturellen Gedächtnis der Menschen getilgt werden - allein wegen der narzististischen Störungen einiger, die meinen, ihre zwanghaften persönlichen Kriege gegeneinander führen zu müssen. Ich bin fassungslos und traurig.

Wer wird der nächste sein? Vielleicht Pablo Picasso?
Der hatte es bekanntlich ja auch mit Frauen.

Christoph Ernst | Di., 10. März 2020 - 21:26

Aber anders als bei Goebbels kriegt keiner mehr die Texte zu lesen. Sie werden gar nicht erst gedruckt. Das ist McCarthy pur. Egal, ob man Woody Allen mag oder nicht: Er ist ein großer Künstler. Und grundsätzlich gilt: in "dubio pro reo".
Stokowski ist Gesinnungsfaschistin. Sie bläst wider besseres Wissen zur Hexenjagd, sucht einen zu vernichten, dem sie nie wird das Wasser reichen können. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wie verantwortet es Rowohlt eigentlich, opportunistische Denunzianten wie Stokowski und Lobo zu verlegen?

Krankhafter Hass auf Männer ist weder Ausweis für Feminismus noch Klugheit. Stokowski mag schwere seelische Defekte haben. Dass sie ihre ekelhafte Agenda kultureller Demenz austoben darf, verdankt sie saturierten Salonsozialisten wie dem zig fach Millionenerben Augstein, die als pseudo-linke Zombies zur Hetzjagd auf kluge Kritiker blasen.

Daß Frau Stokowski krankhaften Hass auf Männer hätte, kann man so nicht sagen.
Maximilien Robespierre war schließlich auch ein Mann - und den scheint sie ganz und gar nicht zu hassen...

Dietmar Hochmuth | Mi., 11. März 2020 - 00:42

In diesem traurigen Kontext macht our lovely expat's (mit dem famosen middle name) labeling von Woody und Tucholsky als "jüdische Ikonen" überhaupt keinen Sinn. Wird es dadurch schlimmer? Nein, aber so kann man alles platt machen. Woody Allen spielte schon immer lieber Saxophon - sogar öffentlich, als in eine Synagoge zu gehen. „Religionen sind mir keinen Pfennig wert. Ich erziehe auch meine Kinder nicht in der jüdischen Tradition. Ich glaube nicht an Gott und finde ohnehin alle Religionen dumm“, sagte er in einem Interview mit der NZZ am Sonntag, 22. Juli 2012. Was also soll dieser Legitimationskitsch hier?! Mit Tucholsky verhielt sich das nicht anders.
Daraus zieht nämlich am Ende noch ein Eiferling das Antisemitismus-Ticket, und dann beißt sich die Katze des Gutmeinentum vollends in den Schwanz. (Weil "positiver Antisemitismus" eben auch nur welcher ist.)

Gregor Ries | Mi., 11. März 2020 - 00:53

Wenn es möglich ist, werde ich das Buch heute noch vorbestellen (und verschenken) - aus Solidarität.
Aber es gibt noch andere: Wer kennt noch den Super-/Mega-/Giga-Star der 80er, dessen Lieder man niemals im Radio hört? Auch hier wird die Kunst verdammt, weil man den Künstler verurteilt. Und auch hier kam es nicht zu einem Urteil - ich rede von Michael Jackson.
Und wer weiß, vielleicht waren Pythagoras, Sokrates oder Archimedes auch ganz schlimme Finger und man muss die ganze Mathematik und Philophie umschreiben?

Brigitte Miller | Mi., 11. März 2020 - 07:48

den ( vermeintlichen? ) Übeltäter bestrafen und marginalisieren.
Aber es obliegt nicht diesen Gutmenschen, das zu tun.
Die Entscheidung, ob man dieses Buch lesen will oder nicht ist ebenfalls nicht deren Verantwortung, sondern die des einzelnen potentiellen Lesers.

Reinhard Getzinger | Mi., 11. März 2020 - 11:05

Antwort auf von Brigitte Miller

Die Entscheidung, ob man ein Buch lesen will oder nicht, entfällt, wenn Verlage sich nicht mehr trauen, Bücher drucken, die einem kleinen, aber offensichtlich einfußreichen Teil der Gesellschaft missfallen...

Wolfgang Borchardt | Mi., 11. März 2020 - 08:13

Sollte den Moralaposteln die Macht gehören, dann "Gute Nacht" Kultur. Denn irgendwas "Unmoralisches" findet sich immer, wenn man sucht, um andere auszubooten. Schlimm, dass es auf fruchtbaren Boden fällt. Schlimm, wenn diese Menschen glauben, selbst der Maßstab aller "Moral" zu sein.

Michael Andreas | Mi., 11. März 2020 - 09:04

Frau Schweitzer hat einen Standpunbkt und nennt nur die dazu passenden Fakten. Frau Stokowski desgleichen. Wobei ich Frau Schweitzer zutraue, genug zu dem Fall recherchiert zu haben, so dass sie eigentlich weiß, dass Allen ein Täter ist. Sich gegen die Veröffentlichung eines Buches durch einen mutmaßlichen Kinderschänder zu verwahren, ist auch in Zeiten von metoo keine Moralapostelei, sondern nachvollziehbar.

Brigitte Miller | Mi., 11. März 2020 - 11:01

Antwort auf von Michael Andreas

zu verwahren, ist nachvollziehbar" . Das ist eben die Frage.Wer entscheidet schlussendlich, was wir hören und lesen dürfen und wovor will man uns "bewahren".
Eine Handvoll ( prominente ) Moralisten, die Druck machen und erreichen, dass nicht nur die Veröffentlichung von solchen Büchern , sondern auch kulturelle Werke aus der Vergangenheit umgeschrieben und vernichtet werden?
Wie weit darf das Ihrer Ansicht nach gehen?

Andreas Zimmermann | Mi., 11. März 2020 - 11:32

Antwort auf von Michael Andreas

liches Problem mit der Meinungsfreiheit hat. Aber das ist ja das Problem heutzutage, es wird ungefragt moralisiert. Wovor hat man Angst? Das der Leser ebenfalls Kinderschänder wird? Werden sie durch das Lesen einer unkorrigierten Pippi Langstrumpf Ausgabe zwangsläufig zum Rassisten?
Es ist dieses nannyhafte Bevormunden, die unterstellte Unmündigkeit und letztlich die unverhüllte Bevormundung welche hier von selbsternannten Moralaposteln vertreten wird. Eine bestimmte Gruppe von Menschen ist der Meinung entscheiden zu können was richtig und falsch ist für alle anderen und die müssen sich fügen.
Doch nur bestimmte Form von Totalitarismus, Verachtung der Selbstbestimmung von Menschen münden in derartiger Selbsterhöhung und eine wahrscheinlich nie selbst erreichte Stufe persönlicher Reife um so eine maßlose Arroganz zu besitzen, die eigenen gruppenbezogenen Wertvorstellungen als universell anzusehen.
Es wäre nur infantil wenn es nicht so gefährlich für das Recht auf Selbstbestimmung wäre!