Friedrich Merz und Sigmar Gabriel
Friedrich Merz und Sigmar Gabriel (2017) / picture alliance

Cicero exklusiv - Gabriel und Merz werfen Bundesregierung Mitschuld am Abschwung vor

In der Septemberausgabe von „Cicero“ beklagen Sigmar Gabriel und Friedrich Merz das Agieren der Bundesregierung im wirtschaftlichen Abschwung. Mit politischer Indifferenz, Bewegungslosigkeit und angstgetriebener Lethargie trage sie maßgeblich zur Verunsicherung bei

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Deutschlands ehemaliger Vizekanzler und Umwelt-, Außen- und Wirtschaftsminister, Sigmar Gabriel (SPD), und der Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU, Friedrich Merz, kritisieren die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem wirtschaftlichen Abschwung und der sich im Gang befindlichen industriellen Transformation.

So beklagt Gabriel in Cicero (Septemberausgabe) „eine seltsame Mischung aus politischer Indifferenz, Bewegungslosigkeit einerseits und angstgetriebener Radikalisierung andererseits“. Deutschland habe viele Jahre von dem Reformprogramm Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder profitiert, so Gabriel. Schröder habe damals vor allem die Psychologie des Landes geändert. „Er hatte mit seiner Agenda 2010 das Land aus seiner Lethargie in einen Aufbruchsmodus versetzt.“

Keine Risiken

Über die Bundesregierung sagt er: „Heute gibt es offenbar keine politische Kraft, die sich Ähnliches zutraut, die sich gegen diese Entwicklung stemmt und auch bereit ist, Risiken einzugehen.“ Keine andere Volkswirtschaft der Welt sei so sehr in die globalen Wertschöpfungsketten integriert wie Deutschland. „Das alles braut sich zu einem perfekten Sturm zusammen“, sagte Gabriel.

Ganz sicher stimme es, so Gabriel, dass die Liberalität und Weltoffenheit Deutschlands immer einherging mit wirtschaftlicher Prosperität und wachsender sozialer Sicherheit. „Wir wurden – Gott sei Dank – noch nie getestet, wie demokratisch, liberal und weltoffen wir sind, wenn es wirklich zu einer länger anhaltenden wirtschaftlichen Krise kommt.“ Darum müsse man zeigen, dass man beides könne: „Flüchtlingen helfen, aber unsere eigenen Leute nicht vergessen.“

Deutschland steht vor einer schöpferischen Zerstörung

Der CDU-Politiker und Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU, Friedrich Merz, sieht Deutschland vor der größten industriellen Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. „Globalisierung und Digitalisierung sind so massive Veränderungen, dass man schon fast von schöpferischer Zerstörung sprechen müsste“, so Merz zu Cicero. Es entstehe viel Neues, aber fast alle alten Industrien und Produktionsmethoden würden auf den Prüfstand gestellt. „Eine solche Veränderung hat es in so kurzer Zeit noch nie gegeben.“

Der wirtschaftliche Vorteil eines schwachen Euros neige sich jetzt dem Ende zu, da andere Industrieländer, vor allem China und die USA, aber auch viele kleinere Länder, aufholten. Hinzu komme, dass wir uns im zyklischen Abschwung der Konjunktur befinden. „Auf diese Herausforderung hat die Bundesregierung erkennbar keine Antwort. Im Gegenteil, die Koalition beschließt weitere Ausgaben und diskutiert Steuererhöhungen in den Abschwung hinein“, kritisierte Merz.

Zur ganzen Cicero-Titelgeschichte „Auf geht’s! Abwärts geht’s!“
 

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Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 29. August 2019 - 09:03

denn meine Verantwortung gegenüber Deutschland besteht JETZT nicht mehr darin, Frau Merkel über das nächste "Hochgebirge" zu hieven, das sie m.E. selbst aufgetürmt hatte.
Warum ging das vorher, jedenfalls meiner Meinung nach noch nicht?
Weil niemand, auch Schäuble nicht, sich bereitfand, Merkel daran zu hindern, "Gebirge" aufzutürmen.
Von Merkels evtl. "politischem Starrsinn" her wäre das vermutlich jedesmal einem Kanzlersturz gleichgekommen.
Aber niemand wollte an ihre Stelle treten.
Jetzt ist es Zeit, dass die "Gebirge" sichtbar werden und sich in dieser Situation diejenigen bewähren, die für Deutschland auch in Zukunft Frieden im Innern wie Draußen, Wohlstand im globalen Miteinander, und Sicherheit/Stabilität desgleichen gewährleisten können. Nicht zu vergessen die Pflege unserer Umwelt.
Entweder zum Ende der Legislaturperiode oder mittig nach Neuwahlen.
Uff

Ernst-Günther Konrad | Do., 29. August 2019 - 11:00

nur was nützt es. Beide haben in der Politik kein Amt mehr, um handeln zu können. Beide wurde von ihren Parteien mehr oder wneiger abserviert, weil unbequem. Siggi hat bestimmt Fachkompetenz, das will ich ihm nicht absprechen. Nur, genutzt hat er sie in seinen Ämtern kaum, da waren die SPDler zu sehr mit sich und der Behinderung der Groko beschäftigt.
Beide kommen mir vor wie Waldorf und Stadler von der Muppet Show. Grummelnd von der Ballustrade des Polittheaters herunter maulen, alles besser wissen, derzeit aber nichts verantworten müssen. Alles noch in wohlverpackte Worte. Die Ursachen des gesamten Dessasters - Angele Merkel - kommt ihnen dabei nicht über die Lippen. Die Angst geht um. Gabriel hat mitregiert, hat seinen Part der Untätigkeit geliefert. Merz will vielleicht noch was werden, da braucht man die Merkelianer noch.
Wieder auf der Strecke bleibt das arbeitende und steuerzahlende Volk. Also ihr Beiden, geht wieder in Amt und Würden und zeigt was ihr drauf habt oder schweigt.

Brigitte Simon | Do., 29. August 2019 - 16:04

Von den "3 Männern der SPD-Tankstelle", Gabriel, Steinmeier und Steinbrück, zeigte nur Steinbrück
Mut und Verantwortungsbewußtsein, gegen Mer-
kel als Kanzlerkanditat aufzutreten. Beide, der
verbeamtete Biedermann Steinmeier und der groß-
spurige Gabriel kneiften.

Die von Steinbrück geforderte Beinfreifeit hinter-
trieb Gabriel.

Mit Steinbrück - ich bin Nicht-SPDlerin - gäbe es
kein zerstörtes, darniederliegendes Deutschland.
Ein 2015 mit ihm hätte es nie gegeben.
Ein erneuter Gabriel? Der Himmel möge uns doch
endlich einmal hilfreich gestimmt sein!
Gabriel, nein danke.

Günter Johannsen | Fr., 30. August 2019 - 14:42

Ein guter Vergleich, Herr Konrad! So gesehen, kommt mir das gesamte Kabinett Merkel - um nicht zu sagen Kabarett Merkel - vor wie eine durchlaufende Muppet Show: suspekt, kurios, dubios mit einem steilen Hang zur Schmierenkomödie!
Wie konnte ich - mit Verlaub - dieser Mist so lange halten?! Wenn es nicht so tieftraurig wäre, könnte man herzlich lachen … !