Spargel und Saisonarbeiter
Ragt gen Himmel empor: Der Spargel wird von einem Saisonarbeiter geerntet / picture alliance

Spargel-Anbau - „Auf dem deutschen Arbeitsmarkt finden Sie für diese Tätigkeit niemanden“

Der Spargelsaison läuft noch und mit ihr der jährliche Hype um das Gemüse. Doch warum wird es gerade bei uns so gefeiert? Wie lässt sich der Anbau mit dem Umweltschutz vereinbaren? Und warum fehlt es den Landwirten sowohl an Erntehelfern als auch an Nachfolgern? Antworten gibt Hans Lehar

Autoreninfo

Christine Zinner studierte Sozialwissenschaften und Literaturwissenschaft und ist freie Journalistin.

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Hans Lehar ist der Geschäftsführer der OGA und OGV Nordbaden eG, eine genossenschaftlich organisierte Vermarktungseinrichtung für Obst und Gemüse. Auf ihrer Website wirbt sie gerade groß für ihren frischen Spargel.

Herr Lehar, wie essen Sie persönlich denn Ihren Spargel am liebsten?
Diese Frage bekomme ich oft gestellt und ich sage immer das Gleiche. Ich mag den Spargel am liebsten mit Schinken roh oder gekocht mit Kartoffeln oder auch mit Kratzete, wie es im süddeutschen Raum heißt. Das sind kleine Pfannkuchenstückchen. Mit Sauce Hollandaise oder Buttersoße natürlich.

Also ganz traditionell wie viele Deutsche. Wie erklären Sie sich denn diesen jährlichen Hype, den es bei uns rund um den Spargel gibt?
Spargel ist das erste Gemüse, das im Frühjahr wächst. Der Spargel ist mit Rhabarber das erste Produkt, das hier produziert und geerntet wird. Irgendwie hat der Spargel eine gewisse Tradition in Deutschland und jeder freut sich auf die drei Monate von April bis Juni. Warum das so ist, kann ich nicht genau sagen – es liegt wahrscheinlich am Frühling, dem tollen Geschmack und den vielfältigen Zubereitungsmöglichkeiten von Spargel.

Auch die Rübe ist vielfältig verwertbar. Was hat denn der Spargel, was die Rübe nicht hat?
Ich denke der Spargel hat im Vergleich zur Rübe etwas hochwertiges. Spargel war früher ein relativ teures Gemüse, was sich nicht jeder leisten konnte und was auch nur der gehobenen Schicht vorbehalten war. Das hat sich aber alles im Laufe der vergangenen Jahre erheblich verändert. Spargel ist für jedermann erschwinglich geworden, weil mehr produziert wird und der Preis erheblich gesunken ist. Er gilt aber immer noch als hochwertig.

Wir sprachen gerade darüber, wie typisch deutsch der Spargel ist. Liefern Sie trotzdem auch ins Ausland?
Wir exportieren auch. Aber das ist ein geringer Anteil. Unser Spargel wird zu 95 bis 98 Prozent in Deutschland verkauft. Das ist auch typisch, denn die Deutschen sind in Europa die größten Spargelesser. Bei uns wird sehr viel weißer Spargel konsumiert. In anderen Ländern ist mehr der Grünspargel im Fokus.

Und wohin werden dann die anderen zwei bis fünf Prozent verkauft?
Wir exportieren in die Schweiz, nach Frankreich, Benelux und Skandinavien. Das sind die klassischen Spargel-Exportländer. Wir hatten in den vergangenen Jahren auch mal außergewöhnliche Ziele wie Hongkong oder USA. Wenn zum Beispiel Köche aus Deutschland in Hotels im Ausland arbeiten und dort Spargel auf der Speisekarte präsentieren, hat man sich an uns als Spargellieferant erinnert. Da haben wir oftmals kleine Luftfrachtsendungen auf den Weg gebracht.

In Deutschland ist das Thema Umweltschutz vielen Menschen wichtig. Wie lässt sich denn der Spargelanbau mit dem Umweltschutz verbinden? Vor allem hinsichtlich der zum Anbau verwendeten Folien und beheizten Böden?
Das Thema beheizte Böden betrifft nur eine ganz kleine Anzahl an Produzenten in Deutschland. Das wird sich in keiner Weise in größerem Umfang durchsetzen, denn im Februar hat noch nicht jeder Lust, Spargel zu essen. Die Absatzmöglichkeiten sind sehr beschränkt. Wenn jemand kostengünstig heizen kann und die Energie von Kraftwerken oder sonstigen Anlagen als Abwärme nutzt, ist es ein Nebenprodukt, das man gerne in Anspruch nimmt. Wenn aber eine kostenintensive Energiebeschaffung erforderlich ist, muss man so eine Art der Produktion sicherlich in Frage stellen.

