Abiturprüfung in Englisch am innerstädtischen Gymnasium in Rostock
Lauter unbeschriebene Blätter: Ein gutes Abitur ist immer weniger wert / picture alliance

Diskussion um Abiturnoten - Zeugnisse werden zu ungedeckten Schecks

Der Deutsche Philologenverband fordert strengere Schulnoten. Andere wollen sie ganz abschaffen. Das wäre aber so, als wolle man das Fieber aus der Welt zu bannen, indem man alle Fieberthermometer verbietet, schreibt der ehemalige Präsident des Deutschen Lehrerverbands

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Autoreninfo

Josef Kraus ist pensio­nierter Gymnasialdirektor und war von 1987 bis 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbands.

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Die Abiturnoten werden immer besser, der Anteil der Abiturzeugnisse mit einer Gesamt-Eins vor dem Komma hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt, in manchen Bundesländern verfünffacht. Ganze Bundesländer schneiden beim Abitur mit einer Durchschnittsnote von 2,1 ab. Einzelne Gymnasien renommieren damit, dass der aktuelle Abiturjahrgang eine Durchschnittsnote von 1,8 habe. „Oben“ geht es so weiter: Drei Viertel der Hochschulzeugnisse führen als Gesamtergebnis eine Eins oder eine Zwei. Also müssten doch alle zufrieden sein: Schüler, Eltern, Lehrer, Erziehungswissenschaftler, Bildungspolitiker. Warum es da überhaupt noch eine sechsstufige Notenskala gibt, wenn die Note 3 kaum noch, die Noten 4 oder 5 oder 6 gar nicht mehr vorkommen, fragt man sich durchaus zu Recht.

Das Problem freilich ist: Die Noten werden immer besser, aber die Leistungen werden immer schwächer. Oder verschleiernd mathematisch ausgedrückt: Quantität und Qualität verhalten sich mehr und mehr reziprok. Im Klartext heißt das: Die Noten werden deshalb immer besser, weil die Ansprüche immer niedriger und die Noten immer großzügiger werden. Es soll ja sogar Lehrkräfte geben, die sich öffentlich damit outen, dass sie ausschließlich gute Noten gäben – und damit ungewollt zum Ausdruck bringen, dass sie ihren Beruf total verfehlt haben oder ihm psychisch schlicht und einfach nicht gewachsen sind. Oder zumindest ein schräges Verhältnis zum pädagogisch ach so wichtigen Prinzip der Gerechtigkeit haben. Denn nichts ist so ungerecht wie die gleiche Behandlung Ungleicher, zum Beispiel auch ungleicher Leistungen. Vielleicht aber haben solche Lehrkräfte das Anspruchsniveau deshalb zuvor so weit heruntergefahren, dass nur noch Bestnoten möglich sind.

Liftkurse für Studienanfänger

Wem ist damit geholfen? Für den Augenblick mögen alle zufrieden sein und sich auf die Schultern klopfen. Zumal die Bildungspolitik diese Entwicklung nicht ungern sieht, ist so doch nach wie vor fixiert auf den Popanz Abiturquote. Der Pferdefuß freilich ist: Mit Höherqualifizierung hat das nichts zu tun, denn was hier als höherer Grad an Akademisierung daherkommt, ist eine Pseudoakademisierung zulasten der beruflichen Bildung und des Fachkräftenachwuchses. Immer bessere Noten sind zudem nichts wert, sie sind ein Betrug an den jungen Leuten. Aus Zeugnissen werden ungedeckte Schecks, sie gaukeln vielen jungen Leuten etwas vor, und sie sind ungerecht gegenüber denjenigen, die Spitzennoten wirklich verdient haben.

Oder anders ausgedrückt: Wenn demnächst womöglich alle ein 1er-Abitur haben, dann hat keiner mehr ein 1er-Abitur. Dann wird aus dem Ziel gymnasialer Bildung, nämlich Studierbefähigung zu vermitteln, das simple Ziel, bloße Studierberechtigung zu erteilen. Die Folgen sind längst zu besichtigen: Immer mehr Hochschulen müssen Liftkurse für Studienanfänger einführen, weil die jungen Leute trotz bester Schulnoten nicht mehr das mitbringen, was sie für ein Studium bräuchten. Die Klagen von kritischer Gymnasiallehrern und Hochschullehrern sind insofern mehr als berechtigt.

Bedrohen Noten das Selbstwertgefühl? 

