Soldaten sollen kostenlos Bahn fahren
Tickets kaufen müssen bisher auch Soldatinnen und Soldaten / picture alliance

Freifahrten für Bundeswehrsoldaten - Verkehrswende für alle

Soldaten sollen ab 1.1.2020 kostenlos mit der Bahn fahren. Darauf haben sich Verteidigungs-, Verkehrs- und Innenministerium sowie die Bahn geeinigt. Das ist keine gute Idee, schreibt der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler. Er will eine Verkehrswende für alle

Autoreninfo

Jörg Schindler (Die Linke) ist ein deutscher Politiker und Bundesgeschäftsführer seiner Partei. Er studierte Rechtswissenschaften, Politikwissenschaften und Sozialwisschenschaften in Nürnberg und Duisburg.

So erreichen Sie Jörg Schindler:

Roderich Kiesewetter (CDU) befürwortete im Cicero Freifahrten für Bundeswehrsoldaten als ein Zeichen der Wertschätzung. Jörg Schindler (Linke) vertritt die Gegenposition:

Wenn die neue Verteidigungsministerin plötzlich Verkehrspolitik macht, sollten wir aufhorchen: Gratisbahnfahrten für Bundeswehrsoldaten in Uniform – ist hier eine geniale Kombination aus Militär-, Sozial- und Klimapolitik geglückt? Mitnichten. Dass sich nun das Verteidigungsministerium, Verkehrsministerium und Innenministerium und die Bahn geeinigt haben, ist weder ein sinnvoller Beitrag zur Klimapolitik noch zur Sozialpolitik. Es ist eine Instrumentalisierung unserer Soldatinnen und Soldaten. Das sollten wir – Bürger mit und ohne Uniform – gemeinsam zurückweisen.

Dabei gilt: Meine Partei, Die Linke, tritt für eine Verkehrswende ein, die massiv auf den öffentlichen Nahverkehr setzt, ihn ausbaut und Schritt für Schritt kostenfrei macht. Auch der Fernverkehr soll schneller, komfortabler und billiger werden und sich am Ende auf möglichst vielen Strecken als günstigere Alternative zum PKW und Flugzeug durchsetzen.

Der Nahverkehr sollte für alle kostenlos sein

Nach unserem Vorschlag gibt es kostenlosen Nahverkehr zuerst für Personengruppen mit relativ wenig Geld und wird von einem Ausbau der Kapazitäten und der Qualität flankiert. In den Genuss von kostenlosem Nahverkehr kommen deshalb zunächst Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, Rentnerinnen und Rentner, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Azubis sowie Hartz-IV-Berechtigte. Wenn wir den Ausbau sofort angehen, ist es finanziell und infrastrukturell möglich, dass ab 2025 alle kostenfrei im Nahverkehr fahren. Das betrifft dann zum Beispiel auch Rettungskräfte, Pflegekräfte, Feuerwehrleute und selbstverständlich Soldatinnen und Soldaten. 

Wenn Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nun ausgerechnet für ihre neue Dienstuntergebenen einen privilegierten Zugang zu kostenlosem Nahverkehr, gar auch Fernverkehr, fordert, ist das allerdings weder aus sozialen noch ökologischen Gründen nachvollziehbar. Weder leisten Soldaten per se mehr, noch sind sie finanziell schlechter gestellt als viele andere Personengruppen in Deutschland.

Eine perfide Instrumentalisierung unserer Soldaten

Wenn Annegret Kramp-Karrenbauer die Bahnfreifahrten nur für Soldatinnen und Soldaten in Uniform will, geht es ihr aber offenbar nicht um deren Wohl oder um die Umwelt. Sondern es geht um eine stärkere Präsenz des Militärs in der Öffentlichkeit. Der Vorschlag macht unsere Soldatinnen und Soldaten perfide zu Objekten einer rückwärtsgewandten Politik der Militarisierung ziviler Räume. Im Klartext: Die Soldatinnen und Soldaten werden für eine Imagekampagne zur Militarisierung der Gesellschaft missbraucht. Nach dem Willen von Kramp-Karrenbauer sollen wir uns daran gewöhnen, dass das Militär wieder Teil des Alltages wird. Das passt zur Forderung öffentlicher Gelöbnisse, aber nicht zu einer Nation, die sich Demokratie und Friedenspolitik auf die Fahnen schreibt.

