Demonstranten in Athen verbrennen ein Bild von Putin und dem Symbol der Nato
Gehen in Flammen auf: Der russische Präsident Putin und das Symbol der Nato / picture alliance

Russland und der Westen - Doppelter Ansatz für die Deeskalation

Dem Westen ist es nie gelungen, die Gegnerschaft mit Russland zu beenden. Nach dem Kalten Kriegs hätte man versuchen müssen, auch die russische Perspektive zu verstehen. Zu ihrem 70-jährigen Bestehen ist es Zeit, dass sich die Nato auf ihre gemeinsamen Interessen mit Russland besinnt

Johannes Varwick

Autoreninfo

Professor für Politikwissenschaft. Varwick ist Lehrstuhlinhaber für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

So erreichen Sie Johannes Varwick:

Reiner Schwalb

Autoreninfo

Reiner Schwalb ist Brigadegeneral a.D. und ehemaliger Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Moskau

So erreichen Sie Reiner Schwalb:

Von der Idee einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung ist nicht viel übrig geblieben. Die territoriale Integrität von Staaten wird von Russland infrage gestellt, Grenzen mit militärischer Gewalt verschoben, die Ost-Ukraine befindet sich im Kriegszustand und die Nato denkt aus nachvollziehbaren Gründen wieder in Kategorien der Bündnisverteidigung. Sie will Russland – das zunehmend machtbewusst in der internationalen Politik auftritt – durch eine Neubewertung des Themas Bündnisverteidigung von (weiterem) militärischem „Abenteurertum“ abschrecken und hat zu diesem Zweck ihre militärischen Planungen erheblich umgebaut. Rüstungsetats steigen, Rüstungskontrollverträge wie der Vertrag zum Verbot nuklearer Mittelstreckensysteme sind aufgekündigt, Kontakte zwischen Militärs beider Seiten kaum noch vorhanden, Militärmanöver auf beiden Seiten denken und üben wieder Kriegsszenarien, und das politische Klima ist eisig. Kurzum: wir befinden uns mitten in einer Eskalationsspirale und in einem klassischen Sicherheitsdilemma.

Nachdem vor 30 Jahren der Ost-West-Konflikt beendet wurde, war und ist das politische Ziel mit Blick auf Russland richtig: die Gegnerschaft überwinden und Russland zur Kooperation ermutigen. Das ist jedoch einstweilen gescheitert – mit fundamentalen Konsequenzen für die europäische Sicherheitsordnung. Sollen wir bei diesem Status quo stehen bleiben oder brauchen wir nicht einen wirklich neuen politischen Anlauf, um diese brisante Lage zu entschärfen? Worin liegen die tieferen Ursachen dieses Scheiterns und was können wir daraus lernen? Was ist denkbar und umsetzbar – und welche Schritte sind dafür erforderlich?

Die andere Seite

Diskutiert man mit Russen, so werden einem insbesondere die, aus russischer Sicht klar gegen russische Interessen verstoßenden Punkte Kosovokrieg, Libyen-Einsatz, Erweiterung der Nato, US-amerikanische Raketenabwehrprogramme (die sowohl als Versuch der Unterminierung russischer Zweitschlagsfähigkeit, als auch als mögliche Voraussetzung für den Einsatz von Mittelstreckenwaffen verstanden werden) sowie Parteinahme für die Westorientierung der Ukraine und damit das vermeintliche Eindringen in direkte russische Einflusszonen – die nach russischem Denken und nach russischer strategischer Kultur das für die eigene Sicherheit nötige Glacis bilden – vorgehalten. All diese Punkte stellen sich in westlicher Perspektive vollkommen anders dar – aber wenn Außenpolitik bedeutet, mit den Augen der anderen zu sehen, dann haben wir die russische Perspektive zu wenig verstanden.

Verstehen heißt nicht akzeptieren, aber unbeantwortet – und da haben die Russen einen konzeptionell nachvollziehbaren Punkt – bleibt insbesondere die Frage nach den Grenzen und dem Charakter des russischen Einflusses im postsowjetischen Raum. Sollten „russische Einflusszonen“ akzeptiert und etwa Staaten wie Georgien oder der Ukraine eine Nato-Beitrittsperspektive abgesprochen werden, weil Russland dadurch einen Einflussverlust befürchtet, oder muss nicht für alle Staaten das Prinzip der freien Bündniswahl gelten? Anders und allgemeiner gewendet: Wie viel destruktive Politik Russlands kann und soll akzeptiert werden, ohne dass dies Konsequenzen für die Beziehungen zueinander hätte?

