Das Bild zeigt eine Regenwaldlandschaft in Brasilien.
Die Tropenwälder der Welt schrumpfen zunehmends. Vor allem in Brasilien / picture alliance

Studie der ETH Zürich - „Aufforstung ist nicht die effektivste Klimaschutzoption“

Eine neue Studie der ETH Zürich sieht Aufforstung als effektivstes Mittel gegen den Klimawandel. Bis zu zwei Drittel der vom Menschen gemachten CO2-Emissionen könne man damit auffangen, heißt es darin. Realistisch ist das nicht, meint Klimaforscherin Sabine Fuss

Autoreninfo

Jannik Wilk ist freier Journalist in Hamburg. 

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Sabine Fuss ist Klimaforscherin und Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie leitet die Arbeitsgruppe „Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC).

Frau Fuss, eine neue Studie der ETH Zürich besagt, dass Aufforstung das effektivste Mittel gegen den Klimawandel sei. War für dieses Bewusstsein wirklich eine Studie nötig? Dass Bäume CO2 speichern, lernt man bereits in der Schule.
Dass Bäume CO2 speichern, wissen wir schon seit Langem. Was das Besondere an dieser Studie ist, ist dass recht innovative Methoden genutzt wurden. Die Zahlen, mit denen diese Studie jetzt kommt, sind enorm hoch. Höher als die, die wir in vorigen Studien gesehen haben. Es ist aber nicht richtig, dass die Aufforstung die effektivste Klimaschutzoption ist, auch wenn sie zum Klimaschutz beiträgt. Es ist effektiver, die Emissionen gar nicht erst in der Atmosphäre zu deponieren, statt sie später herauszuholen. Sei es durch Aufforstung oder andere Optionen zur CO2-Entnahme.

Die Forscher haben das Potenzial von Aufforstung untersucht. Demnach könnte das Pflanzen von Bäumen zwei Drittel der bislang vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auffangen. Dürfen wir weiter sündigen, wenn wir nur genug Bäume pflanzen?
Die Aufforstungsoption als Freischein für weitere fossile Emissionen zu empfinden, ist falsch. Die fossilen Emissionen müssen kurzfristig stark reduziert werden, wenn wir noch eine Chance haben wollen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Sabine Fuss
Klimaforscherin Sabine Fuss / MCC Berlin

Die Studie kommt zu der Erkenntnis, dass es möglich wäre, weltweit eine Fläche der Größe der USA zu beforsten, ohne dass Städte oder Agrarflächen beeinträchtigt würden. Doch ist das so einfach umsetzbar?
Natürlich nicht. Wir reden hier über sehr große Flächen. Was wir im Moment in der Praxis beobachten, ist das Gegenteil: große Entwaldungsraten in tropischen Ländern und mitnichten Wiederaufforstungsraten, die von dieser Studie impliziert werden. Wir müssen uns vor Augen führen, dass es um ein theoretisches Potenzial geht. Inwiefern das umgesetzt wird, hängt von der Politik, den Institutionen und den Kapazitäten ab, die die einzelnen Länder haben. 

US-Präsident Donald Trump ist nicht als Umweltschützer bekannt. Auch China und Russland geben nicht viel auf das Klima. Die brasilianische Regierung hält den Klimawandel gar für eine Erfindung der Linken. Gerade diese Länder aber haben die meisten freien Flächen für Aufforstung. Wie also soll es möglich sein, eine weltweite Aufforstung politisch durchzubringen?
Wenn wir uns diese Situationen anschauen, dann ist fraglich, ob die Aufforstungsoptionen so schnell in vollem Umfang ausgeschöpft werden können. Deswegen wage ich auch zu bezweifeln, dass man dieses Potenzial ausschöpfen kann. 

Der Regenwald des Amazonas in Brasilien ist akut bedroht und wird rigoros ausgebeutet. Er speichert so viel CO2 wie die Menschheit in einer Dekade freisetzt. Jährlich verlieren wir weltweit mehr als sieben Millionen Hektar Tropenwald. Sollten wir uns nicht eher auf dessen Rettung konzentrieren?
Natürlich müssen wir uns auf die Rettung der Tropenwälder konzentrieren. Das wäre ja erstmal die Umkehrung des Trends, den wir im Moment sehen. Erst danach kommt die zusätzliche Aufforstung. 

