Mario Draghi: Hat die Politik die Zeit genutzt, die er ihr erkauft hat? / Søren Kunz

Mario Draghi - Graf Draghila

Seit mehr als zehn Jahren verhindert EZB-Chef Mario Draghi mit billigem Geld und Niedrigzinsen den großen Finanzknall in Europa. Er enteignet dabei schleichend die Sparer. Jetzt hat er die Negativzinsen erneut erhöht. Unser Cicero-Titel von 2018 scheint aktueller denn je

Daniel Stelter

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Die Bundesregierung sagt am heutigen Tag (...) den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.“ So verkündeten es Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück am 5. Oktober 2008. An diesem Sonntag im Herbst 2008 kam die Finanzkrise im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit an. Schon zuvor hatten die Aufmerksamen unter den Sparern Angst um ihr Geld bekommen und angefangen, in großem Stil das Geld bei der Bank abzuheben. Bilder von langen Schlangen vor Banken aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise waren unbewusst wieder präsent. Die Gefahr, dass es zu einem erneuten Run auf die Banken kommt, war real. Einen Run, der in unserem Geldwesen, in dem rund 90 Prozent allen Geldes von Banken geschaffen werden und damit nur auf dem Papier stehen, immer eine Bankenkrise zur Folge hat. Ohne Vertrauen der Einleger ist keine Bank der Welt überlebensfähig.

Deshalb war es richtig, dass Merkel und Steinbrück damals gelogen haben. Die Bundesrepublik hätte es finanziell nicht stemmen können, für alle Einlagen der Deutschen einzustehen. Das war aber auch nicht nötig. Es genügte, das Vertrauen wiederherzustellen. Gibt es keinen Run, gibt es auch keine Bankenkrise, egal wie gut es um die Banken in Wahrheit bestellt ist.

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Willy Ehrlich | Do., 27. September 2018 - 15:44

Rechnerisch stimmt das zwar alles, aber 5% Habenzinsen und 7% Inflation - wie in früheren Jahren - führen zum gleichen Ergebnis.

Yvonne Walden | Fr., 13. September 2019 - 10:53

Antwort auf von Willy Ehrlich

Ist der EZB-Präsident ein Diktator? Kann und darf er Maßnahmen der europäischen Geldpolitik selbständig und eigenverantwortlich entscheiden?
Doch wohl eher nicht. Er ist Primus inter pares eines Gremiums aller nationalen Notenbankpräsidenten, nicht mehr und nicht weniger.
Warum dann allerdings alle Welt auf diesen Herrn Draghi schimpft, ist mir unerklärlich.

dieses Spiel spielt doch "unsere" Kanzlerin auch! Das Parlament oder andere Minister werden doch auch nicht gefragt, wenn sie ihre einsamen, katastrophalen Entscheidungen trifft.
Warum sollte ein Herrn Draghi auf sein Gremium hören?
Und seit wann verteidigen sie dann das "Großkapital"
Aus ihnen werde ich auch nicht schlau!

Wolfgang Brauns | Fr., 13. September 2019 - 12:50

Antwort auf von Willy Ehrlich

einer der Top-Ökonomen unseres Landes.
Da wundere ich mich über gar nichts mehr, inklusive dem immer noch überwiegenden "weiter so".

Norbert Schmidt | Do., 27. September 2018 - 18:55

Unsere "Volksvertreter" haben mein Vertrauen verspielt. Beispielshaft ist auch(!) die schleichende Enteignung der deutschen Sparer. Jahrzehntelang wurden wir aufgefordert zu sparen, für das Alter vorzusorgen etc. Und dann auf einmal gibt man die Geld-und Währungspolitik aus der Hand, lässt Herrn Draghi schalten und walten, und Frau Merkel und Co schauen zu, unternehmen nichts, rein gar nichts, um den deutschen Sparer zu schützen. Warum sollte ich noch zur Wahl gehen, wenn man so brutal mein Vertrauen zerstört. Und zur aktuellen Lage: Jahrelang wurde uns erzählt, die Null-Zinspolitik würde beendet sein, wenn das Inflationsziel von 2 Prozent wieder erreicht ist. Da ich immer noch jeden Tag durch die Inflation von derzeit 2 Prozent Geld von meinem Ersparten verliere, fühle ich mich weiterhin betrogen. Frau Merkel ist dies offensichtlich egal. Und in den derzeitigen Wahlkämpfen in Bayern und Hessen scheint die Sparerenteignung auch kein Thema zu sein.

