G7-Gipfel
Einigkeit in Biarritz? / picture alliance

G7-Bilanz von Biarritz - Meisterstück ohne Folgen

Beim G7-Gipfel in Biarritz blieben Irritationen aus. Weder gab es starke Proteste, noch machte Donald Trump Faxen. Aber ist das wirklich alles der cleveren Taktik von Emmanuel Macron zu verdanken? Kaum, denn der Verlauf entspricht ganz dem Wunsch des US-Präsidenten

Autoreninfo

Christian Hacke ist Politikwissenschaftler und lehrte als Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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Alle haben aufgeatmet. Die Gipfelteilnehmer und die Weltöffentlichkeit; denn im Unterschied zu den beiden vorangegangenen G7-Gipfeln blieben in Biarritz erwartete Irritationen aus. Die öffentlichen Proteste hielten sich in Grenzen und, viel wichtiger, der US-amerikanische Präsident zeigte sich von seiner besten Seite: Er polterte nicht, er unterließ persönliche Angriffe, und er desavouierte nicht den Gastgeber. Bislang auch nicht im Nachhinein. Ganz im Gegenteil: Präsident Macron und Präsident Trump zeigten sich in sachlichem Einvernehmen. Und auch persönlich schienen beide ein Herz und eine Seele.

Dafür gibt es zwei Gründe. Präsident Trump, innenpolitisch schwer unter Beschuss, war offensichtlich daran gelegen, seinen Kritikern und Opponenten zu zeigen, dass er international geachtet wird und nationale Interessen diplomatisch zu behandeln versteht. Ob das nur innenpolitisch und wahlkampftaktisch geschuldet ist, bleibt abzuwarten; aber Trump hinterließ im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Gipfeln einen respektablen Eindruck.

Eine diplomatische Meisterleistung

Noch wichtiger jedoch für manche Erfolge des Gipfels war die diplomatische Meisterleistung des französischen Präsidenten, die man gerade aus Berliner Sicht genauer anschauen sollte. Schon im Vorfeld war es Macron gelungen, Präsident Putin als unsichtbaren und ehemaligen achten Teilnehmer durch einen bilateralen Empfang an der Riviera klug einzubinden, was dem Ego des russischen Präsidenten wie auch dem Selbstwertgefühl Russlands gut getan hat.

Doch Macrons Meisterstück war die Einbindung und Zähmung von Donald Trump. Das ist bislang keinem westlichen Politiker gelungen. Geschickt führte er den amerikanischen Präsidenten zu Verhandlungsperspektiven, die bislang scheinbar illusorisch schienen: So wurde die Einladung des iranischen Außenministers brillant von Micron eigefädelt, mittlerweile rückt sogar ein iranisch-amerikanischer Gipfel in den Bereich des Möglichen. 

Doch muss man ein wenig Wasser in den Wein schütten: Macron hat nur Wege beschritten, die Trump schon seit Wochen selbst beschreiten wollte. Mehrfach hat er der iranischen Führung Gespräche angeboten, blitzte jedoch ab. Neu ist jetzt, dass die iranische Führung gegenüber Washington mehr Gesprächsbereitschaft signalisiert. Doch inhaltlich bewegt sich der Iran nicht. Er bleibt bei knallharten Forderungen: Erst wenn die USA einer siebenfache Aufstockung der iranischen Ölexporte zustimmen und vermutlich auch andere Sanktionen weiter lockern, werden sie Gesprächen mit Donald Trump zustimmen.

Fortschritt ist nach Biarritz nicht ausgeschlossen

Fortschritt ist also nach Biarritz nicht ausgeschlossen. Warum? Ganz nach dem Vorbild Nordkorea will Trump dem amerikanischen Wähler suggerieren, dass seine Bulldozer-Diplomatie nun auch Iran zum Einlenken zwingen wird. 