Vom Westen eingekreist

Nachdem das Kind für alle sichtbar in den Brunnen gefallen ist – also Russland die Krim annektiert und die Destabilisierung der Ostukraine unterstützt hat – war die ab 2014 eingeleitete moderate, aber dennoch ohne Zweifel ernst gemeinte Rückversicherungspolitik der Nato grundsätzlich ein richtiger Ansatz. Gleichwohl wird im Rückblick möglicherweise deutlicher, von wie vielen Fehlannahmen die Beziehungen zwischen der Nato und Russland geleitet wurden. Die Ukraine-Krise, so formulierte es Wolfgang Ischinger, ist schlicht die Rechnung dafür, dass wir unser Klassenziel bei der Anbindung Russlands an den Westen und das westliche Bündnis nicht erreicht haben. Realistische Theoretiker warnten schon früh, dass die Nato mehr auf russische Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen hätte und brachten vielfach Verständnis für vermeintliche „Einkreisungsängste“ durch eine Ausdehnung des Westens unter der Führung der USA auf.

Und in der Tat hat sich das Nato-Territorium seit 1999 um etwa 1000 Kilometer in Richtung russische Grenze ausgedehnt. So argumentierte der US-amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer, dass ein Dreierpakt des Westens aus Nato- und EU-Erweiterung sowie Demokratieförderung Nahrung für ein Feuer gewesen sei, das nur noch entzündet werden musste. Sein deutscher Kollege Christian Hacke wiederum mahnte bereits früh, die Nato könne eine sicherheitspolitische Partnerschaft mit Russland und die Sicherheit der Nachbarstaaten nicht zugleich herstellen und sieht darin das zentrale strukturelle Dilemma der Erweiterung. Natürlich haben die Realisten – wie stets – einen guten Punkt, und Russland hat frühzeitig klar gemacht, dass es die westliche Politik als massive Verletzung seiner Interessen versteht. Und ebenso natürlich muss der Westen selbstkritisch sein und prüfen, ob er bei seiner Strategie seit 1990 von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist.

Widersprüchliche Interessen

Wie ein Ausgleich dieser Interessen zu erreichen ist, bleibt eine offene Frage. Es spricht einerseits wenig dafür, dass dies auf dem Wege eines Entgegenkommens gegenüber den selbst definierten russischen Sicherheitsinteressen gehen könnte. Denn das würde bedeuten, dass das mit militärischer Gewalt geschaffene Denken in Einflusszonen akzeptiert und auf die Prinzipien der „Charta von Paris“ aus dem Jahr 1990 (u. a. freie Bündniswahl, Beachtung der territorialen Integrität der Staaten) verzichtet würde. Insbesondere das Prinzip der territorialen Integrität ist dabei von strategischer Bedeutung für die Stabilität in Europa.

Und es bleibt auch richtig, dass Russland seine Einflusszonen nicht mit Drohungen und Gewalt erfolgreich an sich binden sollte, sondern besser mit „soft power“, also Attraktivität seines eigenen Politik- und Wirtschaftsmodells – agieren sollte. Auf dieser Ebene ist Russland aber schwach. Russland ist insofern auf dem Irrweg und wird das eines Tages auch erkennen (müssen). Anderseits können der Westen und die Nato dabei auf Basis der eigenen Stärke bzw. gesicherter Abschreckungsfähigkeit handeln, denn die militärischen Fähigkeiten (und auch die absoluten Ausgaben für Rüstung) sind trotz mancher Defizite um ein Vielfaches höher als die russischen.

Weil dies so ist, wäre es auch ratsam, intensiver darüber nachzudenken, wie es gelingen kann, Russland und auch die NATO wieder aus einem konfrontativen Kurs herauszuführen. In ökonomischer Hinsicht sollten die Sanktionen die ohnehin schon schwache russische Wirtschaft nicht noch weiter schwächen, sondern im Gegenteil der Austausch auf allen Ebenen intensiviert werden. Das, was früher einmal „Modernisierungspartnerschaft“ genannt wurde, sollte reaktiviert werden, trotz der schlechten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen dafür. In geopolitischer Hinsicht müsste es das fundamentale Interesse der Europäer sein, die Russen zu „pazifizieren“, in dem Sinne, dass sie geographisch saturiert sind. Und sie daran zu interessieren, eine stabile Ordnung mit den Europäern aufrechtzuerhalten.

