CSU - Einmal noch klatschen...

...dann ist es geschafft: Die CSU verabschiedet ihren langjährigen Parteivorsitzenden Horst Seehofer, allerdings wenig herzlich. Dem Nachfolger Markus Söder überlässt er nun ein für die Partei ungewohnt unambitioniertes Ziel: keine Koalitionen jenseits der CSU zuzulassen

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Nicht jedem Abschied wohnt ein Zauber inne. Die 3739 Tage Horst Seehofers als CSU-Vorsitzender enden in der „Kleinen Olympiahalle“ eher geschäftsmäßig als sehr emotional. Seehofer hat 2008 nach dem Wahldebakel Günter Becksteins die Partei gerettet, hat Bayerns Spitzenposition unter den Bundesländern ausgebaut. Mit ihm hat die CSU 2013 zum letzten Mal die absolute Mehrheit der Mandate erkämpft. Aber mit seinen trickreichen Versuchen, Markus Söder als Nachfolger zu verhindern und seiner für die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU lebensgefährlichen Kontroverse mit Angela Merkel hat er sich selbst schwer geschadet. Die CSU scheint irgendwie erleichtert, dass das Parteikapitel Seehofer abgeschlossen ist.

Der Tagungsort „Kleine Olympiahalle“ in München symbolisiert den Zustand der CSU. Die Partei muss sparen und der Parteitag ist dementsprechend eine Sparversion früherer Heerschauen. Die Organisation war auch schon besser. Als Seehofer und Söder mit großem Gefolge in die Halle einziehen, merkt das kaum ein Delegierter. Aus den Lautsprechern tröpfelt einschläfernde Fahrstuhlmusik. Der Beifall ist ausgesprochen spärlich. Als Generalsekretär Markus Blume die Spitzenpolitiker begrüßt, erhält der Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber, ebenfalls deutlich mehr Applaus als der scheidende Vorsitzende.

Seehofer fühlt sich unvestanden

Seehofer Abschiedsrede ist keine umfassende Bilanz, kein Vermächtnis, auch keine Abrechnung. Seine einziger Rat an die eigene Partei: „Verachtet mir die kleinen Leute nicht.“ Eher nüchtern bilanziert Seehofer, dass die Zeit von „50 Prozent plus X“ vorbei sei. Er nennt zwei Gründe: den Einzug der Freien Wähler in den bayerischen Landtag im Jahr 2013 und das Aufkommen der AfD. Deren Erfolg begründet er zurückhaltend „mit bestimmten Rahmenbedingungen, die primär nicht in München gesetzt wurden.“ Soll heißen: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik sind schuld. Aber Seehofer nimmt den Namen der Kanzlerin nicht in den Mund.

Seehofer geht – und fühlt sich unverstanden, zudem angesichts seiner Verdienste schlecht behandelt. Das sagt er nicht direkt. Seehofer demonstriert aber, dass er ein Meister der Andeutungen ist. Von den 73 Jahren in der Geschichte habe er, so sein Resümee, zwei Drittel „an vorderer und vorderster Front mitgewirkt.“ In dieser Zeit habe er „vieles hingenommen und geschluckt, nie darüber geredet.“ Aus diesen Worten sprach Verletztheit.

Ein Abschied, der noch kein richtiger ist

Die Delegierten hören der kurzen, nicht einmal 20 Minuten langen Abschiedsrede geschäftsmäßig zu. Natürlich gibt es zum Abschluss „standing ovations“. Aber das ist kein herzlicher Abschied, da schwingt kein großes Bedauern mit. Zumal es auch kein „richtiger“ Abschied ist. Schließlich bleibt Seehofer als Bundesinnenminister auf der politischen Ebene präsent. Wie hatte doch Seehofer seine aktuelle Gemütslage beschrieben? „Dankbarkeit und Erleichterung.“ Es dürfte ihm gehen, wie vielen anderen Spitzenpolitikern: Der Nachruhm wächst mit dem Abstand zum Amt.

Kein Lorbeerkranz für Seehofer, aber auch keine Vorschusslorbeeren für Söder als Parteivorsitzender. Sein Wahlergebnis ist mit 87 Prozent ehrlich, solide und etwas besser als die 83 Prozent, die Seehofer bei seiner letzten Wiederwahl erzielte. Die Partei erkennt an, dass Söder bei der Landtagswahl in schwieriger Lage wie ein Löwe gekämpft hat. Aber man will ihm auch keinen Blanko-Scheck ausstellen. Der nimmt es mit Humor. Seine Wahl gelte ja nur bis zum nächsten regulären Parteitag in etwas sechs Monaten, sagt er. „Bis dahin können wir uns weiterentwickeln.“

Mehr Applaus für AKK

Dieser Parteitag beendet nicht nur die Ära Seehofer. Er könnte auch insofern zum Wendepunkt in der Geschichte der Partei werden, als sich die Gefechtslage für die CSU dramatisch verändert hat. Im neuen 6-Parteien-System geht es nicht mehr um die absolute Mehrheit. Statt Alleinregierung lautet das strategische Ziel, so stark zu bleiben, dass ohne die CSU in Bayern nicht regiert werden kann. In der „Kleinen Olympiahalle“ richtete sich die CSU auf neue Zeiten ein. Bei den letzten drei Wahlen – Europa, Bund, Land, blieb sie jeweils unter 40 Prozent. Da werden „37 Prozent plus großes X“ zu einem durchaus ehrgeizigen Ziel.

