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Das Audimax der Universität Konstanz / picture alliance

Exzellenz-Initiative - Universitäten sind entscheidender Wirtschaftsfaktor

Die sogenannte Exzellenz-Initiative steht in der Kritik, nur einige wenige Universitäten in Deutschland zu fördern. Die Rektorin der 2019 erneut ausgezeichneten Universität Konstanz, Kerstin Krieglstein, verteidigt den Wettbewerb. Von ihm profitierten alle deutschen Universitäten

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Prof. Dr. Kerstin Krieglstein ist Rektorin der Universität Konstanz.

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Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Konstanz, antwortet mit diesem Plädoyer für den Exzellenzwettbewerb auf den Artikel von Isabel Schön, die die Vergabe von Exzellenzauszeichnungen für schädlich hält.

Über die Wirkung der Exzellenzinitiative und -strategie wurde in den vergangenen Wochen lebhaft diskutiert: Welchen Effekt hat der Wettbewerb auf die geförderten Universitäten? Was ist am Wettbewerb entscheidender: Die Fördergelder oder das Renommee, eine Exzellenzuniversität zu sein? Wie steht die Exzellenzförderung im Verhältnis zur Grundfinanzierung von Universitäten? Bringen Faktoren wie Region oder Größe Vor- oder Nachteile im Wettbewerb? Bindet der Aufwand der Antragsstellung an den Universitäten unverhältnismäßig viele Kapazitäten? Und nicht zuletzt: Kommen etwa bestimmte Bereiche der Universitäten, wie zum Beispiel die Lehre, in der zweiten, institutionellen Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ schlechter weg als andere?

Sicher, Exzellenzinitiative und -strategie sind primär ein Forschungswettbewerb – doch von der Exzellenzförderung profitieren die gesamten Universitäten in all ihren Bereichen. Eine besonders maßgebliche Wirkung hat der Exzellenzwettbewerb auf die Profilbildungsprozesse der Universitäten.

Als meine Kolleginnen und Kollegen an ihren jeweiligen Standorten so wie ich in Konstanz am 19. Juli 2019, dem Tag der Bekanntgabe der neuen Exzellenzuniversitäten, vor dicht gefüllten Hörsälen oder Innenhöfen die Nachricht über die Förderung bekanntgaben, hatten sich dort Personen aus allen Bereichen der Universitäten versammelt: Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden, wissenschaftsunterstützenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Querschnitt durch die gesamten Institutionen.

Im Erfolgsfall jubelten und feierten sie alle gemeinsam bzw. auch im Nicht-Erfolgsfall wurde das negative Ergebnis gemeinsam entgegengenommen. Die Antragstellungen und Vor-Ort-Begutachtungen waren vielerorts Gemeinschaftsleistungen. Zweifel an der positiven Wirkung der Exzellenzförderung für die gesamte Universität gab es zumindest hier in Konstanz kaum. Kein Wunder, schließlich hatte die Universität Konstanz zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Jahre lang erfahren, welchen positiven Schub die Exzellenzförderung auf wirklich allen Ebenen einer Institution bewirken kann.


Ein Aufwand, der sich lohnt?

Mit der Entwicklung – und später der Umsetzung – der Zukunftskonzepte der Universitäten in den beiden Förderphasen der Exzellenzinitiative sowie der institutionellen Strategie in der Exzellenzstrategie, dem Nachfolgwettbewerb, gingen Profilbildungsprozesse für die gesamten Universitäten einher: Werte, Ziele und Alleinstellungsmerkmale wurden an den Universitäten reflektiert, institutionelle Stärken gebündelt, Forschungsschwerpunkte weiterentwickelt sowie Synergien zwischen Forschung und Lehre stärker ausgebaut.

Ja, das Verfahren ist komplex und es bindet allerorten immense Kapazitäten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Universitätsleitungen und der wissenschafts-unterstützenden Bereiche – und das über mehrere Jahre, was sich mit der zeitlichen Entzerrung des Wettbewerbs durch die seit dieser Runde neue Aufeinanderfolge von erster und zweiter Förderlinie noch einmal verstärkt hat. Sicherlich würde jede Universität es sehr begrüßen, wenn das Verfahren wesentlich vereinfacht und damit ressourcenschonender werden würde.

