Emmanuel Macron
Emmanuel Macron näher sich den Gelbwesten an, aber womöglich nicht genug / picture alliance

Emmanuel Macron - Eine Volksdebatte ohne Volk

Den Namen der kleinen Gemeinde, 130 Kilometer nördlich von Paris, kannte bislang auch kaum ein Franzose. Ausgerechnet in Bourgtheroulde, in der normannischen Provinz, will Emmanuel Macron seine Präsidentschaft retten. Doch der Dialog mit dem Volk fand ohne Volk statt

Kay Walter

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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Bourgtheroulde, von Einheimischen ausgesprochen klingt sehr ähnlich wie ein norddeutsch vernuscheltes Buxtehude – und so ähnlich sieht es auch aus: flaches Weideland, darüber ein tiefhängender grauer Himmel, Apfelbäume. Der Weg in den Ort führt an diesem 15. Januar über drei Polizeisperren, mindestens. Alle Kreisverkehre im Umkreis von 10 Kilometern sind besetzt. Diesesmal stecken Polizisten in den gelben Westen. Dreimal Ausweiskontrolle – wohin wollen Sie, zum Präsidenten – zweimal Kofferraumkontrolle. Der Eindruck: Nicht jeder ist erwünscht bei der großen nationalen Debatte, die der Präsident für die kommenden sechs Wochen bis zum 15. März angekündigt hat. Wer nicht in Bourgtheroulde wohnt, muss entweder akkreditierter Journalist sein, Bürgermeister einer nordfranzösischen Gemeinde, oder er muss draußen bleiben.

Im Ort selbst sind fast alle Geschäfte verrammelt, nur die Bar-Tabac L’Imprévu am Platz neben der Kirche macht das Geschäft des Jahres. Davor die angereisten Journalisten und circa 150 Gilets-Jaunes, die es trotz aller Sperren in den Ort geschafft haben. „Über die Felder“, sagt Dimitri, knapp dreißig, Kapuzenpulli: „wir kennen uns aus, wir sind von hier“. „Macron muss gehen“, findet er. Lösungen von der Politik, die erwartet er „schon lange nicht mehr“. Ob nun Mélonchon (Ultralinks) oder Le Pen (extreme Rechte), „alle aus einem Sack“. Und was dann, frage ich. „Egal, nur Macron muss weg“. Seine Freundin Allison assistiert: „Ist das etwa Demokratie, wenn man sich im eigenen Dorf nicht mehr frei bewegen kann? Überall nur Polizei, gepanzert und schwer bewaffnet?“

Keine Aggressionen und keine Gewalt

Anders als in Paris ist die Stimmung null aggressiv, nicht gegen Journalisten, nicht gegen die Polizei, ja nicht einmal gegen Macron – nur völlig desillusioniert. Nach der letzten Polizeisperre dann das Sportzentrum „Benedetti“. Hier warten 600 geladene Bürgermeister/innen auf den Präsidenten. Die schmucklose Wellblechhalle von der Größe eines Handballfeldes hat den Charme einer ehemaligen Geflügelzucht. Auf Plastikstühlen im Karree fast alle Ortsvorsteher der Region, angetan mit blau-weiß-roter Schärpe; die Stimmung: höfliche Anspannung. „Man muss doch reden miteinander: Reden, keine Gewalt“, sagt Amel, maghrebinischstämmiger Bürgermeister der 900 Seelengemeinde Gauciel im schweren nordfranzösischen Dialekt.

So wie Amel sehen das die meisten hier. Und das, obwohl nur die allerwenigsten der Partei des Präsidenten La République En Marche angehören. Aber den Verdruss und die Wut der Bürger bekommen sie als erste ab, egal ob Konservative, Kommunisten oder Parteilose. LaREM hat kaum kommunale Mandatsträger. Deshalb ist Marcron jetzt auf sie angewiesen. Sie müssen den Kontakt zu den Bürgern herstellen. Daher wird der Präsident in seinem kurzen, siebenminütigen Auftaktstatement erklären, „die künftigen politischen Lösungen werden näher am Terrain sein, als das bisher der Fall war“.

