Mette Frederiksen
Ist Mette Frederiksen eine machtorientierte Opportunistin oder erfahrene Politkerin? / picture alliance

Mette Frederiksen - Verwandelt aus Erfahrung

Mit Mette Frederiksen an der Spitze haben die dänischen Sozialdemokraten die Parlamentswahlen in Dänemark gewonnen. Auch weil die einst linke Sozialdemokratin in der Migrationspolitik einen knallharten Kurs vertritt

Autoreninfo

Rudolf Hermann ist Korrespondent der NZZ für Nordeuropa.

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Wer über dänische Politik im Bild sein will, muss nicht unbedingt jeden Tag die einschlägigen Medien verfolgen. Man kann das Geschehen durchaus auch verstehen, wenn man einfach die dänische Fernsehserie „Borgen“ aufmerksam genug angeschaut hat. Denn dieses zwischen 2010 und 2013 ausgestrahlte brillante Politdrama, deutschsprachigen Zuschauern mit dem Untertitel „Gefährliche Seilschaften“ bekannt, vermochte nicht nur auf bemerkenswerte Weise manch zukünftige Entwicklung in der dänischen Politik verblüffend präzise zu prognostizieren. Es enthält auch zahlreiche Details, die auf die eine oder andere Art bis heute nachhallen.

So bringt in einer Szene die fiktive Ministerpräsidentin Birgitte Nyborg ihre eigene Tochter bei Bedarf in einer Privatklinik unter, obwohl sie mit Inbrunst die Notwendigkeit eines starken öffentlichen Gesundheitswesens predigt – und muss sich deshalb den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen. Es ist eine Episode, die bei Mette Frederiksen Erinnerungen geweckt haben dürfte.

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Christa Wallau | Mi., 5. Juni 2019 - 11:05

Es gibt sie also, die Lernfähigkeit bei den Linken!
Allerdings nur dann, wenn sie - wie Frau Frederiksen - die Lebenserfahrung tatsächlich dazu nutzen, ihr Denken und Verhalten zu ändern.
Bei ihr ist dies in erstaunlich kurzer Zeit gelungen, was darauf schließen läßt, daß sie klug ist; denn bei den meisten Utopisten (und das sind alle Linken für mich) dauert es viel länger, bis sie die
Undurchführbarkeit ihrer Pläne einsehen und
zugeben. Die meisten tun dies übrigens nie, jedenfalls nicht laut und öffentlich.

Wo gibt es bei uns in Deutschland eigentlich Politiker, die eingestehen, daß man doch früher auf die Kritiker und Warner in Sachen Migration hätte hören sollen?
Die Dänen sind da offensichtlich wesentlich weiter.
Die deutsche SPD könnte viel von ihnen lernen ...

Sie sagen es Frau Wallau wiedermal trefflich. Würden Politiker mal ehrlich dem Volk sagen, wenn etwas gut gedacht, aber schlecht gemacht wurde oder eine scheinbar gute Idee eben nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat und man deshalb nachbessern muss, würde ihnen das keiner verübeln. Selbst Merkel hätte bei der Migration noch nach kruzer Zeit das Ruder herum reißen können und einfach mal offen gestehen können, dass sie es anders gedacht als sich in der Praxis bewiesen hat. Nichts, aber auch gar nichts ist passiert. OB EU, Migration oder die vielen anderen Probleme. Lügen, Schönreden, Umdeuten, über Medien schön schwätzen lassen und glauben, das Volk hat Jahrzehnte gepennt, die schlafen weiter. Irrtum. Das Volk begehrt auf. Es will nicht mehr betreut denken lassen, es misst die Politik an ihren Taten. In diesem Fall an ihren Untaten. Wenn eine dänische Politikern lernt und umdenkt, umso besser. Da könnte sich unsere SPD selbst hinterfragen und..... anfangen umzudenken. Ups, bin wach.

