„Spiegel“-Gebäude in Hamburg
„Spiegel“-Gebäude in Hamburg: „Viele Geschichten waren zu schön, um wahr zu sein“ / picture alliance

Claas Relotius und der „Spiegel“ - „Solche Leute werden gezüchtet“

Immer neue Details werden bekannt über den Betrug des „Spiegel“-Reporters Claas Relotius. Ein Einzelfall oder systemisch begründet im „Spiegel“ oder gar allgemein im Journalismus? Die Chefredakteure Lars Haider und Christoph Schwennicke diskutieren

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Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Lars Haider: Lieber Christoph, der Fall von Claas Relotius beim Spiegel macht mich immer noch sprachlos. Wie konnte das passieren?

Christoph Schwennicke: Wenn ein Reporter Szenen und Protagonisten erfindet, insbesondere in Auslandsgeschichten, dann ist das schwer zu checken, auch für eine Spiegel-Dokumentation. Das sind ja keine Promis, sondern normale Menschen, die da vorkommen. Im Nachhinein sage ich: Die Geschichten von ihm strotzten insgesamt vor zu viel Reporterglück. Das hätte uns alle stutzig machen müssen. Und das sage ich auch als mehrjähriges Mitglied der Jury des Nannen-Preises, für den seine Geschichten immer wieder nominiert waren. Bei Cicero müssen wir auch die eine oder andere Story checken, die er als freier Autor vor seiner Spiegel-Zeit bei uns untergebracht hat.

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Reinhold Schramm | So., 23. Dezember 2018 - 12:56

Wenn private Stiftungen, Parteien und Konzernstiftungen auch die Stipendien für angehende Journalisten finanzieren, wie soll dann eine vom Kapital- und Konzerninteresse unabhängige Journalistik sich entwickeln. Dabei wird doch auch schon die Zensur im Bewusstsein implantiert. An dieser vom Kapital gebeugten Ausrichtung sind auch die öffentlich-rechtlichen Medien aktiv beteiligt. Die Ergebnisse dieser modifizierten Bewusstseinswäsche kann der Bürger dann auch in den wöchentlichen Talkrunden und im Presseclub bewundern. Aber auch in der ahistorischen Volksbelehrung [für die geistige Leerung, trotz 'eigenständigen' und vorgeblichen Dr. und Prof.- Titel].

Jürgen Keil | So., 23. Dezember 2018 - 13:09

Ich war 25 Jahre Spiegel- Abonnent. Ich bin ich es nicht mehr. Wir haben uns von einander entfernt. Willst Du Literatur schreiben, werde Schriftsteller, nicht Journalist. Willst Du, Du selbst bleiben, trete in keine Partei ein!

Carl Jung | So., 23. Dezember 2018 - 13:45

Journalisten gehören wie Schauspieler zum fahrenden Volk. Sie leben von der Unterhaltung der Massen. Es sind Berufe, die Schwätzer und Narzissten und Blender anziehen. Das ist unproblematisch, wenn das Publikum das Erzählte und Dargestellte nicht als Wirklichkeit wahr nimmt. Man muss es nicht wissen, man muss es einfach glauben. Die Kirchen sind der schlagende Beweis, wie man mit skurrilen Geschichten reich und mächtig werden kann. Da wird man den profanen Nachahmern doch keinen Vorwurf machen wollen. Zeitungen und Journale sind Life-Style-Produkte, die in einer interessanten Wechselbeziehung mit der Filterblase der Leserschaft stehen. Wie gesat, es geht nicht um Wissen, sondern um Glauben.

besser kann man es nicht sagen! Besonders widerlich fand ich den SPIEGEL-Artikel, wo die letzte Holocaust-Überlebende für den Kampf gegen Rechts instrumentalisiert wurde mit Aussagen über Chemnitz, die die alte Dame gar nicht gesagt hatte, was natürlich u.a. auch vom ZDF aufgegriffen wurde. Man kann sich nur angewidert abwenden, was da medial gelaufen ist.

Bernd Lehmann | So., 23. Dezember 2018 - 14:54

Erinnert mich stark an die DDR an den Stabü Unterricht oder ML in der Lehre.
Ich sage was du hören willst und du fällst gern drauf rein.
Der Spiegel oder der Rest der Lügenpresse sollen bloß nicht so tun, als ob sie das nicht gewußt haben. Das war schon so gewollt. Und dazu kommt der Geschmack der Macht. Denn die linksgrüne Presse konnte in den letzten Jahren die Regierung treiben. Egal um was es ging, "Flüchtlinge" die keine sind, Ehe für alle, Wulff, Atomaustieg und Energiewende, dusselige E-Autos, Diesel-Bashing , Open Borders Politik und und und... Alles der linksgrüne Zeitgeist, der sich selbst fortschrittlich nennt, der aber eher das Geschaffene unwiderruflich zerstört, einhergehend immer mit triefender Hypermoral.