Das Grundgesetz hat den Einsatz der Bundeswehr ausschließlich für die Landesverteidigung bestimmt, ihr Einsatz im Inneren ist unter normalen Umständen ausgeschlossen. Aus gutem Grund: Alltag und Militär sollten getrennte Sphären bleiben, denn die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass der Zugriff des Militärs auf die zivile Gesellschaft die Militarisierung der Gesellschaft und Kriegsgefahr nach sich zieht. Demokratie verträgt sich nicht gut mit Befehl und Gehorsam, freie Rede, Kritik und Widerspruch nicht gut mit unmittelbarem Zwang und körperlicher Gewalt. Deshalb ist die Aufgabe der Bundeswehr so eng begrenzt.

Ja, ist denn schon wieder Krieg?

Die Bahnfahrenden in Uniform und die öffentliche Gelöbnisse sind nur Puzzleteile. Die Bundesregierung steigert Jahr für Jahr den Militäretat und will zwei Prozent als Ziel erreichen. Ich nenne das massive Aufrüstung, denn diese Prozentzahl ist typisch für eine Nation im Kriegszustand. Wie auch Uniformierte im Alltag. So schließt sich der Kreis. Wir brauchen aber das Gegenteil: Konsequente Friedenspolitik in Deutschland und in der deutschen Außenpolitik.

Der Einigung der Ministerien nach dem Vorschlag von Frau Kramp-Karrenbauer ist deshalb falsch. Ein großes „Sorry“ an alle Soldatinnen und Soldaten, die sich nach unserem Willen weiter Tickets kaufen sollen – wir haben euch nicht vergessen. Aber so wie das jetzt klingt: nicht mit uns. Sondern anders: nämlich ab 2025 für alle, ehrlich sozial, ökologisch und ohne Vorbedingungen oder Hintergedanken.

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Rainer Hinz | Sa., 17. August 2019 - 20:22

Die Bundeswehr ist eine demokratische Parlamentsarmee und gehört für mich nicht unter Verschluss. Die Bürger die sich für den Dienst in dieser Armee entscheiden und unter Umständen ihr Leben einsetzen müssen, haben ein Gesicht und sollen sich auch in der Öffentlichkeit zeigen können. Dazu gehören für mich auch öffentliche Gelöbnisse und eine entsprechende Ausrüstung. Es wird seit 2015 genug Geld verteilt, unsere Soldaten und Polizisten sollen da nicht zurückstehen.

Yvonne Walden | So., 18. August 2019 - 10:34

Antwort auf von Rainer Hinz

Besser und gerechter wäre es, wenn alle diejenigen, die nur über geringe Einkünfte verfügen, öffentliche Verkehrsmittel aller Art möglichst kostengünstig benutzen dürften.
Am Ende sollten öffentliche Verkehrseinrichtungen kostenfrei für alle nutzbar sein. Warum sollten nur Soldatinnen und Soldaten ein solches Privileg erhalten? Und dann: bis zu welchem Dienstgrad?
Eine krude Idee der Verteidigungsministerin, schnell dahingeplappert, eigentlich unpassend für die Bundesvorsitzende der Christlich-demokratischen Union.

Albert Schultheis | Sa., 17. August 2019 - 23:21

Ich hege Sympathie für das Vorhaben von AKK, denn wir haben über Jahrzehnte die Landesverteidigung durch die Bundeswehr systematisch und vorsätzlich vernachlässigt. Auch die Abschaffung der Wehrpflicht war in Anbetracht des Zustandes der Welt ein großer Fehler. Der Bürger in Uniform war und ist das richtige Konzept anstelle eines willfährigen Söldnerheeres. Landesverteidigung ist Bürgersache.
Ob es der richtige Weg ist, den AKK da mit Freifahrtscheinen bei der Bahn vorschlägt, wage ich zu bezweifeln. Eine Ausnahme wären die Fahrten zur Kaserne bzw zum Einsatzort.
Stattdessen müssen öffentliche Verkehrsmittel und Bahn günstiger werden als Fahrten mit dem Auto. Aber auch die Bahn muss vernünftig wirtschaften. Ich möchte jedenfalls nicht, dass Freifahrten für alle mit gedrucktem Papiergeld der Linken bezahlt wird. Wir haben bereits zu viele Finanzblasen und faule Kredite, die uns wie Mühlsteine am Hals hängen - als Ergebnis der bleiernen Merkel- und Draghi-Jahre.

