Vier "Gelbwesten" wärmen sich in ihrem Protestcamp nahe Straßburg an einem Lagerfeuer.
Seit November protestieren die Gelbwesten gegen die Politik Emmanuel Macrons / picture alliance

Gelbwesten-Proteste - Frankreich legt den Finger auf den wunden Punkt

Die französischen Gelbwesten geben keine Ruhe. Was treibt sie an? Tatsächlich geht es um mehr als nur Geld. Die globalisierte Wirtschaft mit ihren Ansprüchen an Flexibilität und Mobilität isoliert die Menschen und desorganisiert die Gesellschaft

Autoreninfo

Werner Vontobel ist Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Publizist in der Schweiz.

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Wer dereinst das Ende der globalisierten Marktwirtschaft verstehen will, muss in Frankreich ansetzen. Dort hat Ende 2018 eine scheinbar harmlose politische Entscheidung – die Erhöhung des Preises für Diesel um 6,5 Cent – zu einem kollektiven Aufschrei geführt. Alle drei Schwachpunkte dieser Wirtschaftsordnung: Umwelt, Mobilität und Verteilung, sind schlagartig sichtbar geworden und haben den Aufstand der Gelbwesten provoziert. Mit seiner Fernsehansprache hat der französische Präsident Emmanuel Macron gezeigt, dass die Elite die Botschaft nicht verstanden hat – auch das ist typisch.

Eines der größten Probleme: Die globalisierte Marktwirtschaft verteilt ihre Profite so, dass das System nicht lange überleben kann. In Frankreich kassieren die reichsten 10 Prozent der Haushalte laut der World Inequality Database 35 Prozent aller Einkommen vor Steuern gegenüber lediglich 22,4 Prozent für die ärmste Hälfte. Damit ist Frankreich ein relativ egalitäres Land, vergleichbar in etwa mit der Schweiz.  

Mobile Bevölkerung

Aber bei dieser Verteilung wäre nach nur einer Generation die Hälfte der Bevölkerung verhungert, wenn nicht der Staat den Reichen wieder etwas wegnimmt. Sofern er sie erwischt. Macron hat dieses Problem in seiner Fernsehansprache ausdrücklich erwähnt: Er könne die Vermögenssteuer nicht wieder einführen, weil sich gezeigt habe, dass die Reichen das Land dann einfach verlassen. 70 Sekunden später beschwört der Präsident eindringlich die Einheit der Nation: „Vive la France!“ Gemeint war vermutlich: Wenn sich die Reichen mit der Beute davon machen, müssen wenigstens wir Ortsgebundenen zusammenhalten.

Ortsgebunden? Ortsvertrieben! Im globalisierten Markt gibt es nämlich noch eine zweite mobile Schicht: Menschen, die im Banlieue leben. Sie können sich die Mieten leisten, weil sie bereit sind, auf engstem Raum in Bruchbuden zu wohnen. Und wenn dann die heruntergekommenen Quartiere luxussaniert worden sind, zieht die Oberschicht ein. Der Mittelstand muss in die Provinz ausweichen, wo es aber immer weniger Jobs gibt. Dieser doppelte Hebel von Einwanderung und einseitiger Verteilung hat in kurzer Zeit halb Frankreich umgesiedelt. 

Leben, statt Überleben

Auch Julie, ihre kleine Tochter und ihr Mann sind beispielhaft betroffen. Sie haben sich in in einem Vorort von Paris einen Pavillon gekauft. Sie verdienen zusammen etwa 2.350 Euro netto. Hypozins und Amortisation verschlingen 950 Euro, ihre zwei Dieselautos weitere 600. Ein Holzofen spart Stromkosten, Gemüse und Eier kommen aus dem eigenen Garten. Neue Kleider oder gar Ferien liegen nicht mehr drin. Sie hat Probleme mit den Zähnen, er mit den Augen, doch das muss warten. „Wir beginnen jeden Monate mit einem Minus von 500 Euro“, berichten sie der Liberation.