Macron greift Themen der Gelbwesten auf

Er sei gekommen um zuzuhören, erklärt Macron, nachdem er vier Themenbereiche vorgegeben hat Steuern (Welche können gesenkt werden?), staatliche Strukturen (Welche sind einzusparen?), ökologischer Umbau (Wieviel ist nötig?) und Demokratie (Wie kann mehr Beteiligung organisiert werden?). Das sind exakt die Themen, die auch die Gilets-Jaunes fordern. Aber das kommt bei ihnen nicht im Geringsten an, auch weil sie eben nicht zu den Geladenen im Saal gehören. „Es darf in der Diskussion keine Tabus geben“, erklärt Macron den Amtsträgern, „Sagen Sie mir offen, was Sie auf dem Herzen und in den Köpfen haben“.

Das wird er bekommen. Laurance Bussière fragt zum Auftakt höflich, aber bestimmt: „Herr Präsident, welche Antwort geben Sie den Kommunen, damit wir uns alle ernstgenommen fühlen (können)?“ Jean-Paul Legendre, Bürgermeister eines Bauerndorfs im Departement Eure ergänzt: „Wir arbeiten ja mit Ihnen zusammen, aber haben Sie bitte auch Vertrauen in uns, und halten Sie die Maschinerie an, die Bürgernähe kleinhäckselt“. Joel Bruneau, Bürgermeister der Hafenstadt Caen erklärt, das Vertrauen der Bürger in die Nationalversammlung sei „komplett zerstört“, weil ständig und enorm zeitaufwendig jede kommunale Entscheidung auf mindestens drei höheren Staatsebenen neu abgesegnet werden müsse. Valéry Beuriot, Kommunist aus Brionne, weist auf einen Widerspruch in Macrons Vorgaben hin, es solle keine Tabus geben, aber andererseits bliebe es definitiv bei der Abschaffung der Vermögenssteuer: „Diesen Widerspruch müssen Sie auflösen, Herr Präsident.“

Zugeständnisse für eine Dezentralisierung

Und so geht es immer weiter. Macron stellt sich dem, hört geduldig zu, macht sich Notizen zu jeder Wortmeldung. Die Liste wird lang. Allerdings: Angela Merkel bekäme sinngemäß vom deutschen Städte- und Gemeindebund ziemlich genau das Gleiche mit auf den Weg. Auch die Bitte eines Bürgermeisters und Unternehmers: „Wir stehen jeden Morgen um sechs Uhr auf, um nach Rouen oder Dieppe dreißig, vierzig Kilometer zur Arbeit zu fahren. Wir arbeiten gerne und viel, für unsere Familien, unsere Kinder, unser Land. Geben Sie uns das Gefühl, dass Sie das auch wertschätzen.“

Nach anderthalb Stunden wird Macron antworten, penibel alle Forderungen und Einlassungen abarbeiten, wissend, wer wo sitzt und was gesagt hat. Erstaunen bei den Bürgermeistern. Und Beifall, als er erklärt, die neue Gemeindeordnung (das Loi Notre) zu öffnen, den Kommunen mehr Eigenständigkeit zu geben, staatliche Zwischenebenen abzuschaffen. Er geht auf ganz konkrete Forderungen ein, sagt, die Ausgabe von Personalausweisen, Pässen und KFZ-Scheinen könne dezentralisiert und in die Kommunen rückverlagert werden.

Die Debatte ist ein Anfang, doch sie bleibt hermetisch

Aber er schmeichelt den Bürgermeistern, die er so dringend als Multiplikatoren und Vermittler braucht, auch nicht, etwa in der umstrittenen Frage der Vermögenssteuer. „Pour la Pipe“ – sinngemäß übersetzt mit „geschissen“ – sei die These, auch nur einem einzigen Gilet-Jaune ginge es besser, wenn die wieder eingeführt werde. Es sei doch wahr, dass die wirklich Reichen höchst erfolgreiche Systeme zur Steuervermeidung hätten. Um Gleichheit herzustellen, bedürfe es dagegen guter Schulen, Teilhabe an Kulturangeboten und sozialen Serviceleistungen. Das müsse man gemeinsam herstellen. „Meine Devise“, sagt er, „lautet seit jeher: Ich werde niemanden im Regen stehen lassen“. Am Ende bekommt er auch dafür Beifall. Und wer geglaubt hatte, der Aufschlag der Grand Débat sei mit der ersten Antwort des Präsidenten nach dreieinhalb Stunden beendet, der irrt. Der Präsident nimmt sich Zeit für eine zweite Runde. Man kann ihm sicher nicht nachsagen, er habe den Ernst der Situation nicht verstanden.

