Johannes Vogel (l), designierter Generalsekretär der nordrhein-westfälischen FDP, spricht am 01.04.2014 in der Landespressekonferenz im Landtag in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) neben dem FDP-Bundes- und Landesparteivorsitzenden Christian Lindner.
Zwei, die zu wissen glauben, wie die Reform der Reform besser geht: Johannes Vogel und Christian Lindner / picture alliance

SPD-Pläne zur Abschaffung von Hartz IV - „Das stellt das Prinzip der Sozialstaatlichkeit in Frage“

„Hartz IV muss weg.“ Mit dieser Forderung hat SPD-Chefin Andrea Nahles eine Kontroverse ausgelöst. Jetzt haben Christian Lindner und Johannes Vogel ihren Vorschlag nach allen Regeln der Kunst zerpflückt. Die FDP hat ganz andere Vorschläge zur Reform der Reform

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Stell Dir vor, die Sozialdemokratie will sich selber retten – und sie benutzt dafür ausgerechnet eine Formel, die aus dem Fundus der FDP stammt. Genau dieses Schauspiel erlebt die Öffentlichkeit gerade mit der Kontroverse um Hartz IV. „Hartz IV muss weg!“ So hat es SPD-Chefin Andrea Nahles verkündet. Ein Bürgergeld müsse her. Die SPD-Chefin will Hartz IV aufstocken und auch die Sanktionen für arbeitsunwillige Empfänger streichen – die eine Säule der Hartz IV-Reform waren und sie zu einem wirtschaftlichen Erfolgsprojekt gemacht haben. Schluss mit Fordern und Fördern.

Bürgergeld? Diesen Begriff reklamiert FDP-Chef Christian Lindner für seine Partei. In einem erfrischend bissigen Gastbeitrag, den Lindner zusammen mit dem FDP-Arbeitsmarkt-und Sozialexperten Johannes Vogel für die Zeit geschrieben hat, geht Lindner hart mit der SPD-Chefin ins Gericht. „97 Prozent der Menschen in der Grundsicherung kommen mit Sanktionen überhaupt nie in Kontakt“, heißt es da. Nahles schüre nicht nur Urängste, wenn sie Hartz IV als System der Gängelung und Bestrafung darstelle. Sie stelle auch das Prinzip der Sozialstaatlichkeit in Frage, wenn sie „mit staatlichen Zwangsmitteln in das Eigentum der hart arbeitenden Normalverdiener eingreife, um Sozialtransfer für Personen zu finanzieren, die auf eigenen Beinen stehen könnten.“ Gegenvorschläge zur Reform von Hartz IV hat die FDP auch. Lindner und Vogel verkaufen sie als „unbürokratischer“,„würdewahrender“ und „chancenorientierter.“ 

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Marcus Hallmoser | Fr., 23. November 2018 - 13:42

Denn die von Grünen&SPD unter tatkräftiger Mithilfe von CDU/CSU+FDP abgeschaffte Arbeitslosenhilfe war 1956 von Adenauer als zusätzliche Sicherung nach dem Arbeitslosengeld geschaffen worden, damit Berufstätige eben nicht zu Sozialhilfeempfängern wurden. Hartz-IV machte und macht genau das: Sozialhilfeempfänger schaffen.

Dazu kommt, dass der nach dem Arbeitsförderungsgestz zur dauerhaften Wiedereingliederung dienende und einklagbare Rechtsanspruch auf auskömmliche Förderung der beruflichen Weiter- und Aufstiegsfortbildung für Arbeitnehmer, Arbeitssuchende oder Arbeitslose just 1998 von CDU/CSU+FDP ersatzlos abgeschafft wurde.

Robert Flag | Fr., 23. November 2018 - 15:05

Viele schöne Worte von der F.D.P.
Wie einst das F.D.P.-Sparbuch und das Versprechen mehr Netto vom Brutto.
Was ist daraus geworden ? Eben.