Doch statt wieder zu einer ehrlichen und gerechten Bewertung von Schul- und Hochschulleistungen zu kommen, versuchen progressive Pädagogen und Erziehungswissenschaftler, das Kind mit dem Bade auszuschütten. „Weg mit Noten und Zeugnissen überhaupt!“, tönt es alljährlich aus dieser Ecke. Schier ein Werk des Teufels seien Noten und Zeugnisse. Traumatisierende „Schicksalsziffern“ seien die Noten, und überhaupt stelle sich das Schulsystem mit seiner Notenpraxis ein „Armutszeugnis“ aus. Schließlich hätten Noten ja nur einen einzigen Effekt, den der Demütigung und Sortierung von Schülern; Noten seien eine ständige Bedrohung des kindlichen Selbstwertgefühls. Also weg mit dem Notensystem? Beziehungsweise wenn man das Notensystem schon nicht wegbekommt, dann soll es mittels Inflation an Bestnoten de facto ad absurdum geführt werden.

Die mit der Abschaffung von Noten verbundene Hoffnung aber, damit zugleich schlechte Leistungen abschaffen zu können, wäre schließlich kaum etwas anderes als das Bemühen, das Fieber aus der Welt zu bannen, indem man alle Fieberthermometer verbietet. Schule kann aber nicht auf Elfenbeinturm-Attitüde machen oder zur leistungsfeindlichen Spielwiese werden. Schule ist Sozialisationsvehikel, das mit gängigen Werten und Normen vertraut zu machen und diese – mit der gebotenen Sensibilität und altersspezifisch angemessen – einzuüben hat. 

Zeugnis-Attrappen 

Erziehung zur Leistung impliziert Leistungsbewertung. Wer an diesem Prinzip festhalten will, der darf nicht via Schule – also via Geringschätzung einer klaren, individuellen Leistungsanalyse– an einem maßgeblichen Eckpfeiler dieser Gesellschaft sägen, es sei denn, er will via notenfreie Schule eine vereinheitlichende Schule und damit ein Stück entindividualisierte Gesellschaft. Ansonsten gibt es sehr wohl pädagogische Gründe für eine klare schulische Leistungsbewertung. Notenzeugnisse, so unvollkommen sie sein mögen, geben nämlich – ehrlich und transparent angewandt – eindeutig Rückmeldung über Gelerntes; sie signalisieren zusätzlichen Förderbedarf; sie erleichtern eine individuell optimale Wahl des weiteren Bildungsweges, und sie sind Anreiz zu unverminderter oder vermehrter Anstrengung.

Mehr als vierzig Jahre pädagogische Forschung um schulische Leistungsbewertung haben jedenfalls Zeugnisse und Noten nicht obsolet werden lassen. Aber die für einen Laien in schier undurchdringbarem Fachchinesisch geführte Diskussion um Alternativen dazu konnte nicht verbergen, dass all dies Zeugnisattrappen sind – als da sind: „Rasterzeugnisse“, „Bausteinzeugnisse“, „Berichtszeugnisse“, „Briefzeugnisse“, „Zeugnisbriefe“ „schülerbezogene Bezugsnormen“, „zuwachsorientierte Leistungsmessung“, „Maßstäbe eines zielerreichenden Lernens“, „relative Notengebung“, „intraindividuelle und „interindividuelle Bezugsnormen“, „Objektivitäts-, Reliabilitäts- und Validitätswerte“, „kriteriale und curriculare Normen“.

Floskelhafte Wortzeugnisse 

Nicht selten entstehen daraus schöne Zeugnisse, die, weil Lehrer die Wahrheit nicht schreiben wollen, nichts aussagen. Oft befleißigen sie sich einer Semantik, die kein Elternpaar, geschweige denn ein Schüler versteht. Häufig sind sie so verklausuliert, dass Eltern ohnehin nachfragen, welcher Ziffernnote ein Worturteil denn nun entspricht. Bisweilen sind vor allem die immer wieder hochgerühmten Wortzeugnisse wegen des enormen Formulierungsaufwandes gebrauchsfreundlich und floskelhaft mit dem PC produziert. Und manchmal bewerten sie einen Schüler in seiner Gesamtpersönlichkeit, was noch viel verletzender als eine Ziffern-Fünf sein kann.

