Donald Trump
Donald Trump: Nach dem Mueller-Report fester im Sattel als je zuvor / picture alliance

Nach Mueller-Report - Die Realität der Trump-Gegner liegt in Scherben

Nach der Veröffentlichung des Mueller-Reports erscheint US-Präsident Donald Trump stärker denn je. Für die kritischen Medien, die ihn schon mit einem Bein im Gefängnis sahen, bricht hingegen ein zentrales Narrativ zusammen. Können sie ein neues finden?

Andreas Backhaus

Autoreninfo

Andreas Backhaus studierte Volkswirtschaftslehre in Deutschland, Polen und Frankreich. 2018 wurde er an der LMU München promoviert. Er arbeitet in der europäischen Politikberatung

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Vor einer Woche lebten Millionen von Menschen noch in einer Welt, in der es praktisch als Tatsache galt, dass die Ermittlungen des Sonderbeauftragten Robert Mueller in der Russland-Affäre um die Trump-Kampagne den US-Präsidenten zu Fall bringen würden. Heute leben die gleichen Menschen in einer Welt, in der der einzige wahre Paukenschlag („bombshell“) von Robert Muellers Ermittlungen ihr Ende war: keine illegalen geheimen Absprachen mit Russland, keine weiteren Anklagen gegen Personen aus Donald Trumps Umfeld oder gar Familie. Auch eine Behinderung der Justiz konnte Mueller dem Präsidenten nicht vollständig nachweisen, weshalb William Barr in seiner Funktion als Justizminister und Generalbundesanwalt nicht gegen Trump vorgehen wird.

Wie ist es möglich, dass die Welt sich in so kurzer Zeit so drastisch ändert? Ein Verständnis der Realität als feste Anordnung von objektiv wahren Fakten kann dafür kaum eine Erklärung liefern. Stattdessen ist es hilfreicher, das Konstrukt, das gemeinhin als „Realität“ bezeichnet wird, eher als eine Ansammlung von Narrativen zu verstehen. Denn Narrative können von einem Tag auf den anderen erfunden werden, sie können sich wandeln, sie können interagieren – und sie können scheitern und absterben.

Die Trump-Gegner brauchten dringend eine Erklärung

Am Morgen des 9. Novembers 2016 brauchten Millionen von Menschen ein neues Narrativ und sie brauchten es schnell. Denn Trumps unerwarteter Wahlsieg erschien ihnen mitsamt den politischen Experten und den Medien im wahrsten Sinne des Wortes so unglaublich, dass sie ihn nicht mit ihrem Wissen und Verständnis der politischen Welt in Einklang bringen konnten. Es bedurfte einer Erklärung, die es ihnen erlauben würde, ihr Gesicht zu wahren: Trump habe die Wahl nur gewonnen, weil er auf verräterische Absprache mit  Russlands Präsident Putin hin im Wahlkampf schmutzige Hilfe durch Russland erhalten habe, sagten sie. Das Trump-Russia-Collusion-Narrativ war geboren. Mehr als zwei Jahre lang erfüllte das Narrativ seinen Zweck – und das sogar ganz ausgezeichnet, immer weiter befeuert von den beeindruckenden Shows der Demokraten und der Medien. Jetzt ist es jedoch an sein Ende gelangt, was für seine Anhänger ein ganz erhebliches kognitives Problem darstellt.

Die offensichtlichsten Anzeichen für die gegenwärtige kognitive Dissonanz sind Reaktionen der Art, die Mueller- und Barr-Berichte „zwischen den Zeilen“ zu lesen – sie implizieren vielleicht mehr als das, was sie sagen, indem sie es nicht sagen. Vielleicht werden die Untersuchungen des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, die die Demokraten zufällig kurz vor Abschluss der Mueller-Untersuchungen angestoßen haben, Trump doch noch zur Strecke bringen. Vielleicht haben Stormy Daniels und ihr gerade verhafteter Ex-Anwalt noch etwas in petto.

