19.10.2018, Hessen, Frankfurt/Main: Fußball Bundesliga, 8. Spieltag: Eintracht Frankfurt - Fortuna Düsseldorf in der Commerzbank-Arena. Düsseldorfs Fans brennen im Fanblock Pyrotechnik ab.
„Das Stadion muss brennen“: Eine harmlose Äußerung hat in Frankfurt einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst / picture alliance

Politische Korrektheit - Für die Freiheit des zivilisierten Kraftausdrucks

Mit seiner Äußerung, „das Stadion muss brennen", hat der Präsident des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Die Obsession mit korrekter Sprache beraubt Menschen ihrer Ausdrucksfreiheit. Von Matthias Heitmann

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Es wirkt zu absurd, um wahr zu sein: Peter Fischer, der Präsident des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, kündigte in einem Interview kurz vor dem Heimspiel in der Euroleague gegen Schachtar Donezk an, dass jeder Spieler mehr laufen und zudem das Stadion brennen müsse, um erfolgreich zu sein. Für die meisten Menschen klang das wie eine Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten und eben wie „typisch Peter Fischer“. Nicht so bei der Frankfurter Polizei: Dort löste Fischers Aussage Alarm und einen Großeinsatz aus. Die Polizei vermutete Gefahr in Verzug und schritt zur Tat. Kurz vor dem Spiel wurde das Stadion von der Polizei auf Pyrotechnik untersucht – erfolglos. „Unabhängig davon wie es gemeint war, musste ... davon ausgegangen werden, dass Besucher des Spiels sich ... dazu aufgerufen fühlen könnten, Pyrotechnik mitzubringen und abzubrennen“, sagte ein Polizeipressesprecher. Den Großeinsatz rechtfertigte er als „notwendig und angemessen“.

Im Stadion kam es dann tatsächlich zu Auseinandersetzungen, und die Fans verzichteten aus Protest auf eine seit Tagen vorbereitete Choreografie. Zudem wurde ein gegen den in Fankreisen alles andere als wohlgelittenen hessischen Innenminister Peter Beuth gerichtetes Banner beschlagnahmt. Dabei kam es zu Schlagstockeinsätzen, bei denen zwei Fans verletzt wurden.

Das Stadion als sicherheitspolitisches Freiluftlabor

Mal Hand aufs Herz: Sehen Sie in der Ankündigung eines für seine Emotionalität bekannten Vereinspräsidenten, das Stadion werde brennen, wirklich einen Aufruf zum Abbrennen von Feuerwerkskörpern? Will man darin ernsthaft die Anstiftung zu einer Straftat erkennen, oder ist der Vorwurf nicht eher konstruiert? Was sagt dieses polizeiliche Vorgehen über die Haltung staatlicher Behörden gegenüber Menschen aus? Natürlich kann man sich zurücklehnen und darauf hinweisen, dass Fußballfans und insbesondere die Frankfurter oft genug über die Stränge schlagen und sich über Polizeieinsätze dieser Art nicht wundern bräuchten.

Doch die bundesweiten Reaktionen auf die Ereignisse zeigen, dass viele Menschen über Vereinsgrenzen hinweg sehr wohl verstanden haben, dass es hier um etwas anderes geht. Diese Proteste reagierten auf einen besorgniserregenden Trend: Der Fußball wird mehr und mehr zu einem sicherheitspolitischen Experimentierfeld, auf dem Maßstäbe dafür gesetzt werden, wie künftig in der Gesellschaft mit Menschen und deren Rechten umgegangen wird.

Das Misstrauen schillert in allen Farben

Die im Wochenrhythmus stattfindenden Massenansammlungen in den Stadien bieten den Sicherheitsbehörden und der Politik Versuchsanordnungen in Freiluftlaboratorien, in denen das Verhalten von Menschenmengen nicht nur genauestens studiert, sondern auch durch eine immer weitergehende Regulierung geformt werden kann. Und die aktuellen Entwicklungen zeigen: Kontrolle und Regulierung werden immer weiter vorangetrieben. Da mag es auf den ersten Blick beruhigend wirken, dass sich der hessische Innenminister Beuth im Landtag einigen kritischen Fragen stellen musste.

Doch zeigt sich hier einmal mehr die Verlogenheit des Parteienbetriebs: Denn selbstverständlich nutzten die Oppositionsparteien das Thema, um den CDU-Mann als Law-und-Order-Dinosaurier zu kritisieren und sich selbst als Hüter der Meinungsfreiheit und als Wächter der bunten Kurvenkultur im Fußballstadion darzustellen. Tatsächlich aber ist der Hang zu einer immer strikteren Sprachregulierung und zu einer überbordenden Verbots- und Überwachungskultur im kompletten Parteienspektrum verbreitet. Unterschiede zeigen sich lediglich daran, wo die Grenzen der Freiheit gezogen werden. Dass sie zu ziehen sind, darin besteht parteiübergreifend Einigkeit. Das Misstrauen gegenüber den Bürgern schillert in allen Farben: schwarz, gelb, grün, rot und blau.

