Blick auf den Hindenburgplatz, der umbenannt werden wird.
Wie der Hindenburgplatz in Lübeck wohl bald heißen wird? / picture alliance

Umbenennung Hindenburgplatz - Wenn Verweigerung als Haltung missverstanden wird

In Lübeck wurde der Hindenburgplatz unbenannt – und prompt fordern das andere Politiker auch für ihre Städte. Doch bei der Umbenennung geht es selten um die historische Auseinandersetzung mit der Person, sondern vielmehr um weltanschauliche Differenzen, schreibt Alexander Grau

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

„Geschichte wird gemacht, es geht voran“, sang einst die Düsseldorfer Band „Fehlfarben“. Das war natürlich revolutionär gemeint und bezog sich auf die Zukunft. Doch da Geschichte nie wirklich vergeht, lässt sich diese auch retrospektiv gestalten. Neudeutsch nennt man das dann Erinnerungskultur, obwohl es hier weder um das Erinnern geht noch um Kultur, sondern vielmehr um die politisch angemessene Vereinnahmung des Vergangenen.

Und so kommt es, dass in schöner Regelmäßigkeit Zeugnisse des Gestern in das Visier historisch sensibler Gemüter geraten. Insbesondere Feldmarschall Paul von Hindenburg, Sieger von Tannenberg und von 1925 bis zu seinem Tod 1934 Reichspräsident, gerät in jüngster Zeit zunehmend in das Visier der Ordnungshüter politisch korrekter Erinnerung. Einer vor Jahren von der Stadt Freiburg eingesetzten Kommission etwa galt Hindenburg als „schwer belastet“ und „nicht haltbar“. Die Hindenburgstraße gibt es dort allerdings immer noch.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

gerhard hellriegel | Sa., 9. Februar 2019 - 10:18

Martin Luther war ein widerlicher Antisemit. Man denke nur an seine "Judenschriften". Und ein Kirchenspalter, ein Populist, ein Vorläufer der Brexiteers. Und mich hat man gezwungen, in einer Martin-Luther-Strasse aufzuwachsen. Ich leide noch heute darunter. Wie kann man dies nach all der Nazi-Barbarei noch hinnehmen? Aber damit ist es nun zum Glück bald vorbei. Ich kann doch fest damit rechnen?

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 9. Februar 2019 - 10:52

Wieder einmal ein hervorragender Beitrag von Ihnen.
„Liberale“ Politiker wollen alles „nationale“ (patriotische?) abschaffen, um eine „moderne“ Multi-Kulti-Gesellschaft zu etablieren. Dazu passen keine „konservativen“ Werte (wie z. B. der christliche Glaube, die Familie, Zuverlässigkeit etc.). Dabei sind es gerade diese Werte, die unserem Land zu wirtschaftlichem Erfolg verhalfen.
Ohne gemeinsame Werte ist jedoch ein Zusammenhalt der Gesellschaft nicht möglich.

gabriele bondzio | Sa., 9. Februar 2019 - 11:21

...dann ist es mit einer Namensänderung nicht getan. Dann hilft nur noch: Sprengen!"...die Neugeister müssen schon sprengen um ihre Ideen zu platzieren.
Aber selbst dann ist eine Ausmerz-Aktion nicht abgeschlossen. Umsonst kommt mir statt Euro, nicht selten das Wort "Mark" auf die Lippen.
Hoffentlich wird dereinst über sie nicht genauso konsequent der Stab gebrochen, wie sie es jetzt mit Zeitzeugen der Geschichte tun.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 9. Februar 2019 - 11:54

Wollen wir anschließend alle die Deutschen umbennen lassen, die in zweiter und dritter Generation Namen ehem. Hitlerschergen tragen? Sollen alle Plätze, Straßen und Alleen nach geschichtsbedeutenden Menschen benannt, die zu ihrer Zeit an ihrem Ort politisch im damaligen Zeitgeist Meinungen hatten, alle umbenannt und gar entfernt werden?
Ihr guter Artikel Herr Grau, ich freue mich immer auf ihre Artikel, hat dann natürlich zum Ende hin die exakt richtige Schulssfolgerung. Muss der Damm gesprengt werden und die Autobahnen weggerissen werden? Werden Flugzeuge verboten, weil solches Gefährt Bomben in Nachbarländer brachte? Werden die Veganer oder Vegetarier ausgewiesen oder eingesperrt, weil Hitler angeblich kein Fleisch aß? Mit der Sprache versuchen es die politisch Korrekten ja schon, in dem bestimmte Begriffe nicht mehr benutzt werden dürfen. Natürlich ein Grüner - aus der Verbotspartei - und ein SPDler - ein Realitätsverweiger - haben die Idee aufgenommen. Warum wundert's mich nicht?

