EU und Großbritannien
Wie eng muss die Verbindung zwischen EU und Großbritannien sein? / picture alliance

Brexit-Verhandlungen - „Europa wird nicht als Zwangsjacke funktionieren“

Ob Theresa May trotz Nachverhandlungen eine Mehrheit für ihren Brexit-Deal im Parlament gewinnt, gilt als unwahrscheinlich. Der Ökonom Gabriel Felbermayr kritisiert nun die EU für ihre harte Haltung. Damit gefährde die Union sich selbst

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Gabriel Felbermayr leitet seit 2010 das ifo-Zentrum für Außenwirtschaft des Ifo-Instituts. Seit 2011 hat er an der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Stiftungsprofessur inne.

Herr Felbermayr, wie unruhig schläft es sich als Ökonom wegen des aktuellen britischen Brexit-Chaos?
Tatsächlich gibt es derzeit sehr viele Gründe, wegen derer man als Ökonom schlecht schlafen muss. Davon ist der Brexit nur einer. In Europa haben wir noch ganz andere Baustellen. Die Zustände in Frankreich etwa, die Staatsfinanzen Italiens und erst recht die globalen Probleme. Der US-Präsident Donald Trump stellt die multilaterale Welthandelsordnung in Frage, die strategische Rivalität der Amerikaner mit den Chinesen erreicht immer neue Qualitäten. Das alles sind Seen von Magma, die schnell zu einem gewaltigen Vulkanausbruch führen können. Das alles muss uns große Sorgen machen.
 
Spielt der Brexit also nur eine untergeordnete Rolle für die deutsche und europäische Wirtschaft?
Ich glaube, der Brexit hat am Ende des Tages eine durchaus kleinere Bedeutung. Dazu muss man sich nur die Handelsströme ansehen, insbesondere die deutschen. Der Rest der Welt spielt hierbei eine immer noch sehr viel größere Rolle als die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien. Fast die Hälfte der deutschen Exporte gehen derzeit aus der EU heraus. Die andere Hälfte sind Exporte in die EU. Davon geht etwas mehr als 10 Prozent in das Vereinigte Königreich. Wenn der multilaterale Rahmen infolge des sino-amerikanischen Konflikts zerfallen sollte, hätte das also viel größere Auswirkungen als nur der Brexit. Für die Probleme, die wir mit den Briten haben, sehe ich außerdem Lösungen. Für die multilaterale System ist das viel schwerer vorstellbar.
 
Können Sie das näher erläutern?
Die Welthandelsorganisation (WTO) hat am 1. Januar 1995 ihre Arbeit unter der Arbeitshypothese aufgenommen, dass Francis Fukuyama mit seinem The end of history Recht hat. Die Vorstellung war, dass wir uns ohnehin alle dem selben liberalen, marktwirtschaftlichen, demokratischen System nähern. Diese Fundamental-Hypothese hat sich als falsch erwiesen. Davon loszukommen und eine WTO zu bauen, die etwa einen Staatskapitalismus wie den von China einfangen kann, ist ein sehr viel größeres Problem, als die Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich neu zu ordnen. Das mag zwar ein holpriger Ritt sein mit vielen unschönen Überraschungen. Aber für all das wird es Lösungen geben, die auch funktionieren. Der Konflikt zwischen China und den USA könnte so enden, wie einst zwischen Sparta und Athen. Es geht hier um eine geostrategische Rivalität, die uns die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird, um Macht und um Dominanz.
 
Selbst das viel befürchtete No-Deal-Szenario wäre also händelbar?
Wenn es wirklich dazu kommen sollte, dass die Briten am 29. März ohne Scheidungsvertrag aus der EU gehen werden, wird man natürlich sehr schnell sehr viele Notverordnungen in Kraft setzen. Es hat ja keiner ein Interesse daran, dass die Briten keine Medikamentenlieferungen mehr erhalten oder das britische Flugzeuge nicht mehr auf dem Kontinent landen dürften. Wer soll das verantworten? Welcher Gerichtshof oder welche Behörde würde angesichts dessen ein Verbot aussprechen? Das wird keiner machen. Die Briten werden weiter Importe zulassen, und die EU weiterhin exportieren. Man wird schlicht improvisieren. Das wäre ein großer Schaden, aber eben keine Katastrophe.
 
