Sascha Lobo
Dabei bei der „Republica“, der unvermeidliche Sascha Lobo / picture alliance

Republica - Auf zum digitalen Gottesdienst

In diesen Tagen findet in Berlin die „Republica“ statt, so etwas wie die Jahreshauptversammlung der Digital Natives. Für einen Reporter der „NZZ“ ist es aber vor allem ein hermetischer Raum des Einklangs, andere als linksliberale Meinungen müssen leider draußen bleiben. Der Bundespräsident ist mittendrin

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Einmal im Jahr findet in Berlin ein mehrtägiger Gottesdienst der digitalen Gemeinde statt. Am Gleisdreieck in den hippen Hallen der „station“ versammeln sich die Gemeindemitglieder einer guten, gerechten und nicht zuletzt selbstgerechten Sache. Die Bösen, die Mäkler und Zweifler, bleiben draußen, weswegen auch einmal ein Stand der Bundeswehr nicht zugelassen wurde. 

Im Umkreis der „station“ sieht man in diesen Tagen deshalb viele mit sehr erleuchtetem Gesichtsausdruck herumlaufen, den Badge, also die Teilnehmerkarte am Bande, stolz vor der Brust baumelnd, wie eine Art Verdienstkreuz.

Der Büroleiter des Berliner Büros der Neuen Zürcher Zeitung, Marc Felix Serrao, hat die Republica dieses Jahr besucht und seine Eindrücke in einem süffisanten Stück verarbeitet.   

Viele Stühle, eine Meinung

Die Republica, schreibt Serrao, sei „so etwas wie das Mutterschiff der Komfortzonen“. An kaum einem Ort in der deutschen Hauptstadt sei man sich in seinen Freund- und Feindbildern so einig wie hier. Ein schönes Beispiel für die Eintracht war in Serraos Wahrnehmung ein Panel, das unter dem Titel „Heimat my ass . . . Migration is us“ stattfand. Serrao: „Es diskutierten: eine Spiegel-Online-Kolumnistin, die sich in ihren Texten vor allem an den vermeintlichen Vorurteilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund abarbeitet, eine Migrationsforscherin, die Deutschland auf dem Weg in eine 'präfaschistische Phase' sieht, und ein Redaktor der taz.“ Redaktor ist das Schweizer Wort für Redakteur. 

Ein hermetischer Raum des Einklangs also, nicht gestört von fremdem Gedankengut. Passend dazu ein Auftritt des deutschen Staatsoberhauptes, der die Messe des Guten und Digitalen mit seiner Anwesenheit und einer Rede zusätzlich veredelte. Eine Kommentatorin der Welt schrieb dieser Tage, Steinmeier als Bundespräsident sei „so gefällig glatt wie Marmor“. Der NZZ-Reporter ging mit ähnlichen Eindrücken von dannen: „Digitalisierung heißt, vernetzt zu sein, Demokratie aber heisst, verbunden zu sein.“ Mit Weisheiten dieser Güte bestärkte der Bundespräsident die Gemeinde des Digitalen in ihrer Selbstwahrnehmung, was Serrao zu diesem Fazit stimulierte: „Wollte man einen Kalender mit politischen Sinnsprüchen drucken, an denen garantiert kein Mensch Anstoß nimmt, Steinmeiers Reden wären eine Goldgrube.“

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Christa Wallau | Di., 7. Mai 2019 - 17:29

Ja, der Herr Steinmeier, der paßt wunderbar zu seinen gläubigen Deutschen, die - wie die Leute in Andersens Märchen - betrügerischen Schneidern (= sich elitär dünkenden und gebärdenden Politikern und Mainstream_Medien) auf den Leim gegangen sind:
In all seiner Nacktheit spaziert er weiter würdevoll umher und gibt Plattitüden von sich.
Und "seine" Leute jubeln ihm zu.

Menschen im Ausland sind viel fortgeschrittener im Erkennen der Nacktheit (= des realistisch erbärmlichen Zustands) der Bundesrepublik Deutschland und ihres Präsidenten. Es ist lobenswert, daß der CICERO entsprechende Betrachtungen / Kommentare eines ausländischen Journalisten aufgreift und zur Diskussion stellt.
Ich kann dem Herrn von der NZZ nur zustimmen.

