Kopfbedeckung mit Buttons
Mit solchen Buttons kann man sich sorglos in die Öffentlichkeit wagen / picture alliance

Meinungsfreiheit - Der kategorische Imperativ neospießiger Shitstormmoral

Selbst Normalbürger ohne rechtes Gedankengut äußern ihre Meinungen zu manchen Themen nur noch im Freundeskreis. Zu groß ist die Angst vor sonst einsetzender gesellschaftlicher Ächtung. Manche Kreise tolerieren nur noch „linkes“ Sprechen und Handeln. Ist das die vielgepriesene Freiheit?

Stefan Grüll

Autoreninfo

Dr. Stefan Grüll ist Rechtsanwalt und Publizist mit langjähriger, politischer Erfahrung als ehemaliger Abgeordneter (FDP). Der heute „parteipolitisch heimatlose Liberale“ wirbt in Vorträgen und Veröffentlichungen für eine demokratische Streitkultur. 

So erreichen Sie Stefan Grüll:

Ich denke in diesem Moment an den Handwerker, mit dem ich mich unlängst über Politik unterhielt. Geboren im Brandenburgischen in die Endphase der DDR wurde er im wiedervereinigten Deutschland sozialisiert. Die Demokratie weiß er zu schätzen. Die Marktwirtschaft hat er verinnerlicht. Überzeugt von dem eigenen Können hat er vor Jahren den sicheren Arbeitsplatz aufgegeben, um sich selbstständig zu machen. Heute trägt er Verantwortung für einen Betrieb, von dem nicht nur seine Familie lebt, sondern auch die der Mitarbeiter. Mittelstand wie aus dem Lehrbuch.

Breite Schultern. Großes Herz. Empathie für die, die weniger Glück im Leben haben. Solidarisch mit denen, die die Hilfe der Gesellschaft brauchen. Knallhart, wenn es um die geht, die sich „bei uns nicht benehmen“. Dabei macht er keinen Unterschied zwischen Aus- und Inländern, Zugezogenen oder hier Geborenen, jene mit und jene ohne Migrationshintergrund. Klar in der Sache. Die Gedanken abgewogen. Die Worte bedacht. Hier bricht nichts aus einem „Rechten“ heraus, der einem kruden Welt- und Menschenbild folgt.

Ist das die Freiheit?

Hier spricht ein Mann, der im Leben steht, Steuern an seinen Staat zahlt. Er identifiziert sich mit Deutschland, ohne Nationalist zu sein, und macht sich in unruhiger Zeit die Sorgen um die Zukunft des Landes, die so viele teilen.

„Das bleibt aber unter uns“, bittet er mich, als wir uns verabschieden. Man werde heute ja so schnell abgestempelt, wenn man etwa den massenhaften Missbrauch der Sozialsysteme kritisiere, während die Schulen vergammeln. Bildung. Bildung. Bildung. Das ist sein Mantra. Seit zwei Jahren findet er keinen ausbildungsfähigen Jugendlichen. Herkunft oder Glaubensbekenntnis spielen für ihn keine Rolle. Auf dem Bau zählen Verlässlichkeit, Teamfähigkeit, Können und Motivation. So spricht kein Nazi und dennoch:

Nur hinter vorgehaltener Hand. Ist das die Freiheit, die die DDR-Bürger 1989 meinten, als sie gegen das SED-Regime aufstanden?

„Freiwilliger“ Kampf gegen Intoleranz

Ich denke an die mir aus früherer Tätigkeit gut bekannte Mitarbeiterin bei einer in Bonn verbliebenen Bundesbehörde, die sich aus Angst vor der – wie sie es nennt – sozialen Kontrolle am Arbeitsplatz unfreiwillig in einer „freiwilligen“ Initiative im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz engagiert. Vorsorglich „links“ sprechen und handeln, damit man nicht als „rechts“ verdächtigt wird. Ein Einzelfall?

Ich denke an die Abende mit einem in der Öffentlichkeit stehenden Freund, der die Kritik „an den Zuständen da draußen“ (er meint den ganz normalen Alltag in seiner Stadt) aus Angst um seine Kinder neuerdings sehr drastisch formuliert. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da waren für ihn Sommermärchen 2006 und Willkommenskultur 2015 noch die Leuchttürme des neuen Deutschlands. Etliche geplatzte Illusionen später vergleicht er die Rolle der AfD mit der der Grünen in der Bonner Republik Anfang der achtziger Jahre; für ihn die Hefe im Teig des politisch Eingefahrenen. Ob er das öffentlich sagen würde? Niemals!