Die unterschiedlichen Brexit-Szenarien Deal, No-Deal oder gar ein zweites Referendum stellen aber ein hoch politisches Problem dar. Die Folgen wiederum könnten sich wirtschaftlich auswirken. Was wäre insofern die erstrebenswerteste Option?
Man kann sich viele Dinge wünschen. Natürlich wäre es ökonomisch und aus einer europäischen wie aus meiner persönlichen Perspektive am schönsten, wenn der Brexit gar nicht stattfindet. Wenn dieses absurde Theater einfach abgestellt werden würde. Die Frage ist aber, ob das realistisch ist. Und wir sollten uns endlich darüber bewusst werden, dass der ganze Brexit-Vorgang uns auf eine Problemlage im europäischen Integrationsprozess hinweist.
 

Gabriel Felbermayr
Gabriel Felbermayr, Ifo

Welche wäre das?
Wir haben schlichtweg große Heterogenitäten. Es gibt Länder, die wollen gerne im wirtschaftlichen Bereich kooperieren. Die wollen gerne in der Zollunion sein, im Binnenmärkt und so weiter. Die wollen aber vielleicht nicht die politische Integration. Zu dieser britischen Perspektive etwa, sagen wir dann gerne: Ihr seid ja schizophren. Ihr habt es nicht begriffen. Es gibt wirtschaftliche Integration nur auch mit politischer Integration. Das ist aus meiner Perspektive falsch. Denn natürlich kann man ein ganzes Stück weit ökonomisch zusammenarbeiten, ohne politisch integriert zu sein. Das Freihandelsabkommen Nafta zwischen Kanada, den USA und Mexiko ist so ein Beispiel. Ebenso die Efta-Staaten, die mit der EU kooperieren, also die Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island.
 
Sie fordern, die Europäische Union sollte sich von einem ihrer großen Ziele, politisch immer weiter zusammenzuwachsen, verabschieden?
Nein. Aber wir sollten uns in Europa überlegen, wie wir Strukturen schaffen können, mit denen wir Länder, die nur ökonomisch kooperieren wollen, nicht ausschließen. Das gilt für ein künftiges Arrangement mit Großbritannien, aber eben auch mit der Türkei. Und stellen wir uns einige osteuropäischen Länder ohne eine Bedrohungsangst vor Wladimir Putin vor. Das heißt wir müssen mehr Kreativität entwickeln als diese eine Haltung: Es gibt entweder alles oder nichts. Wobei es ein Nichts ehrlicherweise ja nicht gibt. Dann hätte man eben Handelsabkommen wie mit beliebigen Drittstaaten, wie mit Chile oder Vietnam. Das wäre sicher nicht gut genug für die unsere tiefen wirtschaftliche, kulturellen, historischen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich.
 
In dem Übergangsabkommen zwischen EU und Großbritannien vermissen sie also mehr Milde von Seiten der EU?
Ich bin nicht wirklich zufrieden damit, ja. Dieses Agreement ist tatsächlich sehr asymmetrisch gestrickt. Für die stolze britische Nation ist die Art und Weise, wie die Zollunion aufgebaut sein soll schon eine ziemliche Zumutung. Die Briten müssen übernehmen, was in Brüssel entschieden wird, etwa ein Freihandelsabkommen mit den USA. Sie dürfen dabei nicht mitverhandeln. Und die Vorteile, die im Zuge dessen dann die USA der EU gewähren würden, müssten sie den Briten wiederum nicht bieten. Da würde ich mir als britischer Parlamentarier auch sehr gut überlegen, ob ich das wirklich verantworten will. Die Türkei befindet sich heute in dieser Situation. Die konnte man damals in die Zollunion locken mit der Aussicht auch eine EU-Vollmitgliedschaft. Die Briten aber wollen ja aussteigen. Insofern fehlt da also der Anreiz dem zuzustimmen.
 
