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Daimler: Doch kein Ausstieg aus der Parteienfinanzierung? / picture alliance

Daimlers Parteispenden-Aus - „Unternehmen betreiben politische Landschaftspflege“

Nicht nur Daimler verzichtet inzwischen auf Parteispenden, auch VW und BMW sind längst ausgestiegen. Tatsächlich aber fließt das Geld der Unternehmen weiter an die Parteien, nur auf anderen, intransparenten Wegen. Ein Interview mit Lobbycontrol über eklatante Lücken im Parteiengesetz

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Frau Deckwirth, der Autobauer Daimler hat bestätigt, zumindest in diesem Jahr alle Spenden an Parteien in Deutschland zu streichen. Folgt der Konzern damit einem Trend? Ziehen sich Unternehmen aus der Parteienfinanzierung zurück?
2008 hat sich bereits Volkswagen dazu entschieden, sich aus den Parteispenden zurückzuziehen, BMW dann 2014. Daimler scheint hier also durchaus einem Trend zu folgen.

Lohnt sich denn die Parteienfinanzierung aus Sicht der Unternehmen nicht mehr?
Keine Spenden an Parteien mehr zu richten, heißt keinesfalls, dass man sich aus der Finanzierung von Parteien zurückzieht. Im Gegenteil, denn die Unternehmen engagieren sich in zunehmendem Maße mit sogenanntem Parteisponsoring.

Wo liegt da der Unterschied?
Parteiensponsoring hat gegenüber Parteispenden mehrere Vorteile für die Unternehmen und auch für die Parteien. Es gibt keine gesetzlichen Transparenzpflichten. Das Sponsoring kann anders als die Parteispenden steuerlich geltend gemacht werden. Außerdem beinhaltet das Sponsoring konkrete Gegenleistungen der Parteien. Unternehmen können sich zum Beispiel auf Parteitagen an messeartigen Ständen präsentieren und auch auf anderen Veranstaltungen ihr Logo platzieren. Oft werden auch VIP-Lounges oder Pressebereiche von Unternehmen gesponsert. Auch Daimler war hier schon präsent. Darum stellt sich nun die Frage, ob Daimler sich wirklich aus der Parteienfinanzierung oder eben nur aus den Parteispenden zurückzieht.

Christina Deckwirth
Christina Deckwirth von
Lobbycontrol

Sponsoring statt Spenden bedeutet also weniger Transparenz.
Ja, das ist eine eklatante Lücke im Parteiengesetz, die dringend geschlossen werden muss. Wir fordern, dass es gesetzliche Transparenzpflichten auch für das Parteisponsoring gibt.

Es gibt bislang keinerlei Möglichkeiten, sich über das Sponsoring von Parteien durch Unternehmen zu informieren?
Das Sponsoring muss in den Rechenschaftsberichten der Parteien lediglich in einem Sammelposten zusammen mit anderen Einnahmen durch andere Veranstaltungen oder durch Publikationen angegeben werden. Das heißt, wir wissen nicht mal, wie hoch die Sponsoringeinnahmen der Parteien insgesamt sind und vor allem nicht, welche Unternehmen auf diese Weise Geld an welche Parteien fließen lassen. Parteispenden müssen in den Rechenschaftsberichten ab 10.000 Euro angegeben werden.

Können Sie denn eine Einschätzung geben, wie hoch solche Sponsorings ausfallen?
Es kann davon ausgegangen werden, dass der größte Posten bei den Sammeleinnahmen der Parteien eben jene Sponsorings sind. Bei den Unionsparteien lag dieser Posten in den vergangenen Jahren immerhin zwischen 7 bis 20 Prozent der Parteieneinnahmen. 2017 waren es 12 Millionen bei der CDU und 6 Millionen bei der CSU, das sind rund 8 beziehungsweise 14,4 Prozent aller Einnahmen. Auch bei der SPD, die deutlich weniger Unternehmensspenden bekommt als die Union und FDP, waren es 11 Millionen und damit rund 7 Prozent ihrer Einnahmen. Weitere Sponsoringeinnahmen können sich auch hinter dem Posten Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit verstecken. Die Sponsoringeinnahmen könnten also noch höher sein.

Erhöht sich denn das Volumen dieser intransparenten Geldflüsse?
Bei VW wissen wir, dass die Spenden zwischen 2002 und 2008 bei rund 300.000 Euro lagen. Als sie dann auf Sponsoring umgestiegen sind, lag das Volumen zwischen 2014 und 2017 bei rund 650.000 Euro. Gerechnet auf den Zeitraum, entspricht das also etwa dem gleichen Volumen des Geldes, das zuvor transparent gespendet wurde. Jetzt muss es eben nicht mehr angegeben werden.