Die Wirkung der Gelbwesten beruht auch darauf, dass solche Geschichten inzwischen zu tausenden auf allen Kanälen und am Lagerfeuer der Straßensperren weiter erzählt worden sind. Der Refrain ist immer derselbe: Wir wollen endlich wieder leben, statt nur noch zu überleben. Die Franzosen beginnen zu ahnen, dass sie deshalb am Monatsende keine Suppe mehr auf den Tisch kriegen, weil andere – Kader, Sportstars, Fondsmanager – diese schon mit der ganz großen Kelle ausgelöffelt haben. Historiker werden die heutige Wirtschaftsordnung wohl mal so veranschaulichen: „Um einen Federer oder Ronaldo im Fernsehen bewundern zu können, hat man je etwa 40.000 Arbeitskräfte auf den Mindestlohn gesetzt. Von nichts kommt nichts, there is no free lunch, wie man damals sagte.“

Materielle Versorgung gegen soziale Verarmung

Doch es geht nicht nur um Geld, sondern auch darum, dass die globalisierte Wirtschaft mit ihren Ansprüchen an Flexibilität und Mobilität die Menschen isoliert und die Gesellschaft desorganisiert. 60 Prozent der Neueinstellungen in Frankreich sind auf einen Monat oder weniger befristet. Neben 9,3 Prozent Arbeitslosenquote gibt es in den Marktgesellschaften noch rund 20 Prozent Arbeitsnomaden, die immer auf der Suche nach dem nächsten Job sind. Das trifft vor allem die Jungen, die eigentlich mal eine Familie gründen wollten.

Genau diese Entwicklung hat der ungarisch-amerikanische Ökonom Karl Polanyi 1944 vorausgeahnt. In seinem Buch „The Great Transformation“ analysiert er, was einer Gesellschaft droht, wenn Arbeit und Boden zu handelbaren Gütern werden. Mit der Folge, dass das „Prinzip des Eigennutzes“ die auf Gegenseitigkeit beruhenden sozialen und ökologischen Bindungen der vorkapitalistischen Gesellschaft ausgehöhlt hat. Mit der großen Transformation sei die Menschheit einen faustischen Pakt eingegangen: Tausche eine deutlich bessere materielle Versorgung gegen das Risiko der sozialen Verarmung.

Um diese Gefahr zu begrenzen, müsse die Marktwirtschaft erstens „institutionell eingebettet“ werden. Zweitens gelte es, die Institutionen der solidarischen Wirtschaft intakt zu halten. Gemeint sind damit Familien, Nachbarschaften und Genossenschaften. Diese Einbettung ist mit dem Aufbau des Sozialstaats in den ersten Nachkriegsjahrzehnten einigermaßen gelungen. Damals wurden auch die Theorien vom Allgemeinen Gleichgewicht verfeinert. Sie werden heute noch gelehrt. Danach beschleunigt der Wettbewerb den technologischen Fortschritt und sorgt dafür, dass sich dieser in steigenden Wohlstand für alle verwandelt. Zum Gleichgewicht gehört auch, dass der Markt mit seinen Löhnen und Dividenden immer genau die nötige Nachfrage schafft. 

Macron ist bereit zu zahlen

Doch ökonomische Gesetze gelten, wie der Wirtschaftshistoriker Paul Bairoch angemerkt hat, immer nur unter bestimmten, nicht abschließend bekannten Rahmenbedingungen. Verläuft der Markt nicht mehr gemäß Lehrbuch, stellt sich die Frage, welche veränderten Rahmenbedingungen daran schuld sein könnten. Folgt man Macron und dem Mainstream, liegt es an den „verkrusteten“ Märkten, die „flexibilisiert“ werden müssen, wozu es „Strukturreformen“ brauche. 

Folgt man hingegen Polanyi, drängt sich eine andere Erklärung auf: In einer durchflexibilisierten Marktwirtschaft wird bezahlte Arbeit immer mehr zur einzigen Chance, das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit zu stillen. Zugleich bewirkt der technologische Fortschritt, dass die materiellen Bedürfnisse mit immer weniger Arbeit befriedigt werden können. Dadurch wird die bezahlte Arbeit zum knappen Gut. Die Unternehmen können sich dann nicht nur für ihre Produkte bezahlen lassen, sondern auch für die Arbeitsplätze, die sie „schaffen“ oder auch nur nicht verlagern. 