Die gesellschaftliche Ächtung

Die veröffentlichte Meinung ist gnadenlos. Verstöße gegen die einzig akzeptierten Sprachregelungen werden nicht geduldet. Die gesellschaftliche Ächtung ist das final vollstreckte Urteil im Namen derer, die ohne jegliche Legitimation nur laut genug trommeln. Und so versendet er die dem Comment seiner Branche geschuldeten Textbausteine pflichtgemäßen Applaus des Studiopublikums generierend bei Markus Lanz und in den entsprechenden Formaten.

Seine Meinung aber sagt er nach einem Shitstorm, unter dem die ganze Familie gelitten hat, nur noch in dem geschützten Raum enger Freundschaft. Offene Worte auch bei ihm nur noch hinter vorgehaltener Hand.

Kultivierte Unwissenheit

Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Nein, wählen würde er die Igitt-Partei niemals. Seine Zweitstimme gehört gewöhnlich der FDP und ist gelegentlich Grün. Aus tiefer Überzeugung ist er so weltoffen und tolerant, wie die es vorgeben zu sein, die ihre schrecklich biedere Intellektualität in den In-Kneipen mit den Nazis-werden-hier-nicht-bedient-Aufklebern am Prenzlauer Berg, in Mitte oder X-Berg und Friedrichshain zelebrieren. Kollektive Onanie im soziokulturellen Biotop der hippen Hauptstadt.

Wo Wissen helfen könnte, vorverurteilende Reflexe zu vermeiden, wird Unwissenheit kultiviert, und so erreicht das Erregungsbarometer auf der nach oben offenen Beleidigt-sein-Skala stets neue Absurditätsrekorde. Der kategorische Imperativ neospießiger Shitstormmoral widert mich an. Dem von Ideologen und Finanzpolitikern in unsäglicher Allianz amputierten Rechtsstaat begegne ich gelegentlich mit verstörender Distanz; umso mehr bewundere ich die, die in Polizei und Justiz unverdrossen ihren Dienst tun.

Kann die Politik es nicht besser?

Politik war mein Beruf und ist unverändert meine Leidenschaft. Und gerade deshalb: Kann unsere politische Klasse es nicht besser; gibt es keine Besseren?

Ein Robert Habeck macht noch keinen Sommer. Der Frontmann der Grünen ist die Ausnahme; die Apparatschiks vom Politikertyp Altmaier noch immer die Regel. Ein seltenes Exemplar auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der regelmäßig beweist, dass Amt und Intelligenz des Amtsinhabers sich nicht ausschließen müssen; jüngstes Beispiel die Enteignungsdebatte um Artikel 15 GG: Während sich die Dogmatiker beider Seiten auf ideologischer Metaebene ineinander verhaken, löst Palmer mit dem Erlass von Baugeboten die Probleme vor Ort – um nur Tage später mit provozierenden Tweets auf Twitter gleich wieder die Gralswächter linksalternativen Urschleims auf den Plan zu rufen.

Geh doch zur AfD schreien sie ihm hassverzerrt entgegen. Ist das die „Rückkehr der aufgeklärten Zivilisation zur Barbarei in der Wirklichkeit“? Adorno rotiert im Grab.

Institutionalisierte Planlosigkeit

Es mag taktisch kalkulierte Provokation der schmerzhaft chronisch unter dem Radar medialer Beachtung tieffliegenden Partei gewesen sein, als FDP-Chef Christian Lindner den Greta-Hype um die schulschwänzende Schwedin kritisierte. Angesichts der Komplexität der Fragen forderte er lieber auf wissenschaftliche Expertise als Fundament für Entscheidungen verantwortlicher Politik zu setzen, statt Sturm und Drang einer ernsthaft klimabewegten Freitagsjugend primär umfrageorientiert in politischen Aktionismus zu transformieren – wie es die Kanzlerin schon nach Fukushima gemacht hat. Kein Atom. Weg mit der Kohle. Dafür Wind und möglichst viel Sonne. Das der Plan der jetzt mal wieder Klimakanzlerin.

Wie aber steht es wirklich um die ehrgeizige Energiewende? Institutionalisierte Planlosigkeit als Folge populärer (populistischer?) Politik will organisiert sein, und so hat die Kanzlerin die Quadratur des Kreises in die Hände eines eigens dafür installierten Klimakabinetts als Teilmenge ihrer Regierungsmannschaft delegiert. Wer nicht weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis.

Suspekt sind mir die Politiker, die Primat der Politik mit Unfehlbarkeit verwechseln. Angst machen mir aber auch die unter den Demonstranten, die mit Absolutheitsanspruch auftreten.

