Illustration des Cicero-Covers
Für Professoren an Universitäten kann die Jagd auf sie existenziell werden / Illustration: Le.BLUE

Cicero im Juni - Die Jagd auf die Professoren

An den deutschen Universitäten herrscht Jagdstimmung. Missliebige Professoren wie Jörg Baberowski und Herfried Münkler werden an den Pranger gestellt. Im aktuellen „Cicero“ beschreiben wir, warum so die Freiheit der Lehre ernsthaft bedroht wird

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Das Phänomen ist nicht neu, aber es breitet sich zunehmend aus. Vor fünf Jahren haben wir es bei Cicero am eigenen Leib erlebt: Wir hatten für unser Foyergespräch den umstrittenen Buchautor Thilo Sarrazin eingeladen, um über die Grenzen der Meinungsfreiheit zu sprechen, die er damals schon als „Tugendterror“ bezeichnete. Sogenannte Aktivisten hatten sich vor dem Berliner Ensemble zusammen­gerottet, um Sarrazins Auftritt zu verhindern. Im Saal selbst sorgten sie lärmend und pöbelnd dafür, dass nichts ging. Eine Abstimmung darüber, ob die Veranstaltung trotz ihres Protests stattfinden soll, verloren sie, ließen sich davon aber nicht beeindrucken. Das Gespräch kam nicht zustande. Mein Kollege Alexander Marguier, Zeuge des Geschehens damals, befand: „Die Demonstranten haben mit ihrem Verhalten die Tugend­terror-These von Thilo Sarrazin bestätigt.“

Der Kampf um den Kanon

Auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck fand sich schon mal mit einem Klebeband vor dem Mund als Illustration auf einem Cicero-Cover wieder. Gauck war immer ein Mann, der sich seines eigenen Kopfes bediente, auch wenn das, was dabei herauskam, nicht allumfassend zustimmungsfähig war. Das unterschied ihn vom derzeitigen Amtsinhaber. Gauck hatte sich erlaubt, in der sogenannten Dirndl-Affäre um den FDP-Politiker Rainer Brüderle einen unguten „Tugendfuror“ ausgemacht zu haben. Und schon brach der Sturm über Schloss Bellevue herein.

Ein Bundespräsident ist gewählt, und ein Bestsellerautor kann eine geplatzte Veranstaltung als Publicity betrachten. Für Professoren an Universitäten aber kann die Jagd auf sie existenziell werden. Akut betroffen davon war die Frankfurter Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter, vor ihr waren es Kollegen wie die beiden Humboldt-Professoren Jörg Baberowski und Herfried Münkler. Was ist da im Gange? Und was bedeutet dieser „Kampf um den Kanon“ ( Münkler ) für die Frei­­heit der Wissenschaft und eine plurale Gesellschaft? Ohne Wissenschaftsfreiheit auch keine Demokratie? „Wie wunderbar, wenn das richtig wäre!“, sagt der frühere Bildungsminister und SPD-Politiker Mathias Brodkorb und analysiert, wie schnell heute ein Professor zum Paria wird – und jeder, der ihn verteidigt, gleich mit.  

Cicero Cover Juni 2019

 

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Außerdem in dieser Ausgabe: 

Land der Unglücklichen – eine Reportage aus Brandenburg

Die Schrottarmee – ein Essay über die desolate Lage der Bundeswehr

Der Kampf um Amazonien – eine Reportage aus Brasilien

Illusion, Täuschung, Desinteresse – ein Essay über das falsche Bild vom Zustand unserer Wirtschaft

