Facebook
Facebook im Visier der Kartellrechtler / picture alliance

Bundeskartellamt gegen Facebook - „Bedenken second“ funktioniert

Mit deutlichen Einschränkungen fürs Datensammeln geht das Bundeskartellamt rigoros gegen Facebook vor. Das Geschäftsmodell des Konzerns gerät weiter ins Wanken. Der Fall zeigt aber auch: Das Internet ist sehr wohl „Neuland“ und die Methode „Bedenken second“ ist gar nicht so verkehrt

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Die Entscheidung des Bundeskartellamts, Facebook zu untersagen, Daten außerhalb seines sozialen Netzwerks über andere Webseiten (wie etwa über den eingebetteten Gefällt-mir-Button) ohne Einwilligung zu sammeln, wird Konsequenzen haben. 15 Jahre nach Gründung von Facebook droht ein empfindlicher Einschnitt in das datensammelwütige Geschäftsmodell. Es wurde zudem geklärt, dass Nutzer von sozialen Netzwerken explizit zustimmen müssen, wenn etwa Daten verschiedener Dienste zusammengeführt werden sollen. Facebooks mutmaßliche Pläne, seinen Messenger mit dem ebenfalls zum Konzern gehörenden Whatsapp-Chats und Instagram-Nachrichten zu verknüpfen, dürften damit deutlich erschwert werden.

Wie viele andere Verfahren, die derzeit gegen Unternehmen wie Google, Amazon, Apple und eben auch Facebook geführt werden, ob auf nationaler, auf EU-Ebene und auch in den USA, zeigt dieser Fall: Auch im wirtschaftlichen Sinne ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Das Recht muss oftmals nur angewandt, gelegentlich auch neu definiert werden, damit unsere soziale Marktwirtschaft erhalten bleiben kann. Dafür brauchen wir außerdem eine öffentliche Debatte, die dafür Druck erzeugt. Doch statt um die Sache, geht es viel zu oft um kurzfristige Empörung.

Übertriebene Häme angesichts komplexer Fragen

So werden Äußerungen zu Internet und Digitalisierung von deutschen Spitzenpolitikern regelmäßig zum Anlass für öffentliche Häme genommen. Dazu gehören auch jene von FDP-Parteichef Christian Lindner und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bis heute verfolgt die Regierungschefin jener Halbsatz von 2013, den sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama in Bezug auf das US-Überwachungsprogramm Prism von sich gab: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Dass der Satz noch weiterging, ist in Vergessenheit geraten. Talk of the town und insbesondere talk of the countryside war seither: Merkel und damit auch Deutschland sind digital rückständig.

Konsequent rief der FDP-Spitzenkandidat dann im Bundestagswahlkampf 2017 von den Plakaten „Digital first - Bedenken second“. Dass Lindner nie sagte „Bedenken off!“, ging unter. Mit der gewollten Zuspitzung entfachte er seinerseits einen erneuten hämischen Empörungssturm all jener, die nicht müde werden, auf die Gefahren der im Grunde nicht mehr abwendbaren technischen Neuerungen hinzuweisen. Lindner wurde insbesondere von grüner Seite beim Datenschutz eine Laissez-faire-Haltung zugeschrieben. Nach dem Facebook-Skandal um Cambridge Analytica leistete Lindner dann Abbitte: „Das Plakat war wohl doch etwas im Überschwang gestaltet.“ Wirklich los wird er das Label Regulierungsfeind zum Schaden von Verbrauchern aber bis heute nicht.

Neues wird uns immer überrollen

Dabei steckt in den Sätzen von Merkel und Lindner durchaus Wahres. Auch wenn es das Internet schon seit Anfang der Neunziger Jahre gibt, alle aus ihm resultierenden, rasanten, supranationalen Entwicklungen dauern an. Und sie sind deshalb jeden Tag aufs neue: Neuland. Nicht nur Privatpersonen, Politiker, Wirtschaftsbosse und Arbeitnehmer müssen sich immer wieder neu darauf einstellen, sondern auch der Rechtsstaat und seine Behörden.