La Cholère, die Wut der Menschen draußen, hat er damit ebenso sicher (noch) nicht beendet. Zumindest nicht jener, die frierend weiter auf dem Dorfplatz von Bourgtheroulde ausharren. Aber vielleicht hat er einige Zuschauer der landesweiten Liveübertragung im Fernehen erreicht. Vierzig Prozent aller Franzosen wollen sich in den kommenden Wochen an der Debatte beteiligen, hat eine Umfrage ermittelt. Denen ist Macron die angekündigten Lösungsvorschläge schuldig, die muss er überzeugen. Gut möglich, dass es dafür nicht ausreicht, in einer nahezu hermetisch abgeschirmten Dorfturnhalle mit Bürgermeistern zu diskutieren. Gut möglich, dass er dafür selbst auf die Plätze und zu den Menschen gehen muss.

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Robert Müller | Do., 17. Januar 2019 - 13:19

Erst mal vorne weg: Der Text liest sich so, als ob der Autor tatsächlich vor Ort war. Zum Inhalt: Ich hatte hier vor einiger Zeit geschrieben, dass Macron sich nicht nur den "großen" Themen widmen sollte, sondern auch die Provinz reformieren müsste. Es könnte sein, dass er genau das vorhat. Vielleicht hat er ja erkannt, dass es nicht reicht Geld zu verteilen, die Ursachen der Misere müssen reduziert oder beseitigt werden. Oder das Ganze ist nur show für die Zuschauer. Vielleicht auch beides, das wäre dann eine win-win-Situation.

Joachim Wittenbecher | Do., 17. Januar 2019 - 13:28

….. nötig zu sein scheinen, deutet allein schon auf einen schwerwiegenden Systemdefekt hin. Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass eine freie und pluralistische Presse sowie funktionierende Volksvertretungen (kommunal/regional/national) die Probleme der Menschen vor Ort registrieren, kommunizieren und beim Gesetzgeber Lösungen einfordern. Das heißt, vorrangig versagen traditionelle Medien (ÖR und Tagespresse) und gewählte Volksvertreter. Letzteren scheint die eigene Karriereplanung überaus wichtig zu sein. Speziell bei der Tagespresse scheint mir der Kostendruck der intensiven Recherche enge Grenzen zu setzen. Guter Rat: teuer.

Stimme Ihnen voll zu. Ihre Aussage bezieht sich hoffentlich nicht nur auf Frankreich. In unserem Land sieht es nicht viel besser aus. In kleineren
Ortschaften sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Es gibt nichts mehr was die Jugend hält. Wen interessiert das?
MfG
M.U.Bhatia

sie haben recht - alles gesagte trifft auch für Deutschland zu. Speziell für Deutschland ist das Sterben der Gasthäuser - diese waren ein sozialer Mittelpunkt - auf das äußerste besorgniserregend. Aber anscheinend interessiert das niemanden. Viele Grüße J.W.

Ernst-Günther Konrad | Do., 17. Januar 2019 - 13:50

Macron machte den gleichen Fehler wie unsere Politiker ihn immer noch tun. Abgehoben, reailtiätsfern und arrogant hat er offenbar geglaubt, er hätte die allein seelig machenden Erkenntnisse. An wen erinnert mich das gerade? Ist Macron heimlich bei der AFD? Die hatten das von anbeginn an im Osten so gemacht, wenn auch denunziert und verunglimpft durch die "Nazigegner" und nur unter Polizeischutz möglich, dem Volke einfach mal auf's Maul geschaut. Und ja, man kann es nicht allen recht machen, aber vielen, vielleicht sogar den allermeisten. Und was ist hier nach dem Wahldebakel für die etablierten Parteien? Hier geht das sprachliche Aufrüsten immer weiter, zeigt der Staatsfunk keinerlei Interesse zu neutraler Berichterstattung zurück zu kommen, wird zur Wahlbeeinflussung mal schnell eine Partei, die gefährlich werden könnte bei den nächsten Wahlen zum Prüffffall erklärt. Es muss weiter beobachtet werden, ob Macron nur Placebos verteilt oder sein Volk anerkennt und für dieses regiert.