Wie würde Ihre Lösung dazu aussehen?
Was wir fordern ist, darüber nachzudenken, eine Zollunion zu schaffen, die über die Grenzen der EU hinausgeht. Da könnte man Großbritannien integrieren, die Türkei, vielleicht auch die Efta-Länder. Die müssten dann aber auch mitsprechen und mitverhandeln können, wenn es etwa um Freihandelsabkommen mit Drittstaaten geht. Das hätte den Vorteil, dass die große europäische Zollunion weiterhin ein großes Gewicht hätte, schlicht weil sie weltweit weiterhin der zweitgrößte Binnenmarkt wäre.
 
Das würde der alten Idee eines Europas mit verschiedenen Geschwindigkeiten entsprechen. Hier die Staaten mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit, dort ein paar Staaten, die vielleicht stärker sozialpolitisch kooperieren. Ist das realistisch?
Wir laufen doch ohnehin in diese Richtung. Wenn wir in der Eurozone ein Eurozonenbudget bekommen. Wenn wir einen Eurozonen-Finanzminister bekommen. Wenn wir die Eurozone sehr viel stärker harmonisieren, damit die Geldpolitik funktionieren kann. All das führt in eine solche Situation.
 
Wenn die EU aber laxer verhandelt, befürchtet sie wohl nicht zu Unrecht, dass Staaten aus der EU fliehen.
Ich halte es für falsch, den Briten keine Zugeständnisse zu machen, nur weil dann etwa die Dänen auch auf die Idee kommen könnten, diesem Beispiel zu folgen. Die Idee eines Europas, das nur per Zwangsjacke zusammenhält, wird nicht funktionieren. Das klappt vielleicht kurzfristig. Aber langfristig staut sich immer Frust und Druck an. Wenn sich das irgendwann entlädt, könnte das Folgen haben, die weit über jetzige Befürchtungen hinausgehen.
 
Müsste die EU vielmehr auf Ihre Anziehungskraft vertrauen, als auf eine angeblich notwendige Abschreckung für abtrünnige Länder?
Genau. Wir brauchen kein beliebiges Europa, aber wir brauchen ein flexibleres Europa. Ein Europa, das vielleicht zwei Modelle anbieten kann: Eines mit politischer Integration. Das wäre wahrscheinlich die Eurozone. Und eines ohne politische Integration, wo Staaten mit dabei sein können, die mehr schlicht nicht wollen oder Staaten, die wir politisch vielleicht derzeit nicht integrieren wollen, wie zum Beispiel die Türkei.
 
Verspielt die EU mit ihrem strengen Verhandlungsregime beim Brexit diese Chance?
Wir hatten ja vor kurzem diese furchtbaren Worten von Boris Johnson, der die Europäische Union mit der Sowjetunion verglichen hatte. Das hört sich natürlich schrecklich an und ist maßlos übertrieben. Aber wir sollten wirklich nicht in den Verdacht geraten, dass Europa durch eine Klammer zusammengehalten wird, die all jenen, die vielleicht nicht bei allem mitmachen wollen, sofort die ökonomische Pistole auf die Brust setzt. Das ist zu exzessiv und es hilft uns am Ende auch nicht. Denn wenn wir die Briten verlieren, dann verlieren wir am Ende auch Gewicht bei Verhandlungen mit den USA oder mit China. Und dieses Gewicht brauchen wir, um unsere europäischen Interessen zu wahren. Angesichts des transaktionalen Ansatzes, den große Spieler wie China, die USA und zukünftig wohl auch Indien ganz unverblümt verfolgen, brauchen wir dieses Gewicht mehr als je zuvor.