Aber es gilt auch: Der Wettbewerb hat den Universitäten ihre institutionelle Identität bewusster gemacht. Er hat Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt und die Universitäten ihre eigenen Wege finden lassen, um Potenziale weiter ausbauen zu können. Ich kann mir gut vorstellen, dass alle teilnehmenden Universitäten in sehr ähnlicher Weise einen Profilbildungsprozess durchlaufen haben und, selbst wenn sie am Ende nicht gefördert wurden, so doch zumindest mit geschärfter Strategie aus dem Wettbewerb he-rausgegangen sind. Wichtig ist mir zudem: Dass Universitäten sich auf solche Wettbewerbe bestmöglich vorbereiten und alle ihnen hierfür zur Verfügung stehenden Ressourcen einbringen, kann man ihnen nun wirklich nicht zum Vorwurf machen. Alles andere wäre realitätsfern.

Die bewilligten Fördermittel ermöglichen den Universitäten, ihre institutionellen Strategien umzusetzen. Dadurch können dauerhafte Strukturen aufgebaut werden, die die Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre verbessern, die die wissenschaftsunterstützenden Dienste optimieren und die den Dialog mit der Gesellschaft stärken. Insbesondere die aktuell bewilligte Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ hat die hohe gesellschaftliche Verantwortung von Universitäten als Anforderung an den Wettbewerb noch einmal stärker in den Fokus gestellt als bisher. Der Transfer zum Beispiel ist ein wesentlicher Aspekt für Forschung und Lehre geworden, der als Leistungsdimension in den Konzepten klar zu belegen war.

Exzellenzförderung versus Grundfinanzierung?

Gerade für mittelgroße Universitäten mit einer geringeren Landesfinanzierung hat die finanzielle Förderung in der Exzellenzstrategie eine starke Hebelwirkung. In diesem Zusammenhang ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass — so elementar diese Gelder für die meisten Universitäten auch sein mögen — finanzielle Förderungen aus der Exzellenzstrategie oder vergleichbaren Wettbewerben niemals eine auskömmliche Grundfinanzierung von Universitäten ersetzen können.

Hochschulen haben eine immense gesellschaftliche Bedeutung: Sie haben einen hohen wirtschaftlichen Faktor für die Regionen, in denen sie verankert sind, sie sind oftmals der größte öffentliche Arbeitgeber einer Stadt oder Region, und vor allem der Erkenntnistransfer von Wissenschaft in Politik, Wirtschaft und weitere Teile der Gesellschaft trägt ganz wesentlich zum Fortschritt von Deutschland als hochentwickeltem Staat bei.

Alle Hochschulen in Deutschland tun somit ein Richtiges daran, dies in Verhandlungen um ihre Grundfinanzierung aus den Landeshaushalten immer wieder herauszustellen – so wie z. B. aktuell in den Verhandlungen um den Hochschulfinanzierungsvertrag 2021 (HoFV II) in Baden-Württemberg. Ohne eine ausreichende, gesicherte Grundfinanzierung fallen auch die im Exzellenzwettbewerb erfolgreichen Universitäten auf ein Mittelmaß zurück. Es kann und muss somit beides geben: Eine ausgewogene und der realen Entwicklung im Wissenschaftsbereich entsprechende Kombination aus ausreichender, gesicherter Grundfinanzierung sowie die Flexibilität durch zusätzliche Drittmittel. Eine Flächen- und eine Spitzenförderung dürfen und müssen sich nicht gegenseitig ausschließen.

Wissenschaftliche Qualität oder Proporzkriterien?

Über die Verteilung der Exzellenzcluster (in Nachgang) und der Exzellenzuniversitäten (im Vorfeld) wurde bundesweit viel diskutiert. Größe der Universitäten – Nord, Ost, Süd, West – altehrwürdige versus junge Universitäten: All dies fiel in der öffentlichen Debatte häufig. Zwar wurde meiner Meinung nach der Wettbewerb durch die mindestens zwei erfolgreichen Exzellenzcluster als Voraussetzung für die Antragstellung in der institutionellen Förderlinie in der Form verschärft, dass dadurch erstmalig mit der Größe einer Universität ein Kriterium als Wettbewerbsfaktor hinzu kam, das über die reine wissenschaftliche Leistung hinaus geht und das Universitäten nicht direkt beeinflussen können.