Michaela Diederichs | Fr., 28. September 2018 - 22:17

Antwort auf von Norbert Schmidt

Was war zuerst da - die Henne oder das Ei? Seit ca. 10 Jahren steigen die Preise für Immobilien ins unermessliche. Warum? Wer konnte und kann hat sein Geld in Immobilien (Betongold) angelegt und tut es noch - manchmal findet sich noch ein Schnäppchen. Und klar, wer gekauft hat, will eine anständige Rendite. Wer muss zahlen? Diejenigen, die sich keine Immobilie leisten können und zur Miete wohnen. Wer clever gespart und in Aktien und Immobilien investiert hat, gewinnt. Der so genannte "kleine Mann" mit seinem Sparbuch und seiner Riesterrente ist der Verlierer, er wird entspart. Politisch wird nicht gegengesteuert. Zu besichtigen sind in allen Metropolen der EU: ganze Wohnblocks in Toplage, allabendlich dunkel. Sie sind ausschließlich Investitionsobjekte und sonst nichts. Macht der Investor Verlust, kann er diesen m. W. auch noch bei der Steuer geltend machen und Geld sparen. Die Schere zwischen arm und reich und der Verdruss wird immer größer. Politisch offenbar unwichtig.

Ich mag die Inflation nicht ganz glauben. Außer dem Strom ist bei mir alles geblieben. Trotzdem wähle ich diese Staatsform in dieser Ausführung ab. Die schaffen es nicht.

Gerhard Schwedes | Fr., 13. September 2019 - 11:16

Antwort auf von Norbert Schmidt

Lieber Herr Schmidt! Ich stimme mit Ihnen in fast allen Punkten überein. In einem Punkt allerdings nicht: Wahlverweigerung. Als Wähler haben Sie die Wahl, auch taktisch zu wählen. Deshalb können mir die Altparteien künftig auch gestohlen bleiben. Sie brauchen einen noch viel stärkeren Tritt in den Hintern, um sich endlich wieder auf jene zu besinnen, von denen sie auf den Schultern getragen werden. Man muss nicht gerade ein Freund der AfD sein. Aber eines ist klar: Wenn man die kritischen Politiker der Altparteien stärken will, dann muss man den Altparteien dadurch Beine machen, indem man ihnen seine Stimme entzieht. Durch Passivität bei den Wahlen erreichen sie gar nichts. Sehen Sie sich einmal völlig wertneutral Interviews mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für den Bundeshaushalt Peter Boehringer an und Sie werden vielleicht erstaunt feststellen, dass dort kein Blatt vor den Mund genommen wird. Dieser Herr brilliert m. E. mit Detailwissen und fundierter, ungeschminkter Kritik.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 13. September 2019 - 11:52

Antwort auf von Gerhard Schwedes

Ich habe mir den Live-Ticker Focus eingestellt und zugleich bei Phönix die BT-Debatte zeitversetzt angesehen.
Die Focus-Onlineredaktion muss da bei einem anderen Bundestag zugehört haben als ich bei Phönix. Vielleicht liegt es auch daran, dass die dort mit fachlichen Inhalten nicht klar kommen.
Ich habe mir auch einige ältere Reden u.a. des Herrn Böhringer angeschaut.
Nicht nur rhetorisch gut. Man konnte es auch verstehen und nachvollziehen. Eben keine Phrasendrescherei.