Und was ist mit den Plastikfolien?
Folie ist aus Sicht der Landwirtschaft ein unabdingbares Hilfsmittel für die Produktion. Sie wird in verschiedenen Kulturbereichen eingesetzt. Speziell beim Spargel hat die zweifarbige Folie den Zweck, die Ernte zu verfrühen und zu steuern. Auf der einen Seite ist die Folie schwarz, auf der anderen weiß. Damit kann ein Produzent die Temperatur im Spargeldamm und damit das Wachstum des Spargels steuern.

Trotzdem nutzen manche Landwirte keine Folie.
Ja, aber das sind Exoten. Bei uns in der Region gibt es auch einen Ort, wo acht oder zehn kleinere Spargelerzeuger sich auf die Fahne geschrieben haben, ohne Folie auszukommen. Das mag für deren Hofgebrauch funktionieren, aber in Deutschland nutzen etwa 90 Prozent der Spargelproduzenten die Folie. Ohne Folie wäre der Spargelanbau heute gar nicht mehr denkbar. Hinzu kommt, dass man durch Folieneinsatz Pflanzenschutzmaßnahmen reduzieren kann. Wo eine Folie liegt, wächst kein Gras. Da muss man nicht behandeln.

Hans Lehar
Hans Lehar / Foto: privat

In den letzten Jahren soll es schwierig geworden sein, genug Erntehelfer zu finden. Wie sieht das bei den Landwirten aus, die mit Ihnen zusammenarbeiten?
Die Landwirtschaft ist auf Saisonarbeitskräfte angewiesen und es wird es zunehmend schwieriger, welche zu finden. Das hören wir auch bundesweit von Kollegen. Die Menschen aus Osteuropa haben inzwischen einen höheren Lebensstandard und müssen nicht mehr zum Geldverdienen für drei Monate nach Westeuropa zu kommen. Die haben zu Hause oft feste Arbeitsverhältnisse mit guter Bezahlung.

Was müsste getan werden, um wieder genug Erntehelfer zu finden?
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt finden Sie für diese Tätigkeit niemanden. Es gab vor vielen Jahren schon Diskussionen darüber. Man wollte aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit auch deutsche Arbeitslose verpflichten, in der Landwirtschaft mitzuhelfen. Das hat gar nicht funktioniert, weil niemand hier bei Wind und Wetter die Ernte einbringen möchte. Die Vorstellungen vieler Arbeitnehmer zur „Work-Life-Balance“ lassen sich mit dieser Tätigkeit nicht immer in Einklang bringen. Das ist ein sehr mühsamer und harter Job, den die Arbeitskräfte aus Osteuropa gerne gemacht haben, weil sie hier entsprechend gut bezahlt wurden. Wenn man jetzt innerhalb der osteuropäischen Länder der EU niemanden findet, muss man neue Wege gehen, mit anderen – mit Drittländern vielleicht – Vereinbarungen treffen, damit eine Beschäftigung als Saisonarbeitskraft in Europa möglich wird.

Sie sprachen auch von guter Bezahlung. Bekommen Erntehelfer aus Osteuropa dann hier den Mindestlohn?
Selbstverständlich. Das Mindestlohngesetz gilt in allen Branchen. Das war für die Landwirtschaft vor drei Jahren auch eine sehr schwierige Situation, denn es gab dort Tarifverträge. Die wurden durch das Mindestlohngesetz ausgehebelt und damit sind für die landwirtschaftlichen Betriebe die Kosten in der Produktion erheblich gestiegen. Zusammengerechnet waren das rund 40-50 Prozent, die an höheren Personalkosten für die landwirtschaftlichen Betriebe angefallen sind.