Jochen Röschmann | So., 18. August 2019 - 04:27

Der Ruf nach mehr Versorgung durch den Staat ist wieder mal typisch für einen Linken, stellt jedoch kein geeignetes Argument gegen freie Bahnfahrt für Soldaten dar.
Mit der Formel 'Rückwärtsgewandt' wird im Sinne des linken Fortschritts-Mythos die Idee eines unumkehrbaren Prozesses der Entmilitarisierung das Wort geredet.
Ein insgesamt wenig erhellender Beitrag, muss ich leider anmerken.

Ernst-Günther Konrad | So., 18. August 2019 - 06:11

" Der Vorschlag macht unsere Soldatinnen und Soldaten perfide zu Objekten einer rückwärtsgewandten Politik der Militarisierung ziviler Räume." Zitat Ende.
Das tut die Politik offenbar seit Jahren schon oder? Immerhin fahren bereits jetzt schon Menschen in Berufskleidung im ÖPNV, ab 1.1.20 sicher mehr erkennbare Soldaten, nach dem ihnen aus meiner Sicht zurecht die Freifahrten zugestanden wurden.
Herr Schindler, ich vermisse Ihren Hinweis genau darauf und sie müssten demnach solange gegen Berufskleidung im ÖPNV sein, solange nicht alle für "Umme" fahren oder?
Das Ziel 2% und der BW-Haushalt dienen also der Aufrüstung. Sie waren bei NVA und BW, da scheinen sie nur auf der Krankenstation gelegen zu haben, sonst wüssten Sie um die mangelnde Wehrfähigkeit unserer BW.
Klar, das hört sich gut an, Freifahrten für alle.
Ach stimmt, das können wir ja aus dem Wehretat nehmen. Und sollten wir uns mal verteidigen müssen? Sie haben da ja in Venezuela einen Rückzugsort, wandern Sie doch dahin aus.

Andrés Ramos | So., 18. August 2019 - 09:51

Dieser Beitrag ist so traurig wie er typisch links ist. Herr Schindler argumentiert hier in übelster Weise gegen die BW indem er den Soldaten/innen einreden will, sie würden dadurch instrumentalisiert wenn man ihnen die geringste Wertschätzung in Form einer Vergünstigung erweist. Darüber hinaus erträgt er den Anblick von BW-Angehörigen in Uniform in der Öffentlichkeit anscheinend auch nicht. Mit Polizisten oder Postbeamten hat er aber kein Problem. Mehr Abfälligkeit und Ekel geht wohl nicht gegenüber Menschen, die im Zweifelsfall ihr Leben riskieren - auch für Herrn Schindler. Diese Verachtung auch noch als Wohlwollen zu tarnen ist einfach abstoßend.

Jens Rotmann | So., 18. August 2019 - 10:20

Die Wertschätzung der BW bzw. unserer Soldaten mit einer Freikarte der Bundesbahn und Tram zu signalisieren, empfinde ich persönlich als lächerlich. Nix fliegt, fährt, schießt oder schwimmt. Funktionierende Waffensysteme, Ausrüstung und Gerät wäre ein Zeichen der Wertschätzung und nicht diese erbärmlichen Zugeständnisse wie Ticket für die Tram - die eigentlich selbstverständlich sind. Sind eigentlich Flixbus und Flixbbahn mit eingeschlossen, für die Anreise an die Front und für den Heimaturlaub ?

Juliana Keppelen | Mo., 19. August 2019 - 17:52

Antwort auf von Jens Rotmann

kommt. Das Annegret kam sah und siegte.(Ironie off)
Herr Rotmann bin ganz bei ihnen.
Angesichts des Desasters das bei der Bundewehr im Laufe der Jahre angerichtet wurde und dem derzeitigen Zustand der Bundeswehr jetzt den Freifahrtschein als neue Wertschätzung zu verkaufen ist eine billiger Werbegag (ganz abgeehen davon, dass es viele Berufe gibt die ebenfalls mehr Wertschätzung verdient hätten). Man kann nur hoffen, dass bei einem dringenden Einsatz nicht gerade der Zug ausfällt oder sich erheblich verspätet und dadurch der Krieg ausfällt (schmunzel).