Dietmar Deibele | Do., 6. Juni 2019 - 07:23

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

war das nicht gut gedacht, nur schlecht gemacht. Es war schlicht naiv, was sonst eigentlich das Erkennungsmerkmal der ideologischen Grünen ist. Denn jeder von uns konnte durch logischem Denken diese katastrophale Entwicklung prognostizieren. Es freut mich, dass die Dänen sich "gedanklich" wehren.

Robert Müller | Do., 6. Juni 2019 - 19:49

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Sehe ich auch so. Nur, das ist keine Eigenschaft von Politikern sondern wohl eher menschlich. Ich denke da z.B. an Unternehmensbosse, wann hat da jemals einer gesagt, dass etwas schlecht lief, selbst wenn das Unternehmen kurz vor der Pleite steht. Und in der Eurokrise hat sich gezeigt, dass das auch nicht nur ein deutsches Problem ist.

Im übrigen haben wir keine Diktatur oder eine Monarchie, sondern eine Demokratie. Es gibt also immer Leute mit Einfluss, die den "Stecker" ziehen können. Bei der SPD passiert das regelmäßig, wenn wieder einmal ein Parteivorsitzender am Ende der Fahnenstange angekommen ist, bei der CSU wird das so auch gemacht, nur bei der CDU ist das anders. Kohl wusste nicht wann Schluss ist, Merkel hat niemand gestoppt und ich glaube Adenauer wusste es auch nicht. War aber vor meiner Zeit. Bei der FDP funktioniert es auch nicht. Ob es bei den Grünen funktioniert, weiß ich nicht.

Es gibt in der Politik immer viele Utopisten. Das fängt derzeit bei 16-Jährigen an. Wenn diese Utopisten aber auf Sachzwänge treffen, die sich in der praktischen politischen Arbeit (leider) automatisch einstellen, dann rudern sie zurück, weil sie zurückrudern müssen. Auch die Grünen werden auf dem weiteren Weg in die Verantwortung noch viele weitere reale Kröten schlucken müssen und möglicherweise einige von ihnen an den entstehenden Widersprüchen ersticken.

Die Utopisten unter den Schulkindern hat Christian Lindner mit VERNUNFT einzufangen versucht, aber anstatt sein Verantwortungsbewusstsein zu loben, wurde ihm Arroganz unterstellt. Es wäre wohl besser und mutiger gewesen, andere aktive Politiker (und mediale Kommentatoren!) hätten in die gleiche Kerbe geschlagen.

Aber leider wird in diesem unserem Lande immer nur von Pressefreiheit und (fast) nie von Presseverantwortung gesprochen und geschrieben.
So Long!

Zitat:
"Die Utopisten unter den Schulkindern hat Christian Lindner mit VERNUNFT einzufangen versucht, aber anstatt sein Verantwortungsbewusstsein zu loben, wurde ihm Arroganz unterstellt. Es wäre wohl besser und mutiger gewesen, andere aktive Politiker (und mediale Kommentatoren!) hätten in die gleiche Kerbe geschlagen."
Zitat Ende

Herr Ehrlich, man hatte Herrn Lindner in 2017 auch vorgeworfen, dass er (die FDP) sich der "Regierungsverantwortung" entzogen habe => NO JAMAIKA!

Dieser Herr Lindner war der Retter in der Not (bycycle-repair-man!), hat zumindest für einen Aufschub des totalen Untergangs gesorgt. Vielen Dank!
Es ist doch vollkommen ausreichend, wenn man sieht und liest, WER Lindner ans Bein pinkelt, oder?

Wieso fällt mir jetzt Guido Westerwelle ein? Meiner Meinung nach einer der besten FDP-ler der letzten beiden Jahrzehnte. Im Frühjahr 2016 erlag er seinem Krebsleiden.