Freiheit bedeutet auch Verantwortung

Im Europawahlkampf 2019, der nach den Vorstellungen der Chefstrategen wohl aller Parteien mit routinierter Langeweile über die Zielgerade gebracht werden sollte, hat der Youtuber Rezo mit dem legendären „Zerstörung-der-CDU“-Video ordentlich recherchiert, intelligent argumentierend, unterhaltsam polemisierend und inhaltlich fordernd den Parteien den Spiegel ihres Scheiterns vorgehalten. An der Willensbildung der Jugend wirken sie mit monothematisch bedingter Ausnahme der Grünen jedenfalls nicht mehr mit. Dennoch: Die nach dem Wahlsonntag unter dem Stichwort „Meinungsmache“ einsetzende Debatte über Wirkung und Gefahren der sozialen Medien hat nicht nur mit Blick auf den twitternden Donald Trump und seine präsidialen Fake News eine Berechtigung.

Über den Transfer im Analogen bewährter Regeln der Fairness ins Digitale wenigstens nachzudenken, ist nicht per se ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Selbstverpflichtung ist keine Zensur und Freiheit kein Freibrief. Bloggende Influencer, die mit einer nicht selten sechs bis siebenstelligen Followergemeinde Einfluss qua Reichweite haben, daran zu erinnern, dass Freiheit auch Verantwortung bedeutet, ist kein Skandal; das Gegenteil wäre es. Denn: Rezo ist die Ausnahme.

Mehr Rezo!

Denen die rote Karte zu zeigen, die Meinungsfreiheit sagen und Meinungsmache meinen, ist zwingend! Die an ihre Verantwortung zu erinnern, die mit Meinungsmacht Meinung machen, ist gleichwohl geboten. Die Fähigkeit, sich im Informationsdschungel eine eigene Meinung bilden zu können, um eigenverantwortliche Entscheidungen treffen zu können, ist eine im analogen Leben unverzichtbare Kernkompetenz.

Wer denen in der digitalen Scheinwelt auf den Leim geht, die als Stilikonen auf den Sockel gehoben werden, obwohl sie am Ende doch nur alimentierte Werbepuppen sind, wird kaum in der Lage sein, sich in anderen Fragen eine eigene Meinung zu erarbeiten und diese auch gegen Widerstände argumentativ zu vertreten. Wenn gepostete Oberflächlichkeit Orientierung gibt und reine Optik Maßstäbe setzt, ist das Feld bestellt, auf dem Unsägliches gedeihen kann. Was, wenn politische Simplifizierer das intellektuelle Vakuum nutzen? Das schönste Gesicht macht keine krude Botschaft erträglicher. Blogger stehen in der Verantwortung, eine Meinung zu liefern, wenn sie vorgeben, eine zu haben. Noch aber erinnert die Performance der Masse der Beauty- und Lifestyleinfluencer eher an die Geschichte von dem Kaiser und seinen neuen Kleidern. Mehr Rezo!

Ergebnisoffene Debatte – nur eine Illusion?

Die intellektuell redliche Debatte. Der dialektische Diskurs. Transparent. Ergebnisoffen. Undogmatisch. Einzig der Wertekanon des Grundgesetzes bildet Basis und markiert Rahmen für das Ringen der Parteien um Zustimmung, die, weil prozedurale Transparenz argumentative Stringenz verlangt, dann auch wieder unterscheidbar werden. Nur eine Illusion?

Den einen fehlt die Statur, gegen die eigene Partei(führung) und /oder die veröffentlichte Meinung Position zu beziehen. Der parteiinterne Dauerkampf um Wahlkreis beziehungsweise Listenplatz zwecks Erhalt parlamentarischer Alimentation limitiert die Freiheit der Gewissensentscheidung. Den anderen fehlt der Intellekt, um in freier Rede konstruktiv zu streiten; Sprechzettel-Vorleser im Duell mit Sprechzettel-Ableser statt Wort und Widerwort. Nicht wenigen mangelt es an Statur und Intellekt. Die Selektionsprozesse der Parteien dominieren eben andere Kriterien als Qualifikation und Können. Am Ende ist Proporz wichtiger als Kompetenz.

Zukunftsgestaltung nur noch simuliert

Die als „etabliert“ bezeichneten Parteien unterscheidet vielfach nur noch das Marketing. Machtvergessenheit und Machtversessenheit hatte der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker dem politischen Personal bescheinigt. Der Befund hat nichts an Aktualität verloren, und so justiert die Elite lediglich die Stellschrauben einer in die Jahre gekommenen Ordnung. Dabei kann das System schon lange nicht mehr halten, was seine Repräsentanten unverdrossen versprechen. Die Verwaltung der Gegenwart bindet die politischen Kräfte offenbar so, dass Zukunftsgestaltung allenfalls noch simuliert wird.

