Gezeigt wird Carola Rackete auf der „Sea Watch 3“. Es ist eine Porträtaufnahme. Rackete lächelt.
Gegenstand hitziger Debatten: „Sea Watch 3“-Kapitänin Carola Rackete / picture alliance

Carola Rackete - Ethischer Chauvinismus

Die Debatte über die Taten von Carola Rackete hält Europa in Atem. Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber, die ethisch unterschiedlich denken. Die einen erheben sich jedoch über die anderen. Auf der Suche nach Wahrheit aber sollte Chauvinismus ausgeschlossen sein, meint Philosoph Martin Krohs

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Europa diskutiert dieser Tage über Ethik. Anlass dazu ist das Geschehen um die „Sea Watch 3“ und die deutsche Kapitänin Carola Rackete, die der italienische Innenminister Matteo Salvini unter Hausarrest stellte, weil sie mit ihrem Schiff und rund vierzig Flüchtlingen an Bord auf der italienischen Insel Lampedusa anlegte.

Rackete durfte letztendlich gehen, weil die italienische Justiz sie freisprach. Dabei ging es lediglich um einen möglichen Straftatbestand. Nicht jeder aber spricht sie von den Konsequenzen ihres Handelns los. Es entstand eine intensive Debatte über das Richtig und das Falsch. Philosoph und Journalist Martin Krohs nutzte diese Gelegenheit, um die ethischen Denkfiguren der Argumentationen im Fall „Sea Watch 3“ auszumachen und einzuordnen.

Für ihn gibt es dabei grundsätzlich zwei Arten von Ethik, nach der das Handeln von Rackete beurteilt wird. „Ethik-Typ A“, bei dem der einzelne, handelnde Mensch im Mittelpunkt steht. Und „Ethik-Typ B“, bei dem es sich um die Effekt auf die Gesamtheit und den Zusammenhang dreht. Dabei attestiert er den Anhängern des „Ethik-Typ A“ ein toxisches Überlegenheitsgefühl ihren Pendants gegenüber. Krohs nennt das „ethischen Chauvinismus“. Dieser aber sollte im Verhältnis von Ethiken ausgeschlossen sein, meint der Autor. Dabei geht es um die Suche nach der Wahrheit.

Krohs hat mit diesem Text einen wichtigen Beitrag zum Diskurs abgegeben. Jedem, der sich mit dem moralischen Dilemma um Carola Rackete und die Seenotrettung befasst, sei dieses Stück daher ans Herz gelegt.

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Angela Hoppe | Do., 4. Juli 2019 - 19:36

dass zwar innerhalb kürzester Zeit über eine Million für Rechtsanwälte zusammengekommen sind, aber keiner der Spender und Empörten aus Wirtschaft, Politik und Kirche auch nur einen einzigen vor der Küste Afrikas aus Seenot geretteten zu sich nach Hause holen wollte - das wäre eine "Me-Too-Kampagne", die Taten und nicht Worte sprechen ließen.
Davon abgesehen, mit der Million hätten man Projekte in Afrika finanzieren können, die auch denen zugute kommen, die weder die Kraft noch die finanziellen Mittel haben, sich auf die Reise nach Europa zu begeben.
Ich fordere - um meinen persönlichen Heiligenschein zum Erstrahlen zu bringen - alle Befürworter der offenen Grenzen auf, sich einen Zuzugswilligen nach Hause zu holen, um mit ihnen seinen persönlichen Reichtum und Pensionsansprüche zu teilen. Nur los, die Kaesers, Annalenas, Kässmänner und all die Kirchenfürsten mit ihren für Normalbürger fetten Einkünften, könnten den Unterhalt für mindestens einen locker aus der Portokasse bezahlen

Georg Kastrioti | Fr., 5. Juli 2019 - 21:50

Antwort auf von Angela Hoppe

nämlich woher Sie denn all Ihr wissen habe? Woher wissen Sie dann das alles, was Sie da unterstellen. Woher wisssen, ob Spender nicht bereit oder bereits in der Situaton sind, Menschn aufzunehmen? Haben Sie gefragt, haben sie nachgeforscht - oder sind das eben wieder nur die allfälligen, billigen und in Ihrer wirkung hetzerischen Unterstellungen?

Markus Michaelis | Do., 4. Juli 2019 - 22:01

Der Artikel von Krohs ist interessant, seine Unterscheidung von Ethiken scheint wesentlich. Es kommt mir aber auch zu eng vor. Nationalisten sind bei ihm nicht Leute, die andere unterwerfen wollen, sondern zuforderst Menschen, die in ihrer Ecke ihre Ruhe haben wollen.

Mir scheint, dass Krohs hier schon einen Drang zur Verbesserung der Lage für am Ende alle Menschen voraussetzt. Das ist gut, kommt mir aber mehr wie eine Forderung für die deutsche (Leit)kultur vor als eine Beschreibung der breiten Wirklichkeit.

Ich denke es ist verbreitet einfach in seiner Ecke seine Ruhe haben zu wollen. Selbst motivierte Kämpfer für Klimawandel, Menschenrechte wollen meist in ihrer Kampfesecke ihre Ruhe haben und nicht mit allen Fragen und Widersprüchen dieser Welt belästigt werden. Sehr verbreitet sind sehr gruppenbezogene Denkmuster (gegen oder ohne des Rest). Englisch imperiale Ansprüche haben auch Demokratie "voran"gebracht. Es scheint mir vielfältiger als diese 2 ethischen Grundmuster.

Lorenz Schumacher | Fr., 5. Juli 2019 - 09:27

"Rackete durfte letztendlich gehen, weil die italienische Justiz sie freisprach." Mir scheint, ich habe bisher völlig übersehen, dass das Verfahren schon abgeschlossen ist. Ich dachte, das Gericht habe lediglich über den weiteren Hausarrest befunden.

Wolfgang Beck | Mo., 8. Juli 2019 - 13:55

Die Befürworter der Seenotrettung argumentieren, wenn es um diese geht, zweifelsfrei radikal gesinnungsethisch; verantwortungsethisches Denken ist ihnen entweder fremd oder sie lehnen es kategorisch ab. Anders schaut es allerdings aus, wenn es um die Erläuterung der Migrationsursachen geht. Das Verhalten der Europäer wird fast ausschließlich verantwortungsethisch betrachtet. Vieles was die hier leisten und/oder unterlassen wird gnadenlos auf seine Konsequenzen hin abgecheckt. Selbst uralte Geschichten, d.h. die Kolonialzeit, werden ihnen noch zum Vorwurf gemacht. Diese Diskrepanz läßt sich m.E. nur mit Borniertheit und Fanatismus erklären.