Die Goldwaage ist der Feind der Freiheit

An den behördlichen Reaktionen auf Peter Fischers „brennendes Stadion“ zeigt sich nicht nur ein fast schon paranoides Sicherheitsstreben, sondern auch die zunehmende Bereitschaft, bei der Interpretation von Aussagen jede Art von Vernunft und Augenmaß außer Acht zu lassen. Die Worte werden nicht nur auf die Goldwaage gelegt, sondern ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt. Fischer selbst wies daraufhin, dass man ja dann auch die Aussage, das Frankfurter Stadion sei ein Hexenkessel, als frauenfeindliche Massenbeleidigung auffassen könne. Tatsächlich müssten bei jedem Heimspiel Tausende von Zuschauern wegen Beleidigungen und Gewaltandrohungen in Gewahrsam genommen werden.

Denn gerade die rabiaten Beschimpfungen von Spielern, Trainern, Schiedsrichtern, gegnerischen Fans und Politikern, aber auch in der lauthals beschworenen Treue zur eigenen Mannschaft sind Bestandteile der um den Fußball entstandenen Fankultur. Für zarte Seelen mag das unzivilisiert wirken. Tatsächlich aber ist gerade die Freiheit der Fankurve ein Ausdruck von Zivilisiertheit: Wer glaubt, Aussagen ohne jeden Zusammenhang interpretieren und verurteilen zu können, der hat jedes Gespür für diese menschlichste aller Ausdrucksformen verloren – und damit auch für den Menschen selbst

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Sandra Richter | So., 3. März 2019 - 11:41

Naja, Peter Fischer ist ja auch für seine Nähe zur linken Szene um die Antifa bekannt und die haben bekanntlich schon öfter sogar ganze Stadteile brennen lassen, zuletzt beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Wenn also Personen wie der Präsident von Eintracht Frankfurt solche Aussagen treffen, sollte man sie schon ernst nehmen, da nicht wenige seiner linksextremen Anhänger ihn beim Wort nehmen werden.

Etwa, weil er klare Worte zur AfD gebraucht hat?

Genau solche Kommentare zeigen das Dilemma der politischen Debatte.

Wer links der AfD steht ist automatisch Antifa, oder mindestens Sympathisant? Und alle Eintracht-Fans, die ihn unterstützt haben, linksextremistisch?

Muss man solche Kommentare noch weiter "kommentieren"`?

Peter Fischer hat wohl gegen die "political correctness" verstossen, allerdings diejenige, die vom rechten Rand definiert wird und nach wie vor gültig sein soll.

Hätten seine "linksextremen Anhänger" (wie genau meinen Sie das?) ihn beim Wort genommen, hätte man ja Pyros gefunden. Hat man aber nicht. Weil die Fans genau wussten dass sie unter verschärfter Beobachtung stehen, und Geisterspiele in dieser Phase der Europaleague will keiner. Ein derartiger Einsatz kurz vor einem Spiel setzt einen konkreten Anlass/Verdachtsmoment voraus, mit dem Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden. Dieser war nicht gegeben, daher auch die berechtigte Kritik am Einsatz und deren obersten Dienstherren. Davon abgesehen : warum soll die Fankurve eine ideologische Nähe eines Einzelnen zu politischen Gruppen, die Sie dem Präsidenten der SGE unterstellen, ausbaden? Herr Beuth hat mit dieser Einsatzentscheidung schlicht ins Klo gegriffen, und er hat nicht die Größe zu diesem Fehler zu stehen.

Ernst-Günther Konrad | So., 3. März 2019 - 12:44

und die Frankfurter Polizei musste seinen "privaten" Krieg ausbaden. Wie oft der Satz fällt: "Da brennt die Hütte", im Zusammenhang mit Festen und Sportveranstaltungen kann man gar nicht mehr zählen. Da sollte und wollte jemand etwas falsch verstehen. Die Polizei war wieder der Buhmann für einen Innenminister, der sein "privates" Problem mit der Eintracht hat. Das dann in der Ausführung der zu erwartende Widerstand - das heisse ich nicht gut - letztlich zur Eskallation führte war doch vorhersehbar. Fischer ist sicher in seiner Wortwahl auch nicht immer sanft und polarisiert, aber ihm zu unterstellen, durch das Aufheizen der Stimmung im Sinne des Ausläsens einer besonderen Faneuphorie, er wolle sein Stadion brennen sehen ist absurd. Hier wurde bewusst die Diskussion bezüglich Pyrotechnik im Stadion von Beuth hochgeschaukelt. Ich finde auch, Pyros gehören nicht ins Stadion. Doch dies muss am Tisch geregelt werden und nicht mit Muskelspielereien. Hier hat Beuth seine Macht missbraucht.