Kooperative statt konfrontative Sicherheit

Es hätte für die Russen, aber auch für die Europäer eine Reihe von Vorteilen, weil sie dann sicherheitspolitisch nicht so viel investieren müssten gegeneinander, sondern sich auf die anderen beiden großen geopolitischen Herausforderungen, nämlich den Nahen Osten und die gegenüberliegende Mittelmeerküste konzentrieren könnten, im besten Fall dies sogar gemeinsam. Politik gegenüber unseren Partnern sollte noch stärker „Reassurance“ betonen, dazu ermuntern, eigene aggressive Rhetorik einzudämmen und dafür werben, ohne das gegenwärtige russische Handeln durch ein negativ besetztes „Appeasement“ zu goutieren, kooperativer Sicherheit, die alle Politikfelder umfasst, den Vorrang vor konfrontativer Sicherheit zu geben.

All dies klingt heute wie ein Griff in die Kiste realitätsferner und aus Sicht mancher, naiver Utopien. Doch bei dieser Erkenntnis stehen zu bleiben, bringt nicht die notwendige politische Dynamik, um aus der Eskalationsspirale herauszukommen. Die bestehenden Gremien – und insbesondere der Nato-Russland-Rat – leiden darunter, dass sie „entpolitisiert“ sind und allenfalls den Status quo verwalten. Nahezu ausschließlich politische Gespräche zu führen, ist zu wenig. Auch militärische Fachgremien müssen wiederbelebt werden. Radikalere Schritte sind notwendig: Es müssen zunächst Themen identifiziert werden, an denen beide Seiten gleichermaßen Interesse haben – Ukraine, Syrien, Terrorbekämpfung, Rüstungskontrolle, Vermeidung von unbeabsichtigter Eskalation, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, Kulturaustausch sind trotz aller Schwierigkeiten Beispiele dafür. Bestehendes sollte genutzt werden.

Für einen neuen Anlauf

Wir brauchen sicherheitspolitisch einen doppelten Ansatz. Über eine hochrangige Konferenz unter der Schirmherrschaft der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der OSZE sollte nachgedacht werden, die ohne Vorbedingungen und in unterschiedlichen Formaten und Ebenen über das Ziel einer Revitalisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur berät und diese Themen bewusst getrennt berät, aber das Ganze im Blick behält. Solang diese Konferenz tagt – und dafür wäre realistischer Weise ein Zeitraum von mindestens zwei Jahren anzusetzen – sollte zumindest bei Militärmanövern vollständige beiderseitige Transparenz vereinbart werden und Fachdialoge auf militärischer Ebene revitalisiert werden, um eine Risikominimierung zu betreiben. Ersteres ließe sich auf Basis des Wiener Dokuments von 2011 problemlos realisieren. 

Sanktionen sollten konditioniert schrittweise reduziert werden. Es scheint wenig hilfreich, einen Teil der Sanktionen an die vollständige Erfüllung des Maßnahmenpakets von Minsk zu knüpfen. Das mag für viele schmerzlich sein und auch nicht der reinen Lehre entsprechen. Aber jede andere Alternative ist deutlich schlechter. Noch weniger miteinander reden, darf keine Option sein.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Christa Wallau | Mi., 3. April 2019 - 10:30

... von der "territorialen Integrität" und dem Verbot des Eingriffs in die inneren Angelegenheiten von Staaten ist ein Chimäre. Dasselbe gilt für hohe moralische Prinzipien in der Politik. Weder von den Amerikanern noch von den Russen oder Chinesen (von kleineren Mächten ganz zu schweigen) wurden die Forderungen solcher Lehren jemals eingehalten.
Das mag man bedauern, ist aber ein eisernes Faktum.