Und Macron ist bereit, zu zahlen. In seiner Rede, mit der er eigentlich den Zorn der Massen besänftigen wollte, hat er den Unternehmen weitere Zugeständnisse gemacht: Mit der Befreiung der Überstunden von allen Steuern und Abgaben hat er die Arbeit verbilligt – und zugleich die Arbeitslosen vor den Kopf gestoßen: Überstunden sind nun für Arbeitgeber attraktiver als Neueinstellungen. 

Auch die Erhöhung des Mindestlohns um 100 Euro soll die Unternehmen keinen Cent kosten. Der Staat übernimmt. Die Zeche beläuft sich auf und 10 Milliarden Euro, dabei hatte die Regierung schon 40 Milliarden Euro für Lohnsubventionen eingeplant: Alle Löhne bis 2.550 Euro sollen durch den Erlass von Sozialabgaben um 10 Prozent, die bis 4.000 Euro um 6 Prozent verbilligt  werden. Im globalen Markt müssen die Unternehmen nicht einmal für das Existenzminimum aufkommen. 

Das Geld der Reichen lockt

Doch genau deshalb fehlen auch die Jobs. Mit einem Mindestlohn, der auch nächstes Jahr noch um das sechsfache unter der Stundenproduktivität von 55,2 Euro liegt, schafft man keine Nachfrage. Was sich der französische Konsument mit 1.600 Euro leisten kann, lässt sich mit 8 Wochenstunden Arbeit herstellen. In Deutschland und erst recht in Italien, Spanien oder Griechenland ist die Kluft zwischen Produktivität und Massenkaufkraft noch größer. Sogar die Schweiz, wo die Produktivität „nur“ etwa um das Vierfache über den tiefsten Löhnen liegt, braucht riesige Exportüberschüsse, damit sie  ihre Produktionskapazitäten und Arbeitskräfte auslasten kann.

Doch anders als in der eingebetteten Marktwirtschaft spielt im globalisierten Markt die einheimische Massennachfrage in der globalisierten Wirtschaft nur eine Nebenrolle. Nach der neuesten Studie von Bain & Company wächst der globale Luxusmarkt jährlich um rund 5 Prozent und beläuft sich aktuell auf 1.200 Milliarden Euro. Die Oberschicht wird bedient von Multis, die dort verkaufen, wo die Kaufkraft ist. Und die dort produzieren, wo die Arbeit zurzeit gerade am billigsten ist und die Steuern am niedrigsten. 

Ein zweiter stotternder Jobmotor der globalisierten Wirtschaft ist die „Flexibilisierung“. Sie sorgt dafür, dass wir immer weniger Zeit für Freizeit haben. Da trifft es sich gut, dass die Regierung die niedrigen Löhne von den Soziallasten befreit und so einen Markt für Millionen von Pizzakurieren, Putzkräften und so weiter schafft.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Unsere flexibilisierte Gesellschaft hängt wie ein Süchtiger am immer dünneren Faden der bezahlten Arbeit. „Sozial ist, was Arbeit schafft“, sagen sogar die (deutschen) Sozialdemokraten. Sie sprechen damit – ganz im Sinne von Polanyi  – das Bedürfnis nach sozialer Teilhabe an. Aber anders als Polanyi können sie sich nicht mehr daran erinnern, dass es ein soziales Leben außerhalb der Marktwirtschaft gibt, oder dass man auch diese sozialverträglich gestalten könnte – wenn da nicht die Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit wäre.

Inzwischen haben die Gelbwesten schon mal improvisiert: Mit ihren Straßensperren, den Lagerfeuern und Suppentöpfen haben sie ausgerechnet die anonymen Landstraßen zu Orten der Begegnung gemacht. Endlich wieder mal ein Gemeinschaftserlebnis. Das ist zwar auch keine Lösung, aber immerhin schon mal ein Symbol.