Dann hat das Mindestlohngesetz nur Verlierer produziert? Die Landwirte haben mehr Personalkosten, und die Erntehelfer bekommen keine Tarifverträge mehr?
Das kann man so nicht sagen. Ein gerechter Lohn ist immer eine gute Sache und „schwarze Schafe“, die sich nicht an Regeln halten, gibt es leider in jeder Branche. Die höheren Personalkosten können am Markt allerdings nicht durch höhere Produkterlöse kompensiert werden. Wir haben in Deutschland eine „Billig-Billig-Mentalität“ und sparen eher bei Lebensmitteln als beim Handy-Kauf oder der Urlaubsreise. Diese Mehrkosten gehen daher voll zu Lasten der Substanz vieler Betriebe. Hinzu kommt die Wettbewerbsverzerrung beim Mindestlohn innerhalb der EU. In wichtigen Agrarstaaten wie Spanien, Portugal oder Griechenland liegt der Mindestlohn zum Teil weit unter fünf Euro.         

Ist es deshalb inzwischen schwierig, in der Landwirtschaft Nachfolger zu finden?
Da gibt es sehr vielseitige Gründe, warum gerade die Landwirtschaft Probleme hat, Nachfolger zu finden. Ein Landwirt hat keinen Acht-Stunden-Tag. Er muss sich nach der Natur richten und da wird auch am Samstag und Sonntag gearbeitet. Das schreckt sicherlich viele ab. Wir haben schon die Themen fehlende Saisonarbeitskräfte und Mindestlohn angesprochen. Es gibt noch ein Problem: Wir haben in Deutschland innerhalb der europäischen Union die billigsten Lebensmittelpreise, obwohl wir die stärkste Volkswirtschaft sind. Die Wertschätzung der Deutschen für Lebensmittel ist einfach zu gering. Jeden Morgen werden Sonderangebote im Radio verbreitet. Die suggerieren dem Verbraucher: Lebensmittel sind billig – deshalb werden vielleicht auch zu viele Lebensmittel weggeworfen.

Gibt es noch weitere Gründe für den fehlenden Nachwuchs?
Die Landwirtschaft hat momentan kein gutes Image. Man liest und hört ständig, wofür sie alles verantwortlich sein soll. Man hat das Gefühl, die Landwirte sind der Buhmann der Nation. Sie sind für alle Umweltprobleme verantwortlich, die es gibt. Sei es das Thema Glyphosat, Massentierhaltung, Insektensterben, Folieneinsatz oder Klimawandel. Die Themen Pflanzenschutz und Düngemittel sind sowieso negativ besetzt. Man macht es sich relativ einfach, indem alle Probleme der Landwirtschaft zugeschrieben werden, die sicherlich auch einen Anteil daran hat. Es gibt aber viele andere Verursacher, über die man nicht so häufig spricht. Deshalb fordern wir einen fairen Umgang mit der Landwirtschaft. Viele Betriebe fragen sich: Warum tue ich mir das überhaupt noch an? Die Gesellschaft muss sich die Frage stellen, welche Form der Landwirtschaft möchten wir haben und was sind wir bereit, dafür zu tun.

Noch eine letzte Frage, die wohl viele Deutsche in dieser Zeit umtreibt: Sollte man den Spargel lieber geschält oder ungeschält kaufen?
Das ist eine Frage, die jeder selbst für sich beantworten muss. Wer wenig Zeit hat und dennoch nicht auf Spargel verzichten möchte, kauft geschälten Spargel oder geht ins Restaurant. Für viele Konsumenten gehört das Spargelschälen jedoch zum Spargelessen dazu und ist sozusagen eine mit Zeit und Arbeit verbundene „Vorfreude“.

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helmut armbruster | Do., 30. Mai 2019 - 17:49

Dank Merkels Alternativlosigkeit, einer sehr großzügigen Auslegung des Asylrechts und einer noch großzügigeren Handhabung der Abschiebung Abgelehnter, haben wir hier ein millionenfaches Arbeitskräftereservoir, das brach liegt.
Aber seltsamer Weise arbeiten diese Leute nicht, entweder weil sie nicht dürfen oder weil sie nicht wollen. Tatsache ist, dass sie den Tag verplempern und von uns finanziert werden.
Wäre es nicht angebracht und gerecht, diese Leute zu verpflichten zu arbeiten, solange bis ihr Status geklärt ist und sie entweder bleiben können oder gehen müssen.
Es wäre eine Art Gegenleistung für das, was sie hier alles kostenlos erhalten.
Ich glaube das wird sogar in einigen Ländern so praktiziert. Dänemark?