Die Politik - vor allem in Deutschland - muß endlich zu einer REALPOLITIK, die zum größten Teil in vernünftigem, interessenbestimmten Ausgleich auf dem Gebiet der Machtpolitik besteht, zurückkehren. Dazu gehört notwendigerweise die Verbesserung unseres Verhältnisses zu
Rußland.
Allerdings sehe ich dafür gerade nur die finstersten Aussichten am Horizont: Wenn die GRÜNEN, wie es sich abzeichnet, die Richtlinien der Politik in Zukunft maßgeblich mitbestimmen werden,
können wir uns auf Einiges mehr an Moralismus
gefaßt machen, der zu nichts anderem führt, als uns zu schaden.

Frau AKK schlägt auch einen noch schärferen Ton gegen Russland (Putin) an als Merkel, das wird also schwierig mit der Annäherung. Außerdem sind die USA ja sehr dagegen.

Frau Wallau, ich stimme Ihen voll zu - wir benötigen insgesamt MEHR REALPOLITIK - Schutz der deutschen Interessen - und keine Moralisierungen & keine teuere & kontraproduktiven "Träumereien"!
Dies bezieht sich NICHT nur auf Rußland sondern auch auf die VR China & deren BRI 2025-Projekt (!) - deren Konsequenzen für die deutsche & europäische Wirtschaft & Politik noch gar NICHT ausreichend analysiert & bewertet wurden!
Hinsichtlich einer tiefergehenden Bewertung des Spannungsverhältnisses Europa-Rußland-VR China empfehle ich auch Tim Snyder: Der Weg in die Unfreiheit: Russland, Europa, Amerika...

...und schaffen genauso wie Russland Feindbild-Schimären.

Wichtigster Faktor ist Putin und der braucht, nachdem er das Volk mangels wirklicher Wirtschaftspolitik nicht mehr mit Wachstums- und Wohlstandsphantasien hinter sich scharen kann ein Feindbild, hinter dem er sein Volk sammelt. Sie können im Prinzip ähnliche Techniken bei Erdogan erkennen. Und wenn man keinen Feind hat, schafft man sich einen, um des Volkes Zorn von sich wegzu kanalisieren und sich und seine Kammerillia weiter am Reichtum des Landes auf Kosten seiner Bürger zu bereichern.

Am schnellsten Ruhe und Frieden würde es geben, wenn man dem russichen Volk seine eigentlichen Parasiten aufzeigen könnte. Leider dürfte das nicht allzu leicht fallen, da es in diesem Land das Volk nicht wirklich aufsteht..... bspw. Oktoberrevolution war die Kopfgeburt einiger radikaler Kommunisten, die eine bürgerliche Revolution gewaltsam gekapert hatten, niemals eine Bewegung die das ganze Volk ergriffen hat...

Tomas Poth | Mi., 3. April 2019 - 12:21

leider betrachten wir Russland immer noch mit der Brille alter angelsächsischer Politik, die bis auf das ehemalige Britisches Empire zurückgeht.
Die Chance 1990 das alte Feindbild abzulegen und in eine kooperative Nachbarschaft zu wechseln wurde vertan. Nicht auch zuletzt wegen der osteuropäischen Staaten die im Warschauer Pakt unter der Sowjetknute litten und heute noch von diesem Trauma befallen sind.
Trotzdem müssen wir einen Weg der Aussöhnung mit Russland finden, gerade auch jene Staaten die nach dem Zerfall der SU neu entstanden sind oder den Warschauer Pakt verlassen haben.

So sehe ich es auch!
Man besinne sich der auf Deutsch gehaltenen Rede von W Putin im Jahr 2001.
Nur; der Westen - ueberheblich, wie ich meine - hielt es nicht für nötig, daraus etwas Gemeinsames zu machen. F ü r Europa ..... und zu Europa gehört auch Russland.

Günter Johannsen | Mi., 3. April 2019 - 16:02

"Nach dem Kalten Kriegs hätte man versuchen müssen, auch die russische Perspektive zu verstehen."
Auch wenn es nicht irgendwo schwarz auf weiß geschrieben steht: nach 1989 wurde Gorbatschow versprochen, dass die Nato nicht nach Osten bis an die Grenzen Russlands vorrückt. Versprechen gebrochen … und nun wundert man sich, dass Putin sauer reagiert und nicht mit Merkel und dem selbsternannten Moral-Elite-Mainstream auf unterwürfigen Kuschelkurs geht?! Wie dumm, rücksichtslos, aber auch gefährlich ist das denn … !