Also piano! Zum Popanz wird die Note dann, wenn Eltern Liebe gegen Noten handeln, oder wenn für die gute Einzelnote reichlich materielle Belohnung bis hin zu größeren Geldscheinen „rüberwächst“. Bei etwas mehr Gelassenheit hätten die „Kids“ auch weniger Nöte mit ihren oft überehrgeizigen (Helikopter-)Eltern, denn mit den Noten gehen sie ohnehin viel unbefangener um als ihre „Alten“. Und wie denkt die breite Bevölkerung darüber? Laut einer YouGov-Umfrage vom Juli 2016 halten 75 Prozent der 1.024 Befragten Noten für sinnvoll – und zwar nahezu unabhängig vom Alter der Befragten.

Josef Kraus ist Autor des 2017 erschienenen Buches: Wie man meine Bildungsnation an die Wand fährt. Und was Eltern jetzt wissen müssen. 

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Winfried Kurt Walter | Fr., 11. Januar 2019 - 17:39

sind das nicht. Man sozialisiere sich in den Jugendverbänden der Parteien, das Abi bekommt sowieso fast jeder, ein Studium kann man ja mal probieren, vielleicht sitzen dort als Dozenten Parteigenossen ( selbst erlebt, wer bei einem bestimmten Genossen Seminare belegte, hatte schon seinen Schein in der Tasche mit als lächerlich zu bezeichnenden Leistungen) oder Parteifreunde. Wie kommt Frau Nahles zu einem Studienabschluß mit einer Arbeit über Groschenromane ? Noch besser die nicht erbrachten Leistungen des Herrn Zimiak, durch zweifaches Durchfallen bei den Examina festgestellt, führen zum Job eines Generalsekretärs der CDU. Da stellen sich mir u.a. die Fragen: Wer hat diesem Mann die Hochschulreife, also die Befähigung zu einem Studium, zuerkannt ? Was ist das für eine Partei, die solch einen Studienversager zum General (-sekretär ) wählt. Will man damit die Stimmen von Leuten mit einem ähnlichen Lebenslauf erhalten ? Allerdings das auch eine gute Wahlentscheidungshilfe.

Cornelius Angermann | Sa., 12. Januar 2019 - 09:51

Antwort auf von Winfried Kurt Walter

Nämlich dass wir in eine Idiotokratie hineinschliddern, in der die Dummen, Selbstgerechten und Faulen die Macht übernommen haben und alles tun, damit dieser Umstand, ihre eigene Minderbemittelung und mangelnder Leistungswille, ihnen nicht zu Nachteilen gereicht. Mit dieser Erkenntnis lassen sich die Programmatiken der Linken, der Grünen und der SPD leicht ableiten. Da die Dummen, Selbstgerechten und Faulen zusammengenommen in Deutschland (aber sicher auch in anderen Ländern) höchstwahrscheinlich die Mehrheit bilden, ist dieser Entwicklung demokratisch nicht beizukommen.

Gerhard Lenz | Fr., 11. Januar 2019 - 18:06

..haben den Sinn, Leistung zu beurteilen. Aber wie jede Beurteilung liegt auch hier Subjektives zugrunde. Was für den Einen zu streng oder gerade noch erträglich sein mag, erscheint dem Anderen viel zu nachgiebig. Noten und Zeugnisse können niemals gerecht sein.
Das Unbehagen älterer und verrenteter Lehrkörper mag darin liegen, dass das Abitur immer mehr zum Standardabschluss wird. Wer nur mit Mittlerer Reife die Schule verlässt, hat wenig(er) Chancen - von Hauptschulabsolventen ganz zu schweigen. Gleichzeitig versucht man fast schon krampfhaft, berufliche Bildung aufzuwerten - Meister dürfen in manchen Bundesländern alle Fächer an Universitäten studieren - wobei das Scheitern, wie viele Beispiele zeigen, vorprogrammiert scheint.
Aber: Immer noch hat Deutschland im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern relativ gesehen wenig Studierende. Geht es bei der Debatte nicht eher darum, den deutschen Nachwuchs gezielt in die berufliche Bildung umzulenken?

Nicht Leistung, sondern Gedächtnis, das nachzuplappern, was als Lehrstoff vorgegeben wurde. Selbstdenken wird in den wenigsten Fällen anerkannt oder positiv bewertet.