Dimitri Gales | Sa., 24. November 2018 - 19:33

Antwort auf von Robert Flag

sich zu profilieren, die SPD versucht verzweifelt, zu überleben. Es ist gut möglich, dass das Thema Hartz wieder verschwindet, nachdem es tot geredet wurde, so etwa wie beim Armutsbericht, der periodisch für einige Tage die Presse beschäftigt, dann hört man nichts mehr davon.

gabriele bondzio | Fr., 23. November 2018 - 15:07

Jedoch ist die angesprochene Hartz-Verbesserung und ständig betonte Arbeitskräftemangel, eine Schlange die sich im Detail, immer wider selbst in den Schwanz beißt. Machen sie mal aus diesen zwei verkorksten Themen, die politisch versäumten, letzten Jahre wett. Und führen sie die beiden Themen, im Interesse aller Bürger (arbeitswilligen und arbeitsunwilligen) zusammen. Ich habe noch nichts gelesen, welche Partei dies mit ihren Vorschlägen könnte. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und eingefleischter Schluder-und Schlendrian, auf so vielen sich berührenden Gebieten, nicht mit einer Hau-Ruck-Aktion ins Lot zu bringen. Schon gar nicht unter den jetzigen Schwierigkeiten der Armutseinwanderung.

Karin Zeitz | Fr., 23. November 2018 - 17:28

dürfte es in Zeiten von großem Arbeitskräftemangel nur wenige Menschen geben, die auf Hartz 4 angewiesen sind. Die Tatsache, dass dieser Posten dennoch einen großen Teil der Staatsausgaben darstellen zeigt, dass es mit “fördern und fordern“ doch wohl nicht richtig funktionieren kann. Ein “Bürgergeld“ oder gar ein “bedingungsloses Grundeinkommen“ sind m. E. nicht die richtige Antwort auf die Misere. Der Fokus sollte auf bessere Bildung, gute Ausbildung und Förderung des Leistungswillens liegen.

Rudi Freundlich | Fr., 23. November 2018 - 17:51

und Nahles mit Lindner gleich mit. Merkeln die gar nicht wo dem "Volk" der Schuh drückt ?

Michael Schüller | Fr., 23. November 2018 - 19:08

Wenn in Deutschland die Grundsicherung,im Sinne des §1 Grundgesetz,als Grundrecht angesehen wird,dann sind Sanktionen verfassungswidrig.
Denn man kann ja nicht einen Menschen mit dem teilweisen oder zeitweiligen Entzug seiner Grundrechte bestrafen !
Insofern ist der Vorstoß der s.g. Linken nur die Verallgemeinerung einer in Deutschland längst üblichen Praxis .

dieter schimanek | Fr., 23. November 2018 - 19:42

Es ist ja völlig überraschend, daß bei Hundertausenden neu ins Land gekommenden Arbeitslosen die Ausgaben angestiegen sind. An den Tafeln sieht es nicht anders aus. Die Rettung: Immer mehr Zuzug und Sozialabbau, wer hätte das gedacht?

Dimitri Gales | Fr., 23. November 2018 - 20:38

dass man alle Hartz-"Kunden" in einen Topf wirft. Hartz war ursprünglich zur Schaffung eines Niedriglohnsektors gedacht. Damals mobilisierten die Arbeitgeber Politiker und die Presse, um ihre Forderung durchzusetzen. Die Hartz4-Population besteht aber nicht nur aus Minderqualifizierten. Es gibt auch viele qualifizierte und hochqualifizierte Bedürftige, die bei Jobcentern gemeldet sind. Was soll man denn machen, wenn ein über 50jähriger Diplom-Ingenieur bei Arbeitgebern auf Ablehnung stösst - wegen seines chronologischen Alters. Bei solchen und anderen Profilen sind die sogenannten Arbeitsvermittler fachlich und zuweilen auch menschlich überfordert , zumal das Personal gerade in der Vermittlung und Betreuung bei weitem nicht ausreicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum, wie mir zu Ohren gekommen ist, ein 57jähriger Hartz-Kunde hier in Oberbayern noch Bewerbungen schreiben muss und in "Bewerbertraining"-Massnahmen genötigt wird. Hartz ist nicht mehr zeitgemäss, es muss ersetzt werden.