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Joachim Wittenbecher | Di., 15. Januar 2019 - 16:09

Lesenswerter Artikel von Werner Vontobel. Ansonsten bin ich ratlos. Ich frage mich in letzter Zeit, ob der wirtschaftliche Umbruch Anfang der 1980er Jahre nicht nur eine Korrektur des wirtschaftlichen Kurses war, sondern ein ganz einschneidender Systemwechsel in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Nicht sofort in voller Tragweite bemerkt und nicht in diesem Sinne thematisiert. Aber ein extremer Kontinuitätsbruch mit der Entwicklung der westlichen Demokratien seit 1945. Dieser Systemwechsel könnte vielleicht erklären, warum parallel dazu die Meinungsvielfalt abgestorben ist, warum die Volksparteien - auf dem vorherigen System begründet - seltsam ideenlos, uninspiriert und blutleer erscheinen und einen Niedergang erleben. Sind die Irrungen und Wirrungen, denen wir uns täglich gegenübersehen (Brexit, Trump, Zerfall von EU und NATO u.s.w) vielleicht die Vorboten einer revolutionären Situation? Revolutionäre Situation mitten im angeblichen Frieden, mitten im angeblichen Massenwohlstand?

Matthias Eberbach | Di., 15. Januar 2019 - 16:31

... aber der Staat sind in diesem Fall die steuerzahlenden Bürger!!
Das Problem ist doch ganz einfach, dass der Staat immer höhere Sozialausgaben hat und die öffentliche Hand immer mehr leisten soll, aber die Reichen nicht zur Kasse gebeten werden. Folge ist, dass der Mittelstand die ganze Last zu tragen hat
Deshalb Mindestlöhne hoch, Steuerschlupflöcher schliessen, Sozialleistungen komplett auf den Prüfstand incl. einem Abstandsgebot von Hartz IV zum Mindestlohn, Eigenverantwortung fördern.

Petra Führmann | Di., 15. Januar 2019 - 17:24

Wachstum, Wachstum. Wachstum. Die Städte müssen angeblich wachsen, der Dax sowieso und natürlich die Umsätze. Ebenso hört man, dass darunter die Umwelt leidet, die Ressourcen endlich sind, eigentlich die meisten alles haben, was sie brauchen, also gar nicht mehr kaufen können und wollen, zumal die Gehälter nicht Schritt halten, die Preise aber davoneilen. Gleichwohl bekommen Staat und Wirtschaft den Hals nicht voll, sind nicht zufrieden mit dem, was ist, produzieren Arbeitslose, was die Aktionäre bejubeln... Die vielbeschworene Schere hält auch nicht auf, sich zu öffnen, die Gewinne werden weiter ins Ausland transferiert, und der kleine Mann soll alles klaglos hinnehmen und bezahlen. Dann kommen Leute und sagen, das Land ist reich, es ging uns noch nie so gut wie heute, wir können die ganze Welt aufnehmen und sollten endlich aufhören zu jammern. Jeder weiß alles, ändern tut sich nichts. Und die, die es zumindest anstoßen, Linke wie AfD, erden in Grund und Boden verdammt.

beatrix dechant | Di., 15. Januar 2019 - 18:00

Antwort auf von Petra Führmann

Dass ich nicht lache!!!
Von Links höre ich doch immer nur Verteilen, Geben, aber auch "Nehmen sie sich was ihnen zusteht" (sprach einst der österreichische ExBK Kern)!
Genau das ist es, was der Mittelstand dann berappen muss, was nicht ohne Ende so weitergehen kann!
Jeder nimmt, jeder hat ein Anrecht auf.... und leistet selbst????
Dann muss natürlich auch noch der überproportionale, Merkel´sche Zuzug unserer best ausgebildeten Ingenieure und Ärzte aus Afrika und dem Nahen Osten finanziert werden - inklusive Familiennachzug, inklusive Geld den Familien in die Heimat schicken, zu Lasten der Kaufkraft in Europa !!!
Das ist es, was heute AfD und Rechtsparteien in Europa stärkt!

Werte Frau Dechant,
selbstverständlich stoßen die Linken an, oder warum sollte sich sonst irgendetwas für die ärmeren verbessern? Der Staat organisiert im allgemeinen ist neben der Sicherheit, der Arbeit .... eben auch die Verteilung der erwirtschafteten Abgabenlast. Recht, liberale, sozialistische, nationale Regierungen verteilen eben unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, sie geben es den Ihren. Dass die Superreichen nun etwas stärker zur Kasse gebeten werden sollen, wenn es denn wirklich wieder mal eine mutige linke Regierung geben sollte, ist nicht tragisch. Die Damen und Herren können sich dann ja Ihre Charity Veranstaltungen sparen, ebenso "Ablassbriefe" jeder Art, die das schlechte Gewissen beruhigen sollen oder anderer Schillernder-Haftigkeiten wegen. Aber beruhigen Sie sich, die Mutigen sind selten. Deshalb werden wieder die üblichen Verdächtigen... bezahlen.