Jürgen Althoff | Mo., 14. Januar 2019 - 01:25

Antwort auf von Gerhard Lenz

oder einem der Ideologen der OECD noch immer nicht aufgefallen, dass in Deutschland mit seinen "relativ wenigen Studierenden" die Jugendarbeitslosigkeit so ziemlich die niedrigste in Europa ist? Könnte hinter dieser Korrelation vielleicht stecken, dass es nicht darauf ankommt, dass möglichst viele Jugendliche "irgendwas" ohne Betrachtung des Arbeitsmarktes studieren, sondern dass das studiert wird, wofür eine Nachfrage besteht, z.B. MINT oder Medizin? Ich vermute, dass viele Nichtakademiker mehr verdienen und zufriedener sind als Akademiker mit Formalqualifikationen, die niemand braucht. Man muss allerdings bereit sein, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen und seine Arbeitszeit nach den Bedürfnissen der Auftraggeber auszurichten.

Eva Vogelsang | Fr., 11. Januar 2019 - 19:03

Ich habe zwei Söhne in der sechsten und achten Klasse in NRW, d.h. beide müssen noch nach G8 Abitur machen. Ich selbst habe Abitur, mein Mann hat Abitur, und wir sind uns einig, dass wir als Schüler deutlich weniger lernen mussten als unsere Kinder jetzt. Lediglich in Deutsch war unser Niveau m.E. höher und zwar in allen Belangen. Ich denke, dass dieser Unterschied wahrscheinlich am meisten auffällt. Wenn ich das Englischniveau meiner Kinder sehe, so liegt das signifikant über dem, was wir damals hatten. Und auch in den Nebenfächern wird viel geleert. Ob das immer sinnvoll ist? Das kann ich nicht beurteilen. Geschenkt wird den Kindern auf jeden Fall nichts. Vielleicht liegt es auch an den mündlichen Noten, dass die Noten insgesamt recht gut ausfallen.
In meiner Jugend wurde auch das schlechte Niveau beklagt im Vergleich zu "früher", und ein Onkel von mir meinte, in seiner Jugend wäre es auch schon so gewesen.

Hans-Jürgen Tech | Fr., 11. Januar 2019 - 19:17

Die gleiche Zensureninflation habe ich selbst in der DDR erlebt, Ende der sechtziger Jahre als ich selbst dort Abitur machte, begann sie. Das entsprach jedoch einem landesweiten und systemimmanenten Trend zur Verschleierung der Realität wie sie in allen Bereichen an der Tagesordnung war.
Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in einer Leistungsgesellschaft möglich ist.

Robert Müller | Fr., 11. Januar 2019 - 19:25

Gibt es da jetzt nicht das Zentralabitur? Ich weiß nicht wer da nun das Abitur in den Bundesländern macht, die Bildungsminister? In dem Fall müsste man annehmen, dass gute bis sehr gute Noten politisch gewollt sind. Was nachvollziehbar wäre, schließlich sind Eltern auch Wähler.

Wolfgang Fengler | Fr., 11. Januar 2019 - 21:54

Wenns mit 90 % schon eine "1" gibt, dann ist doch klar, warum die Noteninflation so weitergehen muss. Würde man - wie bei mir - früher reelle Prüfungen durchlaufen, um aufs Gymnasium zu kommen, dann wäre es auch einfacher. Ich kann mich gut an meine Schulzeit erinnern: Von 35 Volksschülern gingen 3 auf die "hohe Schule" = Gymnasium und 8 in die "Mittelschule". Das Niveau im Gymnasium war sehr anspruchsvoll, ein Schulwechsel von Baden-Württemberg nach Bayern aber zu schaffen. Unser Sohn ging 30 Jahre später in NRW in ein "öffentliches Gymnasium mit Privatanteil", wo es nur so "Einsen" hagelte.
Anforderungen zu senken, die Eltern nicht zu verärgern, Geschwisterkinder aufnehmen zu müssen usw., das sind Bedingungen, die zum Verfall der Bildung führen. Und einheitliche Bildungsstandards werden wegen der Kulturhoheit vom Bundesrat abgelehnt. Ein Drama für Familien, die oft umziehen müssen, weil Kinder dann nicht versetzt werden und Klassen wiederholen. Welch ein Trauerspiel der Politik!

Kristian Neitsch | Fr., 11. Januar 2019 - 22:35

Einerseits ist es bei dem teilweise sehr komischen Lehrstoff und offensichtlich unlustigen Lehrern durchaus verständlich, dass man mal was infrage stellt. Bei uns hat schon öfter mal die ganze Familie gerätselt, was denn als Hausaufgabe zu tun sei. Hausaufgaben für die Erwachsenen und nicht für die Kinder kam vor. Aber das nicht so selten gleich mit Konsequenzen, Beschwerden beim Schulamt und Anwalt gedroht wird, konnte ich vom Schulleiter erfahren. Das Schlimme daran ist, dass die Eltern häufig damit durch kommen, auch wenn der Prüfling tatsächlich nichts wusste und dass das Schulamt die Lehrer nicht unterstützt, sondern im Gegenteil, noch schriftliche Begründungen und Entschuldigungen fur die schlechte Note verlangt.