Weshalb fehlen hierfür die gesetzliche Transparenzpflichten?
Es gibt vom Grundgesetz ganz klar die Anforderung, dass die Parteienfinanzierung transparent sein muss. Als das Parteiengesetz geschrieben wurde, gab es aber die heutige Sponsoring-Praxis noch nicht. Von Unternehmen und Parteien wird diese Lücke also nach wie vor ausgenutzt. Man könnte darum auch durchaus eine Verfassungsklage in Erwägung ziehen. Aber es muss eben auch jemand bereit sein, zu klagen.

Das Problem ist an sich aber nicht neu. Warum geschieht nichts?
Tatsächlich gab es bereits diverse Sponsoring-Affären. So konnte etwa der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf einem CDU-Parteitag von Unternehmen als Gesprächspartner für Einzelgespräche für 20.000 Euro gebucht werden. 2016 gab es dann die „Rent-a-Sozi“-Affäre bei der SPD. Es soll laut der Partei solche Gespräche nicht mehr geben. Die SPD fordert tatsächlch auch schon seit längerem mehr Transparenzpflichten für das Parteisponsoring. Der Widerstand gegen eine gesetzliche Änderung ist aber insbesondere seitens der Union hoch, die besonders von Unternehmensgeldern profitiert.

Ist Parteienfinanzierung durch Unternehmen grundsätzlich fragwürdig?
Das ist durchaus eine wichtige Diskussion, die auch geführt werden muss. Unsere Forderung ist in erster Linie mehr Transparenz. Auch bei den Spenden besteht Nachholbedarf. Spenden ab 50.000 Euro müssen sofort veröffentlicht werden. Ab 10.000 Euro hingegen erst in den Rechenschaftsberichten. Bis die veröffentlicht werden, vergeht viel Zeit. Über die Spenden im Wahlkampf 2017 haben wir erst Anfang 2019 erfahren. Wir fordern außerdem, dass Spenden eine Obergrenze von maximal 50.000 Euro pro Spender und Jahr. So etwas gibt es in anderen Ländern längst. In Frankreich etwas sind es nur 7.500 Euro, in Belgien sogar nur 2.000 Euro.

Wie sollten sich Parteien stattdessen finanzieren?
Den Parteien würde auch mit einem Deckel noch ausreichend Geld zufließen. Außerdem bleiben die staatliche Parteienfinanzierung und natürlich auch die Mitgliedsbeiträge.

Wie aussagekräftig ist Transparenz überhaupt? Auch Sie als Lobbycontrol können kaum nachprüfen, inwiefern etwa die Senkung der sogenannten Hoteliersteuer 2011 unter der CDU-FDP-Regierung eine Folgeerscheinung der Spenden von August Baron von Finck gewesen sind.
Einfluss-Spenden sind nicht erlaubt. Es darf also keine Spende mit dem Willen oder Wunsch verknüpft werden: Wir geben euch soundso viel und ihr macht dafür dies oder das. Aber es geht darum, zu zeigen, dass es natürlich eine Wirkung auf Parteien hat, wenn etwa aus der Automobilbranche durch Verbände oder durch die BMW-Eigentümerfamilie Quandt-Klatten kontinuierlich viel Geld fließen.

Was meinen Sie konkret mit Wirkung?
Unternehmen betreiben politische Landschaftspflege. Sich kontinuierlich erkenntlich zeigt, entfaltet eine psychologische Wirkung auf jene, die das Geld nehmen. Man fühlt sich dem Geldgeber verpflichtet, ohne dass man das vielleicht direkt wahrnimmt. Häufig geht es dabei darum, ein bestimmtes politisches Lager zu stärken, was sich gerade in Wahlkampfzeiten bemerkbar macht. Vor allem die Unionsparteien profitieren von solchen Geldflüssen. Hier besteht einfach ein  sehr großes Ungleichgewicht zwischen den Parteien.

Würden Sie denn so weit gehen, zu sagen, dass die politische Landschaftspflege, etwa von BMW, im seit drei Legislaturen CSU-geführten Verkehrsministerium ihre Wirkung voll entfaltet hat?
Um das zu beurteilen, ist es wichtig, zu verstehen, dass Parteispenden und Sponsoring nur zwei Bausteine von vielen Einflussmöglichkeiten sind. Auch wenn die im Bereich Automobilindustrie sehr relevant sind. Darüber hinaus gibt es auch viele Kontaktnetzwerke oder Personen, die die Seiten wechseln. Mit Eckart von Klaeden hat Daimler beispielsweise einen ehemaligen Staatsminister aus dem Kanzleramt als Cheflobbyisten bei sich. Dementsprechend beste Kontakte ins Kanzleramt bestehen also auch heute. Das spielt mit Sicherheit eine noch viel größere Rolle als einzelne Spenden. Es wird Daimler also keinesfalls schaden, in diesem Jahr keine Spenden mehr an Parteien zu zahlen. Daimler wird ein mächtiger Lobbyakteur bleiben.