Maria Czerny | Di., 15. Januar 2019 - 17:29

"Um einen Federer oder Ronaldo im Fernsehen bewundern zu können, hat man je etwa 40.000 Arbeitskräfte auf den Mindestlohn gesetzt".
Sind es denn nicht gerade diese 40.000 Leute, die wegen Sinnentleerung Ihres Lebens unbedingt die Ballschlagmaschinen wie Federer oder die Fußballer von Real Madrid sehen wollen und dafür Ihr letztes Geld hingeben. Wenn so etwas einfach ignoriert würde, gäbe es auch keine Supersportverdiener. Ich denke, solche Sportler für die Misere verantwortlich zu machen, ist zu kurz gesprungen.
Es ist ja auch nicht so, dass es keine Arbeit gäbe. Jeder Gastwirt, jeder Klempner sucht händeringend Leute. Aber die mussten leider unbedingt Gender- oder Politikwissenschaften studieren und fallen beim Anblick eines Hammers in Ohnmacht. Die Aufgabe des Staates wäre es, vorausschauend die Bildung zu vermitteln, die für das zukünftige Arbeitsleben erforderlich ist. Dazu gehört auch eine sinnvolle Berufslenkung und nicht die Organisation von noch mehr "Irgendwas mit Medien".

Martin Hölliegl | Mi., 16. Januar 2019 - 19:29

Antwort auf von Maria Czerny

Momentan werden Brot und Spiele im Westen staatstragend erhalten. Da können Sie nicht nur 40Tsd, da können Sie Milliarden lenken. Glauben Sie mir, wichtig für diesen demokratischen Wertewesten sind Brot und Spiele und teile und herrsche. Ungemütlich wird es wenn die entsprechenden Verhältnismäßigkeiten nicht mehr austariert werden wollen.

Ralph Lewenhardt | Di., 15. Januar 2019 - 17:43

Nein, fehlende, verspätete, hilflose oder sogar völlig falsche Reaktionen der jeweiligen Regierungen und ihren Parteien auf die Globalisierung, ist in einem Land dafür verantwortlich. Und Fakt ist, nur eine mehrheitlich geschlossene und politisch solidarische Gesellschaft kann jetzt das Bollwerk sein. Deshalb der weise Artikel 20 (2) GG-Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Tut sie das in Deutschland noch? Mitnichten tut sie das-also bitte.......

Fritz Gessler | Di., 15. Januar 2019 - 17:52

ZWEI DIESELautos? reicht nicht ein auto - wenn schon das geld vorn und hinten nicht reicht? ein e-bike statt ein (umweltverpestendes) dieselauto wär viel billiger und abgabenfrei.
nur suspekter noch als die motive der 'gelbwestenbewegung' (champs elysee plündern und paris lahmlegen wegen einer dieselsteuer!!)) ist mir die sympathie deutscher ordnungsliebender bürger (aka AfD-wähler) für eine derartige krawallbewegung - deren forderungen monsieur macron leicht nachgeben konnte: DEUTSCHLAND wird nämlich die zeche zahlen müssen! genauso wie im fall der griechenland-nothilfe-milliarden.

Ernst-Günther Konrad | Di., 15. Januar 2019 - 18:11

Es stellt sich mir die Frage, wenn wir doch einerseits in Wohlstand leben, so will uns die Politik es uns weis machen, beim wem hat der Staat dann Schulden? Immerhin gehen regelmäßig Banken kaputt oder müssen gestützt werden. Ist dieser gesamte Finanzappart irgendwie nicht eine große "Luftnummer"? Börsen, Aktien, virtuelles Geld vielleicht nur eine Illusion?
Gibt es sog. Schulden und damit einhergehend die soziale Ungerechtigkeit nur, weil uns die Finanzwelt ein Märchen erzählt, um sich ihren eigenen Reichtum zu sichern? Arbeit durch Menschen verrichtet wird immer unmenschlicher und hat keine Wertschätzung mehr. Ist es diese Erkenntnis,was die Gelbwesten u.a. antreibt? Die Erkenntnis dass sie in einem Hamsterrad laufen und den Ausgang nicht finden und die Politik das Hamsterrad nicht anhalten will, es stattdessen noch anschiebt, damit es schneller läuft? Die Globalisierung hat sich verselbsständigt und vergisst den Menschen in Frankreich und auch hier in Deutschland. Überall.