Markus Michaelis | So., 3. März 2019 - 12:53

"zeigt sich nicht nur ein fast schon paranoides Sicherheitsstreben"

Triggert sich das nicht durch eine "paranoide" 100%-Sicherheitserwartung einer Bevölkerung bei gleichzeitiger rasanter Globalisierung, Buntheit, Veränderung. Dieser Spagat scheint mir real vorhanden und nicht "paranoid".

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 3. März 2019 - 13:23

Kleinlichkeit, dennoch:
Gerade als Kraftausdruck gefällt mir der zitierte Ausspruch nicht.
und heisst es nicht, "für eine Sache zu brennen", womit Begeisterung gemeint ist, Intensität und nicht Kraft?
Sagt man wirklich, dass ein Stadion brennen soll?
Nun nahmen die Ordnungshüter den Spruch ja nicht wirklich wortwörtlich, aber sie hatten die Befürchtung, dass eine konkrete Form der Begeisterung damit bei den Fans ins Bewusstsein gerufen werden könnte, die Pyrotechnik.
Der Artikel warnt zurecht vor der Sprachpolizei, aber Verantwortliche müssen ein bisschen achtgeben auf ihre Wortwahl und ja, ein besonderer Einsatz war sinnvoll.
Der Artikel jetzt aber auch, denn die Freude und die Begeisterung für die Spiele soll doch bleiben.
Die Begeisterung und die Probleme des Fussball zeigt ein Film m.E. sehr gut auf.
Der Ttel ist weit weg von Feuer oder anderer missverständlicher Sprache.
"Make us dream" ist ein Portrait eines in der Welt des Fussball begnadeten Spielers STEVEN GERRARD

Heinz Meier | So., 3. März 2019 - 16:14

Bei Peter Fischer, dessen Sohn ja bei der Antifa sein
soll, wundert mich der extreme Sprachgebrauch nicht. Zwischen brennender Leidenschaft für einen Fußballverein und einem brennenden Stadion, da sehe ich einen fundamentalen Unterschied.

Gerhard Lenz | Di., 5. März 2019 - 08:17

Antwort auf von Heinz Meier

...so trägt man nicht zur politischen Debatte bei, die hier ja eigentlich stattfinden soll, sondern setzt Verschwörungstheorien in die Welt, die politisch unliebsame Menschen diffamieren sollen.

Stößt Ihnen auf, dass Fischer klare Worte zur AfD gebraucht hat?

Wie war das noch mit der political correctness - ist die nur störend, wenn links der Mitte gebraucht?

Christa Wallau | So., 3. März 2019 - 17:29

Wenn man anfängt, die Sprache zu kontrollieren
bzw. bewußt mißzuverstehen, dann will man damit
Kontrolle über das Denken der Menschen ausüben.

Immer hat Sprache mit Bildern gearbeitet, und sie
wurden als solche auch gut verstanden.
Heute sollen alle Bilder auf ihre möglichen Fehlinterpretationen hin untersucht und tunlichst verboten werden, wenn man sie nur im entfertesten wörtlich nehmen könnte.

Als Alexander Gauland nach der erfolgreichen
BT-Wahl sagte: "Wir werden sie jagen" (gemeint
waren die Altparteien), da wußte jeder normale Mensch, was gemeint war: N i c h t die Jagd mit dem Gewehr, sondern selbstverständlich mit Argumenten in der politischen Debatte.
Was aber passierte:
Die ob der guten Ergebnisse für die AfD wutentbrannten Alt-Parteien und die mit ihnen eng verbundenen Medien warfen Gauland vor, verrohend zu wirken und sich damit als "Rechtsextremer" zu erweisen.

Alles Unsinn, aber er wird von vielen Leuten geglaubt!

Heidemarie Heim | Mo., 4. März 2019 - 15:37

Und nicht nur der Sprachausdruck selbst, sondern auch das Verstehen und der Sinn der Aussprache. Dieses Instrumentalisieren und Reduzieren auf die politisch gewünschte Korrektheit führt nicht nur zu Spracharmut (Begriffsreduktion), sondern soll zu einer Sprachunsicherheit führen, die mit einer Sprachlosigkeit oder damit gesetztem Redeverbot zu bestimmten Themen endet. Ich möchte hier auch noch mal an eine ähnliche Wirkweise aus meinen Kindheitstagen erinnern, wo man allgemein die Ansicht pflegte, das Menschen, die des Hochdeutschen nicht mächtig waren, als minderbemittelt galten. Meine eigene Mutter traute sich daher u.a. aufgrund ihres "Pfälzischen Dialektes" so gut wie nie in einer hochdeutsch illustren Runde den Mund aufzumachen bzw. ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Um so schäbiger finde ich auch das oben beschriebene Vorgehen des mit Goldwaagen kontrollierten Sprachgebrauchs und dessen verschleierten Ansinnens. MfG