Ist für mich auch das nachvollziehbarste Argument, weshalb das Verhältnis so geworden ist. Und was die Krim betrifft, wird ja immer gern unterschlagen, dass es eine Abstimmung gab und inwieweit die Amerikaner ihre Finger mit im Spiel hatten und haben. Russland reagiert einfach immer nur (schneller, als es dem Westen beliebt), und das im angebrachten Verhältnis. Fragt sich nur, wie lange das noch gut geht.

Wilhelm Maier | Do., 4. April 2019 - 12:04

Antwort auf von Birgit Anders

Ich bin ganz ihrer Meinung.
Und was was die Krim betrifft:
„Putins aktuelle Politik ist die Folge von Provokationen des Westens“
sagt Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau -
https://www.taz.de/!5033743/

Wilhelm Maier | Do., 4. April 2019 - 12:17

Antwort auf von Birgit Anders

Ich meine, wenn es so bleibt mit
"Säbelrasseln und Kriegsgeheul" und Auch „Abschreckung?“ nicht lange.
„Profiteure dieses neuen Rüstungswettlaufs sind die Rüstungskonzerne. Leidtragende sind vor allem die Menschen in Europa. Das Risiko eines Atomkriegs durch Fehlalarme, Cyberattacken oder menschliches Versagen steigt wieder an.“-
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/inf-vertrag-usa-russland-eu…
Ein kleiner Zwischenfall kann schon zu Krieg führen.
Point of no Return ist schon greifbar, und wir marschieren eifrig mit. Ins nirgendwo...im Nimmerland.

Genau das ist eines der Hauptprobleme, weshalb Russland uns Deutschen und auch der Nato nicht mehr glauben können. Hätte man seinerzeit ein Konzept entwickelt, sowohl wirtschaftspolitisch als auch sicherheitspolitisch ein Modell zu entwickeln, das in Russland nicht der Eindruck entstehen kann, das ihre "Feinde" nun unmittelbar vor der Tür stehen, hätten die alten Feindschaften begraben werden können. Einfach mal die Oststaaten in den Westen ziehen, in EU integrieren, mit westlichen Geld pampern und in die Nato locken, kann nicht zur Befriedung führen. Das macht eben verdächtig. Und jetzt? Mit dem Persopnal und dieser Regierungskoalition geht da gar nichts.

Clara Schwarze | Mi., 3. April 2019 - 20:01

Letztendlich geht der Autor auf das wirkliche Problem dieses Konfliktes nicht ein.
Die USA und auch ihren nordmitteleuropäischen Verbündeten sind gar nicht an Kooperation West-Europas mit den Russen interessiert, weil daraus ein Machtblock entstehen könnte, der das Machtverhältnis in Europa völlig ändern wird.
Darum wird es auch eine weitergehende Kooperation in dieser Bündnisstruktur nie geben.
Für uns ist das eigentlich bedenklich und zwar v.a. auch, weil es eigentlich der multipolaren Welt nicht angemessen ist. Ergebnis ist, dass der Russland China zutreibt und der Süden immer noch chaotischer wird.
Man hat aber nicht den Eindruck, dass die NATO die Kreativität hätte, eine Strategie zu entwickeln, die aus diesem Teufelskreis herausführt. Sie denkt nicht in historischen Dimensionen. Das fällt immer mehr auf.

Birgit Anders | Do., 4. April 2019 - 14:35

Antwort auf von Clara Schwarze

Exakt auf den Punk gebracht! Es ist so simpel und klar, der Artikel dagegen verkompliziert die Sache unnötig.

Yvonne Walden | Mi., 10. April 2019 - 15:12

Antwort auf von Birgit Anders

Einen wichtigen Aspekt ließ Frau Schwarze unberücksichtigt. Sicherlich, durch eine enge Kooperation der NATO mit Russland könnte das "Feindbild Russland" obsolet werden. Dies wiederum bedeutet, daß der NATO jedwedes Argument für eine militärische Aufrüstung fehlen würde. Das jetzt heiß diskutierte 2-Prozent-Ziel wäre dann Makulatur mit der Folge, daß die Rüstungswirtschaft mit Auftragsrückgängen zu rechnen hätte, die sie mit allen Mitteln verhindern möchte.
Diese Befürchtung war sicherlich eine der unveröffentlichten Kernthesen gegen eine Auflösung des Atlantischen Bündnisses, nachdem der Warschauer Pakt plötzlich implodiert war. Es geht insbesondere im Bereich des Militärischen (Militärisch-Industrieller Komplex) um Waffen- und Rüstungsgeschäfte, die in aller Regel konkurrenzlos sind, also nicht den üblichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen. Was nicht sein darf, das nicht sein kann. Also verhinderten die wirtschaftliche Mächtigen, daß Russland als "Feindbild" abhanden kam. Leider.