Können Sie beschreiben, inwiefern Treffen zwischen Politikern und Lobbyisten zu Einflussnahme führen?
Wenn sich CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer immer wieder mit Vertretern der Autoindustrie trifft und sich immer wieder deren Meinung und Wünsche anhört, dann hat das Wirkung auf ihn. Je mehr solcher Kontakte es gibt, desto häufiger wird er auch mit deren Anliegen konfrontiert. Wenn er sich andererseits wirklich überhaupt nicht mit Umweltverbänden oder Verbraucherschutzverbänden trifft, die zum Thema Dieselkrise ja auch eine Menge zu sagen haben, dann hört er deren Position deutlich weniger. Das macht am Ende viel aus. Das ist schlichte Psychologie: Je mehr ich mir die Wünsche von einer Seite anhöre und von der andere nicht, dann wirkt das auf meine Meinungsbildung. Im Fall von Herrn Scheuer ist es also durchaus interessant, zu verfolgen, ob er sich auf Treffen von Umweltverbänden zeigt oder ob er sich lieber in schickerer Atmosphäre aufhält, wo bewirtet und umgarnt wird.

Die Dieselgipfel wurden zum Beispiel als große Kümmerer-Aktion im Dieselskandal seitens der Regierung dargestellt.
Die Dieselgipfel standen sinnbildlich für das Verhältnis der Bundesregierung zu den verschiedenen Akteuren, die in der Dieselkrise etwas zu sagen haben. Wenn dort nur Autoindustrievertreter eingeladen werden und immerhin noch die IG Metall, aber Verbraucherschutz-, Umwelt- und Gesundheitsverbände gar nicht…dann spricht das Bände.

 

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Ernst-Günther Konrad | Do., 25. April 2019 - 08:32

Neben aktuellen finanziellen Unterstützungen ist ein Teil der Lobbyarbeit vor allem auch, die Sicherung künftiger Versorgung, wenn es mit der Politik mal nicht mehr klappt. Unzählige Politiker sind nach Abwahl, Rücktritt oder nach allgemeinem Rückzug aus der Politik bestens mit neuen Posten in der Wirtschaft versorgt. Wir kennen alle solche Beispiele. Diese Vermischung von persönlichem Interesse und lobbykonformen Verhalten macht es doch vielen Politikern erst möglich, nach ihrem gut dotierten Amt, gut versorgt für das Alter, in Aufsichtsräten und anderen Schreibtischposten zu wechseln und zum Teil sogar ihre Bezüge zu bekommen, trotz eines neuen Jobs. D will anderen Staaten Korruption vorwerfen? Die Amigos sind in allen Parteien und leben bis heute satt davon. Ein Beamter wird entlassen, wenn er mehr als 5 € annimmt, als Aufmerksamkeit von einem Hilfesuchenden aus reiner Dankbarkeit, ohne damit Forderungen zu verbinden, nur in die Kaffeekasse gespendet.
Und wer macht die Gesetze?

Heidemarie Heim | Do., 25. April 2019 - 14:18

Ein Interview, bei dem Einem einerseits mal wieder der Kamm schwillt, andererseits aber lediglich ein Achselzucken hervorlockt. " Wen juckts!?", möchte man rufen. Sicher macht Lobby Control eine gute und für die Allgemeinheit wichtige Arbeit. Doch bei näherer Betrachtung kommen mir was die Ergebnisse betrifft ähnliche Zweifel wie beim jährlichen "Verschwendungsbericht" eines Bunderrechnungshofes ohne Folgen.Oder einer Bankenaufsicht, deren politische Vorstände beaufsichtigen bis die "Landesbankenschwarte"
kracht. Während unser "St.Nimmerleins-BER" ein Milliönchen in und ohne Folge für irgendwen verschlingt! Ähnlich peinlich könnte es der E-Mobilität ergehen unter der "Aufsicht" von Verkehrsministerium und Wirtschafts-/ Energieministerium, wenn man Atomstrom aus klapprigen, grenznahen französischen Meilern zukaufen muss, weil alle E-Auto-Besitzer nach Feierabend ihren Liebling an die heimische Steckdose anschließen;-)No matter dear friends, die Lobby hat alles unter Kontrolle! MfG