Küss die Hand – eine Reportage über die Oper im Kino

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 29. Mai 2019 - 14:40

gelesen.
Ich kann nur dazu raten, die Universitäten als Hoch-Schulen zu begreifen und zu bedienen, jedenfalls nicht mehr auf die Idee zu kommen, es handele sich um Diskursstätten.
Die Diskurse finden woanders statt und auf einem anderen Niveau, ich wäre versucht zu sagen, auf einer Metaebene der Wissenschaftler, wenn nicht doch auch Gesellschaft in der einen oder anderen Form daran mitwirken bzw. teilhaben könnte.
Nämlich über die Bücher und den Austausch darüber in anderen Büchern oder Zeitschriften.
Die Hochschulen könnten daran teilhaben, aber verlangt man da von Student*innen nicht ein bisschen viel?
Fahren wir also die Hochschule auf das zurück, was sie mindestens sein muss, eine hohe Schule und gebe man ausreichend breite Überblicke über das what´s going on?
Debatten kann man privat anbieten, vielleicht solchen Studenten gegenüber, die fähig sind, mit ihren Professor*innen zusammenzuarbeiten.
Erfahrungsgemäß können das nicht viele sein in dem Alter.
Und benenne diese.

Christa Wallau | Mi., 29. Mai 2019 - 16:44

Bei alledem geht es um Macht.
Wenigen verbohrten Ideologen gelingt es, auf dem Wege der Indoktrination, also der Beeinflussung u. Beherrschung der geistigen Kräfte in einem Staat, ihre kruden Vorstellungen von einer idealen Gesellschaft durchzusetzen! Dabei schrecken sie vor keinem Mittel zurück.
Auf der anderen Seite steht eine große Mehrheit von Menschen, denen alles andere wichtiger ist als
die Freiheit des Denkens u. ihre Verantwortung für
die Gesellschaft. Der Konsumismus hat in Deutschland sehr viele Leute, auch Studenten, fest im Griff. Diese "durchlaufen" die Universitäten nicht, um sich der Wahrheitssuche u. dem geistigen Disput zu widmen, sondern, um möglichst schnell in einem gut bezahlten Beruf Karriere machen zu können. Deshalb haben die radikalen Ideologen quasi freies Feld an den Hochschulen. Die wenigen Professoren, die sich diesem hinterhältigen u. gefährlichen Tun entgegenstellen, bekommen von einer feigen Politik keine Rückendeckung.
Ja, so sieht's leider aus.

der Hochschulen ein alter Hut. Vertreter aller Richtungen versuchen schon immer, Einfluss durchzusetzen. Laut wird es aber immer nur dann, wenn extreme Meinungen versuchen, dort ihr Publikum zu finden.
Es gibt sowohl linke, als auch rechte Professoren, die ihr politisch-gefärbtes Weltbild an Studenten und die weitere Öffentlichkeit weitergeben möchten. Dass Universitäten, was das Personal angeht, eher links stehen, liegt ganz einfach daran, dass Akademiker generell eher nach links tendieren (siehe die geringe Zahl von Akademikern, die AfD gewählt haben). Daneben findet Politik in Studentenparlamenten statt -hier überwiegend links - oder in Burschenschaften - überwiegend rechts bis ganz rechts. Es muss klar sein, dass für tatsächliche Extreme an Hochschulen kein Platz sein darf - selbst wenn diejenigen, die sonst selbst gerne "zensieren" sofort hysterisch über angebliche "Meinungsdiktatur" klagen. Diskussionen ja, Raum für Hetze - ganz klar nein.

Pardon, CICERO, aber ich ertrage diesen Gerhard Lenz nicht länger. Seine dümmlichen Argumente, die immer in einer Verurteilung der AfD gipfeln, kann ich einfach nicht länger zur Kenntnis nehmen. Ich verabschiede mich als langjähriger Leser und Forist von CICERO. Tut mir leid. Es ist, als ob in mein Lieblingsrestaurant neuerdings immer ein Verrückter kommt, von Tisch zu Tisch geht und die Gäste anpöbelt. Da geh ich nicht mehr hin. Mahlzeit!

Und die Studenten, die ja die künftige (demokratische?) Elite Deutschlands darstellen sollten, beteiligen sich an Asta-Wahlen mit ca 15%. Sie überlassen das Feld regelmäßig linken Gruppierungen, die dann gegen die ihnen mißliebigen Professoren hetzen.