Selbst wenn dies den Tatsachen widerspricht, denn auch Nordkorea hat bislang keinerlei Zugeständnisse gemacht: Trumps Fähigkeit der diplomatischen Fake News wird in den USA ihre Wirkung nicht verfehlen. Die Amerikaner sehnen sich nach Ruhe und Rückzug von globaler Verantwortung. Sie fühlen sich seit 9/11 in einem Anti-Terror Krieg, der nun schon 18 Jahre dauert und wo kein Ende und vor allem kein Erfolg in Sicht ist. Trump bedient diese protektionistische Strömung vieler seiner Landsleute geschickt, indem er Ausgleich mit ehemaligen Gegnern wie Nord Korea und Iran ankündigt. Natürlich erst nachdem er ihnen den Marsch geblasen hat, und sie sich erst unter seinen Drohungen gewandelt haben und eines Besseren belehrt worden sind. Diesen Fake News wird in den USA mehr Glauben geschenkt, als wir in Europa annehmen.

Und Trump fühlt sich in der Gegenwart der Autokraten wohler als im Kreise der demokratischen Bündnispartner. Das konnte man auch in Biarritz sehen. Das schadet aber seinem Ansehen zu Hause weniger als hierzulande geglaubt. Vor allem wenn sich die Bündnispartner störrisch zeigen und ihren vertraglichen Verpflichtungen wie zum Beispiel im Nato-Rahmen nicht nachkommen. 

Kommt Trump dem Iran entgegen?

Es ist möglich, dass Donald Trump dem Iran entgegenkommen wird, vielleicht sogar ohne substantielle Gegenleistung, wie es Nordkoreas Führung gegenüber Trump bislang erfolgreich praktiziert. Nur in einem bleibt Trump hart: Der Iran darf keine Atommacht werden.

In Biarritz umgarnte Trump nach diesem altbekanntem Muster die autokratische Führung in Teheran und schwärmte von der Tüchtigkeit der Iraner, ganz ähnlich so, wie er Nordkoreas Bevölkerung gelobt hat. Auch hier geht es ihm um den Big Deal, das große Geschäft, das für Amerikas Wirtschaft angeblich auch im Iran zu erwarten sei. Ansonsten bot der Gipfel wenig Überraschungen und noch weniger Ergebnisse

Biarritz zeigte sich ganz in der bekannten G-7-Tradition: große Worte, diesmal ohne Abschlusskommuniqué, aber vermutlich ohne Folgewirkung. Das Leitthema, die Beseitigung von Ungleichheit, verschwand völlig im Gestrüpp der aktuellen Krisen und Probleme. Aber Macrons leidenschaftliches Eintreten für die Bekämpfung der unsinnigen und lebensbedrohlichen Anti-Klima Politik des brasilianischen Präsidenten kann als Erfolg gewertet werden und bewahrte den Gipfel vor einem völligen Fiasko.

Ansonsten bleibt nur Enttäuschung: Die G-7 haben keinerlei sichtbaren Einfluss, wenn die beiden Wirtschaftsriesen miteinander ringen. Beim amerikanisch-chinesischen Handelstreit bleiben die übrigen Gipfelteilnehmer in einer Statistenrolle. 

Das fünfte Rad am Wagen

Biarritz zeigte auf erschreckende Weise die Tatenlosigkeit, Ohnmacht und Isolierung Deutschlands auf der diplomatischen Bühne. Deutschland ist unfähig zu raffinierter Gipfeldiplomatie in der Tradition von Talleyrand oder Machiavelli. Aber auch die Kunst der Diplomatie in der Tradition von Bismarck, Stresemann und Genscher bleibt heutzutage auf der Strecke. Deutsche Außenpolitiker profilieren sich lieber in moralisierender Besserwisserei. Kein Wunder, in Biarritz war Deutschland Statist auf der Bühne. 

Deutschland rutscht immer mehr in ein Passivrolle auf der europäischen und weltpolitischen Bühne. Der Zivilmachtanspruch ist verbraucht. Deutschland wird nur noch als Zivilmacht ohne Zivilcourage wahrgenommen. Jetzt auch, wie Biarritz zeigt, bei nicht-militärischen Fragen, bei Handel und Diplomatie.