Das immer neue Aufrüsten der Staatsparteien und des Staatsfunks und -fernsehens gegen eine zugelassene Partei bis hin zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz wäre in Frankreich unvorstellbar!
Die Bürger sind dort wesentlich "wacher" als bei uns.
Im Herunterreißen jeglicher Masken und im Kämpfen für die eigenen Interessen macht den Franzosen niemand etwas vor.
Merkel hätte sich dort nicht über eine Legislaturperiode hinaus an der Macht gehalten.
In Deutschland lassen sich viel zu viele Menschen bange machen und vertrauen der
"Obrigkeit", ganz im Gegenteil zu Frankreich und auch England, wo sich gerade beim Brexit-Votum gezeigt hat, daß eine Mehrheit bereit ist, R i s i k e n einzugehen, um damit Freiheit und Selbstbestimmung zu retten.

Gott sei's geklagt:
Im Durchschnitts-Deutschen steckt immer noch viel von einem
Diederich Heßling, den Heinrich Mann in seinem "Untertan" so herrlich
karikiert hat.

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 17. Januar 2019 - 13:50

und sie bleibt hoffentlich nicht hermetisch.
Im Übrigen denken Sie an den ermordeten Bürgermeister von Danzig.
Ob initiiert von irgendwem oder eigenständig, so etwas findet leider Nachahmer.
Frankreich darf da übrigens in Bezug auf Volksnähe insgesamt mitmachen, dann erübrigen sich nämlich auch Revolutionen?
Sicher man kann sich lustig machen darüber, dass die Deutschen ersteinmal ein Ticket lösen, bevor sie mit der Bahn zur Revolution nach Berlin fahren, aber das ist eher allgemeine-Regel-orientiert als obrigkeitshörig.
Herr Lafers schliesst sein Restaurant und will näher an die speisende Bevölkerung heran.
Gefällt mir.

wolfram Wiesel | Do., 17. Januar 2019 - 13:54

Wir können nur wünschen und hoffen, dass es Macron gelingt, die Probleme in Frankreich zu lösen, mindestens abzumildern. Wir werden ihm dabei helfen müssen. Wie? Nun ja, er wird mehr Schulden machen müssen und wir sollten gnädig darüber hinwegsehen. Unsere fast 1000 Mrd. TARGET2-Gelder sind ohnehin weg, da kommt es auf etwas mehr Schulden in Frankreich auch nicht mehr an. Und richtig ist ja der Satz:"Allerdings: Angela MERKEL bekäme vom Deutsdhen Städte- und GemeindeBund -----usw." das Gleiche gesagt.
Zugegeben: ganz so schlim ist es in Deutschland nicht, aber wir sind auf gutem Wege das sog. "Subsidiaritäts-Prinzip" zu verwässern.
Und: die Zentrale beschließt und die "unten" können sehen wie sie es geregelt und finanziert bekommen.

mal unter Wikipedia "Staatsschulden Deutschland" nachschauen und die Entwicklung der Staatsverschuldung Deutschlands zur Kenntnis nehmen. Anders als es uns suggeriert wird, ist Deutschland leider nicht mehr in der Lage, große Geschenke zu verteilen. Sobald die Konjunktur beendet ist und die Zinsen wieder steigen ist es vorbei mit den Überschüssen, die im Übrigen zum Teil auf dem unfreiwilligen Zinsverzicht der deutschen Sparer beruhen. Der Schuldner hat solange Geld, solange die Geldgeber nicht die Daumen senken und ihn für Pleite erklären.

