Eine Teilnehmerin der vierten Deutschen Islam-Konferenz bei der Auftaktveranstaltung

Deutsche Islamkonferenz - Die Zeit der Labels ist vorbei

Bei der vierten Deutschen Islam-Konferenz ging es um die Frage, wie ein „deutscher Islam“ aussehen könnte. Für Eren Güvercin zeichnet sich ein solcher vor allem durch die Bereitschaft zum innermuslimischen Streit aus. Ein Gastbeitrag

Autoreninfo

Eren Güvercin, geboren 1980 als Sohn türkischer Eltern in Köln, arbeitet als freier Journalist für verschiedene Hörfunksender und Zeitungen. Er ist Mitinitiator der „Alternativen Islamkonferenz“. 2012 erschien von ihm das Buch „Neo-Moslems“ bei Herder.

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Seit einigen Jahren gibt es unter deutschen Muslimen die Diskussion über einen sogenannten „liberalen“ und einen „konservativen“ Islam. Mit der neuen, spontan vor der Deutschen Islam Konferenz ins Leben gerufenen Initiative „säkularer Islam“ ist ein weiteres Label ins Spiel gekommen. In den vergangenen Jahren wurden zwischen den verschiedenen Lagern sehr kontroverse Diskussionen geführt. Jedoch fanden diese vor allem in den Medien statt, was dazu führte, dass diese Labels oft willkürlich und auf eine Weise verwendet wurden, die die jeweils anderen stigmatisierten.

Streit als Bestandteil muslimischer Zivilgesellschaft

Eine souveräne und konstruktive Debatte ist indes leider nicht entstanden. Wir, die deutschen Muslime, waren in all den Jahren leider nicht im Stande, eine innermuslimische Plattform zu bilden, in der man sowohl öffentlich als auch jenseits der Öffentlichkeit kontroverse Diskussionen führt, ohne den Gegenüber auszugrenzen. Man mag die Meinung des Anderen nicht teilen, aber es gehört zu einer muslimischen Zivilgesellschaft, sich argumentativ auseinanderzusetzen, miteinander zu streiten, immer mit dem gemeinsamen Gedanken daran, nämlich was wir als deutsche Muslime unserer Gesellschaft anzubieten haben, welche Herausforderungen wir haben, und wie wir uns als Muslime im Hier und Jetzt verhalten. 

Das neue Format der Deutschen Islam Konferenz hat sich vor allem in der Hinsicht bewährt, dass es sich als produktiv erwiesen hat, das ganze Meinungsspektrum der innermuslimischen Diskurse mal persönlich miteinander zu konfrontieren. Nach einigen Gewitterwolken hat sich herausgestellt, dass man nach einer emotionalen Entladung sehr wohl zu einer differenzierten und ausgewogenen Argumentationsweise gelangen kann. Die extremen Pole, von säkular bis konservativ, schleifen sich ab, wenn man sich auf Diskussionen einlässt. 

Anstatt zu versuchen, das Gegenüber zu delegitimieren und ihm – wie es vor allem oft in den sozialen Medien geschieht – durch irgendein Labeling oder Framing die Teilnahmeberechtigung am Diskurs abzusprechen, wurde der Andere als legitimer Disputationsgegner wahrgenommen. Man hat sich auch darauf verständigt, dass das Ziel des Austausches nicht die absolute Positionsveränderung des Gegenübers ist, sondern auch ein Ergebnis denkbar ist, das aussagt: Wir lassen auch diese Vielfalt weiter zu, und wir halten uns auch in dieser Vielfalt aus. Das alles hindert uns nicht daran, uns persönlich über Dinge auszutauschen, die man beim jeweils Anderen kritisiert.

Zuhören statt Pauschalkritik 

Das hat zu einer Mäßigung und Versachlichung der Debatte geführt. Man kann dem Format nur wünschen, dass dieser Effekt auch im weiteren Verlauf erhalten bleiben wird. Alleine durch die Nähe zueinander relativieren sich Positionen. Man übt nicht mehr diese Pauschalkritik, die absolute Zurückweisung von Positionen, sondern man sieht sich wechselseitig ins Auge und sagt, ich lasse es zu, dass es dich mit deiner Meinung gibt, ich empfinde dich als Bereicherung. 