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Christa Wallau | Di., 27. August 2019 - 13:15

Ein guter, beredter Mensch bzw. ein Mensch, der sich für einen solchen hält, ist keineswegs schon ein guter Politiker.
Der Autor beklagt völlig zu recht den Mangel an wirklich fähigen Politikern in Deutschland. Fast alle verwechseln guten Willen, Schwimmen auf der Zeitgeist-Welle und Moralismus mit klugem politischem Handeln. Wie schief sie damit liegen, könnten sie von erfolgreichen, großen Politikern der Vergangenheit (z. B. Bismarck, Adenauer,H. Schmidt), lernen, wenn sie sich denn überhaupt mit diesen beschäftigen würden. Langfristig-vorausschauendes, strategisches
Denken und geschicktes Taktieren ist nicht nur Merkel fremd, sondern allen maßgeblichen Leuten in ihrer Regierung. Deshalb geben in Europa und in der Welt (sowieso) längst andere den Ton an. Eine Zeit lang hatte die deutsche Kanzlerin einen gewissen Bonus aufgrund der Wirtschaftskraft, die sie vertrat, aber inzwischen haben a l l e erkannt, was für eine schwache Besetzung sie ist und nehmen sie nur noch am Rande wahr.

einen erklärten Anti-Demokraten, als grossen Politiker zu bezeichnen, zeugt von einer fragwürdigen Einstellung zur Demokratie, wohl typisch für Unterstützer des AfD-Flügels. Was Macron angeht, kann man die Franzosen nur um einen solchen Staatschef beneiden.

Wieder einmal haben Sie meine Meinung voll getroffen. Ich stelle fest, nachdem alle aufatmen, dass der "böse" Trump sich mal benommen hat und keinen peinlich hat auflaufen lassen, das dieses Treffen letztlich im Ablauf seinen Vorstellungen entsprach, weshalb er auch "lieb" blieb. Er hatte bilaterale Gespräche mit jedem. Er vermied das allgemeine Bla Bla der anderen, in dem er an solchen Terminen nicht kam. Er akzeptierte Macrons Vorstoß mit dem Iran und stellt Grespräche in Aussicht. Das wollen ja alle.
Die EU stellt plötzlich fest, das sie gegen einen noch besseren neuen Deal mit der USA und dem Iran und mit Putin durchaus interesse hat und rückt ab davon, den alten Vertrag beizubehalten.
Trump verhinderte eine Abschlussmeldung über Dinge, die eh niemanden mehr interessieren werden und wie Macron sagt: Das liest eh keiner mehr.
Aus der Sicht Trump's gut gelaufen. So ein Pech für die Medien. Für Merkel blieb da offenbar nur der Katzentisch. Was dürfen wir demnächst zahlen?

Fabrice Himpan | Di., 27. August 2019 - 13:38

als franzose kann ich nur meine Enttaeuschung ueber unseren Staatschef ausdruecken. Er sollte sich in Prioritaet um Frankreich kuemmern. 20 Mio euros fuer diese Weltkatastrophe des Brandes des Amazonenwaldes, das ist doch laecherlich. Genau so agiert er fuer sein Volk, viel bla bla, wenig konkretes. Doch ist dieser Mann von der Kultur und Intelligenz brillant. Um so mehr bin ich enttaeuscht, denn nann lebt nicht von Woertern, sondern von konkreten Akten. Nur unsere goldene Politiker (denn die leben in den goldenen Bueros unserer Republik) koennen sich mit Woertern befriedigt zeigen. Na ja, wenn einemal die franzosen davon die Nase voll haben werden, werden sie wieder einige Koepfe kuerzen...

Klaus Peitzmeier | Di., 27. August 2019 - 14:29

Der G7 war doch gar nichts. Wenn schon als Erfolg vermeldet wird, daß Trump keinem ein Glas Wasser ins Gesicht u B.Johnson nicht die Füße auf den Tisch legte. Und die Einladung des iranischen Außenministers als brillante Einfädelung zu verkaufen ist doch sehr kühn. Wußte Trump davon, war es nur für die Galerie. So, als wenn Merkel in Berlin ein Gespräch mit Putin hat u der ukrainischen Aussenminister wird eingeflogen u haut wieder ab, ohne daß sie sich gesehen haben. Wie genial ist das denn? Und was man so hört, ist ein Treffen Trump/Iran genauso unwahrscheinlich wie vorher. Auch die Amazonas Nummer war erfolglos. Bolzonaro verweigert sich der Unterstützung. Das war ja genial vorbereitet. Demnach war der Gipfel ja, wie Herr Hacke schreibt, ein völliges Fiasko. Und das Deutschland bei diesem Show-Kaffeekränzchen nur Statist war, kann von Vorteil sein. Sich immer in den Mittelpunkt spielen zu wollen, kann teuer werden.
Viele Länder halten sich fein zurück u denen geht es prima.