Dr. Kube, Dietmar | Sa., 24. November 2018 - 08:59

Die Vorschläge der SPD zeigen, dass sie die reale Wirklichkeit nicht mehr einschätzen kann. Nahles vereint mit Stegner, Kahrs und Co. wird den Abwärtstrend der SPD nicht aufhalten können.

Harro Meyer | Sa., 24. November 2018 - 11:04

Das einzige Mittel, sich nachhaltig gegen Wirtschaftsflüchtlinge zu wehren, ist: Selber arm werden. Da sind wir mit billiger Arbeit, schlechtem Schulsystem und einseitiger Politik mit Grün/Rot auf dem besten Weg. Da steht die FDP mit ihrer besser lebenden Klientel auf verlorenem Posten.

Marc Walther | Sa., 24. November 2018 - 12:55

Leider haben die meist klugen Vorschläge Herrn Lindners in Deutschland keine Chance. Anstatt sie objektiv zu prüfen werden sie gleich parteipolitisch diffamiert und die „Qualitätsmedien“ üben sich ja sowieso lieber im Lindner-Bashing. Armes Deutschland

Martin Reims | Sa., 24. November 2018 - 17:48

Die Kommentare, die ich hier lesen muss, gehen an der Sache vorbei und verkommen z.T. wieder zum typischen FDP Bashing.
Tatsache ist doch dass die SPD
versucht sich gegen eine sich nach rechts wandelnde Union zu positionieren. Aber ich habe den Eindruck dass die Politiker von SPD und Grünen in Ihrer idealistischen Blase leben und die Wirklichkeit ausblenden.
Unser Land polarisiert sich immer mehr zwischen den modelinken Wohlstandsbürgern, die in ihrem Weltbild eingeschlossen sich gemütlich eingerichtet haben und den Bürgern- ebenfalls zum größten Teil wohlhabend- die von populistischen Politikern angeheizt, sich in dystopischen Fantasien von Überfremdung verlieren. Beide Richtungen lassen sich nicht durch Fakten beirren. Unsere Gesellschaft hat sich-auf der Basis des in fast 70 Jahren erarbeiten Wohlstands- bequem mit ihren jeweiligen Vorurteilen eingerichtet, so dass Zukunftsaufgaben nicht gesehen geschweige denn angegangen werden. Unsere Kinder werden es uns "danken"...

Heidemarie Heim | So., 25. November 2018 - 12:15

ob Bürgergeld oder Nahles V. Es ist ein Beitrag der durch die Besteuerung/Sozialabgaben von Arbeitnehmern und auch Rentnern der Solidargemeinschaft von gesetzlicher KV und Pflegeversicherung , finanzierten Hilfe zum Leben derer, die einen Bedarf dafür anmelden. Das sich die Bedarfssituationen jedoch sehr unterschiedlich und individuell darstellen, muss zwingend eine Prüfung und ggf. Anpassung seitens der Verwaltung der zur Verfügung gestellten Gelder durch die oben Genannten erfolgen. Dabei sollten z.B. als ungerecht empfundene Regelungen und deren Auswirkung überprüft und verbessert werden. Klar ist: Wer arbeitet und bemüht ist, seinen und seiner Familie Lebensunterhalt weitestgehend selbst zu erbringen, muss sich mehr leisten können. Jemand, der langjährig im Erwerb Beiträge und Steuern zahlte, und nebenher eine Altersvorsorge aufbaute,muss einen anderen Status genießen. Fördermaßnahmen, die mehrfach oder gezielt unterlaufen werden,müssen daher gerechterweise sanktionsfähig bleiben.