Wolfgang Selig | Sa., 12. Januar 2019 - 06:50

Ich rate zu einem Blick in die Schweiz und nach Spanien. In der Schweiz haben nur wenige Matura bzw. ein abgeschlossenes Studium, in Spanien viele. Interessanterweise hat man aus der Schweiz im Gegensatz zu Spanien noch nie gehört, dass es Probleme mit massenhafter Jugendarbeitslosigkeit gäbe. Das scheint die These von Herrn Kraus zu stützen...

Romuald Veselic | Sa., 12. Januar 2019 - 06:53

deshalb immer besser, weil die Ansprüche immer niedriger und die Noten immer großzügiger werden. Es soll ja sogar Lehrkräfte geben, die sich öffentlich damit outen, dass sie ausschließlich gute Noten gäben – und damit ungewollt zum Ausdruck bringen, dass sie ihren Beruf total verfehlt haben oder ihm psychisch schlicht und einfach nicht gewachsen sind.
Zitat ende.
Anders formuliert (in meiner Vorstellung): Schule ist ein sportlicher Multitasking, vor allem auf dem mentalen Level. Ich war ein schlechter Schüler und mein Abi war ein hellgrauer Durchschnitt. Aber ich kann im Kopf, noch immer zwei Doppelzahlen multiplizieren u. meine Schursenkel selber binden.
Erstaunlich: Dass diese Psycho-Pädagogische Faktoren nicht im Sport angewendet werden. Wer steht therapeutisch einem Verlierer bei? Oder: Wie wäre es nach dem Biblischen - die Letzten werden die Ersten? In einem ist Dt. dennoch sehr erfolgreich. In freiem Fall des Intellekts und in der Verblödung der eigenen Bevölkerung.

Günter Fischer | Sa., 12. Januar 2019 - 09:36

Josef Kraus 2017: „Wie man meine Bildungsnation an die Wand fährt. Und was Eltern jetzt wissen müssen.“
Das stellt sehr gut die aktuelle Situation dar. Seit Jahren beobachte ich den stets fallenden Bildungsstand, zunächst anhand meiner Kinder und nun anhand meiner Enkel.
Benotung ist ein unbedingtes Muss. Nicht nur, weil jeder wissen muss, wo er steht. Dazu ist es nötig, "back to the roots" zu gehen:
1. Ein Lehrer muss wieder die Macht über das Wissen, die Unterrichtung und die realistische Benotung haben
2. Eltern müssen die Verpflichtung haben, die Schule und das Kind im Lernen zu unterstützen
3. Demokratie muss an dieser Stelle so reduziert werden, dass man wegen einer nicht einverständlichen Note zum Anwalt laufen darf.
So haben wir die Übereinstimmung mit der Schulpflicht, die auch aktuell per Polizei durchgesetzt wird.
Ich kann nicht einerseits zwingen, was ich im Nachgang wieder zerreden kann.
Nun müssen wir uns nur noch fragen, warum Politik so ernsthaft dagegen ist.

gabriele bondzio | Sa., 12. Januar 2019 - 09:44

Mitnichten, wenn man gleichzeitig liest, dass ein stetig-sinkende Niveau zu beobachten ist, besonders durch die Einführung des Zentralabiturs gilt nur noch Mindeststandard. Standards werden bewusst herunter gekocht. Jetzt mit den hohen Anteil mit Migranten wohl noch mehr.
Die Politik will den schwachen Schülern nicht das Abitur vorenthalten. Auch die zunehmende-alleinige Fixierung auf das Abitur (durch Eltern) ist problematisch, weil dem Handwerk Auszubildende fehlen. Zudem liest man:"Ich habe seit 25 Jahren einen Lehrauftrag an einer Berliner Hochschule.Als Diplom Biologe leite ich Laborpraktika für Studenten der Biotechnologie.Nach meiner Erfahrung hat ein großer Teil der Studenten keine Hochschulreife."
Es spricht auch Bände, das Lehrer, fernab von sozialen Brennpunkten ihren (Haupt-)Schülern beibringen, wie Hartz IV-Anträge auszufüllen sind.. in der siebten oder achten Klasse!