aber G 7 stehen ja für geballte Wirtschaftsmacht.
Also doch Abstriche, denn es sollten ja Impulse ausgehen von so einem Treffen.
Ich vermute, dass Frau Merkel ihren eigenen Gipfel in Sachen Klima und anderes als ihre große Rede plant.
Das sind so meine Abstriche bei ihr, Politik dosiert und nach genauem Regieplan.
So geht Politik eigentlich auch nicht.
Merkel scheint sich nicht eingebracht zu haben, mangelnde Wertschätzung seitens ihrer Kollegen kann bestimmt weder ausgemacht, noch dafür verantwortlich gemacht werden.
Politik ist nicht die Bühne, die die Welt nur für Frau Merkel will, sie ist die Bühne für die Frau Merkel noch gewählt ist.
Aber im Ernst, wie sollte sich in der DDR ein hohes Niveau in der Politik entwickeln, wenn der Klassenstandpunkt ausschlaggebend war?
Und dann doch dagegen die großartigen Leistungen von Ostpolitikern nach der Wende.
Wird schon werden.

Werner Peters | Di., 27. August 2019 - 17:55

Der Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf. Von Trump über Putin Macron und Merkel excellent analysiert. D nur noch in der Rolle des moralisierenden Zuschauers ohne jeden weltpolitischen Einfluss. Aber es gibt immer noch deutsche Medien, die von der "mächtigsten Frau der Welt" schwadronieren.

Juliana Keppelen | Mi., 28. August 2019 - 16:25

Antwort auf von Werner Peters

die von der "mächtigsten Frau der Welt" schwadronieren.
Ja die gibt es immer noch die von "Kaiserin's neuen Kleidern" gar nicht genug kriegen können und noch gar nicht gemerkt haben, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist.

Susanne Dorn | Di., 27. August 2019 - 20:19

...in der heutigen schwierigen Zeit, durch unablässiges Eigenlob Euphorie beim jeweiligen Volk erzeugen zu können.

In Krisenzeiten offenbaren sich die unübersehbaren Qualifikationsdefizite der Politikerkaste!

Yvonne Pfeiffer | Mi., 28. August 2019 - 10:34

Ich denke die Kosten für den Gipfel ( Folgen für die Umwelt, durch Kerosin-Verpestung, mal aussen vor ) dürften um ein vielfaches Höher gewesen sein, als die Spende von 20 Mio. für die Rettung des Regenwaldes. Und an die Statistenrolle werden wir uns gewöhnen müssen, weltweit nimmt Deutschland keiner mehr ernst. Und die Einladung des iranischen Außenministers durch Macron - blinder und durchschaubarer Aktionismus, für wie blöde hält er eigentlich den EU Bürger.

Christoph Kuhlmann | Mi., 28. August 2019 - 10:41

keine Verantwortung für die Weltpolitik übernehmen. Die Mehrheit der Bundesbürger ist nicht in der Lage proaktives, politisches Handeln nachzuvollziehen. Mit Leuten wie Merkel und Maas, die beide in einer linksliberalen Blase mit ausgeprägten, ideologischen Scheuklappen gefangen sind, ist außer wirkungslosen moralischen Appellen nichts zu erwarten. Merkel hat Deutschland in Europa weitgehend isoliert mit ihrer Flüchtlingspolitik und erwartet auch von anderen Ländern, dass sie ihre nationalen Interessen zugunsten nebulöser europäischer Werte vernachlässigen. Das wird von großen Teilen des Auslands einfach für dumm gehalten. Insofern hat sich Deutschland als Führungsmacht nachhaltig disqualifiziert.