Es dauert Jahrzehnte, bis Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche Kohlendioxidspeicher ausschöpfen. Auch reduziert sich in einem insgesamt heißeren Erdklima die Fläche, die für Wald geeignet ist. Hätten wir überhaupt noch Zeit, von der Aufforstung zu profitieren?
Wenn wir die Aufforstungsoptionen als Entschuldigung hernehmen, um unsere anderen Emissionen nicht herunterzufahren, wird das zu knapp. Ende vergangenen Jahres kam der Sonderbericht des Weltklimarates zum 1,5 Grad-Ziel heraus. Da wurde eindeutig gezeigt, dass das, was die Staaten im Rahmen von Paris an Emissionsreduktionsplänen auf den Tisch gelegt haben, nicht ausreicht. Selbst wenn hundert Prozent des Aufforstungspotenziales erreicht würden, ist das Ziel von 1,5 Grad schon aus der Reichweite. 

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Ernst-Günther Konrad | Fr., 12. Juli 2019 - 13:55

Merkwürdiges Interview. Frau Fuss wiederspricht mit allgemeiner Gegenrede, konkretes wie es besser ginge, warum es so nicht geht und wie die Staaten mit der größten Flächen bei Aufforstung helfen könnte, da höre ich nichts.
Die zweifelhaften 1,5 % von wem auch immer qualifiziert festgestellt, werden zwar erwähnt, aber dann? Wälder helfen, aber dann doch wieder nicht. Sorry, aber das Interview verwirrt mehr, als es praktischen nutzen zieht. Warum letztlich die ETH Zürich unrecht haben soll, kann ich ihren Aussagen auch nicht entnehmen. Sie zweifelt die Zahlen irgendwie an, hat aber keinen eigenen.
Mir wurde schwindelig, gehe eine Rauchen.

gabriele bondzio | Sa., 13. Juli 2019 - 10:56

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

unrecht haben soll,..."...wäre doch zu einfach, Herr Konrad sich auf natürliche Regeneration zu beschränken bzw. Raubau aufzuhalten. Und spült auch kein Geld in die Kasse. Was man beabsichtigt mit der CO2-Steuer!
Beispielsweise darüber nachdenken, was die Begrünung von Ödland (z.B. Sahara) bringen würde. Hätte auch den Nebeneffekt, dass man mit Entwicklungshilfe Arbeit bzw, Arbeitsplätze schaffen würde und zumindest zu einem Teil die Fluchtursachen bekämpfen könnte.
Auch könnte man über die Aufforstung CO2-Zertifikate anrechnen.
Recht hat Frau Fuss allerdings, dass der Raubau am tropischen Wald gestoppt werden muss.

Gerhard Lenz | Sa., 13. Juli 2019 - 16:29

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

wie Immissionen nach wie vor die Umwelt verpesten. Aber erzähle einem Dieselfahrer mal, dass er sein Fahrzeug stehen lassen soll, einem SUV-Besitzer, dass er mit seinem Prachtschlitten die Luft verpestet und deswegen nicht mehr in die Innenstädte soll, oder einem Geschwindigkeitsfetischisten, der das durchgedrückte Gaspedal als Zeichen persönlicher Freiheit versteht, dass er fortan auf Autobahnen eine Geschwindigkeitsbegrenzung beachten soll.
Dann rennen sie wieder, wie zuvor in Stuttgart, auf die Strasse...
Klima? Geht Ihnen am ....vorbei. Alles nur Lügen....

Karl Heinz Kaikowski | Fr., 12. Juli 2019 - 22:41

Aufforsten (und das nicht erwähnte wiedervernässen von Mooren) ist vermutlich zu billig.
Gut ist nur was Milliarden kostet und zentralistisch gesteuert werden kann, damit die Richtigen von den Geldern profitieren können.
Reduktion von CO² ist natürlich immer sinnvoll, keine Frage.

Josef Olbrich | Sa., 13. Juli 2019 - 09:53

Leider erschließt sich mir nicht, was dieses Interview an neuen Erkenntnissen bringt. Mit und ohne Einwirkung der Menschen weis die immerwährende Evolution, die auf unserer Erde wirkt, sich zu helfen. Wir können etwas beisteuern, beeinflussen des Ablaufs, können wir mit all unseren Kenntnissen Glauben. Ändert das etwas an der Realität?

Andreas Müller | Sa., 13. Juli 2019 - 10:29

Das Interview mit Frau Fuss geht an der Sache vorbei, oder besser gesagt die Antworten der Klimaforschrin.
Alle Wege die zu einer Verminderung von CO2 in der Athmosphäre führen sind richtig und deshalb führt auch nur ein Konzert von allen möglichen Maßnahmen zum Erfolg.
Besser als mit übetriebenen Eingriffen in unsere Wirtschaft zu agieren ist eine effektive Aufforstung allemal.
Zuerst könnten wir damit im eigenen Land anfangen und dann unseren südeuropäischen Nachbarn helfen , die Flächen wieder zu bewalden die im Altertum und Mittelalter für den Schiffbau abgeholzt wurden.
Dafür Geld und Knowhow zu Verfügung zu stellen ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll.
Übrigens tragen Wälder auch schon ohne den CO2 Aspekt dazu bei, dass sich das Klima nicht erwärmt.
Andreas Müller Hamburg