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Bernhard K. Kopp | Fr., 14. Dezember 2018 - 09:48

Die Eurozone erfordert zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaftswährung eine weitergehende politische Gemeinschaft. Sie darf nur nicht eine polyamore WG werden mit gemeinsamer Kreditkarte für die dann der mit dem besten Einkommen haftet und zahlt. Alles andere sind kluge Ideen.

Christoph Rist | Fr., 14. Dezember 2018 - 11:09

gerade so beliebt, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie die von EU-Apologeten gerne propagierte "immer tiefere Union". Beides führt zwangsläufig ins Verderben. Und ich muss sagen, dass die derzeitigen Angebote/Kompromisse der EU im Hinblick auf den Brexit weit vernünftiger sind, als ich es ursprünglich für möglich hielt. Wie weit will man den Briten, bei allem berechtigtem Eigeninteresse, noch entgegen kommen? Der britische Souverän, der Wähler, hat sein Schicksal gewählt. Niemand hat die Briten aktiv hinauskomplimentiert. Die EU braucht andere Zielsetzungen. Eine gemeinsame Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik müsste - zumal in heutiger Zeit - ganz weit vorne auf der Agenda stehen, dann die Handels- und Wirtschaftspolitik. Alles andere gehört aber schlichtweg nicht in die Hände der Europäischen Union und muss bei den Nationalstaaten verbleiben. Eine weitere "politische Integration" innerhalb der Eurozone ist totaler Blödsinn, der insbesondere Deutschland nur schaden wird.

Herr Rist, ich kann Ihnen gänzlich zustimmen. Die EU hat ihre ehemalige Zielsetzung (klammheimlich) verändert. Entstanden, um innereuropäischen Frieden zu erhalten, drängt man in Brüssel, nicht in den Nationalstaaten der EU, seit einigen Jahren aber mehr u. mehr auf ein immer weiter zusammenwachsendes Europa. Das aber wollen viel Bürger gar nicht. Das wäre auch gar nicht möglich, oder glaubt irgendjemand wirklich, dass es in den Osteuropäischen Ländern in absehbarer zeit die gleichen, hohen) Sozialstandards geben wird wie z. B. in D. Von diesem Irrsinn gibt es noch viele andere Bsp.
M. E. hat die jetzige EU ihren Zenit des Erfolgs mit dem Scheitern der Lissaboner Verträge (die ja nie so zustande kamen wie angedacht) zu überschreiten begonnen. Ab da ging es bergab. Und wenn man in Brüssel nicht umlenkt wird es weiter bergab gehen.

Robert Müller | Fr., 14. Dezember 2018 - 11:13

So ein rein wirtschaftlich kooperierendes Europa wäre auch eine super Sache um Nordafrika einzubinden. Die Gefahr, dass dann keiner mehr die politische Vereinigung will, sehe ich allerdings. Wenn ich mir überlege wer das überhaupt noch will, dann würde nach einem Sieg von Le Penn in Frankreich nur noch Deutschland das wollen. Die Vergemeinschaftung der Währung hat die meisten Länder überfordert, wobei das jeder hätte wissen können. Vor dem Euro gab es den DM-Block und der war damals schon für Frankreich zu "hart". Der französische Fehler war, dass sie dachten das die Bundesbank die DM hart macht. Es war aber die DE-Wirtschaft und somit ist nun auch der Euro so hart wie einst die DMark geworden. Es wird vlt. noch ein Jahrzehnt dauern, bis alle Euro-Länder sich an den Euro angepasst haben. Bis dahin könnte so ein zweites Europa zum Ende des Euro-Europas führen, weshalb das nur als Ultima Ratio kommen würde, also wenn die EU kurz vorm Auseinanderfallen ist.

Tomas Poth | Fr., 14. Dezember 2018 - 13:27

Antwort auf von Robert Müller

in einer Abstimmung nein zum europäischen Verfassungsvertrag gesagt, genauso wie die Niederlande.
Nur in Deutschland ist man"Europabesoffen".