Gerhard Lenz | Fr., 13. September 2019 - 12:54

Antwort auf von Gerhard Schwedes

Die Zerstörung des politischen Europas. Statt notwendiger Reformen, die in der Vergangenheit durchaus gewollt, aber meistens von Briten (oder Ungarn) blockiert wurden, will man zurück ins Zeitalter eines nationalistischen Egoismus. Putin, Trump und die Chinesen würde es freuen. "Befreit" von einer EU würde aus dem deutschen Michel ganz schnell ein willfähriger Hans-Wurst, der nach der Pfeiffe der Großen tanzen dürfte.
Immerhin hat der Wähler das verstanden und den Braun-Blauen bei der Europawahl nur 11% der Stimmen gegeben. Die Zerstörung Europas kann natürlich keine Alternative sein, auch nicht zu der Niedrigzinspolitik der EZB.

Nun Herr Lenz, wie mir bekannt ist, sind 9 EU-Staaten ihrer eigenen Währung treu geblieben. Unter ihnen Schweden, Dänemark, Ungarn und die ausstiegswilligen Briten. In 5 von ihnen verhinderte ein Volksentscheid den Währungsbeitritt.
Die EU ist deswegen nicht untergegangen.
Polen war so schlau zu sagen, der Euro ist nur gut für starke Länder.

Frank Grundmann | Fr., 28. September 2018 - 16:34

Ob Graf Draghila tatsächlich den großen Finanzknall in der EU verhindert hat, oder ob andere parallel existierende Parameter die Eruption vorerst unterdrückt haben ist für den Deutschen Sparer nahezu Einerlei. Fakt ist, dass dieser Bandit und die ihm unterstellten Wegelagerer den Sparer um unzählige Milliarden erleichtert haben und der Raubzug ist noch nicht beendet. So etwas hätte es ohne diese unheilbringende EU und die verheerende Währungsunion nicht gegeben. Aber wen interessiert noch das Wohlergehen der Menschen dieses Landes, seit es die paneuropäische Ideologie in den Marmorpalästen Brüssels gibt?

Ich glaube schon, dass Draghi den Euro gerettet hat. Es gab 2008 so etwas wie eine Kreditklemme in Südeuropa, das hat er behoben. Allerdings ~5 Jahre später hätte die EZB die Zinsen wieder in Richtung 2% anheben müssen und können, weil die Notsituation da bereits vorbei war. Hat er aber nicht gemacht. Ich denke, seit damals hat er eine Geldpolitik gegen die Bürger und für die Schuldenländer - Italien vorne weg - gemacht. Merkel war das recht, denn es hat ihr und Schäuble die Schwarze Null geschenkt. Interessant wird es, wie es nun mit der Französin weiter geht. Ich habe die Hoffnung, dass sie nicht die Tochter von Graf Draghila ist.

Herr Müller.
Ich glaube die Geldschleusen der EZB bleiben weiter sperrangelweit geöffnet.
Denn sie muß ja ihrem Gönner & Landsmann E. Macron irgendwie etwas zukommen lassen? Da die Franzosen ja auch ziemlich klamm sind (kommt auf uns auch noch zu!) und fortlaufend die Maastricht Hürden von 3% (Schulden machen) unterlaufenmwird alles so bleiden wie es ist.
Und weiter werden "Schrottanleihen" der südlichen Länder gekauft, damit das ganze Kartenhaus EU nicht vollends kollabiert.
Und Merkel denkt die Sache natürlich vom Ende her...Ausgang gewiß!
Der kleine Mann (in Germoney)wird die Rechnung schon übernehmen so großzügig wir doch immer sind-ob dies dann auch mal umgekehrt gilt?

Herr Müller.
Ich glaube die Geldschleusen der EZB bleiben weiter sperrangelweit geöffnet.
Denn sie muß ja ihrem Gönner & Landsmann E. Macron irgendwie etwas zukommen lassen? Da die Franzosen ja auch ziemlich klamm sind (kommt auf uns auch noch zu!) und fortlaufend die Maastricht Hürden von 3% (Schulden machen) unterlaufenmwird alles so bleiden wie es ist.
Und weiter werden "Schrottanleihen" der südlichen Länder gekauft, damit das ganze Kartenhaus EU nicht vollends kollabiert.
Und Merkel denkt die Sache natürlich vom Ende her...Ausgang gewiß!
Der kleine Mann (in Germoney)wird die Rechnung schon übernehmen so großzügig wir doch immer sind-ob dies dann auch mal umgekehrt gilt?