Gisela Fimiani | Sa., 9. Februar 2019 - 11:54

„Verflachung des historischen Bewußtseins“, „kindisches Gemüt“ sind die Schlüsselworte, welche unsere postmodernen Aktivisten zutreffend beschreiben. Kultur-historisch ungebildet, denkschwach und unerwachsen, dafür moralisch-gefühlig und kindisch hysterisch, befördert man eine Gesellschaft ins Absurdistan.

Heiner Hannappel | Sa., 9. Februar 2019 - 12:21

Recht haben Sie verehrter Herr Grau. Dieses links-grüne Meinungsmanagement geht nun schrill voran, unsere Geschichte zu schleifen. Die Namen, die diesem diesem immer deutlicher zutage tretenden verqueren Weltbild nicht passen, sollen ausgelöscht werden. Einfach so.Doch Vorsicht, wenn ein die Geschichte verleugnender Zeitgeist sogar Namen schleift, wird ein anderer Zeitgeist diese Namen wieder an Straßen und Plätzen verewigen!

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 9. Februar 2019 - 12:56

Hindenburgs in Bezug auf den Fähnrich.
Welche Rolle Hindenburg im Kaiserreich spielte ist damit unberührt.
Hindenburg war Ostpreusse und ganz im Ernst Herr Grau, auch für eine selbständige Zukunft der jetzt russischen Enklave Kaliningrad bedacht, wir leben jetzt hier in Deutschland und selbst wenn man Jahrhunderte zurückgeht, so hat speziell dieses Land doch wichtige Leute hervorgebracht, an die zu erinnern lohnen würde.
In 200 Jahren möchten dann wieder Generationen an Hindenburg erinnern, who knows?
Kann ich mir allerdings nicht denken.
Er war ein Kampfgefährte Ludendorffs, der völkische Ideale vertrat und mit dem Kapp-Putsch zutun hatte.
Der Militarismus des preussischen Deutschland ist kein Ruhmesblatt und wird evtl. nur getoppt vom Wahnsinn Hitlers.
Warum erkennt man diese Leute nicht rechtzeitig?
Weil das Umfeld schon auf Abwegen ist?
Mein Großvater Erwin W. Sehrt hatte früh eine Haltung zu Hitler.
Gibt es nicht die Möglichkeit einer Umbenennung in Bertha von Suttner?

Gerhard Schwedes | Sa., 9. Februar 2019 - 14:27

Cicero
Ich habe Ihren Artikel genossen. Sie haben auf sehr subtile und intelligente Weise erfasst, was sich hinter dieser Umbenennungswut verbirgt, nämlich eine schwer zu ertragende, lächerliche Selbstgerechtigkeit. Historisch betrachtet ist dies alles nicht gar so neu, was diese Leute da treiben. Mich erinnert das an die Bilderstürmerei der Protestanten zur Zeit der Reformation oder an die Flagellantenzüge, die das Böse durch Selbstgeißelung – hier: die eigene Geschichte - vernichten wollten; latenter Hexenwahn und Sektiererei. Psychologisch könnte man dies auch in die Nähe einer ritualisierten Teufelsaustreibung rücken, ein eindimensionaler Purismus, der etwas zutiefst Undemokratisches an sich hat. Wieder einmal Gängelung der Mehrheitsgesellschaft, die kein Interesse an solchen Umtaufungen hat. Psychologisch gesehen stehen diese Leute allen möglichen Totalitarismen viel näher, als ihnen lieb sein kann. Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Hier schreibt kein Hindenburgverehrer.

Gerd Runge | Sa., 9. Februar 2019 - 14:31

schon länger über das Kasperle-Theater, welches um unseren Hindenburgplatz veranstaltet wird.
Im wiederholten Anlauf hat sich ja nun in der Bürgerschaft die notwendige Abstimmungsmehrheit gefunden. Es gibt ja in Lübeck keine anderen Probleme.
Wenn mir in meinem Beruf die Probleme bis zum Hals standen, habe ich oft genug angefangen, meinen Schreibtisch aufzuräumen.
Es ist doch erstaunlich, mit welcher Arroganz Personen der Zeitgeschichte aus diesem geschichtlichen Kontex herausgenommen und in den aktuellen politischen Mainstream eingepaßt werden.
Ich denke, wo bei uns in HL alles so schön im Fluß ist, werde ich vielleicht vorschlagen, unsere Lutherkirche umzubenennen. Denn unser Martin war ja wohl strammer Antisemit.