In Deutschland gibt es keine Gegenstimme

In der deutschen und europäischen Öffentlichkeit werden die Ergebnisse der Mueller-Untersuchungen noch verständnisloser aufgenommen als in den USA. Der Grund für diese Disparität ist, dass den US-Amerikanern mit Fox News und Konsorten immerhin eine konstante Quelle für ein gegenläufiges Narrativ zur Verfügung stand, auch wenn diese gern die Fakten zugunsten des Präsidenten dreht. Während der Präsident laut der vorherrschenden Meinung bei CNN, MSNBC, New York Times und Washington Post schon mit einem Bein im Gefängnis stand und jeden Augenblick seines Amtes enthoben werden musste, war er laut Meinung von Fox News das klare Opfer einer „Hexenjagd“. Die US-Amerikaner mussten nur durch ihre Fernsehkanäle zappen, wenn sie sich vor Augen führen wollten, wie derselbe politische Vorgang zu komplett entgegengesetzten Interpretationen der Realität führen konnte.

Dieser Luxus ist deutschen und europäischen Medienkonsumenten großflächig vorenthalten geblieben. Denn gleicht man beispielsweise die US-Berichterstattung der deutschen Medien mit ihren US-amerikanischen Pendants ab, so fällt unzweifelhaft auf, dass die Trump zugeneigte Fox-Perspektive im deutschsprachigen Raum gänzlich fehlt. Zwecks Ursachenforschung ist es ebenso erhellend, die Standpunkte und Interaktionen der deutschen US-Korrespondenten in den sozialen Medien zu verfolgen.

Das Auseinanderfallen ihres Mueller-Narrativs vor den Augen der Weltöffentlichkeit bietet den Medien zwar zumindest theoretisch auch eine große Chance: Wenn sie der Frage, wie sich diese gigantische, selbsttäuschende Maschinerie überhaupt erst in Gang setzen konnte, durch ehrliche Reflexion und Introspektion auf den Grund gehen würden, so ließe sich viel Vertrauen retten und zurückgewinnen.

Verzweifelte Reaktionen der Trump-Kritiker

Die ersten Anzeichen deuten allerdings eher darauf hin, dass sie sich recht panisch bemühen, den Ausgang der Mueller-Ermittlungen sang- und klanglos zu begraben und ihren einseitigen Anti-Trump-Spin weiterzudrehen, nur mit veränderten Themen. Zum Problem wird ihnen dabei allerdings, dass sie jeden fairen und unfairen Kritikpunkt gegenüber Trump bereits abgegrast haben. In Vorahnung des Mueller-Berichts versuchte die Washington Post bereits vor einer Woche, wieder das Narrativ des unbeherrschten, möglicherweise geisteskranken Trump voranzutreiben. Jedoch ist dies genau dasselbe Narrativ, das bereits im Januar 2018 kursierte. Die heutige Medienkultur zielt darauf ab, spontane emotionale Reaktionen von kurzer Dauer zu provozieren – wie lange wird dies noch mit altem Pulver in den Kanonenläufen gelingen?

Die verbitterten Hoffnungen, die die Medienschaffenden so unverhüllt in ein Scheitern Trumps setzen, werfen außerdem inzwischen ein deprimierenderes Licht auf sie selbst denn auf Trump. Wenn man bei Spiegel Online bereits prophezeit, Trump werde es trotz der Entlastungen in der Russland-Affäre nicht gelingen, die US-Amerikaner zu einigen, dann kommt diese gewagte Prophezeiung eher wie ein trotziges und unsympathisches Flehen um fortgesetzten Zwist und Streit daher.

Trump gibt sich ungewöhnlich zurückhaltend

Trump versteht es gegenwärtig zudem, seinen Kritikern nicht in die Hände zu spielen. Was tat der US-Präsident auf Twitter, seinem persönlichen Lieblingsmedium, als das Ergebnis des Mueller-Reports durchsickerte? Für eine ganze Weile – nichts. Aus kommunikativer Sicht war diese Reaktion genau richtig, denn sie gestatte es Trump, die Spannung des Moments zu kontrollieren. Als Trump schließlich den richtigen Augenblick zum Twittern gekommen sah, gab er sich nicht etwa unbeherrscht. Er prügelte diesmal nicht wie sonst auf die Medien und die Demokraten ein, nachdem er immerhin mehr als zwei Jahre lang als praktisch erwiesener Verräter bezeichnet worden war. Stattdessen verstand er es, diese negativen Vorahnungen und Anspannungen durch ein freundliches, sogar unschuldiges „Good Morning, Have A Great Day!“ aufzulösen.