Michaela Diederichs | Fr., 28. September 2018 - 22:35

Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit in Deutschland haben sich seit Generationen tief in den Köpfen der Menschen eingegraben. Aktien und Immobilien halfen dem "kleinen Mann" damals auch nicht. Die großen Gauner waren die Profiteure. Sie sitzen - wie immer - dort wo Gauner bekanntlich sitzen: an den Schalthebeln der Macht. Täglich werden uns die tollsten Wirtschaftsdaten, die niedrigste Arbeitslosigkeit regelrecht eingehämmert. Nie ging es uns besser als heute - und besser, es denkt niemand über morgen nach. Die Masse der Menschen lässt sich einschläfern - noch.

Romuald Veselic | Fr., 13. September 2019 - 09:00

dessen, wofür die "EU" gehasst wird. Ein Unsympath ohne Mandat, der massenweise ungestraft Existenzen zerstört, indem er aus Geld Klopapier produziert.
Das was Draghi tut, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit! Wovon soll ich leben, wenn ich in den Ruhestand gehen soll? Nach vielen Jahren im Berufsleben, was mich gesundheitlich nur Nachteile hervorbrachte.
Ich verstehe, warum es Steuerhinterzieher gibt, den jeder will sein Geld vor diesem Monster retten. Und ich gebe denen recht. Wie kann es möglich sein, dass solche Misanthropen von Draghis Schlage, so einen Posten ausüben?
Wieso wird gegen diesen Verbrecher strafrechtlich nicht vorgegangen? Ich mache Angela M. dafür persönlich verantwortlich, dass sie diesen Blutsauger tatenlos duldet! Hoffentlich findet sich jemand, der ihn unsanft zur Rechenschaft ziehen wird, den Draghula.

helmut armbruster | Fr., 13. September 2019 - 09:31

vor allem vom damaligen Finanzminister Theo Weigel (1989-1998):
"Der Euro wird so stabil und sicher sein wie die DM"
"Die EZB ist die Fortsetzung der Deutschen Bundesbank"
usw. usf....
Das Gegenteil von dem, was damals versprochen wurde und woran viele Deutsche geglaubt hatten ist eingetreten.
Das Ganze rührt bis ins Mark an die Glaubwürdigkeit unserer Politiker.
Aber niemand zieht die damaligen Politiker zur Rechenschaft.
Auch Presse und Medien wollen dieses heiße Eisen nicht anfassen und entpuppen sich als zahnlose Tiger, die nur für Hofberichterstattung taugen. Womit auch die Medien Anlass geben an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln.
Und was jetzt? Den deutschen Sparern hat man einen zig-Millardenbetrag praktisch gestohlen. Irgendeine Chance auf Schadensersatz ist nicht in Sicht.

gabriele bondzio | Fr., 13. September 2019 - 10:15

am Leben zu erhalten ..."...vergleichbar ist der Euro mit einem schwer-verletzen Patienten. Der trotz ärztlichen Kunst, 2008 ins Komma gesunken ist. Und mit künstlicher Ernährung am Leben gehalten wird. Die Nahrung spenden u.a.die Sparer. Während die Angehörigen (Politik) verzweifelt darauf hoffen, das der Patient zu sich kommt. Realistisch gesehen, wird das wohl nichts. Denn der Patient wurde von vielen, kompetenten Ärzten (Ökonomen) schon aufgegeben. Die Spirale dreht sich weiter nach unten, die Aussichten werden eher schlechter.
Während in den USA (Krisenverursacher) das Kapitalmarktgeschäft stärker geworden ist. Ist es in Europa hoffnungslos zurückgefallen. Die Ursachen liegen in der europäischen Staatsschuldenkrise.Die eine rasche konjunkturelle Erholung in der EU verhinderte. Und da sind wir wider beim Euro und der Frage ob man das Vorhaben der EBZ als Stimulierungsprogramm betrachten kann. Es mehren sich auch die Stimmen im 25-köpfigen EZB-Rat , ob mehr Gratisgeld der Weg ist.