Benno Pluder | Sa., 12. Januar 2019 - 10:23

"Dann wird aus dem Ziel gymnasialer Bildung, nämlich Studierbefähigung zu vermitteln, das simple Ziel, bloße Studierberechtigung zu erteilen. "
Damit können sowohl die meisten Eltern als auch die Mehrzahl der Lehrer gut leben. Die Einen können voll Stolz ein studierendes (womöglich hochbegabtes ;-)) Kind vorweisen. Die anderen vermeiden den Nervenkrieg mit motzenden Erziehungsunfähigen. Wie es den jungen Menschen dann auf Universitäten und Hochschulen geht, steht auf einem anderen Blatt.
Die Folgen von fremdinduzierter Selbstüberschätzung lassen sich beim Rundblick in unsere Gesellschaft kaum noch ignorieren.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 12. Januar 2019 - 10:29

Treffend beschrieben Herr Kraus. Wer Lehrer in der Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis hat hört oft das gleiche bei denen heraus. Die jungen Lehrer sind das "neue" Systemdenken schon gewöhnt, sie lernten selbst schon so. Nur, der Bewertungsverfall von Leistungen ist nicht nur in den Schulen so. Schauen sie sich die Arbeitswelt an. Beurteilungen im öffentlichen Dienst, Arbeitszeugnisse, Prüfungswerte usw. überall wurde alles aufgeweicht und auch die Gesetze danach so ausgerichtet, dass vieles inzwischen vor den Gerichten landet. Da klagen Eltern ihre Kinder ins Gymnasium, da werden Textbeurteilungen so lange verdreht bis Diskriminierung entstanden sein soll. Sanktionen zu Fehlverhalten - keine. Immer absurdere Dienstvorschriften, Angst bei Lehrern nicht systemangepasst beurteilt zu haben. Angst vor Nichtverbeamtung bzw. Wartezeit bis zur Verbeamtung. Wer Lehrer ist braucht vor allem inzwischen auch guten Rechtsschutz.
Es wird gegen alles geklagt. Man will das so.

Yvonne Walden | Sa., 12. Januar 2019 - 11:15

Herr Kraus läßt die andere Seite der Medaille ausser Betracht. Wenn Eltern, deren Kinder sich noch im Grundschulalter befinden, bereits die Verwaltungsgerichte anrufen, um bessere Zeugnisse für ihre Sprößlinge zu erwirken, und Lehrerinnen und Lehrer unter allen Umständen vermeiden möchten, vor Gericht gezerrt zu werden, dürfen wir uns über die Schulnoten-Inflation nicht weiter wundern. Auch Schulleitungen registrieren eher negativ auf den Eingriff der Justiz in den Schulalltag und sehen Lehrerinnen und Lehrer, die den Mut zur angemessenen Benotung aufbringen, eher kritisch. Warum also sollten sich Lehrerinnen und Nesseln zwischen alle Stühle setzen? Sie haben längst ihre eigenen Schlüsse gezogen. Also gibt es künftig nur noch 1er Absolventinnen und 1er Absolventen. Bravo!

Herbert Weidner | Sa., 12. Januar 2019 - 11:23

Ich war Gymnasiallehrer (M/Ph) und musste im Lauf der Jahre beobachten, dass die Anforderungen stetig gesenkt wurden, was sich beim Vergleich "alter" und "neuer" Prüfungsaufgaben leicht feststellen lässt. Viele Aufgaben, die in den Jahren vor 1990 als durchschnittlich galten, durften nach 2000 nicht mehr gestellt werden, weil sie aus den Lehrplänen gestrichen waren, um die Schüler nicht mehr zu überfordern. Als verbindlich angeordnet wurde, dass der Notendurchschnitt einer Schulaufgabe immer besser als 3,2 sein muss, wurde gleichzeitig untersagt, in Parallelklassen (mit gleichem Unterrichtsstoff und gleichem Lehrer) identische Prüfungsaufgaben zu stellen, weil das unzulässige und unerwünschte Vergleiche ermöglicht. Kurz vor meiner Pensionierung wurde noch angeordnet, "ergebnisorientiert" zu korrigieren. Im Klartext heißt das: Die Zuordnung von erreichten Rohpunkten zu Notenstufen muss so verbogen werden, dass die Notenverteilung der vorgeschriebenen Glockenkurve entspricht.