Ich kann absolut nicht begreifen, warum "Schutzsuchende" in Deutschland nicht
zu derartigen Arbeiten herangezogen werden können (sollen, dürfen...), da sie doch
vom deutschen Steuerzahler täglich alimentiert und mit Wohnung und
Taschengeld ausgestattet werden.
Eine Gegenleistung zu verlangen, wäre nicht mehr als selbstverständlich in meinen Augen - es sei denn, jemand ist krank oder sehr alt.

Sie meinen wohl Zwangsarbeit.

Menschen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz unten standen (damals: Juden, Schwule usw.) wurden in gewissen Zeiten mit schwerster Zwangsarbeit bestraft. So wie Straftäter.

Wie Sie meinem Post unten entnehmen können, denke ich das gleiche wie Sie beiden. Interessant ist bei allem, wie ein gewisser Kommentator inzwischen die Deutschen und die berechtigt hier lebenden Migranten einschätzt. Das sind offenbar alles Faulenzer, die an Trinkhallen stehen und saufen. Uih. Da hat sich aber einer als ewig Gestriger geoutet. Trinkhallen gibt es noch wo? Saufen am Kiosk? Die das System ausnutzenden Hart IVler, das sind bei weitem nicht alle, da gibt es eine Menge menschlicher Schicksale dahinter, aber die sog. "Faulenzer", die holen sich Billig-Six-Packs nach Hause und schauen Hartz TV. Die stehen nirgends mehr großartig rum. Da ist wohl jemand in der Zeit stehen geblieben. Ich lebe im Rhein-Main-Gebiet, um mich herum Spargel- und Erdbeeräcker. Jedes Jahr die gleichen Gesichter in meinem Ort, von Menschen aus Polen, Rumänien oder Bulgarien, denen zu Hause Arbeit fehlt oder die sich etwas hinzu verdienen. Ordentlich untergebracht, gut entlohnt, Teil der Gesellschaft.

...Flüchtlinge, also Asylsuchende, dürften hier sofort nach ihrer Ankunft arbeiten. Das Leben in einer Flüchtlingsunterkunft ist alles andere als ein Mehr-Sterne-Urlaub, also wäre der eine oder andere Flüchtling wohl durchaus dankbar.

Dummerweise darf er das zunächst aber gar nicht. Und wenn er es dürfte, wie lange würde es wohl dauern, bis Sprüche wie "Flüchtling nimmt deutschem Familienvater den Arbeitsplatz weg!" auftauchen würden?

Aber Experten, u.a. von Pegida, wissen ja, dass Flüchtlinge auch so in Saus und Braus leben.

Tja, warum wohl putzen erkennbar Nicht-Deutsche die Toiletten der Auto-Raststätten? Warum kommen Erntehelfer aus allen möglichen Teilen des europäischen Kontinents (und darüber hinaus)? Richtig: Weil die Arbeit hart, der Verdienst mies ist und so mancher lustlose Deutsche sich nicht dafür hergibt. Der holt sich lieber ein Bier und verbringt den Tag kreativ an der Trinkhalle.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 31. Mai 2019 - 09:30

Ungeachtet ihrer rechtlichen Stellung wären Flüchtlinge dankbar, wenn sie etwas arbeiten könnten. Natürlich können die meisten keine Facharbeitertätigkeit ausführen, mit 16 eingereist, im Heimatland wegen Krieg keine Schule besucht und schon gar nicht eine qualifizierte Ausbildung erhalten, gäbe es dennoch eine Menge Arbeit, die als Gegenleistung erbracht werden könnte. Es würden halbe Tage reichen. Integration in Erwartung eines positiven Bescheides. Praktisches verbessern der Sprache, erlernen der sozialen Kompetenz, kein rumgammeln an Bahnhöfen oder "Opfer" von Zeitarbeitsfirmen, die für einen Hungerlohn "Hanjerarbeiten" verrichten ließen un damit berechtigte Flüchtlinge mit ill. Arbeitsaufnahme kriminalisieren. Kindergärten, Schulen, Friedhöfe, Grünanlagen in Kommunen usw., überall vergammelt alles, die Kommunen haben kein Personal, weil zu teuer. Das wäre auch längst für diejenigen, die Hartz IV "ausnutzen" auch eine Maßnahme schon längst gewesen, das wollte die SPD aber nicht.