Ein Neubeginn ist der Parteitag auch im Verhältnis zur CDU. Schon beim Einzug der neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer klatschen die Delegierten lauter als bei der Ankunft Seehofers. Und „AKK“ trifft die Stimmungslage in der Schwesterpartei – mit scharfen Angriffen auf Grüne und AfD, mit Dank an Seehofer für dessen Einsatz für die „kleinen Leute“, mit ihrer deutlichen Betonung der Gemeinsamkeiten von CDU und CSU. Und im übrigen hält die CDU-Vorsitzende es wie Seehofer und Söder: die SPD ist ihr keiner Erwähnung wert.

 

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Ronald Lehmann | So., 20. Januar 2019 - 01:07

Was ich die ganzen Jahre nicht verstehe,ist die Tatsache, sobald ein Politiker Macht bekommt, benimmt sich dieser so, als wäre er ein Geisel einer unsichtbaren Macht. Dies kam beim Herr Seehofer so richtig zum Ausdruck. Wie ein Kind schrie er ab und zu die Wahrheit in die Welt hinaus, aber anschließend war er mehr wie artig, als hätte man diesen ganz deftig den Arsch versohlt.
Eingeknickt und brav wie ein Lamm war er wie eine OP-Schwester, die der Chef Ärztin die Instrumente reicht.
Was hat die "dunkle Macht" in der Hand, das Politiker nicht Herr ihres Seins sein können?
Auf jeden Fall gibt es viel zu viel Ungereimtheiten, die nichts mit dem Egoismus & Machtbessenheit des Menschen zu tun haben.
Es ist eben wie bei einen sehr guten Zauberer. Der Zaubertrick geht meistens ganz anders, als es die Zuschauer als Lösungsweg erdenken.
Die Wahrheit liegt meistens ganz wo anders.

Dominik Hellenbeck | So., 20. Januar 2019 - 11:51

… in Personalunion darzustellen, ist bislang noch keinem glaubhaft gelungen. Aber wenigstens sind wieder einmal genügend christlich-konservative Wähler auf das Gebrüll in München samt Geschnurre in Berlin hereingefallen – aufgehängten Kreuzen und gestifteten Kerzen sei dank...
Jetzt hört man, die CSU müsse „weiblicher und ökologischer“ werden – by the way, Dobrindts „konservative Revolution“ wurde wohl wieder bis zum nächsten Wahlkampf in den Koffer gelegt...?

gabriele bondzio | So., 20. Januar 2019 - 14:59

87,4 Prozent der Stimmen für Söder war kein Hammer.
Und das die meisten Delegierten schon nach fünf Stunden gegangen sind. Damit der CSU-Parteitag nicht mehr beschlussfähig war, spricht auch Bände. Lustlosigkeit überwog.
Seehofer bekam dann als Trostpreis den Ehrenvorsitzenden und Spielzeug für die Eisenbahn.
Wohl ein Tipp mit den Enkeln zu spielen.

Martin Höllriegl | So., 20. Januar 2019 - 20:14

Das hat Horst Seehofer nicht verdient. Er war das beste was die CSU die letzten Jahre vorzuzeigen hatte; nicht zu vergessen wie er diese Regierung in Sachen Asyl und in der Causa Maaßen vor weiterem Schaden durch die SPD, die Kanzlerin und die hochgejubelten Grünen vor weiterem selbstzerstörerischen Fehlentscheidungen bewahrte. Lieber Horst Seehofer, danke für deine gute Arbeit für Bayern und Deutschland.

Norbert Heyer | Mo., 21. Januar 2019 - 06:02

Herr Seehofer hat in den Jahren seit der bedingungslosen Grenzöffnung alles richtig angesprochen, aber niemals in der Realität umgesetzt. Seine Ankündigungen waren kernig, seine Handlungen erbärmlich. So hat er den Eindruck erweckt, ein Schwätzer ohne Rückgrat zu sein. Scheinbar ist Machterhalt und Dienstwagen wichtiger als das Beschreiten eines unbequemen Weges. Damit hat er seiner Partei großen Schaden zugefügt. Auch in seiner Position als Innenminister hat er lediglich für Bayern kleine Fortschritte bei der Grenzsicherung erreicht. Den Machtkampf hat die kommunistisch-geschulte Kanzlerin ganz klar gewonnen. Auch ist der Eindruck nicht ganz falsch, dass er im Endeffekt mit Frau Merkel konform geht. Er hätte als Innenminister die Anweisung zur Grenzöffnung durch seinen Vorgänger zurücknehmen können. Damit hätte er ein Zeichen gesetzt und eine Entscheidung erzwungen, aber dazu fehlte ihm der Mut oder auch mangelnder Rückhalt innerhalb seiner Partei. Es wird Zeit für den
Abschied.