Herbert Weidner | Sa., 12. Januar 2019 - 11:23

Letztlich führte das dazu, dass die Lehrer vorwiegend einfache Aufgaben stellten, die von vielen Schülern richtig gelöst werden konnten. Diese wurden dann (nachträglich) mit einer hohen Punktzahl versehen. Die Lösung von schweren Aufgaben wurde dagegen unterbewertet, um den vorgeschriebenen Notenbereich nicht zu verlassen. So werden "Dünnbrettbohrer" erzogen.
Pech hatten nur die Schüler, welche die Prüfung aus irgend welchen Gründen versäumten und einzeln nachschreiben mussten. Nur für die galt weiterhin die Regel: Wer nur die Hälfte der Aufgaben richtig löst, bekommt die Note drei.

Sabine Keil | Sa., 12. Januar 2019 - 12:02

Mein früherer Chef nannte das "Bildungsinflation" und das war schon 1978, als ich Abitur machte.

Klaus Dittrich | Sa., 12. Januar 2019 - 12:03

„Die Noten werden deshalb immer besser, weil die Ansprüche immer niedriger und die Noten immer großzügiger werden. . . . Schließlich hätten Noten ja nur einen einzigen Effekt, den der Demütigung und Sortierung von Schülern; Noten seien eine ständige Bedrohung des kindlichen Selbstwertgefühls.“
In Berlin – bekannt durch seine überragenden „Bildungserfolge“ – laufen diese Diskussionen, getragen von Grünen und Linken, schon seit Jahren.
Und es steht zu befürchten, dass nicht wenige Junglehrer als Schüler von dieser Niveauabsenkung profitiert haben.

Heidemarie Heim | Sa., 12. Januar 2019 - 15:40

Auf den Wind einer Leistungsgesellschaft, der den Kindern und Heranwachsenden ins Gesicht weht wenn sie den noch geschützten Raum der Schule verlassen um in die Realgefilde des Berufsalltags einzusteigen. Was für einen Tort man den Kindern antut mit diesem "In Watte packen" ist doch für jeden vernünftigen Menschen ersichtlich. Von jetzt auf nachher steht der bis dahin Ego-gepamperte in knallhartem Wettbewerb mit Anderen. Sieht sich einem Professor oder Vorgesetzten gegenüber, der was ganz anderes als Mutti oder der freundliche Pädagoge aus Schulzeiten voraus setzt, und dessen Verständnis sich für individuelle Sensibilitäten in meist engen Grenzen hält. Kurzum, man ist mit einem rücksichtslosen Auswahlverfahren konfrontiert, was einem bis dato völlig unbekannt war. Und wozu es führen kann wenn man erst mal "aussortiert" wurde, dafür gibt es leider genug biographische Beispiele. MfG

Wolfram Obermanns | Sa., 12. Januar 2019 - 16:54

Wir haben 16 Bundesländer mit 16 Abituordnungen. Da wäre als erstes zu klären, ob oder inwieweit die gemachte Einschätzung zu immer besseren Noten, die in ähnlicher Form Zeit meines Lebens wiederholt wird, überhaupt zutrifft.
Für NRW ist es jedenfalls nur die halbe Wahrheit. Die Notenverteilung zeigt sich als eine Antigauß-Kurve. Das Mittelfeld der Noten stellt eine Senke dar, die Extreme sind überrepräsentiert.

Alfred Simon | Sa., 12. Januar 2019 - 17:30

Bei der Notenfindung gilt leider seit langer Zeit immer mehr auch das Glück des Einzelnen. Hierzu
unser früherer Kalauer:
Das Glück des Ökonomen ist reziprok zu seiner
Intelligenz also:
Auf Bayrisch: Der dümmste Bauer hat die größten
Kartoffel.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 12. Januar 2019 - 18:51

ausreichend?
Man beachte meinen Sprachwitz.
Die splittet man in 1,3 und ab 1,501 in 1, 7 and so on.
Wesentlich für das gesellschaftliche Lernen ist gewissermassen die Vollständigkeit der Ausbildung und das Bestehen.
Als ob nicht jeder versierte Unternehmer oder Dekan auf geeignetes Personal achten könnte, dass dennoch Bewerbungen im Sinne des zukünftigen Arbeitsplatzes adäquat beurteilen könnte.
Da Noten auch nicht alles sind, greifen dann Bewerbungsgespräche.
Mir wären die vielen Noten viel zu aufwendig und das wird noch viel schlimmer, wenn man es mit ä schreibt.
Also Befriedigend, Gut und Sehr Gut...
Magna cum Laude.
Und warum sollten die Schüler nicht immer besser werden?