Robert Müller | Do., 30. Mai 2019 - 02:11

Antwort auf von Giesela Kramski

Ich glaube ich hatte mich nie bei den Asta-Wahlen beteiligt. Zum einen weiß ich nicht was der Asta macht und zum anderen kannte ich die Ziele der jeweiligen Parteien nicht.

Ich bin kein Gegner von politischen Aktionen in den Hochschulen und wenn Professoren Gegenwind bekommen, schadet das nicht. Ich selbst war in einer Studentenorganisation aktiv - hieß Bonding - wo ich unter anderem ein wenig Kontakt mit der Verwaltung bekam. Man lernt auch einiges über sich selbst. Ich habe dort gelernt, dass mir die Arbeit dort nicht liegt und bin deshalb schon nach wenigen Monaten wieder weggegangen. Also, politischer Aktivismus an Hochschulen sollte durchaus dazu gehören, das bildet Studenten. Ähnlich ist das ja auch mit den Klimaktivisten heute, die eine Menge bei diesen Aktivitäten lernen. Vorlesungsstoff ist nicht das einzige was man an einer Hochschule lernen sollte.

Wenn dies aus politischen Gründen geschieht, ist das problematisch. Wie manche Lehrstuhlinhaber aber mit ihren Studenten und Kollegen ohne Professur umspringen, entsetzt mich jedoch immer wieder. Da Verhalten sich sogar Grüne wie mittelalterliche Grossfürsten, andere gar wie kleine Diktatoren. Die im deutschen Sprachraum leider eingeführte Habilitation, die schon Einstein ärgerte, hat eine Art akademischen Adel geschaffen, bei dem der Schwiegervater manchmal wichtiger als Können und Wissen ist und Intrigen, um andere klein zu halten bis zur Sabotage von Experimenten an der Tagesordnung sind. In einer Demokratie sollte das im GG festgeschriebene Leistungsprinzip gelten.

Bernd Muhlack | Mi., 29. Mai 2019 - 18:10

Hut ab! Zwei Artikel ob der Situation an unseren Universitäten! Würde unsere Bundesregierung der Bildung in jedwedem Stadium, als von der Kita bis zur Uni bzw. "Berufsabschluss" doch nur ebenso kompetente Aufmerksamkeit widmen!

Ich kommentierte bereits den anderen Artikel, möchte jedoch noch etwas ergänzen.
Okay, eine Uni ist (meist) eine ör Einrichtung und folglich das komplette "gender-und-wir-sind-alle-toll-Gedöns!
Meiner Meinung nach ist das kontraproduktiv, nicht zielführend!
Was ist das Ziel einer Schule, Uni, Ausbildung? Richtig: nach dem Abschluss bin ich schlauer, kann etwas Produktives für mich und andere (gar alle?) tun.
Wohin Pseudowissen führen kann, erleben WIR ja bei der Betrachtung der oft bildungsfernen Politisierenden im Bundestag!
Wie heißt es so trefflich in dem "anderen" Beitrag: das Claudia-Roth-Milieu!

Ich studierte in den 80ern Jura in HD, die Ruperto Carola. Der Leitspruch: semper apertus!

& zwar im besten Sinne, nicht von Moralisten gekapert!

