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Joe Bidens gute Laune nach den Ergebnissen in South Carolina könnte von kurzer Dauer sein / dpa

Super Tuesday - Bei den US-Demokraten wird der Ton rauer

Am Super Tuesday könnte die erste Vorentscheidung im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur fallen. Nachdem Pete Buttigieg und Amy Klobuchar aus dem Rennen ausgestiegen sind, läuft alles auf Joe Biden und Bernie Sanders hinaus. Wenn da nicht noch zwei Spielverderber wären.

Daniel C. Schmidt

Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Politik ist immer auch ein Zahlenspiel, vor allem in den USA. Zahlen können Stimmungen erzeugen und Erwartungen wecken. Es geht um Prozentpunkte, um Delegiertenstimmen, um Dollarspenden, um Lebensjahre, um Berufsjahre, und manchmal können ein paar Stunden darüber entscheiden, woher plötzlich der Wind weht. 

Jüngst bekam die fein abgestimmte Arithmetik dieser Komponenten Joe Biden zu spüren. Noch vor den Vorwahlen am vergangenen Samstag in South Carolina schlich sein Wahlkampf der Bedeutungslosigkeit entgegen. Barack Obamas ehemaliger Vizepräsident lag in den Umfragen (weit) vor, als er noch gar nicht angetreten war. Ihn galt es zu schlagen, weil er wie derjenige wirkte, der Präsident Trump schlagen könnte. Woche um Woche, Monat um Monat verringerte sich aber der Abstand zu den Verfolgern, bis sie sich vor ihn schoben. Mit einem Mal war Biden nicht mehr der Spitzenkandidat. Diesen Titel sicherte sich Bernie Sanders nach den Vorwahlen in Iowa, New Hampshire, und Nevada. Und dann kam South Carolina. 

Wie aus dem Nichts

Biden siegte am vergangenen Wochenende deutlich, holte in einem breitaufgestellten Feld aus insgesamt sieben Kandidaten und Kandidatinnen fast 50 Prozent der Stimmen. Wie aus dem Nichts, als ob jemand einen Schraubenschlüssel zwischen den Zahnrädern seiner Kampagne entfernt hätte, läuft es deutlich runder: Lange wirkte Biden nicht mehr so gelöst wie am Samstagabend in Columbia, South Carolina, auf seiner Wahlparty, nachdem sein Sieg in dem Bundesstaat offiziell feststand. Er, der scheinbar Schwächelnde, hatte Bernie Sanders hinter sich gelassen – und in genau solchen Momenten setzt das verworrene Zahlenspiel der amerikanischen Politik ein. 

In den Stunden nach South Carolina bekamen die Vorwahlen eine neue Dynamik, weil Biden mit dem guten Ergebnis für sich eine neue Erzählung geschaffen hatte: Don’t call it a comeback, aber wir sind wieder da. „Wir feuern hier heute Abend in Columbia und lasst mich das direkt an Demokraten im Land richten, vor allem die, die am Super Tuesday wählen: Das ist der Augenblick, um den weiteren Weg für die Partei zu bestimmen“, sagte Biden unter lautem Applaus. „Die Entscheidungen, die Demokraten im ganzen Land in den nächsten Tagen treffen, werden mitbestimmen, wofür diese Partei steht, an was wir glauben, und was wir bewerkstelligen werden.“

Biden ist konkurrenzfähig

Biden, der 1988 und 2008 bereits versucht hatte, Präsident zu werden, zeigte an diesem Abend, dass er konkurrenzfähig ist, dass er Wähler hinter sich versammeln kann, dass der selbsternannte Sozialist Sanders vielleicht doch nicht so uneinholbar ist, wie das Partei-Establishment der Demokraten zu fürchten scheint.

Um sicherzugehen, dass Sanders am heutigen Super Tuesday doch nicht davongaloppiert im Rennen um die Kandidatur, bekam Biden Unterstützung vom einstigen innerparteilichen Gegner: Am Sonntag gab Pete Buttigieg seine Kandidatur auf, am Montag verkündete dann Amy Klobuchar, dass ihre Kampagne nicht weitergehen werde. Von den eher moderaten Anhängern des ehemaligen Bürgermeisters aus South Bend und der Senatorin von Minnesota kann sich Biden einige Stimmen erhoffen. Beide und der ehemalige Mitbewerber Beto O’Rourke sicherten am Montagabend vor und während Bidens Wahlkampfveranstaltung in Dallas, Texas ihre Unterstützung für seine Kampagne zu. 

König des Spendensammelns

„Lasst Euch eins sagen: Das Establishment ist sehr, sehr nervös geworden“, sagte Bernie Sanders an einem seiner letzten Auftritte vorm Super Tuesday am Montag in Utah vor 5800 Zuschauern. 