Ernst-Günther Konrad | So., 23. Dezember 2018 - 15:08

Es hört sich einfach an. Ein Journalist hat Märchen erzählt und seine Zeitung ins schlechte Licht gerückt. Gäbe es derzeit nicht im besonderen Maße Kritik und Misstrauen an den Medien, wofür nicht alle etwas können, wäre das der politisch gerne genannte Einzelfall. Der würde aufgebarbeitet, es gäbe noch etwas Luft hinterher und das war es.
Nur müssen alle im Jounalismus tätigen sich fragen, ob es wirklich der Einzelfall ist. Die Redaktionen und Herausgeber müssen darüber nachdenken, ob sie "berichten was ist bzw. war" oder was sein soll. Wer politische Meinung als Chef vorgibt, wer sich als Verantwortlicher nicht gegen politische Einflussnahme stemmt, wer nicht sauber von neutralen Berichterstattung und Kolumne mit
deutlicher gemachter eigener Meinung unterscheidet, ist nicht besser wie C. R.
Wer von Mitarbeitern Meinung verlangt, weil diese Mitarbeiter wirtschaftlich abhängig sind, bekommt das was er verlangt und ist Anstifter. Manch einer macht vielleicht mehr als gefordert.

André Olenburg | So., 23. Dezember 2018 - 16:27

Die Schreie "Lügenpresse" ging weniger um die Lüge an sich, sondern um die politische Einstellung der Journalisten. Dunja Hayali wird von einigen als Journalisten bezeichnet und von vielen als politische Aktivistin.
Es gab mal eine Untersuchung der Universität Hamburg, in der eben genau diese Journalisten sich eher zum linken Spektrum zählten und sich als neutral in ihrer Berichterstattung gesehen haben.
Warum höre ich wieder diese Schreie nach der "Lügenpresse"?
In einer Friedrich-Ebert-Stiftung Befragung an drei renomierten Journalistenschulen gaben dann 60% der Befragten an, der SPD oder den Grünen nahe zu stehen. Es gibt übigens noch weitere Befragungen mit ähnlichem Ausgang.
Wenn also die Medienpreisvergeber, die härteste Prüfstelle für Journalisten (vom ehemaligen Nachrichtenmagazin Spiegel) und sonst noch keine andere Medienstelle irgendetwas an den Texten auszusetzen hatte, dann nur deshalb, weil das Ergebnis stimmte.

Christa Wallau | So., 23. Dezember 2018 - 19:18

... in einem Lande - leider auch im Hinblick auf den Journalismus. Über Jahre spielt sich in den Köpfen der Medienmacher ein gewisser "Geist"(bzw. Ungeist)ein, der gegenseitiges Bejahen, Bestätigen u. Belobigen nach sich zieht. Die Wahnehmung wird derart selektiv, daß nur noch Journalisten mit bestimmter Denkungsart u. bevorzugten Themen in den dominierenden Medien hochkommen.

Dabei gibt es natürlich andere Sichtweisen u. Themen, die es verdienten, ebenso breit und engagiert dargestellt zu werden.
Ich denke da z. B. an den Reporter bzw. Journalisten Billy Sixt, der für die JF u. a. einen sehr erhellenden Bericht über die Flüchtlingsroute auf dem Balkan erstellt hat. Er sitzt zur Zeit in einem elenden Knast in Venezuela, da er dort bei Recherchen, die der linken Regierung nicht paßten,
inhaftiert wurde. Weil dieser Mann aber nicht d a s liefert, was der p.c. entspricht, kräht kein Hahn nach ihm - im Gegensatz zum Medien-Liebling Deniz Yüzel, der spektakulär freigekämpft wurde.

Gerda Hesse | So., 23. Dezember 2018 - 20:35

Wie wäre es,wenn man in der Zeitung wieder einfache BERICHTE lesen könnte, mit der schlichten Beantwortung der W-Fragen, in sachlicher Sprache, wie es sich -- jedenfalls bei der Aufsatzart -- gehört. Wer Märchen will, soll Märchen lesen, aber keine Berichterstattung. Und über einem Kommentar sollte ganz einfach "Kommentar" stehen.
Ausserdem wäre es interessant, welchen Parteien die "Berichterstatter" angehören.Wäre doch mal eine Idee, oder?

Wilfried Nauck | Mo., 24. Dezember 2018 - 09:20

Ich schlage Relotius vor als Regierungssprecher. Seine Fähigkeit, bei der Beschreibung der Wirklichkeit diese so toll aufzuhübschen würde wunderbar zum Slogan "Ein Land, in dem wir gut und gerne leben" passen!