Wolfgang Tröbner | Do., 17. Januar 2019 - 14:19

Es kann allenfalls nur ein erster Schritt sein, mit Bürgermeistern zu diskutieren. Macron wird nicht darum herumgekommen, auch mit den "Menschen da draußen", insbesondere auch mit den Gelbwesten zu sprechen. Und zwar nicht in einer hermetisch abgeschirmten Umgebung. Dazu braucht es aber persönlichen Mut, den ich bei Macron beim besten Willen nicht entdecken kann. Mir scheint, dass er persönliche Begegnungen mit dem Volk scheut wie der Teufel das Weihwasser. Aber das kennen wir hierzulande ja zur Genüge. Mit dem "Pack" oder "Pöbel" will man eben nichts zu tun haben.

was ich ähnlich sehen würde. Monsieur hat sich nicht getraut,
vor den Bürgern wollte er sprechen, die Bürgermeister sind es geworden. Warum dann der Wahsinnsaufwand in einem Dorf?
Die hätte er auch in den Palast einladen können. Oder wäre das nun zu dekadent rübergekommen?

Norbert Schnitzler | Do., 17. Januar 2019 - 15:38

Mich erinnert das an den Weihnachtsmarktbesuch Helmut Schmidts mit Erich Honecker in Güstrow. Sicherheitsbedenken kann ich verstehen, ihr Fehlen hätte mich in ähnlicher Situation irritiert (ich habe schon Seyran Ates und Hamed Abdel Samad live gehört). Aber das bedeutet nicht Ausschluss der Öffentlichkeit, denn notfalls kann man selbst durch ein Gitter hinweg einen freien Dialog führen.

Was ich auch schon erlebt habe, sind Fanatiker oder Experten, die mit langen (Ko)referaten ermüden, sobald sie das Wort haben. Leider ist aber Macron auch nicht fähig, sich kurz zu fassen, wie soll man es dann von anderen verlangen?

Frank Linnhoff | Do., 17. Januar 2019 - 17:56

Es ging hier allein um eine Anhörung von Bürgermeistern kleiner Gemeinden aus der Normandie, bei welcher sich E. Macron ein Bild machen wollte über die Wünsche der Landbevölkerung. Tatsächlich sind die Bürgermeister die richtige Adresse, um sich zu informieren. Derzeit liegen in allen Gemeinden Frankreichs bei den Bürgermeistern ein Buch aus, in welchem jeder Bürger zu jedem Thema Stellung nehmen kann. Eine Kommission wird den Inhalt der Stellungnahmen sichten und zusammenfassen. Danach soll es eine öffentliche Diskussion mit Vertretern aus dem Volk geben.

Ich halte diese Vorgehensweise für durchaus richtig.

Dimtri Gales | Do., 17. Januar 2019 - 19:55

dann wird der Druck auf Macron zur Auflösung der Nationalversammlung und wohl zu Neuwahlen führen, oder zur "Cohabitation", aber nicht mit den Sozalisten - die sind politisch tot -, auch nicht mit den Konservativen - äusserst geschwächt und unbeliebt -, sondern mit Le Pen. Seit seiner Amtseinführung macht er Fehler, sagt Dinge, die man in Frankreich nicht sagen sollte, die Franzosen fühlen sich durch ihn beleidigt und grob brüskiert; er verstärkt den Eindruck eines politisch unreifen Präsidenten, manche Beobachter sprechen sogar von einer unreifen Persönlichkeit. Macron hofft, durch eine Art Beschäftigungstherapie Zeit zu gewinnen und zu verhindern, dass der Konflikt mit dem Volk zum Dauerzustand wird. Er hofft, dass die Neigung der Franzosen zum debattieren beruhigend wirkt; aber das dürfte wohl eine Fehlkalkulation sein. Zumal er seine Politik nicht ändern wird.