In Deutschland ist man Europa-besoffen, weil man unangenehme Entscheidungen nach Brüssel schieben kann und für alles eine Europäische Lösung ankündigen kann, darum braucht man sich nicht bemühen eine eigene Lösung anzubieten,man muss sich nicht festlegen, so wird in D. regieret. Für die Politiker win-win, für das Volk Desater.

Ihre Formulierung von "europabesoffen" ist sicherlich etwas übertrieben. Aber nachdem in allen europäischen Staaten die Opposition gegen die EU wächst und die Briten austreten möchten, dürfte man doch eigentlich von der EU erwarten, dass sie sich einmal an die eigene Nasse fasst und darüber nachdenkt, was sie selbst dazu beigetragen hat. Aber davon hört und sieht man nichts!
So wird die Antipathie gegen die EU steigen.

Tomas Poth | Fr., 14. Dezember 2018 - 11:39

mit dem Satz ist fast alles bestens gesagt.
Wer will denn wirklich die EU als politische Union, als die "Vereinigten Staaten von Europa"? Das sind doch nur einige politische Kreise in Deutschland, die sich dem verschrieben haben.
Finger weg von einer sozialpolitischen Union, das gibt nur böses Blut.
Die "furchtbaren Worte von Boris Johnson" ? - da steckt ein Körnchen Wahrheit drin! So wie der Titel des Artikels von der Zwangsjacke spricht!

Gerdi Franke | Fr., 14. Dezember 2018 - 12:04

und die EU ist doch schon lange am auseinanderdriften. Nur deutsches Geld hält sie noch am Leben. Aber damit wird es auch bald Schluss sein! Spätestens dann wenn die AfD regiert!

M. E. sind die Brüsseler Eurokraten auf dem besten Wege die EU wie sie jetzt noch existiert, zu spalten, oder gar ganz zu eliminieren. Dazu bedarf es der AfD gar nicht. Die aktuelle EU IST ein Zwangskorsett, will das aber nicht einsehen. Es sind nur wenige Menschen die weiter Tag für Tag ihren persönlichen Europa-Traum leben. Diese gilt es zum Verstummen zu bringen. Dann hat die EU auch noch eine Chance. So aber wird die EU mittelfristig in mind. 2, oder 3 Bündnisse zerfallen.

Hans Nase | Fr., 14. Dezember 2018 - 13:01

Das Problem der EU ist, daß sie Seitens der europäischen Linken das Wunschvehikel und die Zwischenstation auf dem Weg zur großen intenationalen sozialistischen "no borders/no nations alle sind gleich" Utopie ist. Und dies aktuell im Pakt mit der Wirtschaft, die gerne von einem reibungs- und grenzenlosen gemeinsamen Markt profitierten möchte. Die Folgen für die heterogenen europäischen Nationen sind bekannt. Wer das kritisch sieht und nicht immer mehr Macht und Einfluß nach Brüssel abgeben will, ist aber der Buhmann, egal ob es in D ein Lucke war oder jetzt die Brexiteers. Aber daß es anders geht, zeigen ja die Anfänge der EU, die EWG.
Insofern ist Boris Johnson recht zu geben. Alle sozialistischen Systeme haben sich bisher dadurch ausgezeichnet, daß sie Individualität, Diversität und Heterogenität nur durch massive Unterdrückung im Griff behalten konnten. Und auf diesem Weg befindet sich die EU eindeutig. Wehret den Anfängen...

sagt der Lateiner.
Die Erfahrungen mit Jugoslawien, UdSSR, Tschechoslowakei in jüngerer Zeit zeigen das multiethnische Staatsgebilde nicht überlebensfähig sind, den Kern des Verfalls in sich tragen.