Wie immer, wenn es Schelte gegen vermeintlich ideologisch links der AfD angesiedelte Meinungsmacher gibt, eilen Sie jubelnd herbei.
Insofern ist auch Ihre Bemerkung über den "erbärmlichen" Zustand der Bundesrepublik und unseres Präsidenten nicht mehr als ewig gleich giftige AfD-Rhetorik, so wie man sie in diesen Tagen von den Hoeckes und anderen "Repräsentanten" der AfD auch überall hören kann. Schließlich ist Wahlkampf, und da gilt es, als aktives Mitglied, auch die Kommentarfunktion des Cicero zu nutzen.
Aber richtig: Es ist gut, auch mal ausländische Presse hier zu zitieren! Aber vielleicht muss man das nicht auf ein paar ziemlich konservative Kommentatoren der NZZ begrenzen, sondern schaut auch mal in den Guardian, Le Monde oder andere grosse europäische Blätter. Denn dort findet man eher zustimmende Worte für die deutsche Politik, und Kritik an Positionen einer Frau Wallau...
Mal sehen, ob der Cicero sich traut, diesen Kommentar zu veröffentlichen...

Fahren Sie doch mal ins Ausland und unterhalten sich mit Menschen dort über Deutschland und seinen derzeitigen Zustand. Ich habe das unlängst getan und zwar habe ich lange mit einem ägyptischen Archäologen über Deutschland gesprochen. Und wissen Sie was? Deutschland ist zum Gespött der Welt geworden und zwar in vielerlei Hinsicht. Bevor Sie also Frau Wallau kritisieren, machen Sie sich erst mal kundig!

Gerhard Lenz | Mi., 8. Mai 2019 - 14:12

Antwort auf von Wolfgang Tröbner

Deswegen kommen also besonders gerne Leute aus arabischen Ländern nach Deutschland - weil es das Gespött der Welt ist.
Frage: Was hält Sie noch hier? Wie wäre es mit dem phantastischen Ungarn eines Viktor Orbans oder Putins russischem Musterstaat?
Oder wünschen Sie sich dortige Verhältnisse auch in Deutschland?
Ernsthaft: Bei allen Mißständen, die es zweifellos hier gibt (wie z.B. der sozialen Schieflage) beneiden uns die meisten um unseren Lebensstandard.

Wolfgang Tröbner | Do., 9. Mai 2019 - 09:17

Antwort auf von Gerhard Lenz

Muss ich Ihnen das auch noch erklären? Deutschland ist mein Land und Menschen wie ich haben für dieses Land ziemlich viel getan. Sie auch? Sie haben recht, Ungarn ist ein wunderschönes Land. Im Unterschied zu Ihnen kann ich das sogar aufgrund persönlicher Erlebnisse ganz überzeugt sagen. Und glauben Sie mir, das waren nicht nur ein paar Tage Urlaub. Aber es ist eben nicht mein Land, so einfach ist das. Sie müssen nicht so tun, als ob Sie die Wahrheit gepachtet hätten. Menschen wie Sie müssen mir auch nicht sagen, was ich tun oder lassen soll.

Ernst-Günther Konrad | Di., 7. Mai 2019 - 17:58

Nun als regelmäßiger Leser u.a. der NZZ kannte ich diesen Artikel bereits. Re:publica kannte ich bislang nicht. Wenn ich die Erkenntnisse des geschätzten Herrn Serrao zur Kenntnis nehme, habe ich also nichts verpasst. Oder doch? Unser BP muss dort wohl geglänzt haben mit seinem Redebeiträgen. Tja, jeder blamiert sich auf seine Weise. Er ist eh nicht mein Bundespräsident. Warum?
Er hört Musik von Feine Sahne Fischfilet, die mag ich überhaupt nicht. Zudem ist sein Rollenverständnis eines BP nicht das meine. Er sollte doch angeblich unser aller Präsdient sein, nur merkt man davon nichts. Stattdessen hat er uns diese unsägliche GroKo beschert und fällt auch sonst nicht durch Weitsicht, Neutralität und Sachverstand auf. Ich könnte mir vorstellen, hätten die Bürger eine Wahl gehabt, dann wäre er sicher nicht im Amt. Nur, wer fragt denn das Volk. An einen Richard von Weizäcker kommt er nicht ansatzweise heran. Insofern sage ich: Re:publica, nicht gekannt und dennoch gelebt.

wie kann es sein, dass ich Sie daran erinnern müßte, dass z.B. ich auch Teil des Volkes bin.
Wenn Rechte oder Konservative eines evtl. nicht sind, dann entspannt?
"Elitelast"?
Steinmeier schätze ich überwiegend sozialdemokratisch-liberal ein.
So ein "Pflänzchen" konnte in NRW gut gedeihen, denke ich mal.
Kenne das ja selbst.
Genaugenommen hat mich die Bonner Republik auf ein starkes Miteinander in Demokratie geprägt.
Ich keile gegen andere Parteien selten aus und tue das auch bei der AfD nicht, kritisiere bei leider von meinem Standpunkt aus hohem Bedarf dennoch gemäßigt.
Kampf ist nicht mein Metier PUNKT
Ich bin einigermaßen eingenommen von meiner Fähigkeit des Zusammenführens...des Zuhörens all überall und zur Transzendenz.
Eigenlob, klar und ich schaue dabei in die Runde1