Und deshalb steckt auch in Christian Lindners Satz etwas Wahres oder eher eine wahre Logik. Denn egal, ob wir Bedenken, Kritik oder Einwände haben: Die Digitalisierung wird immer schneller sein als wir. Technische Entwickelungen geschehen, schlicht weil sie möglich sind. Davon sollten wir uns nicht selbst ausschließen aus purer Sorge, wie etwa beim Thema Künstliche Intelligenz. Sonst setzen künftig andere Märkte ihre Standards für uns.

Andreas Mundt
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts /
picture alliance

Die „Bedenken second“ – das zeigt insbesondere die heute bekanntgegebene Entscheidung des Bundeskartellamts gegen Facebook – liegen also ebenfalls in der Natur der Sache. Sie sind auf diese „sekundäre Weise“ sogar institutionalisiert. Die Mühlen der Kartellbehörden mahlen vielleicht langsam, aber offensichtlich gründlich. Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, wies schon im letzten Jahr im Cicero darauf hin: „Die Wettbewerbsbehörden weltweit ziehen derzeit mit ihren Verfahren Leitplanken für die Unternehmen der Internetwirtschaft ein. In zwei, drei Jahren bereits werden wir für den digitalen Bereich der Wirtschaft viel mehr Klarheit haben, als es bislang der Fall war.“ Immer wieder, und auch heute, folgten dem auch Taten.

Gefällt uns das?

Natürlich bleibt das Internet Neuland und damit auch die strukturell bedingt zum Monopolismus neigende Plattformwirtschaft. Darum überhaupt beschäftigen sich die Kartellämter dies- und jenseits des Atlantiks und auch die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, mit Facebook, Amazon, Google, Apple und all den anderen Fällen. Sie haben Bedenken. Sie prüfen. Sie fällen Entscheidungen. Immer nach dem Motto: Gefällt uns das? Immer auf Grundlage von Gesetzen, die teils längst existieren und die angewandt werden können. Dann zumindest, wenn man die Strukturen der neuen, sich zudem schnell wandelnden Digitalwirtschaft verstanden hat. Hunderte Mitarbeiter bei der EU-Kommission versuchen sich täglich an dieser schwereren Aufgabe. Und manchmal braucht es neue Gesetze, wie etwa in der Kartellrechtsnovelle 2017, wo neue Faktoren wie die digitalen Netzwerkeffekte mit in das Gesetz aufgenommen wurden. Denn das Monopol eines Internetkonzerns ist anders strukturiert als etwa das eines Ölkonzerns.

Damit wir auch im digitalen Zeitalter Herren und Damen der Lage sind, brauchen wir auch weiterhin die Kritik an Sätzen wie denen von Angela Merkel und Christian Lindner. Dann nämlich, wenn der Eindruck entsteht, sie machten es sich hinter solchen Phrasen bequem. Aber weniger Häme wäre dabei angebracht, denn diese scheint selbst häufig nur gedankliche Bequemlichkeit zu sein, sich in einer hochkomplexen Sache, inhaltlich, im besten Fall mit Hintergrundwissen, auseinanderzusetzen.

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Ernst-Günther Konrad | Do., 7. Februar 2019 - 19:02

Ich gebe Ihnen Recht Herr Brauns, auch ich habe gerne Merkel und Lindner zitiert, ob ihrer verkürzten Aussagen. Nur, was diese beiden anbetrifft, erfahren sie das gleiche Prinzip, das sie sehr oft auch gegen Kritiker anwenden.
Zur Sache selbst. Ja, Internet ist rasant dabei sich ständig neue Wege zu suchen und gerade ältere Verbraucher, die erst lernen mussten überhaupt damit umzugehen, können ein Lied davon singen.
Was ich der Politik vorwerfe ist, dass viel zu wenig erklärt wird und der Jugend und der Wirtschaft durch mangelnden Ausbau der Digitalisierung, die Zukunft erschwert wird. Heute, 28 Jahre später soll das alles geregelt bzw. neu geregelt werden. Wir werden immer hinterher laufen, man kann den Abstand aber verringern. Einige Sätze der Erklärung hätten Merkel und Lindner sicher geholfen, sie nicht wie "Hinterwäldler" aussehen zu lassen. Aber kein Mitleid, auch sie teilen kräftig aus und benutzen oberflächlichen Politikersprech.
Dann sollen sie Fachleute sprechen lassen.

