
- Von Weihrauch umweht
Der Rückzug Angela Merkels von der Parteispitze wird zur großen Geste des Verzichts verklärt. Doch wenn sich der Weihrauch verzieht, werden zwei Dinge zutage treten: Merkel hatte gar keine andere Wahl mehr, als halb zurückzutreten. Und Ihre letzen Tage als Kanzlerin haben begonnen
Es ist viel Weihrauch geschwenkt worden zum Rücktritt von Angela Merkel vom Parteivorsitz der CDU. Benebelt von den selbstverschwenkten schweren Schwaden war von Würde, Respekt und sonstigen polit-charakterlichen Vorzügen die Rede. Von der Selbstbestimmtheit einer Entscheidung, von der Größe des Verzichts. Dabei galt: Je linker das Medium, desto schwerer die Schwaden. „Ganz großes Finale“ überschrieb die taz ihren Kommentar und schloss: „Wir werden uns noch nach ihr sehnen.“ In der andächtigen Abendsendung des Deutschlandfunks wurde allen Ernstes als Beleg für die Richtigkeit ihrer Behauptung angeführt, schon im Sommer so für sich entschieden zu haben, dass sie die Rede vom Blatt abgelesen hat. Als ob nicht jeder einigermaßen des Schreibens Mächtige diese Erklärung in 10 bis 15 Minuten aufschreiben kann.
Es gibt ein Leben nach Merkel
Wenn nun die Andacht allmählich abebbt, erst einmal eine Beruhigung an die wehmütige taz und ähnlich Gesinnte: Man mag sich das im Moment nicht vorstellen können, aber es gibt ein Leben nach Merkel. Für sie selbst, woran kein Zweifel ist, weil sie sich nach allem, was man weiß, bester Gesundheit erfreut. Und weil sie tatsächlich jemand ist, dem es zuzutrauen ist, ein erfülltes Leben jenseits und ohne die große Politik zu führen.