Dimitri Gales | Fr., 14. Dezember 2018 - 14:18

Es stimmt doch, dass in der EU und insbesondere im Euro-System ein ökonomisch autoritäres Klima herrscht, dass auch und vielleicht insbesondere von Deutschland bestimmt wird. Solange alle Länder wirtschaftlich davon profitieren, kann das System halten, ist aber nicht wasserdicht, denn man darf nicht vergessen, dass es sich um souveräne Staaten, also nicht nur um ökonomische Gebilde, handelt. England war schon immer ein besonderes Phänomen ("splendid isolation"), man hat letzthin viele Fehler gegenüber dieser Exklusivität gemacht, die nun einmal Fakt ist; eine "Umerziehung" im Sinn von Brüssel-Europa sollte man besser seinlassen.

Michaela Diederichs | Fr., 14. Dezember 2018 - 15:24

Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass man an UK ein Exempel statuieren möchte, um mögliche Nachahmer abzuschrecken? Der eine oder andere Staat empfindet möglicherweise die EU inzwischen als politische Zwangsjacke, aus der man sich vielleicht doch früher oder später befreien möchte. Ein spannendes Interview, in dem mehrere Möglichkeiten durchgespielt werden, die ich durchaus attraktiv finde.

Rob Schuberth | Sa., 15. Dezember 2018 - 01:10

Antwort auf von Michaela Diederichs

Ja, bzgl. der Angst in Brüssel vor Nachahmern denke ich haben Sie einen Punkt gemacht. Ich sehe hinter der "Härte", mit der man den Bexiteers begegnet, aber noch mehr.
Die Eurokratie (ich wähle bewusst die Analogie zu einer Monarchie) und deren Lenker sehen längst, dass ihr "Reich" bröckelt und ihre hochtrabenden (links-ideologischen) Pläne der Vereinten Nation Europa, in absehbarer Zeit nicht umzusetzen sein wird. Das erstarkende Bewusstsein der Länder der EU, sich als Nation zu begreifen und sich dabei gut zu fühlen (was Brüssel ja im Grunde abschaffen will), das macht den Lenkern in Brüssel ebenfalls Angst (vllt macht es sie auch wütend, wer weiß?).

Mathias Trostdorf | Fr., 14. Dezember 2018 - 15:43

Allen Bemühungen Frau Mays zum Trotz:
Nur ein harter Brexit ist ein Brexit, der den Namen auch verdient. Alles andere ist nur vom Nachteil für GB, da die EU sich weiter einmischen darf.
Ein harter Brexit wird ein bißchen Chaos verursachen, da ja in den vielen Jahres vieles verzahnt worden ist und mühsam wieder entwirrt werden muß, und bilaterale Verträge die EU Geschichten ersetzen werden. Aber es werden ja immer Lösungen gefunden, warum nicht auch hier.
Ich sage immer: Es gibt ca 170 Länder, die nicht mit Gurkenkrümmungsverordnungen aus Bruxhelles beglückt/ belästigt werden, und da ist ja auch Leben.

Martin Lederer | Fr., 14. Dezember 2018 - 22:27

heiße "EU". Ihr könnt es auch als "Einhorn" bezeichnen, trotzdem ist es das nicht.
Und die EU ist ganz sicher nicht "Europa"

Günter Johannsen | Sa., 15. Dezember 2018 - 11:31

In Merkels Amtszeit ist Gesamt-Deutschland zum "Vormundschaftlichen Staat" mutiert. Genau DAS interessiert Menschen in Deutschland heute: wie bekommen wir wieder ein freiheitlich-demokratisches Deutschland, in den sich die Menschen frei, mündig und selbstbestimmt fühlen können?! Die GroKo unter Merkel hat Deutschland gespalten in Gutmenschen, die sich konform verhalten einerseits - und böswillige Rassisten, Rechtspopulisten und Islamfeinde (wer den Islam kritisiert) andererseits! Das trifft inzwischen auch auf diese EU-Kommission zu, die in Richtung vormundschaftliches System steuert. Welches Volk will sich schon von einer Hand voll linksvernebelter EU-Politiker gängeln lassen? Brexit ist die logische Konsequenz. Andere werden folgen. Doch die Staats-Medien verdrehen die Tatsachen, weil sie nur noch Propaganda betreiben dürfen … oder wollen? Das ´Betreute Denken´ schreibt nun vor, was wir wissen dürfen. Diese EU ist gescheitert an ihrer inkompetenten und allmacht-süchtigen Moralelite!