So stark die Diskussion und so berechtigt die Kritik zu einzelnen dieser Punkte vielleicht auch gewesen sein mögen, so bin ich mir sicher, dass spätestens die Entscheidung am 19. Juli das Vertrauen in die wissenschaftliche Objektivität als Grundlage der Auswahl gestärkt hat. Wie man aus unterschiedlichen Kreisen gehört hat, stand bei der Auswahl der Exzellenzuniversitäten im Juli 2019 zu keinem Zeitpunkt etwas anderes als die wissenschaftliche und gesamtinstitutionelle Qualität der Einrichtungen im Mittelpunkt.


Synergien für die Lehre?

In der öffentlichen Debatte wird häufig kritisiert, der Bereich der Lehre komme in der Exzellenzstrategie zu kurz. Auch wenn der Wettbewerbsfokus eindeutig universitäre Spitzenforschung fördern soll, kann ich diese Kritik nicht bestätigen. Es sind institutionelle Gesamtkonzepte – von den Universitäten selbst erarbeitet und eingereicht –, die von der Gutachterkommission ausgewählt werden. Es kommt schlicht und ergreifend darauf an, wie die antragstellenden Universitäten diese Konzepte gestalten, und jede am Wettbewerb beteiligte Universität entscheidet für sich selbst, welchen Raum sie der Lehre – oder den anderen universitären Wirkungsfeldern – darin geben möchte.

Gerade die Exzellenzstrategie erweiterte gegenüber der Exzellenzinitiative noch einmal entscheidend den Spielraum, den die Lehre im Rahmen des Wettbewerbs hat. Neben dem oben bereits angesprochenen Transfer wurde die Lehre in dieser aktuellen Runde von der fakultativen Rolle, die sie in den ersten beiden Wettbewerbsrunden spielte, zu einem entscheidenden Auswahlkriterium – zusätzlich zu den Punkten Forschungsexzellenz, Forschungsinfrastrukturen und institutioneller Erneuerungsfähigkeit. Ich bin mir sicher, dass zumindest in allen elf geförderten Konzepten die Lehre einen hohen Stellenwert einnimmt und dies mit den Ausschlag für die Auswahl als Exzellenzuniversität gegeben hat. Hier haben sich meiner Meinung nach der Wettbewerb und in ihm der Stellenwert der Lehre innerhalb der vergangenen Jahre stark verändert.

Für Studierende ist es zweifellos von Vorteil, sich mit dem Abschluss einer Exzellenzuniversität auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren; auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler öffnet der gute Ruf und die gestiegene internationale Sichtbarkeit viele Türen.

Eine Chance für die gesamte Universität

Der Exzellenzwettbewerb hat die geförderten, und durch die Vorbereitung in gewissem Maß auch die nicht geförderten, Universitäten strukturell stärker aufgestellt. Er hat ermöglicht, neue Konzepte und Schwerpunktsetzungen zu finden und umzusetzen. Der Begriff „neue“ ist mir hierbei wichtig und ernst gemeint: Die elf geförderten Konzepte hätten keine Chance gehabt, wenn die Universitäten nicht mutige, innovative und auch unkonventionelle Projekte und Maßnahmen eingereicht hätten. Austauschbar klingende Anträge werden Gutachterinnen, Gutachter und Förderinstitutionen als nicht-förderwürdig einstufen.

Mit solchen Konzepten ist gerade im wissenschaftlichen Bereich zum Glück kein Erfolg (mehr) möglich. Und dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch vermeintlich „unpopulären“ Themen nachgehen, ist der Kern von wissenschaftlicher Freiheit, die Grundlage von Weiterentwicklung wissenschaftlicher Innovation. Auch sind institutionelle Themen wie zum Beispiel Gleichstellung, Diversity und Nachhaltigkeit mehr als Antragsprosa. Sie sind zeitgemäße und reale Anforderungen an Forschung, Studium und Lehre, für die konkrete Maßnahmen und Instrumente notwendig sind. Für diese und viele weitere Querschnittsbereiche ist die finanzielle Förderung durch den Exzellenzwettbewerb ein Gewinn.