Roland Kemmrich | Di., 15. Januar 2019 - 18:22

Selten so viel Unwahres und Unwissenschaftliches bei Cicero gelesen. Hohe Steuern und Überregulierung ist die Hauptursache für die abgehängte Mittelschicht und übrigens auch für die Finanzkrise.

Leonhard Bolschakow | Mi., 16. Januar 2019 - 01:38

Antwort auf von Roland Kemmrich

Das ist Unsinn. Man hat in den 80ziger Jahren mit der Deregulierung des Bankensystems in den USA begonnen. Geschäfts- und Investmentbanken konnten zu einer Bank zusammengehen und weiter Wachsen. Die Geldhäuser wurden zu groß, um Pleite zu gehen. Sie waren systemrelevant. In den 30ziger Jahren des vorigen Jahrhundert hat man nämlich die richtigen Konsequenz aus der Weltwirtschaft gezogen und eine Trennung durch den New Deal vorgenommen. Investment- und Geschäftsbanken konnten nicht zusammengehen. Das ist echt schon eine Frechheit von einer Überregulierung zu sprechen. Clinton hat die letzten Schutzmaßnahmen des New Deals beseitigt. Der Rest ist bekannt. Obama war zu schwach die richtigen Entscheidungen nach der Bankkrise 2008 zu treffen, Roosevelt nicht. Lernen, lernen popernen.

Stephan Hachmeier | Mi., 16. Januar 2019 - 02:22

Antwort auf von Roland Kemmrich

Tja, so einfach ist das :)
Schade nur, daß diese Erkenntnis bei den Auspressern und Überregulierern niemals ankommen werden wird :)

Frank Jäger | Mi., 16. Januar 2019 - 11:36

Antwort auf von Roland Kemmrich

ist das Unsinn. Die Deregulierung hat die Finanzkrise doch erst möglich gemacht!

Daniel Sunnus | Do., 17. Januar 2019 - 11:21

Antwort auf von Frank Jäger

Deregulierung, verstanden als Übernahme individueller Verantwortung, ist eine gute Sache. Diese gute Sache wurde durch die "Bewältigung" der Finanzkrise (sie dauert noch an) ad absurdum geführt. Die nicht enden sollende Banken- (EUR-) Rettung hat die Koppelung von Chance und Risiko aufgehoben und durch organisierte Verantwortungslosigkeit ersetzt. Auf Investorenseite wie seitens der demokratisch gewählten (EU-) Regierungen gegenüber ihrem Souverän. L'Allemagne paiera. Dies zu verhindern, war der Kerngedanke der gebrochenen No-Bailout-Klausel der Maastrichter Verträge.

Und was bitte heißt "systemrelevant"? Muss dann ein Volk, muss deshalb halb Europa für die Banken bluten? Dieses Argument greift zu kurz, weil nur die Finanzoligarchie Interesse am Erhalt jener Systemrelevanz hat.

Und was macht die "Linke"? Sie segnet alle Banken- (EUR-) Rettungsmaßnahmen ab und will stattdessen, zur Ausweitung ihrer Wohltaten (bishin zur Weltrettung), das arbeitende Volk noch mehr schröpfen.

Bryan Hayes | Di., 15. Januar 2019 - 19:22

Dieser strotzt ja nur so von linken Fake-Analysen, wirren Forderungen, Ursachen-Wirkungen-Vertauschungen etc.
Und verstanden hat der Autor weder etwas von Wirtschaft noch etwas von den Gelbwesten.
Sie sollten Ihre Autoren sorgfältiger aussuchen und die Artikel inhaltlich besser prüfen.