Sepp Kneip | Do., 17. Januar 2019 - 20:28

Das abgehobene Gekrähe eines Gockels, der seine Hühner erst gar nicht an sich heran lässt. Die Distanz Macrons zum Bürger wird immer deutlicher. Die Franzosen ahnen, dass ihr Präsident mit seinem falschen Charme die Bürger einwickeln will. Man nimmt ihm nicht mehr ab, was er verspricht. Er darf gar nicht so handeln, wie er es den Leuten vorspielt. Macron ist genau so Gefangener der transatlantischen Strippenzieher wie Merkel. Er wurde von diesen wie ein Phönix aus der Asche emporgehoben. Jetzt muss er liefern. Das Volk, also die Bürger, haben da nicht mitzureden. Die stören nur. Also werden sie außen vor gehalten. Die Gelbwesten werden es erkennen und weiter machen.

Martin Lederer | Do., 17. Januar 2019 - 21:01

Und die hat aus ihrem ersten Leben im pazifistisch-linken Gutmenschenland gelernt.

Dieter Erkelenz | Fr., 18. Januar 2019 - 07:35

Ich bin da komplett anderer Meinung als die hier im Forum vertretenen Ansichten.
Ich bin oft in Frankreich, hauptsächlich in der "Provinz" und habe viele französischen Freunde.
Wenn hier behauptet wird, Macron fehle der "persönliche Mut" und er "scheue Volkesnähe", so sind das Allgemeinplätze, die nicht durch Fakten
belegt werden können, sondern nur medialer Sensationsgier und Rechthaberei entsprechen - wie hier teilweise auch. Ich habe anderes erlebt (das hier zu berichten würde m.E. den hier vorgegebenen Diskussionsrahmen sprengen).
Macron bemüht sich und wird nicht zuletzt von seiner tatkräftigen Frau unterstützt. Wie sagt einer meiner Freunde: Wir Franzosen sind generell unzufrieden, wissen aber (noch) nicht was wir teilweise eigentlich konkret wollen und wen wir an die Staatsspitze wünschen! Bonne chance!

Sepp Kneip | Fr., 18. Januar 2019 - 10:20

Antwort auf von Dieter Erkelenz

Aus welcher Bevölkerungsschicht kommen Ihre Freunde? Sicher nicht aus der, die es für richtig halten auf die Straße zu gehen, da es ihnen an vielem mangelt. Oder aber, die es einfach satt haben, von oben herunter behandelt und nur als nützliches Stimmvieh angesehen zu werden.

Dimtri Gales | Fr., 18. Januar 2019 - 11:09

Antwort auf von Dieter Erkelenz

und das merken die Leute - in jeder Hinsicht. Er meint, durch geschliffene Reden das Volk beeindrucken zu können. Er wirkt unreif wie ein ewiger Student; er lebte ja bisher privilegiert und geschützt. Im Volk kommt sogar beissender Spott auf. So habe ich neulich einen französischen Intellektuellen gehört: "Da kommt Ödipus mit seiner Mama". Gemeint ist der Präsident und seine wesentlich ältere Lebensgefährtin.

Wolfgang Selig | Fr., 18. Januar 2019 - 11:18

Antwort auf von Dieter Erkelenz

@Hr. Erkelenz: Vielen Dank für Ihren ausgewogenen Beitrag und Ihre Landeskenntnisse.

Könnte es sein, dass es den Franzosen ähnlich wie den Briten geht, nur dass anstelle des Brexits im Vereinigten Königreich die französische innenpolitische Ausrichtung vollkommen unklar ist, d.h. die Franzosen wissen nur, was sie NICHT wollen, aber leider nicht, was sie wollen? Mir kommt das inzwischen so vor, dass die Gelbwesten viele Dinge ablehnen, aber wenige Lösungen konkret vorschlagen. Ich habe aber keine persönlichen Landeskenntnisse und mag mich irren.

Sepp Kneip | Fr., 18. Januar 2019 - 15:30

Antwort auf von Wolfgang Selig

Ist es nicht schon sehr viel, zu sagen, was man nicht will? Oft ergibt sich aus den Ablehnungen doch das, was man will. Ich glaube schon dass die Gelbwesten Macron klar machen, was sie wollen: Gehört und respektiert zu werden. L'etat c'est moi, est passé.

Dieter Erkelenz | Sa., 19. Januar 2019 - 06:28

Antwort auf von Wolfgang Selig

Da bin ich exakt Ihrer Meinung, Herr Selig!