Christa Wallau | Sa., 9. Februar 2019 - 15:15

Dieses Verhalten der heute Lebenden gegenüber Persönlichkeiten der Vergangenheit kann man nur als überheblich und dumm bezeichnen.
Im Nachhinein über Personen der Geschichte pauschal zu urteilen, ohne sie in ihrem damaligen Kontext zu betrachten, ist lächerlich.
Sich zusätzlich einzubilden, daß man selber in der derzeitigen Situation keine Fehler mache oder Fehlbeurteilungen vornehme, zeugt von großer Arroganz und Dummheit.

Wenn man vernünftigerweise konzidiert, daß im Nachhinein i m m e r alles ganz anders aussieht als zu dem Zeitpunkt, als gehandelt werden mußte, dann wird man zurückhaltender im Urteil und läßt die Denkmäler der Geschichte stehen, wie und wo sie entstanden sind: Man erklärt sich das Verhalten der damaligen Menschen, benennt auch deren Fehler, aber man verurteilt sie nicht, erst recht nicht mit Maßstäben, welche ausschließlich die heutigen sind.

Wolf-Dieter Hohe | Sa., 9. Februar 2019 - 15:20

"Sprengkommando --- Marsch !"

Sehr geehrter Herr Grau,

"Besser geht nicht.. "

Wie meistens

MfG
W.D. Hohe

Heinz Meier | Sa., 9. Februar 2019 - 17:56

ich lese, Herr Grau weiß auch nicht so recht wie man es machen sollte. Es sind ja viele Straßen nach Personen benannt, die heute kritisch gesehen werden. Dann gibt es Denkmale, wie z. B. das Hermannsdenkmal etc. und dann noch sprachliche
Begriffe, wie z.B. Autobahn, die kontaminiert sind ?. Die ganze Geschichte müsste mann/frau/x eigentlich entfernen. In South Africa gibt es ähnliche
Bestrebungen die Zeugnisse der Apartheit zu entfernen und auch die nicht einheimische Fauna und Flora soll entfernt werden. Die Weißen natürlich auch, insbesondere die Farmer. Irgendwie drehen viele durch. Die Vergangenheit wird uns leider trotzdem erhalten bleiben.

Klaus Decker | Sa., 9. Februar 2019 - 22:03

Lieber Herr Grau, Sie haben es auf den Punkt gebracht: Es gibt noch viel zu tun für unsere
Geschichtsrevisionisten. Ich lebe zum Beispiel in
einer Hindenburgstraße - wie lange noch?
Schon im Hinblick auf ihren berühmten Satz: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden würde ich die Umbenennung in Rosa-Luxemburg-Straße sehr begrüßen!

Thomas Hechinger | Sa., 9. Februar 2019 - 22:03

Wäre es nicht so traurig - man müßte darüber lachen. Mit der richtigen Haltung, glaubt man, könne man Geschichte revidieren. Aber Geschichte läßt sich nicht revidieren. Denn sie ist vergangen, nicht rückholbar vergangen. Wenn irgendein Stadtparlament es heute unternimmt, Herrn Adolf Hitler aus der Ehrenbürgerliste zu streichen, dann kann es damit die Tatsache, daß genau diese Stadt vor einigen Jahrzehnten jenen Reichskanzler und Führer des Deutschen Reiches mit großer Begeisterung zu ihrem Ehrenbürger gemacht hat, nicht ungeschehen machen, einmal ganz abgesehen davon, daß nach allgemeinem Verständnis die Ehrenbürgerschaft sowieso mit dem Tode erlischt. Die richtige Lehre aus der Geschichte wäre, mit der Vergabe von Ehrenbürgerschaften besonders vorsichtig zu verfahren. Wer heute noch hochgeehrt ist, mag einem morgen schon peinlich sein. Er muß ja nicht gleich das unterirdische Niveau des ehemaligen Reichskanzlers erreichen.

Isabella Seeger | So., 10. Februar 2019 - 01:04

"So wird das kindische Gemüt zum kritischen Bewusstsein uminterpretiert und Ambivalenzverweigerung als Haltung missverstanden." Präzise zusammengefasst, wie sich die deutsche Vergangenheitsbewältigung in jüngster Zeit zu einer Moralisierungshysterie entwickelt hat, die sich, bar jeder Selbstreflektion, über differenziertere Sichtweisen erhebt und jeden echten Diskurs abwürgt. Ein Trauerspiel.

