
- Vertane Zeit
Angela Merkel steht nicht nur einem Neuanfang der CDU im Weg, auch einen gesellschaftlichen Aufbruch wird es mit ihr nicht geben können. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Politik die eigene Partei, Deutschland und Europa gespalten. Dieser Text hat im Februar besonders viele Leser interessiert.
Präzise Sprengungen sind eine große Kunst, auf die sich nur wenige verstehen. Nimmt man zu viel Dynamit, dann bricht nicht nur das Zielgebäude zusammen. Nimmt man zu wenig, dann bleibt das Abrissobjekt als rauchende Ruine stehen.
An einer solchen dosierten Sprengung hat sich Angela Merkel in Pretoria versucht. Sie funktionierte kurzerhand eine Pressekonferenz mit dem Gastgeber, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, in eine Fernzündung ins über 8000 Kilometer entfernte Erfurt um. Die Wahl des dortigen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich sei rückgängig zu machen und unverzeihlich.
Der genaue Wortlaut des Statements wird in die deutsche Geschichte eingehen. Nicht, weil es eines Rhetorikpreises würdig wäre – Merkel redete in ihren gewohnt ungelenken Worten und sperrigen Sätzen. Sondern weil sie mit der einhergehenden Detonation in der Thüringer Hauptstadt den dort soeben gewählten Regierungschef weggesprengt hatte. Noch dazu Annegret Kramp-Karrenbauer, ihre Nachfolgerin als CDU-Parteivorsitzende. Und am Ende möglicherweise sich selbst als Kanzlerin.
Das Merkelsche Trümmerfeld
Eine Meistersprengung? Sie habe „die Ehre Deutschlands gerettet“, verfügte ihr früherer Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) mit großem Pathos. Der Berliner Tagesspiegel schrieb, man könne der Kanzlerin „gar nicht genug danken“ für diese Einlassung. Die Ungeheuerlichkeit, als Bundeskanzlerin bei einem Staatsbesuch am anderen Ende der Welt eine Wahl in einem kleinen Bundesland für ungültig zu erklären, wurde umgedeutet zu einer Staatsaktion; der absolutistische, übergriffige Machtanspruch einer Regierungschefin zur hohen Kunst erklärt. Seit vielen Jahren erfreut sich die Kanzlerin einer Unantastbarkeit, die den Papst neidisch machen müsste.