Der permanente Vertretungsanspruch, der Anspruch, Stimme von jemandem in der innermuslimischen Debatte zu sein, führt uns in eine Sackgasse. Denn das wirft ständig Legitimations- und Vertretungsfragen auf, die uns im Diskurs nicht weiterbringen. Als Alhambra Gesellschaft werfen wir dagegen die Frage auf, ob es Diskursräume gibt, in denen wir uns über kontroverse Punkte konstruktiv austauschen und auch streiten können. Wir vertreten keine Gruppe oder Gemeinschaft, sondern bieten der muslimischen Gemeinschaft in all ihrer Vielfalt einen Diskursraum, in dem neue Themen gesetzt und besprochen werden können, von denen wir das Gefühl haben, dass vor allem junge Muslime daran interessiert sind. In unserem Veranstaltungsformat „Das Muslimische Quartett" und den wöchentlich erscheinenden Freitagsworten versuchen wir nicht nur brisante Themen zu behandeln und solche, die den Islamdiskurs bereichern, sondern wir versuchen dadurch auch eine Sprachfähigkeit gerade bei jungen Muslimen herzustellen. 

Von deutschen Muslimen für deutsche Muslime

Vielleicht ist es ja gerade dieser Konflikt, dieser innermuslimische Streit, der den Islam in Deutschland heute auszeichnen sollte: eine offene Debatte darüber, was es eigentlich heißt, eine Muslimin oder ein Muslim in Deutschland zu sein.

Wichtig ist aber, dass die Entscheidungen über muslimische Angelegenheiten in Deutschland auch tatsächlich von Musliminnen und Muslimen hier in Deutschland getroffen werden – nicht per Dekret aus Ankara oder unter dem Deckmantel einer sogenannten türkischen Diasporapolitik. Wie Dr. Aydin Süer, der stellvertretende Vorsitzende der Alhambra Gesellschaft, heute in seinem Impulsvortrag der Auftaktveranstaltung der DIK betonte: „Die Diaspora ist zu Ende. Wir leben nicht in der Fremde. Deutschland ist für uns Musliminnen und Muslime Heimat geworden.“

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Ralph Lewenhardt | Do., 29. November 2018 - 18:23

Ok, das wäre dann der ausgeübte "Deutsche Islam". Bin schon ganz gespannt, wie dann der österreichische, italienische oder schwedische oder dänische oder französische usw. aussehen. Das schafft massenhaft neue Lehrstühle in der Islamwissenschaft. So viele EU-Länder aber auch......wirklich spannend!

Das wär auch ich!
Unabhängig davon einige hilfreiche Hinweise.
Österreichischer, italienischer, schwedischer, dänischer oder französischer Islam: Geht garnicht, wegen z.B. gutem Speck, Wurst, Wein etc. wie auch gelebter Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, incl. Frauenrecht etc.pp .

Tomas Poth | Do., 29. November 2018 - 18:54

gut dass ein Bewusstsein dafür existiert, dass diese "Religion" (Verzeihung, nach Lektüre des Koran und verschiedener anderer Schriften über den Koran, sowie der massiven Gewalt im Namen des Islam bleiben mir nur Anführungszeichen übrig) eines Läuterungsprozesses bedarf. Solange dieser Prozess nicht in den 57 islamischen Staaten angeführt wird, werden die Bemühungen in Deutschland nicht mal den berühmten Tropfen auf den Stein ausmachen. Der Islam liegt um 6 bis 7 Jahrhunderte gegenüber dem Christentum aufklärerischer Zeiten zurück. Dennoch ist es gut wenn bei uns dieser Prozess, sozusagen "abtrünnig" vom orthodoxen Islam, zügig voran käme, damit wir friedlich unter dem Primat der Demokratie mit einander leben können.