Norbert Heyer | So., 10. Februar 2019 - 06:05

Wenn die weltpolitischen Probleme überhand nehmen, flüchtet man gerne zu den Nebensächlichkeiten. Hindenburg ist - wie gesagt - eine historische Person und somit auch Kind seiner Zeit. Nun müsste man auch überlegen, den Münchener Flughafen umzubenennen, da Franz-Josef Strauß aus heutiger Sicht ganz klar den Nazis zuzuordnen ist. Willy Brandt vertrat auch eine politische Meinung, die innerhalb der SPD vielleicht noch bei einigen unverbesserlichen Altmitgliedern anzutreffen ist. Natürlich trifft das dann auch auf Helmut Schmidt zu, seine politische Haltung könne man in weiten Teilen einer demokratischen Partei zuordnen, die im politischen Berlin verfassungsrechtlich überprüft wird. Dann gibt es noch Sedan-, Westmark- und Danziger Straßen, wie gesagt, ein weites Feld für die Änderungswilligen. Und wenn dann die Änderungen vollzogen sind, kommt vielleicht wieder eine Zeitenwende und das gleiche Spiel beginnt dann wieder von vorn ... Wandel der Zeit, des lebe der Zeitgeist.

Jürgen Keil | So., 10. Februar 2019 - 11:41

Auch die SED- Führung tat sich immer schwer mit Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, die eben nicht so recht ins revolutionäre Weltbild passten. Aber selbst Honecker konnte sich irgendwann mit Luther und Friedrich II arrangieren. Über das, was die linken und grünen Geschichtsveredler hier erzwingen wollen, kann man nur den Kopf schütteln. Wo soll das hinführen? Streichen wir jetzt auch noch August den Starken, Wallenstein und Barbarossa aus der Geschichte? Das waren auch keine gendergerechten Pazifisten. Wenn die Eiferer an die Macht kommen, wird es gefährlich!

Thomas Teichmüller | So., 10. Februar 2019 - 13:12

Über Hindenburg kann man geteilter Meinung sein. Anders sieht es mit der Personalie des Ernst Thälmann aus. Der Parteichef der KPD war seit 1926 für die Bolschewisierung und für Abschaffung der demokratischen Strukturen in der KPD verantwortlich. Die KPD wurde wie die NSDAP eine totalitäre Partei und für den Untergang der Weimarer Republik mit verantwortlich. Es ist an der Zeit seinen Namen von den Straßen und Plätzen in Ost-Deutschland, die nach ihm benannt sind, zu tilgen.

Günter Johannsen | So., 10. Februar 2019 - 15:08

Hindenburgplatz? Naja, ich kann Leute verstehen, die mit diesem Straßennahmen ein Problem haben. Da hätte ich keine Schwierig, wenn "Hindenburg" aus dem Städtebild verschwindet. Dann muss man aber auch konsequent sein und die Karl-Marx-Straßen und Plätze in deutschen Städten umbenennen. Marxisten haben in 40 Jahren DDR-Regime vielen Menschen schlimme Dinge angetan bis hin zum "Zersetzen" (O-Ton MfS) Andersdenkender mit Röntgenstrahlen bei Verhören.
Wer Letzteres nicht glauben kann, sollte es googlen … Eine linke Diktatur ist nicht minder menschenverachtend, als eine rechte Diktatur!

Inge Meier | So., 10. Februar 2019 - 17:21

Ein guter Artikel über den mit religiösem Eifer betriebenen Präsentismus .

Rob Schuberth | So., 10. Februar 2019 - 18:17

Diese passend, als historisch sensible Gemüter beschrieben Menschen, sollte mal inne halten und sich selbst hinterfragen.
Es ist wirklich eine typisch deutsche Art Dinge zu übertreiben. Das ist ja manchmal, z. B. im Ingenieurwesen, ganz ok so, hier ist es aber übertrieben.

Heiner Hannappel | Mo., 11. Februar 2019 - 14:59

Dieses links-grüne Meinungsmanagement geht nun schrill voran, unsere Geschichte zu schleifen. Die Namen, die diesem diesem immer deutlicher zutage tretenden verqueren Weltbild nicht passen, sollen ausgelöscht werden. Einfach so.Doch Vorsicht, wenn ein die Geschichte verleugnender Zeitgeist sogar Namen schleift, wird ein anderer Zeitgeist diese Namen wieder an Straßen und Plätzen verewigen!