Der große Wurf fällt regelmäßig der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zum Opfer. Die das politische Tagesgeschäft dominierende Streit(un)kultur reduziert Debatte dabei regelmäßig schon am Anfang auf das mutmaßliche Ende eines vertagenden Formelkompromisses nach als ergebnisoffener Diskussion verklärten Austausches von Schlagworten, der keinen Platz lässt für eine Reflexion konkurrierender Positionen. Für eine angeblich aufgeklärte Gesellschaft unwürdige Rituale bedeuten damit letztlich den Verzicht auf die Option, bessere Lösungen zu finden.

Kann/darf sich Deutschland das leisten?


Buch Stefan GruellDies ist ein Auszug aus dem Buch von Stefan Grüll: Rechts. Links. Mitte. Was bin ich und wovon wie viel: Gedanken eines zweifelnden Liberalen

 

 

 

 

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Bernd Muhlack | Fr., 14. Juni 2019 - 15:44

Herr Grüll, warum schreiben Sie nicht öfter im Cicero?
Die Geschichte mit dem Handwerksmeister ist wahrhaftig kein Einzelfall!
"Unser" Heizungs-Installateur-Meister hat inzwischen einen Burschen aus Eritrea eingestellt; er spricht passables Deutsch, besitzt gar die "preußischen Tugenden!"
Eines noch. Zitat: "Die veröffentlichte Meinung ist gnadenlos. Verstöße gegen die einzig akzeptierten Sprachregelungen werden nicht geduldet. Die gesellschaftliche Ächtung ist das final vollstreckte Urteil im Namen derer, die ohne jegliche Legitimation nur laut genug trommeln." Zitat Ende.
Auf Welt-Online ist heute ein Artikel über Frau Sawsan Chebli. Direkt über der Kommentarfunktion dräut die Guillotine des "Sperrens"!
Ich werde einen Teufel tun und diesen Artikel kommentieren; meine Meinung zu dieser Zeitgenossin würde ich nicht einmal im Freundeskreis kund tun. Ich sah sie einmal bei einer Bundespressekonferenz: selbst Steffen Seibert fehlten die Worte!

Nochmals Herr Grüll: Bitte mehr!

Roland Völkel | Sa., 22. Juni 2019 - 21:03

Antwort auf von Bernd Muhlack

Auch ich kann den Artikel sowie auch dem HWM nur voll zustimmen!
Eine "unverschämte" gute Zustandsbeschreibung der aktuellen Streitkultur in D. von Herrn Grüll-Chapeur!
Dieses Schwarz-Weiß Denken und Einordnen in Richtig o. Falsch ist sehr bedenklich und einer "offenen" Gesellschaft nicht würdig.
Die Diskurs-Polizei nimmt immer mehr überhand.
Können denn Ansichten, Meinungen und Standpunkte nicht mehr verlautbar gemacht werden und diese offen diskustiert werden?
Und damit in eine Schublade gesteckt werden?
Konnte man doch früher auch, hat die andere Meinung...akzeptiert, gab sich die Hand und es ging auf ein Bier in die Kneipe. Und gut wars!
Zurück auf Los

Ullrich Ramps | Fr., 14. Juni 2019 - 16:12

Ein Christian Lindner hat nur so viel Prozente verloren, weil er nicht ernst genug Grün-Schwarz entgegengetreten ist!
Bei Greta dann auch wieder einen Rückzieher gemacht hat.
Ein konsequenter Politiker wäre etwas, dem das Volk auch unbequeme Wahrheiten abnimmt und der als ehrlich rüberkäme, statt als Teflon-Abperler.
So jemand würde gewählt werden, denke ich, und könnte auch der AfD entgegentreten.

Ulrich Ramps. Was Sie über Herrn Lindner und damit über die FDP sagen, trifft genau den Kern. Einzig Ihr Schlusssatz (" ... und könnte auch der AfD entgegentreten.") stört mich. Ist dies wieder einmal der pflichtschuldige Kotau vor dem Mainstream? Wollen Sie damit den Eindruck erwecken, dass Sie von rechtem Gedankengut rein sind, dass man es mit einem ehrenhaften Menschen zu tun hat? Derartige Schlusssätze, Nebensätze, Parenthesen begegnen einem immer wieder. Ich kann es nicht mehr lesen, hören, ertragen und habe inzwischen eine Nase für ein solches Pseudo-Bekennertum entwickelt. Ich bin völlig allergisch dagegen geworden. Gäbe es keine anderen Gründe - ich würde allein schon wegen solcher unappetitlicher Phänomene, die an kollektive Hetzjagden und freiwillige Selbstunterwerfungen erinnern - AfD wählen. Es kommt noch so weit, dass man sich für seine Wahl auch noch entschuldigen muss.