Bernhard K. Kopp | Di., 15. Januar 2019 - 19:38

Die französische Situation ist spezifisch. Es wäre die Aufgabe einer Regierung/Staatspräsident richtig einzuschätzen, was geht, und was nicht geht, und wie man Reformen sozial ausgewogen gestalten und überzeugend vertreten kann. Wenn das misslingt, dann helfen nur Neuwahlen. Mir scheint, dass Macron dem Ende nahe ist.

Sepp Kneip | Di., 15. Januar 2019 - 21:06

Die Gelbwesten offenbaren das Dilemma der Globalisierung, die aber immer noch als das non plus ultra der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik angepriesen wird. Sie hat versagt. Sie zerschlägt ein bewährtes Staats- und Gesellschaftssystem und teilt die Welt in zwei Hälften: Reich und Arm. Überflieger und Abgehängte. Wenn dann noch so ein arroganter Schnösel wie Macron daher kommt und die Abgehängten regelrecht beleidigt, muss das Fass ja überlaufen. Die Globalisierung hat das Politik- Wirtschafts- und Medien-Establishment derart vom Bürger entfernt, dass ein Aufschrei kommen musste. Bisher leider nur in Frankreich.

Genau so hat sich die Globalisierungs-Befürworterin EU vom Bürger entfernt. Auch hier könnte demnächst ein Aufschrei erfolgen. Im Mai mit den Wahlen zum EU-Parlament, das viele als überflüssigen Gelvernichter ansehen und das im Globalisierungswahn drauf und dran ist, die nationalen Parlamente zu entmachten. Wenn sich die EU nicht reformiert, wird sie nicht überleben.

Jens Schirner | Di., 15. Januar 2019 - 22:08

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin angesichts meiner Freude über viele kluge Beiträge des Cicero, die von freiem Denken statt ARD-Geplapper geprägt sind, überrascht über diesen Artikel in zweierlei Hinsicht:
Zum einen erinnert mich das spätpubertäre Geplapper von Kapitalismus, etc. stark an Spartakusbund und MLPD während meiner Studienzeit, die ja ähnlich wie Marx mit seiner historische völlig falschen historischen Analyse den Weg in den Orkus gefunden haben. Im Gegensatz zu den Beiträgen, die ich sonst von Ihnen kenne, treffen sich hier falsche bzw. nicht vorhandene ökonomische und politische Analyse (wohl bedingt durch ideologische Verblendung und intellektuelle Faulheit) mit vorschnellen Schlußfolgerungen.
Zum anderen sind üblicherweise bei Online-Ausgaben die Kommentare im Verhältnis zum Beitrag unflätig und grauenhaft. Dies ist der erste Fall, wo mir der Artikel als das größere Übel erscheint.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Schirner

Robert Müller | Di., 15. Januar 2019 - 22:14

Ich habe keine Lust mich durch Meta-Analysen unseres Wirtschaftssystems zu lesen. Es gab derartige Diskussionen auch hierzulande, bis dann die Harz-Reformen griffen. Gut, die Linken wollen die abschaffen und heute diskutiert gerade das Verfassungsgericht darüber, aber wenigstens gibt es keine Meta-Analysen mehr.

Zu dem mit diesen Geschichten: Natürlich gibt es immer Leute, die weniger verdienen als andere. Ich bin sicher, die jetzt "Geflüchteten" könnten noch viel schlimmere Geschichten erzählen und die träumen davon, irgendwann so etwas zu erreichen. So ist das halt. In Frankreich muss die Arbeitslosigkeit runter und das geht sehr wohl mit dem aktuellen Wirtschaftssystem und Macron kann das hinbekommen. Natürlich ist danach nicht das Paradies in Frankreich, wie das die Linken immer anstreben. Übrigens, sehr viel wäre gewonnen, wenn die Steuervermeidung der Reichen reduziert werden würde. Aber das will die Politik nicht wirklich.

Dimtri Gales | Di., 15. Januar 2019 - 23:11

Unter dem Druck der austeritäts-orientierten Bundesregierung, der Finanzmärkte sowie unter Druck derjenigen Interessengruppen, die seinen Wahlkampf finanziell und medial unterstützt haben. Er muss liefern; Frankreich muss sein Hartz4 bekommen, die Staatsausgaben drastisch reduzieren, deregulieren und so weiter.
Man vergisst aber dabei, die Gelbwesten zeigen es, dass es noch andere Werte gibt, für sich das Leben lohnt, wie Gemeinschaft, Solidarität und Teilhabe.