gabriele bondzio | Fr., 8. Februar 2019 - 09:27

Funktionieren tut aus meiner Sicht nach viel besser, das Unterdrücken von Meinungen (siehe jüngstes Beispiel- erzwungene Löschung eines Artikels/Tichys Einblick über den Einfluss SPD auf Presseorgane)
Die ganze Datenschützenei wird, wenn es notwendig wird, ad acta gelegt, wenn es für politische Vorgänge wichtig erscheint. Man gauckelt uns Selbige oft vor.
Wenn hier mal etwas Positives eingeleitet wird, wird es morgen durch eine andere Prozedur unterlaufen. Es geht ja im Prinzip immer um Geld und Macht. Und da bleibt Datenschutz und Meinungsfreiheit des Bürgers meist auf der Strecke.

Dieter Hegger | Fr., 8. Februar 2019 - 09:59

Mit diesen bräsigen Damen und Herren im Bundestag wird das Internet auch ewig Neuland bleiben. Google, Facebook & Co. werden immer einen Schritt voraus sein. Diese Konzerne verfügen über die besten Spezialisten die die Branche hergibt. Technisch sind wir Mittelalter ! Zitat : 15 Jahre nach Gründung von Facebook droht ein empfindlicher Einschnitt in das datensammelwütige Geschäftsmodell. Zitat ende. Nun , ich denke eher man hat Zuckerberg zum Schmunzeln gebracht.

Roland Völkel | Fr., 8. Februar 2019 - 17:09

Antwort auf von Dieter Hegger

Nein, Herr Hegger, die Verfügen nicht über die besten Spezialisten sondern über die dreistesten Verführern. Denn, worum geht es denn dabei: doch um Geld-viel Geld.
Da bleibt die Moral und auch der Anstand auf der Strecke!
Der Grundfehler des Internet war doch die Mentalität. Kostet nix-alles umsonst!
Nur Facebook, Google & Co. sind doch keine "Sozialämter" sondern strengt nach marktwirtschaftlichen Gesetzen strukturierte Konzerne-also Gewinnorientiert!
Und Gewinn heißt hier: Daten,Daten,Daten. Die werden dann zu Geld gemacht!
Ich glaube es gibt nur eine Chance-: ein NEUES INTERNET 2.0! Zurück auf Los-Reset.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 8. Februar 2019 - 18:29

Antwort auf von Roland Völkel

Volle Zustimmung Herr Völkel. Geld regiert die Welt. Ihr Vorschlag ein neues Internet hört sich erstmal gut an. Nur? Wer bestimmt dann, was im neuen Netz sein darf und was nicht und wer wird dann wieder Dark-Chat's und alles mögliche unsichtbare installieren, um doch da weiter zu machen, wo Internet 1.0 aufgehört hat? Schwieriges Thema. Da ich ich PC-Freak bin, fehlen mir da völlig die Ideen. Nur die Nutzer selbst können Einfluss nehmen im Umgang mit dem Netz, darin sehe ich vielleicht eine Möglichkeit. Alle Gute für Sie.

Aus zwei Gründen ..nein! Herr Völkel.
Bin froh, dass ich mein letztes Reset ohne große Datenverluste überstanden habe.
Und zweitens ist das jetzige Internet die totale Fundgrube über politische Vorgänge, Meinungen usw. Man könnte hier in Versuchung geraten belastendes Material verschwinden zu lassen.
Und woher wollen Sie wissen ob Internet 2 dann nicht auch Daten sammelt?

....... Sind sie sicher nicht zu stoppen. Neben den Verführern haben sie auch die technischen Möglichkeiten alles zu unterlaufen. Prinzip ; Hase und Igel.
Was soll das alles, man muss die Dienste nicht in Anspruch nehmen, das löst das Problem von alleine, ohne staatlichen Eingriff.