"Zur Not" ist sie jedenfalls krank und damit sehr leicht zum Opfer hochzustilisieren.
Greta macht das nicht alleine, darüber kann man berichten und man muss in Huldigungen nicht miteinstimmen.
Aber sie tut doch wenigstens etwas und zwar ohne gewählt worden zu sein und dafür bezahlt zu werden.
Hier Aussitzen, da Initiative.
Frau Merkel benötigt nur noch den passenden Koalitionspartner, dann kann sie auch handeln?
Ich finde sogesehen Greta geradezu anrührend und dass "Kinder" jetzt zu Handelnden werden, sagt etwas über das Verfallsdatum einer Kanzlerin?
Das schreibt nur niemand.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 14. Juni 2019 - 16:23

Haben wir da nicht doch das "Problem", dass in meinem Sinne politisch verantwortlich denkende Menschen nicht einfach etwas passgenau "heraushauen" und sich anschliessend evtl. sicher sein können, dass "beigesprungen" wird?
Nein, das Problem haben wir nicht.
Wir haben genau "einen" Rezo und für zig Leute einen "Beispringapparat" bereitzuhalten, könnte evtl. auch teuer werden.
Darauf setze ich ja, dass es teuer wird, so etwas evtl. zu "inszenieren", während man doch locker mit Kreativität und Gleichgesinnten etwas auf die Beine stellen kann, das beachtet wird und gar die Zukunft von mehreren sichern kann-> Produktivität.
Kreativität und "Zerstörung"? Sie glauben gar nicht Herr Dr. Güll wie groß der Bogen ist, den ich darum machen werde.
Und selbst wenn Faust im Schlamm wühlt, während er glaubt, an einer neuen Welt zu arbeiten, so bleibt dieser Traum der Nachwelt als Orientierung erhalten, während Mephisto doch eine unheimliche Figur bleibt, selbst in Auerbachs Keller.
RIP Möllemann

gabriele bondzio | Fr., 14. Juni 2019 - 16:31

und gefällt mir gut, auch wenn ich die eine oder ander Position etwas anders sehe, sind wir in Hauptsache einer Meinung."Die Fähigkeit, sich im Informationsdschungel eine eigene Meinung bilden zu können,"... ist leider Gottes im Abklingen. Beliebter ist da eine zu übernehmen. Nach dem Motto :„Den Fels der Narren findet man leichter als den Stein der Weisen“ (Klaus Klages).
Zumal sich auf diesen Felsen recht viele tummeln. Es ist wirklich ein beklagenswerter Zustand, der in DE Einzug gehalten hat. Die institutionalisierte Planlosigkeit wird noch von gesellschaftliche Ächtung Andersdenkender übertroffen. Man will pardu und ohne Rücksicht, Menschen das Denken abgewöhnen und sie in ein ihnen angenehmes Korsett stecken. Aber hier hört für mich die liberale Demokratie auf und beginnt die geistige Diktatur.

dass jedermann daran interessiert ist, sich eine eigene Meinung zu bilden? Sogenannte "shitstorms" erzählen - als Spitze des Eisberges - doch eine ganz andere Geschichte, wie schon der Begriff klarmacht. Da geht es nicht darum, die eigene Position zu bestimmten Themen oder Vorkommnissen zu markieren und -im besten Fall - auch argumentativ zu untermauern, sondern darum, sich als Teil einer meinungsmässig uniformen Meute zu outen, die Kraft der reinen Anzahl und Lautstärke ihrer Mitglieder jedenfalls nicht in den Verdacht gerät, eine Minderheit im Konzert der Stimmen der vielen zu sein, die per se exponierter und damit auch leichter angreifbar ist als der sogenannte "mainstream". Auch Talkshows im TV funktionieren weitgehend nach demselben Prinzip. Das beginnt mit dem Titel der Sendung, setzt sich über die Auswahl der Gäste fort und endet bei den Claqueren, die im Studio selten fehlen. Ergebnisoffene Meinungsbildung? Fehlanzeige, Meinungskonditionierung trifft es schon deutlich besser.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 14. Juni 2019 - 16:41