Ernst-Günther Konrad | Mi., 8. Mai 2019 - 11:12

Antwort auf von Dorothee Sehrt-Irrek

Liebe Frau Sehrt-Irek, ich erahne Unmut in Ihrem Kommentar. Nur verstehe ich nicht, was an meiner Aussage sie erzürnt haben könnte. Das sie als SPDlerin natürlich eine andere Sichtweise zu Herrn Steinmeier habe,n verstehe und akzetiere ich. Nur ist es einmal Fakt, dass die Bürger ihren Bundespräsidenten nicht selber wählen dürfen. Es ist mein gutes Recht, ihn nicht als meinen BP anzusehen, wenngleich er formal natürlich für das ganze Volk bestimmt wurde. An keiner Stelle spreche ich Andersdenkenden, also auch Ihnen das recht ab, ihn anders zu sehen und zu bewerten. Ich habe jedoch, um es mit Kant zu sagen, Zweifel.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 8. Mai 2019 - 17:30

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

sich an Richard von Weizsäcker zu messen und Sie sprachen nun mal davon, das Volk zu befragen...
Ach so, Sie meinen Direktwahl?
Das kommt in Deutschland nicht so schnell, weil dadurch das Amt des Bundespräsidenten mehr Macht bekäme.
Ich schwanke, schliesslich wäre ja auch der Bundespräsident durch das GG gebunden.
Oberbefehlshaber über die Armee sollte der Bundestag sein, denn Krieg ist keine Sache eines/r Einzelnen.
Stimmt, ich bin gereizt, weil beim kleinsten bisschen alle über die SPD herfallen, selbst wenn es evtl. in anderen Parteien nicht viel anders aussieht.
Politik ist auch Macht, vor allem Macht und da glauben Sie, dass die CDU/CSU uninteressant wäre?

Heidemarie Heim | Di., 7. Mai 2019 - 18:41

Sich in die Höhle der Komfortzonenbesatzer zu wagen;-)! Wo er nach diesem Essay wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal geladen wurde.
Armes präfaschistisches Deutschland ohne Grenzen!
Wir sind am ass….Friends! MfG

Klaus Dittrich | Di., 7. Mai 2019 - 20:32

. . . könnte der deutschen Demokratie gut tun – könnte. Denn die präsidiale Selbstgerechtigkeit geht einher mit schleichender Verdummung in Deutschland, über die sich ein „Netz-Kokon“ spinnt.
Ach, es gab mal Zeiten – 2015 – da sprach ein wirklicher Intellektueller namens ZYGMUNT BAUMAN zu den versammelten Jüngern. Leider ohne Folgen. Und es folgte auch kein Intellektueller mehr nach ihm.

Urban Will | Mi., 8. Mai 2019 - 00:59

Deutschland ist derzeit vermutlich das einzige Land auf der Welt, wo man ungestört am Präsidentenpalast an den Fahnenmast pinkeln kann und dafür vom Hausherren noch einen wohlwollend - freundschaftlichen Klaps auf die Schultern bekommt.

Gerhard Lenz | Mi., 8. Mai 2019 - 09:37

Antwort auf von Urban Will

..winkt dort wahrscheinlich die Todesstrafe, oder mindestens langjährige Haft. Bei den Herren Putin oder Erdogan zum Beispiel.

Jürgen Keil | Mi., 8. Mai 2019 - 10:18

Antwort auf von Gerhard Lenz

Zur Problematik Heimat empfehle ich das Buch von Antje Hermenau: "Ansichten aus der Mitte Europas: Wie Sachsen die Welt sehen"

Urban Will | Mi., 8. Mai 2019 - 11:12

Antwort auf von Gerhard Lenz

als noch nicht marginalisierter, ohnemigrationshintergrundsdeutscher Prä – Präfaschist (es besteht also noch Hoffnung) nehme ich mir die Freiheit, die mir noch verbliebene Rest – Vernunft einzuschalten und Ihnen zu entgegnen, dass es zwischen Wohlwollen und Todesstrafe (oder einer gepflegten Steinigung, man muss sich ja langsam auch an andere Sitten gewöhnen) einen Zwischenweg gibt.