Werner Baumschlager | Mi., 16. Januar 2019 - 00:58

Energie und Mobilität sind der Schlüssel zur Lebensqualität. Trotzdem haben die Regierungen der westlichen Welt seit Jahrzehnten offenbar nichts besseres zu tun, als diese Dinge zu verteuern und zu beschränken, wo es nur geht. Wen wundert es da, dass es irgendwann zu Aufständen kommt?

Ralf Altmeister | Mi., 16. Januar 2019 - 13:09

Frankreichs Bevölkerung, befeuert durch sozialistische Pateien und Gewerkschaften, hat es über Jahrzehnte versäumt, seine sozialen Ansprüche über eine Erhöhung der Produktivität und Wertschöpfung zu erreichen. Am deutlichsten wird dies im System Rente. Während die Franzosen jahrelang bereits mit 60 Jahren (ab 2018 mit 62) und mit einer höheren Durchschnittsrente in den Ruhestand gehen, werden dort pro Jahr ca. 45-50 Mrd € Defizit eingefahren. Verbunden mit der Tatsache, dass die Franzosen beim Medianwert des geldwerten Vermögens (120.000 $) mehr als doppelt vermögend wie die Deutschen sind (47.000 Dollar) wird klar, wo die Probleme liegen, nämlich in zu hohen Sozialausgaben im Vergleich zur Arbeitskostenentwicklung. So lag in den letzten 15 Jahren die Lohnensteigerung in Frankreich im Durchschnit bei 3,4 % im Jahr, während sie in Deutschland 1,9 Prozent betrug.
Tut mir leid, ich kann mit dem Umverteilungsgeschwurbel wenig anfangen.

Gerhard Lenz | Mi., 16. Januar 2019 - 14:24

Die Gelbwesten müssen sich von radikalen Linken und mehr noch Rechten distanzieren! Antisemitische Ausfälle, Hetze gegen die Medien, die angedrohte Vergewaltigung einer Journalistin, um ein besonderes Beispiel zu nennen, und natürlich die ausufernde Gewalt sind ihrer durchaus gerechten Sache nicht dienlich. Die Zustimmung in der Bevölkerung beginnt bereits zu bröckeln: Fanden vormals 80% die Anliegen der "Gelben" als wichtig und richtig, liegt die Zustimmung jetzt noch bei knapp über 50%. Und nein, Gelbwesten und Poltiker, die sich zu deren Vertretung selbst ernannt haben (Marine Le Pen, Melenchon) irren sich: Der Protest ist nicht mehrheitsfähig. Die Gelben Westen bekommen - aus guten Gründen - sicher mehr Unterstützung als bei uns Pegida und deren bundesweite Kleinst-Ableger, sie würden aber politisch organisiert weit von der Mehrheit entfernt bleiben - glaubt man den Umfragen.

Dennis Staudmann | Mi., 16. Januar 2019 - 19:44

sind ein Paradebeispiel dafür, wie ratlos diejenigen sind, wenn sie beweisen müssen, dass sie Antworten auf die Probleme unserer Zeit haben. Würde sich dieses Szenarium in einem anderen westlichen Land abspielen, könnte man diese Sprachlosigkeit auch dort feststellen. Das Prinzip der Globalisierung, dass man den Arbeitnehmern im Westen die Grundlage für ihren bescheidenden Wohlsstand nimmt und diesen unter dem Deckmantel der globalen Armutsbekämpfung den Menschen in den Entwicklungsländern gibt, ist zutiefst ungerecht. Letztlich profitieren davon nur 10 % der Bevölkerung, die unermesslich reich werden. Wer arm ist und sich vor dem sozialen Abstieg fürchtet, wird wohl kaum für seine Arbeitnehmerrechte kämpfen oder auch sonst eher gefügig als selbstbewusst sein. Bislang mussten Grosskonzerne Standorte wechseln, die sie oft danach auswählten, wo die Lohnkosten am geringsten sind. Letztlich ist das Ziel der Globalisierung, dass sie das nicht mehr brauchen.