Evtl. wurde für Frau Merkel, sie hält sich ja sprachlich eher bedeckt, die Vernunftfrage als verkörperter kategorischer Imperativ oder aber die Gottesfrage als Antlitz des Flüchtlings und des Klimas als Gottesgabe, der wir vor dem Antlitz Gretas gerecht werden müssen, gestellt.
Es scheint, dass sich viele Leute in diesen Bereichen bewegen wollen und können.
Ich bin doch eher bei denen, die nicht genau wissen, welcher Unterschied jetzt die Dringlichkeit macht und sich daran eher gemäßigt beteiligen, solange man das noch darf.
Aber auch bei Verbot wird es meines Erachtens nicht verkehrt.
Sprechen wir wirklich hinter vorgehaltener Hand oder möchten wir einfach darüber reden, ohne dass es zum Shitstorm wird oder auf die Goldwaage gelegt wird?
Ich mag mich nicht (mehr) daran beteiligen und möchte Menschen Mut machen, einfach auf ihre Schlichtheit zu bestehen und nicht jede Sekunde lang die "letzten Dinge" zu verhandeln.
Aber selbstverständlich lasse ich jedem sein Tempo und denke nach

Hans Page | Fr., 14. Juni 2019 - 17:48

Der Artikel beschreibt gut Deutschland 2019. Man spürt es überall, zu allererst in den Kommentarspalten der Online Medien. Man fragt sich nach welchen Kriterien Beiträge gelöscht werden, generelle Netiquette kann es nicht sein, denn selbst sachlichste und neutrale Beiträge werden nicht veröffentlicht. Meinungsfreiheit gilt in Deutschland nur für die dem Mainstream angepasst sind. Moderatoren können es kaum sein, also sind es selbsternannte Mitleser die unerbittlich diejenigen verfolgen die ihrer Meinung nach kein Recht auf Meinungsäußerung haben.

gebe aber zu bedenken, dass dies wie so vieles rechtlich völlig in Ordnung geht, jedoch als "Massenerscheinung" die Frage aufwürfe, ob diese "Mitleser" nicht in der Lage wären, selbst Stellung in einem Meinungsprozess zu beziehen.
Deshalb wertschätzte ich die nur manchmal etwas monoton wirkenden Überlegungen unseres Mitforisten Herrn Gerhard Lenz so.
Ich hoffe sehr, dass er zurückfindet zum Forum. Der wollte und konnte, aber "wir" liessen ihn nicht!
Eventuell meinen Sie es aber gar nicht als "Massenphänomen", sondern als eine Art "Säuberung", denn wer schreibt der bleibt und schlechte Besprechung sieht halt nicht gut aus?
Möglich, aber ich glaube doch an das Walten der Netiquette.

Hans Jürgen Wienroth | Fr., 14. Juni 2019 - 19:10

Wie soll Demokratie in unserem Land bestehen bei der Hetze, die im öffentl. Fernsehen (z. B. AfD-Beitrag im Panorama vom 13.06.19) gegen anders Denkende und Wählende besteht. Wer nicht die Meinung der Mehrheit teilt, wird gnadenlos ausgegrenzt.
Politische Lösungen müssen einfach sein. Wen wundert es da, dass nur Platz für Populismus bleibt? Wer will oder kann sich schon mit komplexen Zusammenhängen auseinandersetzen? Genau so wird aktuell in der Politik agiert. Damit steht die Ideologie über den Sachargumenten und spaltet die Gesellschaft.

Alexander Mazurek | Fr., 14. Juni 2019 - 19:23

… hat in seinem Höhlengleichnis darüber geschrieben, dass jemand, der die wirkliche Welt außerhalb der Höhle kennenlernt und zur Höhle zurückkehrt, um die Insassen darüber aufzuklären, dass die Schatten, die sie sehen, nicht der Wirklichkeit entsprechen, von ihnen eher gemeuchelt wird, als dass sie ihm zuhören.
Nichts Neues unter der Sonne - wie war das noch einmal mit dem so gelobten Fortschritt im 21. Jh?!

Christoph Kuhlmann | Sa., 15. Juni 2019 - 04:48

Im WEB 2.0 sind die meisten sozialen Medien wohl unmoderiert im Web 1.0 fand mann durchaus Foren wo Postings beleidigenden Inhalts gelöscht wurden und der Account gesperrt werden konnte. Es ist doch jeder selber Schuld wenn er unter Klarnamen seine politische Meinung postet, wenn es ihn stört hunderte negative abwertenden Kommentare darauf zu bekommen. Wer die offene Konfrontation nicht genießt der lässt es besser. Man kann ja seine Meinung über die Shitstormer kundtun und sie ebenfalls möglichst geistreich abwerten. Wo ist das Problem. Ich habe immer den Eindruck, das viele Menschen Duckmäuser sind, die einen erlogenen Konsens Anstand nennen. Früher konnten sie ihre Meinung auch nur im Freundeskreis sagen oder als Leserbrief an die Zeitung schicken. Solange es keine Drohungen und Anschläge gibt habe ich keine Probleme mit Shitstorms. Freiheit braucht den Mut sie wahrzunehmen.