Helmut Bachmann | So., 18. August 2019 - 13:00

Der Sozialismus ist auch nach 40 Jahren DDR nicht weitergekommen, die Grundsätze sind gleichgeblieben. In diesem Artikel sind es die Folgenden:
1.Wir schaffen die Armee ab, sie schützt ja nicht den Sozialismus. Ordnungskräfte der westlichen Demokratie sind der Feinde.
2.Individualität ist uns auch ein Dorn im Auge. Alle sollen Bahnfahren, außer Politiker.
3.Freier Nahverkehr für alle, das kostet ja nichts, wenn wir das wollen. Naja, wir können es ja erstmal versprechen. Klingt besser als, wir nehmen euch alle Freiheiten.

doch die Bundeswehr ganz ab. Den äußerst Linken ist sie doch sowieso nur ein Dorn im Auge. Das 2 % -Ziel knicken wir, die dadurch freiwerdenden Gelder werden dann für "freie Fahrt für alle "hergenommen. Kostenfrei fahren von der Wiege bis zur Bahre.

Tomas Poth | So., 18. August 2019 - 16:29

Warum nicht auch für Polizei und Zoll freie Fahrt, in Uniform natürlich.
Würde vielleicht auch ein bisschen zum Sicherheitsgefühl in den Öffies beitragen, mäßigend auf mögliche Randale oder?

Wolfgang Fengler | Mo., 19. August 2019 - 22:35

Antwort auf von Tomas Poth

fahren Angehörige der Bundespolizei und Polizeibeamte der Länder in Uniform jetzt schon umsonst in den meisten Zügen, bestimmte Verkehrsverbünde möglicherweise ausgenommen.
Mit der Netzkarte der DB dürfen auch Bundestagsabgeordnete für private Zwecke die Bahn umsonst nutzen.
Da der Soldat/die Soldatin in vielen Fällen heimatfern eingesetzt oder ausgebildet wird, ist dieser Freifahrtschein nur angemessen.
Betrachten wir unsere unmittelbaren Nachbarn in Europa, so gibt es diese oder ähnliche Regelungen schon längst und das Militär in Uniform gehört zum normalen Straßenbild, Verzeihung Bahnbild.

Klaus Peitzmeier | So., 18. August 2019 - 20:20

Wie man so ein belangloses Thema so aufheizen kann, ist ja echt der Hammer. Abgeordnete dürfen schon lange die Züge 1.Klasse benutzen. Auch privat. Was macht diese so viel besser als Soldaten? Da werden Soldaten lt. H.Schindler "perfide" instrumentalisiert u die Militarisierung der Gesellschaft vorbereitet. Alltag u Militär sollen getrennt bleiben. Einer soll vom anderen möglichst nichts wissen. H.Sch. sagt, ein Militäretat von 2 % sei typisch für Nationen im Kriegszustand. Dann müßte die ganze Welt mit durchschnittlich 2,1 % u besonders Frankreich, Großbrittanien mit 2,3 % u Polen mit 2,0 % im Kriegszustand sein. Die LINKE will, daß die Soldaten uns schön verteidigen, darf aber nichts kosten u sie sollen sich bloß nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen.
Da klatscht der Putin. Könnte er alles nicht besser formulieren.

Christoph Ernst | Mo., 19. August 2019 - 22:40

aber eine Militarisierung der Gesellschaft droht derzeit nicht wirklich - höchstens verbal. Im Übrigen hat Schindler Recht - Soldaten sollten keine Sonderrolle spielen - alle, die gefährlichen oder besonders herausfordernden Dienst an der Allgemeinheit leisten, sollten mit diesem Privileg versehen werden - auch Feuerwehrleute, Polizisten, Nothelfer oder Krankenschwestern - um uns alle daran zu erinnern, dass sie etwas Besonderes tun, das wir wertschätzen, würdigen und wofür wir dankbar sind.