Michaela Diederichs | Do., 29. November 2018 - 19:08

Ich bin froh und dankbar, dass auch diese Menschen eingeladen waren. Sie haben einen besonders schweren Stand. Nicht nur Anfeindungen durch Muslime sind sie ausgesetzt, auch die Deutsche Journalistenschule hat offenbar ein Problem mit ihnen. Das ist schwer erträglich, denn sie können sicherlich viel beitragen zu einem deutschen Islam.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article184676872/Hamed-Abdel-Sam…
https://www.theeuropean.de/hamed-abdel-samad/15101-deutsche-journaliste…

Hans Jürgen Wienroth | Do., 29. November 2018 - 20:07

Die Islamkonferenz sollte nicht nur den innerislamischen Dialog anstoßen. Es muss auch um eine Integration der Muslime in die christliche, jüdische oder säkulare Gesellschaft in diesem Lande gehen.
Erst wenn sich die Muslime in diesem Lande genauso selbstverständlich an den christlichen Oster- oder Weihnachtsfesten beteiligen wie die schon länger hier Lebenden am Fastenbrechen teilnehmen beginnen wir mit der Integration. Das gilt selbstverständlich genauso für die jüdischen Feiertage, an denen die anderen Mitbürger teilnehmen sollten. Dazu gehört auch der notwendige Respekt für den anderen (Nicht-)Glauben und dessen Kultur.
Wenn eine Glaubensgemeinschaft für sich einen höheren Stellenwert beansprucht, ist ein friedliches Zusammenleben nicht möglich.

Norbert Heyer | Fr., 30. November 2018 - 06:14

Die Vorstellung ist bestechend: Ein Islam, der sich als gleichberechtigte Religion mit allen anderen Religionen versteht. Nur ist dieser Ansatz völlig undenkbar, da der Islam sich als die einzig richtige Religion versteht, Andersgläubige als Ungläubige bezeichnet und sich über diese erhebt. Die Auslegung des Koran ist eben nicht verhandelbar sondern sind in ihrem Kern unabänderlich. Gerade Staaten wie die Türkei haben ja nach Jahren einer liberalen Religionsausübung unter Erdogan wieder die Kehrtwendung zu dem Islam vollzogen, der vor dem Reformer Atatürk praktiziert wurde. Da gibt es keinen Spielraum für ein friedliches Nebeneinander aller Religionen, sondern nur den regiden Anspruch des Islam auf Alleinherrschaft, so wie im Koran gefordert. Da zum Erreichen dieses Zieles auch ausdrücklich das Lügen und Täuschen der Ungläubigen erlaubt ist und auch gefordert wird, ist hier kein Ansatz für eine Beruhigung der Situation erkennbar. Gerade bei den jungen Moslems ist Religion angesagt ...

Birgit Fischer | Fr., 30. November 2018 - 08:30

Es gibt keinen germanischen Islam, denn Germanen stehen nicht zum Islam. Ein deutscher Islam ist eine Erfindung der Gutmenschen, ist reines Wunschdenken, denn Deutsche sind nicht islamisch. Islam gehört nicht zum deutschen Land, genau so wenig gehören Moslems dazu. Dass Moslems in der BRD leben, ist lediglich Folge verfehlter Politik. Es braucht keine Phantom-Diskussion zum Islam in der BRD. Islam ist eine reaktionäre Ideologie und kommt im Tarn-Mäntelchen einer Religion daher. Solange Gutmenschen das nicht begreifen, wird es bergab gehen mit der BRD. Und in nicht allzu ferner Zeit wird der Islam übernehmen. Und dann werden dieselben Gutmenschen und ihr Anhang fliehen was das Zeug hält. Was tun? Trennt Euch von diesen Gutmenschen,Islam-Schönrednern,Islam-Verharmlosern! Westliche Freiheit und Islam sind auf ewig inkompatibel, denn westliche Freiheit ist gelebter Individualismus. Islam hingegen ist Gruppen-Zwang. Der Einzelne ist nichts, die Glaubensgemeinschaft ist alles.

Romuald Veselic | Fr., 30. November 2018 - 12:31

Antwort auf von Birgit Fischer

Ich bin für eine Nicht-Islam-Konferenz. Ansonsten fühle mich ausgegrenzt.

Giesela Kramski | Fr., 30. November 2018 - 14:42

Antwort auf von Birgit Fischer

Bravo, Frau Fischer.
Ihre - wie immer - kernigen Beiträge lese ich mit Vergnügen.