Auch unmittelbar danach folgten aus Trumps Fingern keine Rachegelüste, kein Hohn und kein Spott, sondern: „Make America great again!“ – der Slogan der Kampagne, mit der er 2016 die Wahl gewonnen hatte. Trumps Reaktion enttäuschte also nicht nur seine Kritiker aufs Neue, sondern sie schlug gegenüber der US-amerikanischen Öffentlichkeit auch zugleich einen dezidiert optimistischen und produktiven Ton an. Nun, von der Last der Mueller-Ermittlungen befreit, kann die eigentliche Arbeit weitergehen, war die Botschaft. Erst als der Brief mit den Ergebnissen des Reports veröffentlicht wurde, konnte sich Trump ein triumphales „Total Exoneration!“ (Totaler Freispruch) nicht verkneifen. Trumps Gegner stehen dagegen wieder dort, wo sie schon im November 2016 standen, mit dem Unterschied, dass sie ihre eigene Glaubwürdigkeit gehörig beschädigt haben und nun dringend ein neues Narrativ brauchen, das bis zur Präsidentschaftswahl 2020 durchhält

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Juliana Keppelen | Di., 26. März 2019 - 14:12

Bis jetzt versuchen sowohl die Medien als auch die Demokraten das tote Pferd mit "Sporen geben" wieder zum Leben zu erwecken. Vergessen wir nicht, dass es gerade für die medialen Anti-Trump-Schlachtschiffe ein sehr gutes, einträgliches Geschäft war bis jetzt. Also vesucht man alles um dem toten Gaul leben einzuhauchen notfalls wird man ihn ausweiden um das Thema "Trump schlimm, Putin böse, Trump Wähler doof" am köcheln zu halten denn Geschäft ist Geschäft.

Ernst-Günther Konrad | Di., 26. März 2019 - 14:24

ich schrieb schon oft, das ich Trump's Ausstrahlung nicht mag, stehe seiner Politik aber durchaus kritisch offen gegenüber. Das gerade die Demokraten und die ihr hörige Presse jetzt trauern werden, nachdem ihre Erzählungen zur Erkenntnis führten, das es Märchen waren ist zwingend logisch. Es wird schwer werden, nachden "sprachlichen Atombomben" die sie zeitweise auf Trump geworfen haben, noch etwas zu finden, was dem Bashing auch nur ansatzweise den Rang ablaufen könnte. Mueller hat sie alle demaskiert, die Märchenerzähler. Die hörige und nicht neutrale Presse, sie wird kaum noch Schlagzeilen finden, um dem Amerikaner zu erklären, warum Trump ein Verräter sein könnte, der mit Russland kooperiert haben soll. Ich bin mir aber sicher, das schon die ersten Ideen geboren wurden, ein neues Szenario zu entwickeln. Ich schlage vor, macht dochmal inhaltliche Politik, mit Überzeugungsarbeit beim Wähler. Gerade das Bahing hat Amerika gespalten. Erkenntnis erfordert Einsicht und die fehlt.

Boris Kotchoubey | Do., 28. März 2019 - 15:36

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

" Die hörige und nicht neutrale Presse, sie wird kaum noch Schlagzeilen finden, um dem Amerikaner zu erklären, warum Trump ein Verräter sein könnte"
Sie unterschätzen die Presse, Herr Konrad, sie findet solche Schlagzeilen schnell.
Beispiel FAZ: "Trump picht auf Rache!"
Ein anderes Beispiel: "Trump is zwar kein Verräter, aber er zahlte Geld an Frauen!"
Verleumdung kann auch eine Art Beruf, sie hat ihre eigene Profis. Die würden es schaffen, auch gegen ein unschuldiges Lamm böse Schlagzeilen zu formulieren (und Trump ist alles andere als unschuldiges Lamm...)