"Auf jedem Schiff das dampft und segelt gibt es einen der die Sache regelt, u das bin ICH!"

es auch endlich kapiert, und wieder Politik für die heimische Bevölkerung macht(habe ich gestern in meinen K. zu Ende-Gelände geschrieben)und eine 180 Grad Wende in der Migrationpolitik vollzieht, werden die ihr abhandenen Wähler sicher wieder Vertrauen schenken und sie wählen, liebe Frau Wallau.
Denn es ist die einstige Wählerschaft der SPD, die die Probleme der unkontrollierten "Einwanderung" oft hautnah (bezahlbarer Wohnraum, Kita, Schule, Umfeld)spüren bzw. betroffen sind.
Die elitäre Clique der jetzigen Grünwähler ist weit weg von diesen Problemen und wohnt z.B in angesagten Stadtvierteln mit hippen Flair.
Und deren Kinder (falls überhaupt noch vorhanden) gehen in Schulen, wo nicht 80% der Kinder Migrationshintergrund haben und das Bildungsniveu einfach höher ist.
Wenn die SPD endlich wieder dem Volk aufs Maul schaut und zuhört, dann hat die Partei noch eine 2. Chance zum Überleben als "große" Partei!
Ansonsten wird sie nur noch eine Randpartei sein.

dass Frau Frederiksen auf einen fahrenden Zug gesprungen ist, den andere angeschoben haben. Diese anderen wurden nun abgestraft. Weshalb? Hat die Mischung nicht gestimmt? In der Politik Dänemarks weiß ich zugegebenermaßen nicht sonderlich Bescheid. Aber was ich eigentlich fragen oder sagen möchte: Die einen warnen vor dem sog. "Rechtsruck", der so viele Stimmen kosten würde (hat man der CSU ja vorgeworfen), die anderen vermissen ihn... Dabei gibt es doch für beide Richtungen Parteien und muss nicht von jeder Partei beide Richtungen verlangen; das kann ja nicht funktionieren. Die SPD hat sich schlecht verkauft, die Medien haben sie nicht unterstützt, nur Merkel, die SPD hat auch große Fehlentscheidungen getroffen, aber nun könnte sie sich vielleicht bei der dänischen Schwester etwas abgucken. Gleichwohl: Ich bleibe beim Original, das hat die Arbeit gemacht.

Frau Frederiksen ist auf den Zug aufgesprungen, den andere in Gang gesetzt haben,
nämlich die sog. "rechten" Kräfte in Dänemark.
Es ehrt Sie sehr, daß Sie sagen: "Ich bleibe beim Original, das hat die Arbeit gemacht."
Aber in der realen Welt geht es - wie Sie wissen - oft ganz anders zu: Diejenigen, die mit viel Mut und Opferbereitschaft Mißstände aufdecken, sie anprangern und Denkblockaden aufbrechen, ernten n i c h t den Lohn dafür, sondern jene, die rechtzeitig die Richtung wechseln, obwohl sie vorher heftigst gegen die
Aufklärer gekämpft u. sie schlecht gemacht haben.
Dies hat Frau Frederiksen ja lange Zeit auch betrieben, war aber schlau genug
zu erkennen, daß ihr Volk dabei nicht mitmacht.
Es ist möglich, daß es der AfD in Zukunft ähnlich ergeht wie der "Dänischen Volkspartei". Letztlich wäre mir dies als Mitglied jedoch nicht so wichtig, wenn es nur endlich (!) - zu einer vernünftigeren Politik käme! Es geht mir nämlich in erster Linie um unser Land, nicht um eine Partei.
MfG

setzt Denkfähigkeit und Vorurteilsfreiheit voraus. In Dänemark ist 2015 ein Buch eines Kopenhagener Gefängnispsychologen erschienen über seine Erfahrungen mit Muslimen - vielleicht hat Frau Frederiksen das ja gelesen. Integrieren kann man nur, wer sich selbst integrieren will - und daran hapert es oft, in so einem kleinen Land braucht man intakte Nachbarschaft viel mehr als in dem anonymen Deutschland. Aber auch bei uns werden immer mehr Menschen wach. Ich selbst bin in Dänemark und auch Norwegen stets gut bis hervorragend aufgenommen worden. So wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch zurück.