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 18. Januar 2019 - 17:20

Antwort auf von Dieter Erkelenz

So hatte ich Macron auch eher eingeschätzt, nachdem ich mich durch sein mediales Bild als Napoleon durchgearbeitet hatte.
Im Gegenteil empfinde ich bei ihm einen hohen Respekt vor den politischen Institutionen und der Würde des Amtes, das er innehat.
Wenn er das ausgiebig gewürdigt hat, wird er sich wahrscheinlich besser öffnen können und vor allem die Franzosen für die Politik begeistern können, indem er sie ihnen durch sich selbst vor Augen führt und erklären kann.
Ich bin weit davon entfernt, Macron zu einem politschen Heiland machen zu wollen, aber dieses unmittelbar Berührende und Überzeugende hat er.
Ich war auch ganz erstaunt und freue mich, meine vor allem durch die Medien erzeugten Vorbehalten gegen ihn aufgegeben zu haben.
Man wird aber hoffentlich auch mal anderer Meinung sein dürfen als er:)

Michael Murmurachi | So., 20. Januar 2019 - 09:26

Antwort auf von Dieter Erkelenz

In einer Beurteilung eines Mitarbeiters ist diese Formulierung ein vernichtendes Urteil. Für Macron nicht weniger.

Macron hat nicht erkannt, dass die Bürger Dialog und Taten erwarten. Was er da in der Provinz organisiert hat ist ein Treffen des Hochadels mit dem niederen Adel, wie vor sehr langer Zeit hält der Fürst Audienz. Das wird ihn nicht retten…

Ursula Horvath | Fr., 18. Januar 2019 - 08:21

vor dreisig Jahren bedurfte es solcher Showveranstaltung nicht, weil es wahrscheinlich noch Politiker gab, die die Bodenhaftung nicht ganz verloren hatten. Das alles ist kein Ausdruck für Volksnähe sondern eher aus der Angst gespeist, das Volk gänzlich aus den Augen zu verlieren und das große "TIER" dann nicht mehr berechenbar ist!

Reinhard Czempik | Fr., 18. Januar 2019 - 09:59

Frankreich ist ein zentralistischer Staat mit einer streng hierarchischen Struktur in der staatlichen Administration ebenso wie in der freien Wirtschaft.Ich habe mir von französischen Freunden erklären lassen, dass es als Beförderung gilt, wenn man als Nicht-Pariser den gleichen Posten, z.B in der Post, in Paris angeboten bekommt. Macron hat hier u.a. mit genau den Problemen zu kämpfen, die sich aus dieser Struktur ergeben. So gesehen hinkt der Vergleich mit der BRD als föderaler Staat ein wenig. Gleich bleibt bei uns wie in Frankreich die Abgehobenheit der meisten Politiker. Ausnahmen wie Frau Giffey bestätigen die Regel. Sprach man schon früher vom "Raumschiff Bonn" , so wurde dieses lediglich ersetzt durch die "Blase Berlin".

Gerhard Lenz | Fr., 18. Januar 2019 - 10:07

..um die Proteste der Gelbwesten zu beenden. Allerdings ist es höchste Zeit, zu relativieren: Die Gelbwesten mögen zum Teil gerechte Anliegen präsentieren, zum anderen Teil geht es auf der Strasse aber um prinzipiellen Widerstand von rechten und linken Aktivisten gegen einen seit seiner Wahl verhassten Präsidenten. Dieser Teil der Gelbwesten fühlt sich im Aufwind: Seitdem Macron Zugeständnisse gemacht hat, glaubt man sich bei den Extremisten in der Lage, immer neue Forderungen zu stellen, bis hin zu Macrons Rücktritt. Macron mag zwar unter sinkenden Popularitätswerten leiden, ist aber immer noch der vom Volk gewählte Präsident - während die Gelbwesten, die nach Umfragen an Zustimmung verlieren - zumindest mit ihrer Radikalität nicht das Volk vertreten. Im Grunde wären die Proteste der radikalen Fraktion unter den Gelben nur durch Macrons Rücktritt zu beenden. Der aber ist absolut indiskutabel.