Juliana Keppelen | Do., 4. April 2019 - 18:54

Ich kann allen bis jetzt veröffentlichen Kommentaren nur zustimmen. Die Krim wird wie eine Monstranz vom "Weretewesten" vor sich her getragen um die Russen als Kriegstreiber usw. anzuprangern dabei war diese friedliche Wiederveeinigung der Wunsch der Krimbewohner die Russen haben somit zwei friedliche Wiedervereinigungen zu verantworten die DDR und BRD und die Krim mit Russland. Kohl und Schröder wussten das zu schätzen.

Jurij Schinkewitsch | Fr., 5. April 2019 - 10:03

Wenn wir das anschauen, was nach dem zerfall von Soviet Union geschah, können wir sehen, dass Russland in 90er Jahre sehr euphorisch war, was die Kommunikation mit Westen angeht. Die Grenzen wurden geöffnet, russischer Markt wurde für westliche Firmen geöffnet. Russland hat keine Einwände wegen NATO-Erweiterung gemacht, da es erwartet wurde, dass die alten Konfrontationen der Vergangenheit gehören. Dann kam erster Schlag, als NATO nicht wollte, Russland in seine Reihen aufzunehmen. Es sah so aus, als ob Westen wollte (vor allem USA) wollten, dass Russland immer und ewig instabil bleibt, noch besser zerfällt.
Das Alles entspricht einer alten Redewendung: "Betrügst du mich ein Mal-du bist A..loch, betrügst du mich das zweite Mal - ich bin ein Idiot". Darum traut jetzt Russland keinem Wort von Westen

Juliana Keppelen | Fr., 5. April 2019 - 13:37

Antwort auf von Jurij Schinkewitsch

Für unsere Freunde aus Übersee ist eine Kooperation und gute Zusammenarbeit der EU mit Russland der Albtraum schlechthin. Sie wissen europäisches Now How und russische Rohstoffe wären fast ein unschlagbares Team. Um das zu verhindern wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt um einen Keil dazwischen zu treiben dazu musste aber erst Herr Schröder "kaltgestellt" werden. Und siehe da eine kleine Oppositionsführerin aus der Uckermark bot sich dem Pentagon als willige Helferin an so denn sie an der Macht wäre. Die Bewerbung war abgegeben und die Stelle konnte zur Zufriedenheit unserer Freunde aus Übersee besetzt werden ud seit dem klappt es auch mit dem Feindbild Russland wieder.

Dieter Zorn | Fr., 5. April 2019 - 19:18

Gut gemeinter Artikel, der letztendlich jedoch zeigt wie verhaftet in westlichem Denken die beiden Autoren sind. "Wir sind doch die Guten" scheint durch den Artikel immer wieder durch. Das ist jedoch kein Ansatz für eine neue Sicherheits-Partnerschaft mit Russland. Die will man ja auch nicht wirklich auf Augenhöhe, man will nur Ruhe. Ausgeblendet wird auch völlig, dass eine neue Sicherheitsarchitektur mit RUS nicht möglich ist ohne die USA. Und da musste sogar Trump mächtig zurückstecken, der so etwas ja auch im Sinn hatte. Der Milit.Ind.Komplex machte ihm einen Strich durch die Rechnung und bezichtigte ihn des Komplotts mit Putin. Auch die NATO braucht ein Feindbild. Es ist also mehr als blauäugig was die Autoren da vorschlagen, weil der Westen eine völlig neue Position gegenüber 1990 eingenommen hat. Man müsste zurück zur Vernunft, zu dem Satz: Staaten sind per se nicht gut oder böse. Sie haben Interessen. Von dieser nicht moralischen Position aus könnte es weiter gehen.