Henning Magirius | Mi., 8. Mai 2019 - 11:26

Antwort auf von Gerhard Lenz

Dann werden Sie sicherlich, Herr Lenz, Ihre demokratischen Freiheiten in unserem Deutschland gerne in Anspruch nehmen - auf zum Fahnenmast am Präsidentenschloss!

Heidemarie Heim | Mi., 8. Mai 2019 - 11:12

Antwort auf von Urban Will

Hat wie wir uns erinnern nicht nur unser oberster Bundes-Repräsentant. Bei unserer Regierungschefin zeigte das Bundes-Winke-Fähnchen trotz fehlenden Adlers seine
hervorragenden aerodynamischen Eigenschaften in mach 1 ;-)
Alles Gute! MfG

Urban Will | Mi., 8. Mai 2019 - 01:01

Wenn wir uns also nun, nach rund 14 Jahren unter einer linksliberal tickenden Kanzlerin, mehrheitlich ähnlich orientierten Medien und einer weitgehend dem Mainstream unterwürfigen Kulturgemeide, etc. auf dem Weg zu einer präfaschistischen Phase befinden – wobei ich mich frage, was diese intelligente Dame denn damit meinte –, dann sollten sich die Eliten doch langsam mal fragen, was denn so alles schief gelaufen ist in diesem Lande, dass nun überall die Faschisten aus dem Boden sprießen.
Diese werden bekanntlich nicht geboren, sie werden gemacht.
Da die AfD und andere, so nehme ich an, zu diesen Präfaschisten gezählt werden, also selbst das Produkt der Gegebenheiten sind, fallen sie ja als Verursacher weg. Sonst wäre das ja ein Eingeständnis des eigenen Scheiterns der Gesinnungseliten trotz der sicherlich so empfundenen geistig – moralischen Überlegenheit.

Urban Will | Mi., 8. Mai 2019 - 01:03

denke ich, ist eine Botschaft und beinhaltet die Forderung nach mehr Migration. Wohl als Lösung des präfaschistischen Problems.
Ein bisschen nachdenklich macht mich aber die Tatsache, dass das sich im Entwicklungsstadium zum Präfaschismus befindliche Deutschland doch eine recht hohe Anziehungskraft auf die Migranten auszuüben scheint, sind wir doch immer noch Zielland Nummer eins.
Als bestünde eine gewisse Affinität der Migranten zu uns Präfaschisten.
Vielleicht ist es auch unsere Einzigartigkeit, die wir im Spätsommer 2015 der Welt offenbarten und nun doch endlich ihr auch aufzwingen sollten, auf das alle an uns genesen.

Nun denn, immerhin lacht das Ausland über uns und so hat all das „Republica“ - Geschwafel doch zumindest etwas Gutes.

Stefan Jurisch | Mi., 8. Mai 2019 - 10:39

Denn auch dort gibt es viele verschiedene Menschen, nicht nur die, die hier vertreten waren. Sie sind nur auf diesen Veranstaltungen nicht erwünscht, denn man bleibt gern unter sich. Manche Tiere sind eben doch besser als andere, und gerade die ganz moralischen beanspruchen das immer wieder gern für sich.

Ich kannte Re-publica nicht. Bin da auch nicht sonderlich bewandert in diesem Thema. Es ist nur Schade, dass es scheinbar keinen Gegenentwurf zu diesem Teil der Netzwelt gibt. Oder doch und ich weis es nicht? Dann wäre es an der Zeit, das sich auch die anders denkenden Netzwerker zu Wort melden oder?

vielleicht antike Vorstellung von Republik, vlt. Moderne?
Warum so anders als es Cicero tat?
Es kommt nicht darauf an, dass alle überall Alles sagen können, sondern dass im gesellschaftlichen Diskurs nicht ausgegrenzt wird, was nicht selbst ausgrenzt.
Es war und ist völlig normal, dass MAN sich trifft, die EIGENEN Überlegungen zu diskutieren, weiter voranzutreiben.
Lädt die Konrad-Adenauer-Stiftung Sarah Wagenknecht als Hauptrednerin ein?
Okay, könnte sie mal machen.
Ich mag schon sehr breite Diskussionen, aber ich bin doch soweit Realistin, auch weil wir gerade viele Gräben in der Debatte haben, dass dieses Gemeinsame sich erst wieder herstellen muss und auch von oben?
Steinmeier scheint mir ein "Mediator" (21/2 Std. rbtv. wer hat denn soviel Zeit? Mein Tipp macht ein Crowdfunding) zu sein.
Er wird überall vorstellig werden, soweit er das mit seinem Gewissen vereinbaren kann.
Er wird es NICHT IMMER ALLEN Recht machen.
Vielleicht macht er sogar Fehler, wie wir alle.
So!