Wenn Sie mich fragen, ob die entscheidende Wirkung des Exzellenzwettbewerbs nun die Fördergelder, das Renommee oder der Profilbildungsprozess sind, so kann ich nur antworten: Es ist die Kombination aus allen drei Faktoren. Sie alle stehen in Wechselwirkung und haben neue Standards an den bislang geförderten Universitäten geschaffen, die sich tagtäglich in Forschung, Studium und Lehre sowie dem gesamten wissenschaftsunterstützenden Bereich auswirken und die dazu beitragen, dass die Universitäten dabei ihre Strategie- und Erneuerungsfähigkeit fest im Blick behalten.

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Bernd Muhlack | Fr., 30. August 2019 - 16:51

Nun ja Frau Frau Kriglstein, was in D unter Exzellenz firmiert, ist weltweit ziemlich hinten unter den TOP 100 .
Natürlich kann, darf ja bei kaum einen Thema "Gleichstellung, all dies Gedöns" nicht fehlen, so auch hier.
Zitat:
"Auch sind institutionelle Themen wie zum Beispiel Gleichstellung, Diversity und Nachhaltigkeit mehr als Antragsprosa. Sie sind zeitgemäße und reale Anforderungen an Forschung, Studium und Lehre, für die konkrete Maßnahmen und Instrumente notwendig sind. Für diese und viele weitere Querschnittsbereiche ist die finanzielle Förderung durch den Exzellenzwettbewerb ein Gewinn." Ende

Frau Kriglstein: ich kann all das schlicht nicht mehr hören, lesen.
Ich studierte innen 80er Jahren in HD (da waren Sie ja auch einmal!) und man kam ohne all diesen unnützen Ballast bestens zu Potte. Qui bono?
Das ist doch alles nur Kosmetik, Schall und Rauch!

Unsere Tochter studierte an der University of Edinburgh. Exzellenz?
What´s that? "We are the Champions singen Queen!"

Bernhard Mayer | Fr., 30. August 2019 - 16:55

Die Kollegin reagiert sehr vielschichtig und klug auf den ersten Beitrag zur Exzellenzstrategie. Ihre Argumente sollte man sich zu Herzen nehmen.

Wie kann ein so komplexes Gebilde wie eine Universität (zu deutsch: Hochschule) in Gänze "exzellent" sein?
Es mag in den verschiedenen Fächern einzelne Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer geben, die sich durch exzellente Forschungsergebnisse auszeichnen und hierfür auch ausgezeichnet wurden.
Allerdings stellt sich dann sogleich die Frage: Ist auch die Hochschulehre gleichermaßen exzellent?
Es ist also ausgesprochen problematisch, bei der Bewertung von Hochschulen alles gleichsam über einen Kamm zu scheren.
Derartige Rankings vermitteln vielfach ein schiefes Bild einer Hochschule und verführen zu falschen Schlußfolgerungen.
Folglich wäre es angebracht, auf Hochschulbewertungen zu verzichten und alle Forschenden und Lehrenden anzuhalten, ihr Bestes zu geben. Dies könnte in vielen Fällen durchaus exzellent sein.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 31. August 2019 - 14:21

in der Gesamtaufstellung für die besten der Welt.
Es mag einzelne Universitäten auf der Welt geben, vielleicht sogar dutzende, die FÜR SICH höhere Standards erfüllen, aber das hat mich noch nie interessiert.
Ich fahre auch nicht gerne im Urlaub in Länder, in denen man isolierte Kunstwerke abklappern kann.
Entweder diese Kunstwerke gleich welcher Art präg(t)en eine Region/Landschaft oder da ist eine Zeit vergangen/unberührt.
Die Deutschlandtour endete zunächst in Halberstadt, das zu einer bedeutenden Region des (Vor)Harzes zählt, dann in Göttingen...
Universitäten/Fachhochschulen strahlen auf das Umfeld aus.
Was für eine DICHTE in der Bundesrepublik.
Zumindest hat die Autorin erreicht, dass ich ins Schwärmen komme angesichts unserer Möglichkeiten.
Wie ist das mit Sponsoren für Universitäten, die sich selbstverständlich aus Forschung und Lehre herauszuhalten hätten, Förderer eben?
Vielleicht ein jährliches Zusammenkommen?