Hans Krüger | Sa., 15. Juni 2019 - 08:11

Mir wird es regelmäßig übel was in öffentlich rechtlichen Medien ,SPON und über YouTuber verbreitet wird.Wo geht diese Fahrt noch hin?
Die Grünen werden diesen Planeten nicht retten.Die AFD nicht die Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen.Frau Dr.Merkel wird keine Energiewende hinbekommen auf ihren letzen Tagen in ihrem Amt .Die SPD wird den Sozialstaat nicht neu erfinden oder sich neu definieren. Klima Kids werden ihrer Eltern ihre Kreuzfahrten nicht verbieten können ,die sich diese erarbeitet haben mit ihrer Hände Arbeit.Anpacken und Verändern das geht wohl nicht dafür Unsinn erzählen in Talk Formaten und im Bundestag.

helmut armbruster | Sa., 15. Juni 2019 - 08:32

da ihm anscheinend Zivilcourage fehlt kann man ihm das Attribut "Vorzeige..." eigentlich nicht zugestehen.
Eine freie Gesellschaft braucht Leute mit Zivilcourage, denen es gleichgültig ist, ob sie von irgendwelchen selbsternannten Besserwissern gesellschaftlich geächtet werden oder nicht.
Und außerdem, wer es gewohnt ist selbstständig zu denken und zu handeln, der wird sich doch nicht gängeln und herum schubsen lassen von Leuten, die ihre vorgefassten Meinungen für die allein richtigen halten.
Also warum diese Angst? Wir leben in keiner Diktatur, niemand wird wegen seiner Meinung verfolgt, solange er nicht Volksverhetzung betreibt oder Beleidigungen austeilt.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 15. Juni 2019 - 08:35

Stimme Ihnen zu Herr Grüll. Sie beschreiben einen Teil dessen, was unsere Politideologen versuchen im Volk zu manifestieren. Angst frei zu Reden, Angst in eine Schublade gesteckt zu werden, Angst differenziert Kritik zu äußern. Gerade viele Artikel hier im Cicero, bei Tichy, NZZ oder wenigen anderen freien Autoren beschäftigen sich damit. Nur, wer transportiert diese Angst vor freier Rede, wer es ist denn, die alles und jeden öffentlich umdeuten, skandalisieren, umerklären, niederschreien und jeden Kritiker versuchen "braun" anzustreichen?
Ja, es sind die Politiker der Altparteien aus Angst vor einer Klartext redenden AFD. Es sind aber in erheblichem Maße auch die angepassten Medien, die nichts mehr hinterfragen, die eingefärbt berichten, die geradezu jeden an den Pranger stellen, der mal einen "gefährlichen" Halbsatz spricht. Politik und Medien laufen jetzt im sprachlichen Hamsterrad und finden den Ausgang nicht. Herr Maas erlebt es jetzt am eigenen Leib, er wird zum Antisemit erklärt

Ernst-Günther Konrad | Sa., 15. Juni 2019 - 08:47

So betrüblich Ihr Artikel wirken mag, ich sehe durchaus Hoffnungssterne am Himmel. Die Sterne heißen selbstdenkende Wähler. Menschen, die gerade wegen dieser Einschränkung der Redefreiheit sagen, jetzt erst recht. Ich lass mir den Mund nicht verbieten. Diese Gruppe wächst auch rasant an. Auch wenn Rezo grüngefärbt, gesteuert und beeinflusst herüber kommt, er hat aber ein wichtiges Signal gesetzt. Er zeigt uns allen, wie auch freie Rede funktioniert. Hätte er seinen Inhalt in einem kleinen Bürgersaal gehalten, sie hätte kaum Reaktion gehabt. Im Gegenteil, man hätte ihn am Ende als rechten Aufrührer hingestellt. So aber sprach er die Öffetnlichkeit direkt an. Jeder kann sich selbst ein Bild machen.
Frau von Ackeren -die Merkelerklärerin bei Focus- sie beklagt plötzlich, dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, alles bewusst falsch verstanden wird oder umgedeutet wird und stellt sich schützend vor Maas und seine "antijüdische" Äußerung. Ach, und was macht man seit Jahren mit AFD?

Markus Michaelis | Sa., 15. Juni 2019 - 10:14

Es gibt auch Machtkalkül oder die Lauten, die sich durchsetzen. Ich denke aber die Spitze des Kulturkampfs kommt aus Überzeugung. Es ist auch der Versuch Gewissheiten der letzten Jahrzehnte (des homogenen D?) auf sich verändernde Zeiten anzuwenden. Ob es gelingt?