Gerhard Schwedes | Mi., 29. Mai 2019 - 18:24

Was hier beschrieben wird, ist reinster Totalitarismus, der gegen die Grundrechte und die Freiheit von Lehre und Forschung verstößt. Das war im Gefolge der 68-er schon so, dass die Universitäten eine böse Schlagseite ins Totalitäre bekamen. Und immer läuft das Ganze nach dem gleichen Muster ab. Da sind die Kerngruppen mit ihrem flinken ideologischen Mundwerk, die alle Andersdenkenden mit ihren starren und weltfremden Theorien in Grund und Boden reden. Dann kommen die gleichgsinnten Claqueure und Steigbügelhalter mit weniger Zungentalent und schließlich jene Mitläufer, denen die Weltverbesserer mit ihren Gebrauchsanleitungen zur Weltbeglückung den Kopf verdrehen. Im Tross laufen jene Ängstlichen mit, die fürchten, bei der Weltrevolution den Zug zu verpassen. Das Ganze ist ein Gruselkabinett für alle Untugenden des Menschen: für Größenwahn, Machtrausch, Sektiererei, Denkfaulheit, Mitläufertum und Feigheit. Es gibt nur ein Rezept gegen diese neue Stasi: das Mittel der Relegation.

nach 1968 praktisch ausgesehen hat, gerade auch an Universitäten. Habe ich - als bis heute unbelehrbare Freisinnige - in den 1970er Jahren selber miterlebt, wenn auch noch nicht in der Zuspitzung, wie man sie aktuell beobachten kann. Das einzig Tröstliche, das sich zu dieser dem Anspruch von Universitäten diametral zuwiderlaufenden Entwicklung anmerken lässt, ist die ebenfalls gemachte Erfahrung, dass der für totalitäres Gedankengut anfällige Teil der sogenannten Bildungselite in und ausserhalb der Alma Mater zumeist keine sonderlich beeindruckende Karriere macht. Extremisten umgibt regelmässig eine Aura, die auf das Gros der Menschen wenig attraktiv wirkt, um es freundlich zu formulieren. Und das ist ausgesprochen gut so und wird hoffentlich auch künftig so beiben.

Jürgen Keil | Mi., 29. Mai 2019 - 19:27

Da ich an keiner Hochschule tätig war, habe ich über diesen Gesinnungsdruck nur aus Schilderungen von Freunden erfahren. Wenn es also so ist wie beschrieben, dann nähert sich diese Praxis tatsächlich den Verhältnissen an DDR- Bildungseinrichtungen. Wollen wir das?

Klaus Dittrich | Mi., 29. Mai 2019 - 22:48

„Bei alledem geht es um Macht.“
Volle Zustimmung! Bedeutsam ist dabei der Weg zur Macht bzw. Machterhaltung – keineswegs durch qualifizierten Diskurs, sondern durch Ideologische Schlammschlacht. Und die Masse der Studenten interessiert Politik offenbar nur, wenn sie als Event-Kultur daher kommt.

Eine kleine Kostprobe der ideologischen „Verseuchung“ des Asta der Humboldt-Uni: „Zum 01.07.2019 wird eine Stelle für die Antidiskriminierungsberatung ausgeschrieben: Eine Beratungsstelle zu rassistischer, ethnizistischer und migrantistischer Diskriminierung. . . . Die Beratung muss aus parteilicher Perspektive stattfinden, daher ist es erwünscht, dass die beratende Person dementsprechend positioniert ist (also Schwarz oder PoC) und sensibilisiert für Diskriminierungsverhältnisse durch rassistische, ethnizistische,migrantistische, trans*feindliche, genderistische Verhältnisse.“
Quelle: https://www.refrat.hu-berlin.de/

Alexander Mazurek | Do., 30. Mai 2019 - 12:12

… des "Fortschritts" verkauft dieselbe alte, verfaulte und schon immer verlogene wie giftige Ware in neuer glänzender und zeitgemäßer Verpackung, der Schoß "Lebensreform" ist tatsächlich fruchtbar noch, aus dem es einst kroch … wer dagegen argumentiert, wird niedergeschrien, verleumdet und entmenschlicht, eine alte Tradition dieser unheiligen Inquisition.
Übrigens entlarvt bereits die Lektüre von "Über die Toleranz" eines Voltaire dessen "Toleranz" als Dominanz.
Wobei ich meine, dass unsere 68er Professoren darüber nicht nachdenken und nur ihren verinnerlichten Darwinismus ausleben, nach dem Dominanz und Anpassung das Überleben, heißt den Posten, die Pfründe und die Karriere sichern ...