Brigitte Miller | Sa., 13. Juli 2019 - 10:33

"Die EU ist nach Indonesien Spitzenreiter bei der Freisetzung klimaschädlicher Treibhausgase. Während wir einerseits permanent dazu angehalten sind unseren CO2-Verbrauch zu senken, bauen nordeuropäische Staaten andererseits immer neue Torfkraftwerke und legen die Moore trocken – und damit auch gigantische CO2-Speicher, die elementar für unser Klima sind."
Aus der Beschreibung zum wunderschönen DOK-Film "Magie der Moore"

Siegfried Marquardt | Sa., 13. Juli 2019 - 14:20

Kompromissloses Runderfahren der Braunkohle-Kraftwerke und wieder hochfahren der Kernkraftwerke. Wieder auf Kernantriebe setzen – Russland macht des mit der „Akademiker Lomonosso“ vor! Weitestgehendes Einstellen des regionalen Flugverkehrs (43 Prozent der CO2-Emissionen werden hier verursacht). Weitestgehendes Einstellen der Kreuzschifffahrt, weil 10 Kreuzfahrtschiffe so viel an CO2 emittieren, wie der gesamte Straßenverkehr in der Welt! Und es gibt wohl neben der obligatorischen Hochseeschifffahrt, die so viel CO2 emittiert wie 10 Kreuzfahrtschiffe noch insgesamt 100 Kreuzfahrtschiffe. Weltweite Abrüstung müsste zur Diskussion und auf der Agenda stehen in Anbetracht des Ernstes der weltweiten Klimasituation. (……….). Es gibt genügend Ideen und Vorschläge – diese müssten nur mit aller Konsequenz umgesetzt werden! Übrigens ist der Cartoon auf Seite vier der MAZ vom 6/7.07.2019 absolut zutreffend und zum Schreien, wenn die Situation nicht so erst wäre!
Siegfried Marquardt, Königs

Wolfram Senf | Sa., 13. Juli 2019 - 23:49

Kürzlich erschien im "Spiegel" ein Artikel über Satellitenmessungen chinesischer Wissenschaftler über die Entwicklung der Grünflächen der Erde.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/co2-macht-die-welt-gruener-a-…
Das Resultat: Seit 1980 hat sich die Grünfläche der Erde um 2 x die Fläche der USA vergrößert.
"Schuld" ist der seitdem angestiegene CO2-Gehalt der Luft. Ein Teil des menschengemachten CO2 wurde dabei wieder absorbiert.
Es wäre schön, wenn es ebenso klare Messwerte dafür gäbe, ob und in welcher Größe die Erdmitteltemperatur durch diese Emission tatsächlich ansteigt. Das IPCC spricht nach meiner Kenntnis in diesem Zusammenhang immer von "Schätzungen".

Christoph Kuhlmann | So., 14. Juli 2019 - 15:43

Sie täuschen eine nicht vorhandene Exaktheit vor un vermitteln den Eindruck, die Entwicklung hyperkomplexer Systeme, wie der des Klimasystem ließen sich zutreffend über Jahrzehnte prognostizieren. Wir alle haben unsere Erfahrungen mit regionalen Wettervorhersagen für zwei, drei Tage. Wie hoch muss erst die Fehlerwahrscheinlichkeit über Jahrzehnte sein? ANdererseits hat natürlich eine klimaneutrale Wirtschaftsweise ihren Charme. Mich stört es absolut nicht wenn Kerosin besteuert wird wie andere Treibstoffe auch, oder PKW, die den doppelten Platz verbrauchen und die doppelte Menge Sprit verbrauchen entsprechend hoch besteuert werden. Nur warum E-Autos subventionieren, deren Ökobilanz keineswegs besser ist? Wenn in Zukunft die Haushalte mit Heizkosten höher belastet werden halte ich das für fatal, angesichts steigender Mieten und Wohnungsnot. Eigentlich müssten die Heizkosten ja sinken, bei steigenden Temperaturen. Genau das macht mich stutzig. Wieso ergibt sich kein Spareffekt?

Tomas Poth | So., 14. Juli 2019 - 17:51

CO2-Emission ginge müssten wir den Energie - und Ressourcenverbrauch in allen Bereichen halbieren.
Alles über erneuerbare (Wind und Sonne) elektrisch machen zu wollen verlagert nur die Umweltprobleme auf eine andere Ebene.
Leben auf diesem Globus ohne Rückkopplungseffekte gibt es nicht.