"Einzig der Wertekanon des Grundgesetzes bildet Basis". Auch wenn der Artikel sonst Norm-kritisch ist, hier liegt er im obigen Denken. Das GG gibt keine Werte vor, sondern Streitregeln. Dann noch 19 Artikel als Leitplanken gegen Extreme. Die Werte finden wir ansonsten frei - aber das überfordert uns, besonders wenn es bunter wird.

Das GG als Basis wird hier wahrscheinlich nicht reichen. Ein solches Denken scheint mir mehr der Versuch, dass unsere heutigen Gewissheiten bitte universell seien. Ich denke 1949 war klarer, dass verschiedene Gesellschaften verschiedene Gewissheiten haben und man daher *versucht* einen Minimalrahmen einzuziehen und ansonsten die Streitregeln festlegt.

Klaus Dittrich | Sa., 15. Juni 2019 - 10:54

„Hier spricht ein Mann, der im Leben steht, Steuern an seinen Staat zahlt. Er identifiziert sich mit Deutschland, ohne Nationalist zu sein, und macht sich in unruhiger Zeit die Sorgen um die Zukunft des Landes, die so viele teilen.“
DAS ist der typische „Ossi“ (sagt ein „Ossi“) – nicht das Zerrbild, welches unsere „Staatsmedien“ liefern
„Ist das die Freiheit, die die DDR-Bürger 1989 meinten, als sie gegen das SED-Regime aufstanden?“
Eine rhetorische Frage, welche ich als ehemaliger Bürgerbewegter klar mit „NEIN“ beantworten kann.
„ . . . die ihre schrecklich biedere Intellektualität in den In-Kneipen mit den Nazis-werden-hier-nicht-bedient-Aufklebern am Prenzlauer Berg, in Mitte oder X-Berg und Friedrichshain . . . .“
Genau die Stadtteile der Grünen-Wähler – sicher ein Zufall.
„Was, wenn politische Simplifizierer das intellektuelle Vakuum nutzen?“
Ist es noch der Konjunktiv?

Tomas Poth | Sa., 15. Juni 2019 - 21:02

und stärken wollen, darf auch die AfD nicht gesellschaftlicher Ächtung unterzogen werden, selbst wenn sie einigen "Rechtsaußen National-Sozialistischen" Wahl-Heimat gibt.
Sind jene denn keine Menschen, auch wenn ihre Ideen sich zu Null Prozent mit den unseren decken, gehören sie zu unserer Gesellschaft. Das müssen wir ertragen können!

Urban Will | So., 16. Juni 2019 - 11:37

aber ich kann die Forderung nach „mehr Rezo“ eigentlich nur ironisch verstehen.
Ist das die Zukunft der politischen Auseinandersetzung, werden so bald Standards gesetzt?

Wird man bald huldvoll das Postulat vernehmen: „Wir wollen mehr Rezo wagen?“

Oh Gott, bitte nein!

Zur politischen Kultur:

Die Diederich Heßlings der Gegenwart huldigen mit Eifer ihrer eingebildeten Überlegenheit.
Im Tempel ihrer Arroganz beklatschen sie sich selbst und merken nicht einmal, dass sie sich gerade selbst aus der Geschichte verabschieden.

Es ist in der Tat beschämend und eine gesellschaftliche Schwäche, wenn gewisse Meinung nicht mehr geäußert werden können, ohne schwerwiegende Nachteile befürchten zu müssen.

Mit dem Einzug der Beliebigkeit und Gesichtslosigkeit ins Kanzleramt und dem Verschwinden echter Opposition im Parlament ging es los.
Und dann hat man verlernt, mit Opposition umzugehen, aber jetzt ist sie wieder da.

Deutschland braucht dringend eine moralische Wende.

Gerd Kistner | Di., 18. Juni 2019 - 09:22

„Kollektive Onanie im soziokulturellen Biotop der hippen Hauptstadt.“ Sollte es nicht heißen: Kollektive geistliche (ideologische) Onanie in Medien und der kuschenden Mehrheitsgesellschaft?
Ist dieses Land nicht zu einem Bordell verkommen? Geistliche ( geistig kann man das nicht nennen) Prostitution als Massenphänomen- sapere ade!
Robert Habek- da bin ich voreingenommen- meine Hündin verbellt jeden Heißluftballon wegen der unerträglichen Geräusche – wie der Herre so‘s Gescherre.
Deutschland hat fertig. Der herrschaftsdeterminierte (pseudoherrschaftsfreie) Diskurs führt uns in die lichte Zukunft der „ good governance“ als Leviathan 3.0 (s. Charles S. Maier: Die Erfindung moderner Staatlichkeit). Marmor, Stein und Eisen bricht, nur der wahre Glaube nicht, auf in die mediokratisch ökologistische Zukunft.