Ernst-Günther Konrad | Di., 26. März 2019 - 14:48

gerade jetzt, wo die sicherlich vorhandene heimliche Hoffnung begraben werden kann, der unbequeme Trump könne durch die Demokraten aus dem Amt gekickt werden. Gerade Deutschland mit seiner Rüstungslüge muss aufpassen, am Ende ziemlich allein dazustehen. Grenell wird nicht müde werden, Fehler deutscher Politik, ob das nun Einmischung ist oder nicht, immer wieder im Namen Trump's öffentlich zu benennen. Die Zeit ist rum, Trump als den "Verrückten" mit den komischen Ideen zu verspotten und auch die heimische Regierungspresse hat da gut und gerne mitgespielt. Deutschland muss endlich außenpolitisch regiert werden, mit starker Hand und Unvoreingenommenheit gegenüber den USA, aber auch China und Russland. Der Druck in Europa wächst. Orban, Kurz, Salvini u.a. drücken mächtig. Die Kleiko hat den AFD-Albtraum und sie wacht immer noch nicht auf. Mit einem Maas-los als Außenminister, der den Sieg gegen die IS feiert, als wäre er persönlich beteiligt und die Kurden dabei vergißt, wird das nichts.

Ergänzung: Der werte Herr Maas hat nicht nur die Kurden vergessen, sondern auch die syrische Regierung itself und - vor allem - die Russen! Als Sachverwalter einer Regierung, die uns einreden will, die Amerikaner allein hätten Hitler besiegt und dabei die Sowjetunion unter den Tisch fallen lässt, wundert mich das nicht.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 27. März 2019 - 14:57

Antwort auf von Rudolf Stein

Danke. Völlig richtig. Mir fehlten die Zeichen. Maas macht das nur aus falscher Rücksichtnahme wegen Erdogan. Das wird sich noch rächen. Da bin ich mir sicher.

Gisela Fimiani | Di., 26. März 2019 - 14:49

Der Sündenbock erspart das Kehren vor der eigenen Haustür. Trump, Orban, AFD usf. ersparen der Politik die Selbstkritik und -reflexion, dienen der Ablenkung von eigenem Scheitern und erhalten durch moralische Sellbstüberhöhung die persönliche Versorgung. Journalisten befreien sie von mühseliger Arbeit , sichern deren Jobs und sorgen für das romantische Wohlgefül der Hordenmoral. Die Sündenböcke werden dringend benötigt.

Wolfgang Schneider | Di., 26. März 2019 - 20:53

Wenn ich die jüngsten Versuche richtig deute, beginnt ein neues Narrativ: Es wird jetzt die Frage aufgeworfenen, ob es nicht eine Altersbegrenzung für Präsidentschaftskandidaten eingeführt werden soll. Man ist wohl in Sorge, dass Trump die Wiederwahl gewinnen könnte.

Dennis Staudmann | Mi., 27. März 2019 - 15:19

dass denen, die sich gern "links-liberal" nennen, jeder Realitätssinn abhanden gekommen ist. In ihrer Welt ist ihr Handeln und ihre Weltsicht absolut richtig wie alternativlos und so klar, dass dieser Ideologie jeder Wähler automatisch folgen muss. Geschieht das nicht, wie wir das bei der Wahl Trumps oder auch beim Brexit erlebt haben, gleichen sich die Gründe, die für dieses Scheitern genannt werden. Die, die sich für die "eigentlich nicht existente Alternative" entschieden haben, sind dumm, abgehängt, Opfer von Fake-News und am Ende war es immer Russland, welches für jedes Abweichen vom "einzig wahren Weg" verantwortlich ist. Am Tag der Veröffentlichung des "Mueller-Reports" hoffte man geschlossen in den deutschen Funkmedien auf einen Putsch in GB, welcher Theresa May aus dem Amt katapultiert und ein zweites Referendum oder bestenfalls eine Absage des Brexits auslöst. Viele Moderatoren von Nachrichtensendungen konnten ihre persönliche Enttäuschung kaum verbergen. Neutralität live!