Therese Weps | Fr., 30. November 2018 - 18:25

Antwort auf von Birgit Fischer

Zu solchen Beiträgen ist nichts mehr hinzuzufügen. DANKESCHÖN auch an CICERO
VG TW

Peter Weih | Fr., 30. November 2018 - 10:42

Was für ein Blödsinn... ebenso wie Deutsches Christentum. Es macht überhaupt keinen Sinn seinen (Nicht-) Glauben mit der Nationalität zu verbinden. Es sei denn man möchte so sinnvolle Konstrukte wie die "Deutschen Christen" (oder dann halt die Deutschen Islamisten) wieder auferstehen lassen...
Religion ist reine Privatsache und hat im öffentlichen Raum nichts verloren. Wann vollziehen wir in diesem Staat endlich die Trennung von Staat und Kirche?
Und übrigens, wann gibt es endlich die erste deutsche Atheisten-Konferenz? ... die sind mittlerweile die größte "Glaubens"-Gruppe...

Klaus Schmid | Fr., 30. November 2018 - 11:19

Mal ganz sachlich:
- Im Grundgesetz ist die Religionsfreiheit fest-geschrieben
- Im Islam ist es den Mitgliedern nicht erlaubt auszutreten bzw. eine andere Religion zu wählen

Wie kann jemand da sagen der Islam ist mit dem Grundgesetz vereinbar?
Dieses Verbot der Religionswahl im Islam ist übrigens auch ein wesentliches Hindernis zur Integration und Vermischung mit den "Einheimischen", da Moslems nur Moslems heiraten dürfen.

Warum dieser Widerspruch niemals angesprochen wird weiß der Himmel (oder auch der nicht)

Heidemarie Heim | Fr., 30. November 2018 - 14:54

Antwort auf von Klaus Schmid

Bin ganz bei Ihnen werter Herr Schmid! Erklären könnte ich es mir persönlich nur mit einer unterschiedlichen Interpretation unseres Grundrechts auf Religionsfreiheit, wie sie sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes, damals nicht mit dieser Form der Religionsgemeinschaft konfrontiert, vielleicht so weitgehend auch nicht vorstellen konnten? Im Sinne von inhaltsunabhängigem Ausüben einer auch sehr restriktiven Religion (konvertieren/heiraten außerhalb der religiösen Gemeinschaft) ist nach heutiger Lesart der Religionsfreiheit mit unserem GG kompatibel? Der "Widerspruch" bzw. u.a. offensichtliche Erklärung für ein Ausbleiben der von uns gewünschten Assimilation von Migranten in unsere Gesellschaft, hatten wir in früheren Zeiten leider auch 1:1. Ob Unterschiede in sogenannten Ständen, jüdisch-christlich geprägten Strukturen usw. Erst ein übergreifendes "Gesetz" für Alle durchbrach diese Barrieren. Alles Gute! MfG

Karl Müller | Sa., 1. Dezember 2018 - 08:33

Antwort auf von Klaus Schmid

Die negative Religionsfreiheit ist (theoretisch) der positiven gleichrangig. Wird in diesem Land leider nicht so gehandhabt und das muss sich ändern!

Werner Winter | So., 2. Dezember 2018 - 16:21

Antwort auf von Klaus Schmid

muss um Leib um Leben fürchten. Auch deshalb kann es sich m.E. um keine Religion handeln - es ist eine Philosophie.

Maria Bohm | Fr., 30. November 2018 - 21:49

Solange liberale Moslems oder Frauen, die öffentlich auftreten, ob als Moscheegründerin oder Kulturmoslemin, Polizeischutz benötigen, halte ich den Islam für gefährlich.

Hans Rudolf Knecht | Sa., 1. Dezember 2018 - 08:33

Warum Deutscher Islam und nicht etwas grossräumiger Denken und einen "Europäischen Islam" definieren?

Rolf Pohl | Sa., 1. Dezember 2018 - 15:44

Seit wann gabs den jemals oder gibts den auch nur ansatzweise aktuell?

Gegenfrage:
Seit wann gabs je oder gibts, z.B. türkisches, saudisches etc.pp Christen- und/oder Judentum?
Nach meinem Wissensstand lebten oder leben in diesen Ländern lediglich z.T. Christen, Juden, Buddisten etc.
Deren "tum" wurde und wird dort aktuell nicht mal ansatzweise als z.B. türkisches, saudisches geduldet oder gar so bezeichnet.
Wurde aus Deutschland inzwischen ein sozusagen historisch, verballhorntes Ländle ohne jedes selbstbewusstsein?