Inwiefern Biden über den Super Tuesday hinaus weiter an seiner Rolle als womöglich neuer alter Spitzenreiter stricken kann, hängt maßgeblich vom Senator aus Vermont ab, der nach seinem Herzinfarkt im vergangenen Oktober einen weitestgehend fehlerfreien Wahlkampf führt: Klar themengetrieben, sachorientiert, in vollen Hallen, vor einem breiten, jungen, enthusiastischen Publikum, mit guten bis sehr guten Ergebnissen in den Vorwahlen. Zudem bleibt Sanders der König des Spendensammelns. Im Februar nahm er 46,5 Millionen Dollar aus insgesamt 2,2 Millionen Einzelspenden ein. Joe Biden kam auf 18 Millionen im gleichen Monat. Ein derartiger Zahlenunterschied ermöglicht eine ganz andere Infrastruktur vor Ort, hilft beim Organisieren und Mobilisieren.

Ungewöhnliche Strategie

Trotz des Im-Keller-brennt-noch-Licht-Ergebnisses in South Carolina könnte Bidens gute Laune demnach nur von kurzer Dauer sein. In den Vorwahlen werden bekanntlich Delegiertenstimmen (3797 insgesamt) in den einzelnen US-Bundesstaaten mit einer 15-Prozent-Hürde anteilig an die Kandidaten vergeben. Am heutigen Super Tuesday gehen 14 Staaten sowie das amerikanische Außenterritorium Amerikanisch-Samoa an die Urnen, wobei knapp ein Drittel der gesamten Delegiertenstimmen (1357) vergeben werden. Zurzeit hat Sanders 60 und Biden 53 Stimmen. Wer also am Super Tuesday gut abschneidet, macht große Schritte Richtung Mehrheit, die entscheidend beim Parteitag im Juli sein wird, um den Kandidaten gegen Trump zu bestimmen. 

Selbst mit der Unterstützung von Buttigieg und Klobuchar gibt es immer noch einen, der Bidens Zahlen zu drücken scheint. Michael Bloomberg steht am Super Tuesday zum ersten Mal seit Bekanntgabe seiner Kandidatur auf dem Wahlzettel. Der ehemalige Bürgermeister von New York hat sich die ungewöhnliche Strategie überlegt, die ersten vier Vorwahlen auszusetzen und sich stattdessen voll und ganz auf die Staaten des Super Tuesday zu konzentrieren, vor allem auf solche mit vielen zu vergebenen Delegierten-Stimmen, wie Kalifornien (415), Texas (228), North Carolina (110), und Virginia (99). 

Ein starker Kontrast

Wie gut Bloomberg abschneidet, ist nach dem Last-minute-Ausscheiden von Buttigieg und Klobuchar nicht unbedingt leichter geworden vorauszusagen. Sicher scheint nur, dass Bloomberg Bidens Stimmenanteil eher anzapfen dürfte als den von Sanders, der mit seinen progressiven verteilungspolitischen Themen in starken Kontrast zum milliardenschweren Unternehmer aus New York steht. 

Sanders würde es im Gegenzug wahrscheinlich helfen, wenn eine weitere progressive Stimme im Rennen um die Kandidatur, wie Klobuchar und Buttigieg für Biden, ihr Bemühen einstellte. In einer Umfrage im Januar gaben 35 Prozent von Elizabeth Warrens Anhängern an, dass Bernie Sanders ihr zweitliebster Kandidat wäre. 

Der Ton wird rauer

Die Senatorin aus Massachusetts denkt zurzeit jedoch nicht daran, aufzugeben und Sanders das Feld zu überlassen. Nach ihrem eher enttäuschenden Abschneiden in den ersten vier Staaten der Vorwahlen, will sie am Super Tuesday endlich zeigen, dass sie gewinnen kann. Sie ist die letzte Kandidatin im Feld, sie ist mit 70 Jahren außerdem die jüngste (wenn man die kaum ernstzunehmende Kandidatur von Tulsi Gabbard ausklammert). Warren und Sanders wollen viele ähnliche Themen verwirklichen, sind im Ansatz aber oft sehr unterschiedlich. Am Montag nannte sie ihn schließlich „einen Senator, der gute Ideen hat, dessen 30-jährige Bilanz als Politiker hingegen zeigt, dass er immer wieder Dinge fordert, die er selbst nicht erledigen kann und immer wieder gegen Dinge wettert, die er selbst nicht aufhalten kann.“

Langsam wird der Ton rauer. Mehr und mehr steht auf dem Spiel. Super Tuesday ist die größte Beute im amerikanischen Vorwahlkampf. Es zahlt sich aus, den Jäger zum Gejagten zu machen. 