Monika Templin | Mi., 5. Juni 2019 - 18:05

Ganz gen au so sehe ich es auch.
Danke für Ihren Kommentar, Herr Ehrlich und auch dem von Frau Wallau. Den Verantwortlichen Politikern wäre kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie ihre Fehler zugegeben hätten. Vielleicht hätten sie dann weniger Wähler verloren und die Medien wären glaubwürdiger. Hierbei ist m.E. der Cicero eine rühmliche Ausnahme und ich hoffe, dass das so bleibt.

Ingo Kampf | Mi., 5. Juni 2019 - 18:55

Das wäre ein Konzept für die SPD gewesen, als Frau Merkel ohne Konsultation die Grenzen nicht geschlossen hat. Wieviel Dummheit war eigentlich im Spiel, als man glaubte in kurzer Zeit Millionen kulturfremde männliche Singles, die nicht annähernd über eine verwertbare Bildung verfügen, so einfach nach Deutschland zu holen. Die Vorstädte von Paris und Marseilles zeigen doch, was da für ein Potential an Gewalttätigkeit zu erwarten war. Das haben wir nun. Und es wird nicht wegzudiskutieren sein. Welche Chance für die SPD, wenn sie 2015 Frau Merkel gestoppt hätte und neben erheblichen Restriktionen wenigstens das Parlament darüber hätte diskutieren lassen. Die AFD hätte keine Chance gehabt. De Maizière wäre Innenminister geblieben und die AFD wäre auch in Ostdeutschland „ferner liefen“ gelandet.
25 bis 50 Mrd € an Integrationskosten wären und erspart geblieben, die man für SPD-Ziele hätte verwenden können. Jetzt macht uns die dänische SPD vor, wie es geht. Für unsere SPD ist es zu spät!

Philipp Schwarz | Mi., 5. Juni 2019 - 20:09

Die Wieder-Vereinigung der Skeptiker in der Sozialdemokratie ist ein großer Verdienst der dänischen Spitzenkanidatin. Zuwanderungs- und Klimaskeptische Wähler unter einem sozialen Dach zu einen ist wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Post-68er Sozialdemokratie muss sich neu verorten und darf sich auch insbesondere in Deutschland an der Ost/West Spaltung nicht beteiligen, sondern muss sich den brennenden Themen stellen und eine einbindende Realpolitik machen, die auch der Zukunft noch Raum für die sozialdemokratische Ideen lässt. Man muss nicht alles teilen was Mette Frederiksen spricht. Sie hat aber für mich ein Hoffnungsfeld geöffnet jenseits rechter und sonnenscheinliberalen Positionen.

Markus Michaelis | Do., 6. Juni 2019 - 17:05

Ich glaube, dass da etwas Typisches zu sehen ist. Das "weltoffene (links-liberale) Bildungsbürgertum" geht meinem Empfinden nach davon aus, dass die eigene Idee einer offenen Gesellschaft universell ist. Wie bunt die Menschen sind, will man nicht sehen. Wenn etwas nicht zu dieser Gesellschaft passt, kann man das oft nur als Abwertung sehen. Also muss alles dazugehören. Dass es einfach ziemlich bunte und wenig kompatible Einstellungen gibt, die in ihrer Umgebung trotzdem alle ihre Berechtigung haben, darauf hat man keine Antwort. Man konzentriert sich auf klar abzulehnende Extreme (Ehrenmord etc.) und meint, dass jenseits davon der gemeinsame Universalismus anfangen müsste.

Offene Gesellschaften sind gut. Aber in der Übertreibung ist der Gegensatz dazu nicht Fremdenhass sondern Buntheit.