Klaus Ramelow | Sa., 12. Januar 2019 - 19:16

Jetzt rollt sie, die - staatlich subventionierte - Nachhilfe zur Entlastung (und Entschuldigung) der überforderten Lehrer an !
Dass dieser Wirtschaftsbereich bereits "Lunte gerochen" hat, ist an den zahlreichen Gründungen zu erkennen. Für die Qualifikation gibt es jedoch keinen "TÜV" !
Wie sieht es neben der pädagogischen Qualifikation - in diesem Bereich (vergleichbar mit den Anforderungen im Sport) - mit den Führungszeugnissen aus ?
Nach meiner Kenntnis ist lediglich eine Gewerbe-Erlaubnis erforderlich.

Dirk Nowotsch | So., 13. Januar 2019 - 10:02

Der deutsche Imperialismus, ist weltweit gesehen, die resistenteste Form, des Frühkapitalismus. Hier gilt es nur, sich maximal die Taschen zu füllen. Dieses Ziel wurde in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt, in dem ganze Generationen von CDU Politikern, von der Wirtschaft positioniert wurden (z.B. Dr. Helmut Kohl und seine Doktortitel!). Man hat den Staat und seine Institutionen schamlos ausgeplündert. Jetzt, wo die Kassen leer sind, wo die Schulen einsturzgefährdet, wo keine oder zu wenige ausgebildete Lehrer, wo kein richtig guter Abgänger mehr in D. arbeiten möchte, da ist das Geheule um den Fachkräfte mangel groß! Über Jahrzehnte galt der Zuzug von "Gastarbeitern" als probates Mittel, die Löhne in D. zu drücken. Nun, wo die Globalisierung ihren Zenit erreicht oder überschritten hat, und die schlauen unter den Managern erkennen, nur in und von D. aus kann man "sicher" agieren, finden sie hier verbrannte Felder vor! Also Blick auf die USA gerichtet und auf das Portmoney! Bildung kos

Hans Gross | So., 13. Januar 2019 - 16:53

Ja lieber Herr Kraus, das ist die Lust am Untergang. Das Sägen am Ast, auf dem wir sitzen, ist echt geil - wird auch Zeit, dass wir auf die Schnauze fallen und nie wieder aufstehen. "Deutschland verrecke!" - Es wird wahr.

Dimtri Gales | So., 13. Januar 2019 - 19:39

Allenfalls als Eintrittskarte für weiterführende Ausbildungen. Das war früher ganz anders. Bei Aufräumungsarbeiten bei uns fand ich Visitenkarten meines Urgrossvaters. Er trug einen zur damaligen Zeit einen bedeutenden Adelstitel, darunter ist zu lesen: "Matura", also noch ein "Adelstitel". Heute würde man als verschroben gelten, sich damit lächerlich machen. Wie alles hat sich auch das Abitur demokratisiert. Nur eine Frage bleibt: Wenn alle Abitur haben, wie es ein ehemaliger französischer Kultusminister geplant hatte, was ist es dann noch wert?

Wolfram Fischer | So., 13. Januar 2019 - 20:09

Also viele Firmen haben mittlerweile kapiert, daß ein Abiturient auf einer Lehrstelle zwar die Ausbildung macht, aber dann ganz fix wieder weg ist: Weiterbildung... sprich Studium! Was nichts Ehrenrühriges ist, aber wenn man als Ausbildungsbetrieb den Nachwuchs in Lehrberufen binden will, klappt das so halt nicht. Dann muss man z.B. besser einen Realschüler nehmen! Und das machen immer mehr Ausbildungsbetriebe, die Nachwuchs ausbilden wollen! Jeder hat also seine Chancen, die seinen Fähigkeiten entsprechen - zumindest solange das Abi nicht wie - so wie geschildert oft gefordert - total verwässert und damit letzlich total entwertet wird.
Und in Anlehnung an den hervorragenden Fieberthermometer-Vergleich werfe jetzt meine Kontoauszüge weg, damit ich nicht sehe, wie's wieder mal eng wird ;-))

Mohammed Bari | Mo., 14. Januar 2019 - 06:08

Nun, Hochschulnoten sind in der Regel besser als Schulnoten. Das wundert nicht. In der Schule hat man zahlreiche Fächer, die man nicht gerne hat. In der Uni kann ein Mathefreak, der in Sozialfächer und Chemie eine Niete war, großartig reüssieren. Das hätte der Kritiker wissen können.