Mag sein, daß die Gelbwesten das Volk nicht vertreten, die Krise kommt aber in erster Linien daher, daß die Nationalversammlung, aufgrund des Mehrheitswahlrechts, eine total verfälschte Repräsentation des Wahlvolkes darbietet: mit 11 Millionen Stimmen hat die RN (die absolut nichts mit der rechtsextremen AfD zu tun hat, und eher den gesunden Menschenverstand des Mittelstandes vertritt) nur 7 Abgerordnete, Sie haben gut gelesen: 7! Nicht mal genug um eine Fraktion zu bilden. Macron ist mit 16% der Wahlberechtigten im ersten Urnengang an die Macht gekommen. Andere Oppositionparteien haben gleichzeitig mit der RN 50% der Wähler gesammelt, insgesamt haben sie 27 von 577 Abgeordneten! In diesem Skandal, der den Deutschen nicht erklärt wird, liegen die Wurzeln der Krise: in einer Demokratie muß die Debatte im Parlament stattfinden, nicht auf der Straße. Wer aber die Mehrheit im Land ist, im Parlament aber fast nicht vertreten wird, trägt die Konfrontation auf die Straße aus.

Gerhard Lenz | Sa., 19. Januar 2019 - 16:20

Antwort auf von Sergio Ducroux

..führt nun mal zu den Auswirkungen, die Sie beschrieben haben. Vor Jahren hatten die britischen Liberal Democrats bei Parlamentswahlen 25% der Stimmen, was Ihnen lediglich 3% der Abgeordneten einbrachte. Frankreich ist also durchaus kein Einzelfall.
Die mangelnde Zahl von Abgeordneten des Front Nationals als Grund für die Strassenproteste zu nennen, ist allerdings eine ziemlich abenteuerliche These. Die Partei des FN ist, da älter, sicher konsolidierter, sie hat beispielsweise ein Sozial- und Rentenkonzept, während Meuten und Hoecke in der AfD noch darüber streiten, ob solches in Deutschland marktorientiert oder nationalistisch geprägt sein sollte. Gleichwohl gibt es bei der ideologischen Ausrichtung kaum Unterschiede: Auch der FN ist rechtsnationalistisch, rechtspopulistisch oder rechtsextremistisch, gleich, wie sie Ihn bezeichnen mögen. Vergessen Sie nicht: Macron wurde gewählt, weil die Franzosen Le Pen mehrheitlich klar ablehn(t)en.

Sergio Ducroux | Fr., 18. Januar 2019 - 14:13

Artikel ziemlich oberflächlich und häufig faktisch falsch. Z.B.: Le Pen als "extreme Recht" zu etikettieren ist typischer Journalistenautomatismus, von Leuten die nie ihr Programm gelesen haben. Man finden darin keinen einzigen Vorschlag, der als "rechtsextreme" gebrandmarkt werden könnte. Vergleichen Sie mal mit der AfD bitte, und seien Sie ein bißchen ehrlicher. Die FN - jetzt RN -hat mit 11 Millionen Wählerstimmen nur 7 Abgeordnete in der Nationalversammlung. 50 % der Franzosen - die Wähler vom RN, la France Insoumise von Mélenchon und Nicolas Dupont-Aignan (Debout la France) machen insgesamt 50 % der Franzosen, haben aber insgesamt 27 Abgeordnete (von 577). Suchen Sie nicht anderswo die Ursache der französischen Krise: das Mehrheitswahlrecht macht, daß Macron mit 24 % der Wähler im ersten Wahlgang (= 16 % der Wahlberechtigten) gewählt worden ist. Das ist keine Demokratie, keine Repräsentativität. Marine Le Pen ist zwar ziemlich miserabel gescheitert, hatte aber 33 % der Wähler.

Dr. Florian Bode | Fr., 18. Januar 2019 - 15:44

Madame lässt sich nur zu inszenierten Fragestunden im Parlament herab.

Dieter Hegger | Sa., 19. Januar 2019 - 15:49

...... gehen sie über die Straße und schon haben sie einen neuen Job gefunden.