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Dr. Roland Mock | Di., 3. März 2020 - 22:54

Ich beneide die Amerikaner, denn sie haben die Wahl. Und ich beneide sie ganz besonders, wenn Sanders sich bei den Demokraten durchsetzt. Dann prallen Welten aufeinander: Ein Sozialist, Freund Kubas und Venezuelas (Sanders) gegen einen Verfechter von Wettbewerb und Markt (Trump), Gleichmacherei gegen Eigenverantwortung, Steuererhöhung gegen Steuersenkung, Multilateralismus gegen nationale Interessen, „Klima“ und „Green Deal“ gegen Wachstum und Arbeitsplätze. Und und und. Welche Wahl haben wir Deutschen?

Kai-Oliver Hügle | Mi., 4. März 2020 - 19:51

Antwort auf von Dr. Roland Mock

Ihre Gegenüberstellungen sind stark vereinfacht und vergleichen z. T. Äpfel und Birnen. Trump agiert in der Außenhandelspolitik extrem protektionistisch, die verheerenden Auswirkungen seiner Steuerreform habe ich bereits an anderer Stelle belegt,
und wenn Sie Sanders Freunschaft zu Kuba und Venezuela vorwerfen, dann wäre das Äquivalent dazu wohl eher Trumps Freundschaft mit Putin, Kim und Bin-Salman.
Wer in Deutschland mit Sanders sympathisiert, der dürfte in der Linkspartei einige Anknüpfungspunkte finden. Wer Trump gut findet, der sollte AfD wählen. Insofern verstehe ich Ihr Lamento nicht.

Dr. Roland Mock | Do., 5. März 2020 - 22:18

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

„Wer Trump gut findet, sollte AfD wählen“. ???? Immerhin „sollte“. Da bin ich schon schwer beruhigt, daß Sie mir nicht b e f o h l e n haben, welche Partei ich zu wählen oder nicht zu wählen habe.

Kai-Oliver Hügle | Fr., 6. März 2020 - 17:30

Antwort auf von Dr. Roland Mock

Sie haben eine sehr unterhaltsame Art, nicht auf Argumente einzugehen.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 4. März 2020 - 07:53

Solange sich die Demokraten selbstzerfleischen und sich gegenseitig Unfähigkeit beweisen, kann es Trump egal sein, wie sein Konkurrent letztlich heisst. Keiner dieser Demokraten konnte inhaltlich tatsächlich Trump's Politik nachweislich als für die Amerikaner nachteilig zerpflücken. Viele Behauptung, Vermutungen, Verleumdungen, untaugliche Absetzungsversuche, viel verschwendete Energie und was brachte es?
Ich behaupte kaum Republiknaer, welche die Seiten wechselten. Im Gegenteil, je heftiger die zum Teil unfähren Angriffe auf Trump, desto unverbrüchlicher die Unterstützung des Präsidenten. Wenn die Demokraten niemand unverbrauchtes, junges, charismatisches aufbieten klnnen, der wirklich neue Ideen hat und diese verständlich dem Wähler dort nahe bringen kann, bleibt ein Biden, Sanders oder wer auch immer, schmückendes Beiwerk einer demokratischen Wahl, wenn nicht wieder irgendwo Zählfehler passieren oder eine Geschichte über Trump ausgegraben wird. Jedenfalls holt er seine Truppen heim.

Ich halte Sanders und Biden auch nicht für gute Kandidaten. Aber bei bei allem Respekt, im Zusammenhang mit Trump noch immer von Vermutungen u. ä. zu sprechen, ist hanebüchen.
Russland-Affäre: Es gab Absprachen, wenn auch nicht systematisch im Sinne einer Verschwörung. Erwiesen ist hingegen Justizbehinderung in zehn Fällen.
Ukraine-Affäre: Nachdem alle Verteidigungsstrategien gescheitert waren - u.a. deshalb, weil Tondokumente auftauchten, die belegten, dass Trump zwielichtigen Gestalten, von denen er behauptet hatte, er kenne sie gar nicht, die Absetzung der Botschafterin in Kiew aufgetragen hatte - verlegten sich die Republikaner im Kongress letztlich auf die einzig mögliche Entschuldigung, die darin bestand, das etwas - sagen wir: eigenwillige Demokratieverständnis Trumps 1:1 zu übernehmen:

Zitat: "I have an Article 2 where I have the right to do whatever I want as president."

Und hier macht man ein Riesenfass auf, wenn Merkel sich verspricht...