Cornelius Angermann | So., 16. Dezember 2018 - 00:13

Sie meinen doch eigentlich "Europa wird als Zwangsjacke nicht funktionieren!"
Entscheidend ist, wo das Wörtchen "nicht" steht.

Denn so, wie Sie es formuliert haben, liest es sich als Versprechen, dass dieses System nicht als Zwangsjacke angewendet wird. Dass diese Insinuierung falsch ist, sieht man an den Brexit-Verhandlungen und auch an der Griechenland-Krise. Auch bzgl. der EU-Kritik am Staatshaushalt Italiens ist es abzulesen.

Ach ja und übrigens: die EU ist nicht Europa und Europa nicht die EU!

Brigitte Simon | So., 16. Dezember 2018 - 18:53

"Reisende soll man ziehen lassen". Wirklich? So lasch ist es in Berlin zu hören. Immerhin ist England nicht nur eine von zwei Nukelarmächten, incl. Frankreich, in der EU, auch die zweitgrößte Volks-
wirtschaftsmacht in Europa.
Bereits diese Tatsachen sollten für eine Unterstüt- zung genügen, um Europa nicht zur Zwangsjacke werden zu lassen. Der Beitritt Großbritanniens verhinderte die einseitige militä-
rische Abhängigkeit der EU von Frankreich. Siehe
Macron und unsere hörige Kanzlerin. Frankreich,
das Land, das seit 1999 besondere Nachsicht inner-
halb der EU - höre Juncker: "Entschuldigend Frank-reich ist eben Frankreich". Der Brexit könnte ver-mieden werden, wäre Cameron 2016, insbesonde-
re von Merkel wenig unterstützt, nicht mit leeren
Händen nach London zurückgekehrt, um ein posi-
tives Referendum durchzubringen. Warum wurde
Merkel nicht aktiv? Sie stand wegen ihrer Flücht-
lingspolitik unter Druck, ohne Zeit, sich diesem
Thema zu stellen. Sie war nicht

Brigitte Simon | So., 16. Dezember 2018 - 19:07

handlungsfähig und mochte Frankreich nicht verprel-
len, auf dessen Unterstützung sie bei der Umsetzung
der Flüchtlingsquotenregelung ausgeliefert war.
Doch auch hier würde es Merkel schaffen, Deutsch-
land und die EU zu Verlierer machen. Der Rückzug Großbritanniens würde Deutschland auch im Euro-
paparlament schwächen.
Ohne Brexit wird Europa als Zwangsjacke verhin-
dert.

Eine Betrachtung des Brexits aus dieser Perspek-
tive wäre durchaus interessant. Ein Entgegenkom-
men an Großbritannien ist meines Erachtens ange-
bracht.

Alfred Simon | So., 16. Dezember 2018 - 19:44

Nach einem Austritt Großbritanniensaus aus der EU geht nicht nur der zweitgrößte Beitragszahler nach
Deutschland verloren, sondern auch die"politsche"
Macht an die südlichen EU-Länder. Im Umkehrschluß
ist die Folge deren entsprechende finanzielle "Ali-
mentierung". Wenn man aber jetzt an das Griechenland-Debakel denkt und auch an Osteu-
ropa, wird der "Sozialfonds" der EU noch leerer.
Der finanz-und wirtschaftspolitsche Schaden wäre
enorm.Doch wird man hoffentlich klug. Dieser
Wunsch in Gottes Ohr.
Wichtig ist Großbritannien als wichtigster Ver-
bündeter der EU im Klima-und Umweltschutz.