
- Kreative Zerstörung
Was sich bei der Bundestagswahl angedeutet hatte, wird in Bayern und in Hessen vollstreckt: Die Volksparteien Union und SPD gibt es nur noch als Gerippe. Doch aus dieser Zerstörung kann auch etwas Neues entstehen. Was das sein kann, zeigen wir in der neuen Ausgabe von Cicero
Den „Alleszermalmer“ hat der Philosoph Moses Mendelssohn den großen Königsberger Immanuel Kant genannt, nachdem dessen „Kritik der reinen Vernunft“ 1781 alle bisherige Philosophie der Neuzeit revolutioniert habe. Als Alleszermalmer des bisher gültigen Parteien- und Regierungsgefüges erweisen sich in diesen Wochen die Wahlbevölkerungen von Bayern und Hessen. Beide Landtagswahlen, ein Jahr nach der zurückliegenden Bundestagswahl, vollstrecken das, was beim bundesweiten Urnengang 2017 erst zur Hälfte geschehen war: die vorläufige Auflösung der Hegemonie von Union und SPD, jenen bisherigen Volksparteien, die das politische Geschehen seit 1949 immer unter sich ausgemacht haben und andere Parteien auf die Rolle von Mehrheitsbeschaffern reduzierten.
Nicht alle Konservative sind Nazis
Drei große Koalitionen unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel haben dazu geführt, dass von beiden Volksparteien nur noch Gerippe stehen und die übrigen Parteien die von dort flüchtenden Wähler unter sich aufteilen. Der Kollege Christoph Seils hat unsere Beobachtungen und Analysen in den Tagen nach dem Einschlag in Bayern zusammengefasst. Der Politikwissenschaftler Timo Lochocki blickt nach vorne und macht Vorschläge, wie die beiden Volksparteien wieder zu Kräften kommen könnten. Im Zentrum seiner Überlegungen steht der Umgang mit der Alternative für Deutschland. Sein Rat: nicht alle AfD-Wähler als Nazis zu beschimpfen. Und zwar, weil sie „in der überwältigenden Mehrheit demokratische Konservative“ seien.
Es müsse vielmehr Schluss damit sein, dass konservative Kräfte wie Horst Seehofer oder Jens Spahn gegenüber der progressiven Kanzlerin ständig unterliegen. „So entsteht für konservative Wähler der Eindruck: Es gibt eine konservative Lösung, aber die Regierung macht das genaue Gegenteil.“
Das Ende einer abgewirtschafteten Regierung
Statt das zu beherzigen, beschwören SPD und Union eine Stabilität, die es nicht mehr gibt. Die Wahlen zum Jahresende, das ist zu spüren, entfalten eine schöpferische Kraft der Veränderung. Das Jahr 2018 könnte so das Ende einer abgewirtschafteten Regierung bedeuten. Und 2019 etwas Neues bringen. Auf dem einen oder anderen Weg.
Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten. Die Titelgeschichte können Sie bei Cicero Plus schon jetzt lesen
Außerdem in dieser Ausgabe:
- Die unterschätzte Gefahr - Christoph Wöhrle über Linksextremismus
- Der Weg in die Unfreiheit - David Frume über Autoritarismus in den USA
- Energie(w)ende - Susanne Götze über die Fehler der Bundesregierung
- Ein Streitgespräch zwischen Thilo Sarrazin und Abdel-Hakim Ourghi über den Islam