AfD-Anhänger demonstrieren mit Pegida-Anhängern in Chemnitz
Weil sie sich fremd im eigenen Land fühlen, suchen immer mehr Menschen in Sachsen die Nähe der Rechten/ picture alliance

Petra Köpping über Integration - „Sie immer mit Ihren Geflüchteten! Integrieren Sie doch erstmal uns“ 

Mit Petra Köpping bewirbt sich die erste Ostdeutsche um den SPD-Parteivorsitz. Köpping ist nicht nur in ihrer Heimat Sachsen außerordentlich beliebt. Als Integrationsministerin hat sie schnell erkannt, dass außer Geflüchteten noch eine andere Gruppe staatlicher Hilfe bedarf: die Verlierer der Wende

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Petra Köpping sitzt seit 2009 für die SPD im sächsischen Landtag. Seit 2014 ist sie Ministerin für Gleichstellung und Integration. Köpping war 31, als die Mauer fiel. Schon mit 19 hatte sie ihr erstes politisches Amt als stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Großsteinberg (Kreis Grimma) übernommen. Köpping hat Staats-und Rechtswissenschaften studiert. In den Wendejahren schlug sich die dreifache Mutter als Außendienstmitarbeiterin der Deutschen Angestellten-Krankenkasse durch. Seit 2002 ist sie Mitglied der SPD. Gerade ist ihr erstes Buch im Christoph-Links-Verlag erschienen: „Integriert doch erstmal uns! Eine Streitschrift für den Osten.“ 

Frau Köpping, Ihr Buch heißt: „Integriert doch erstmal uns.“ Von wem stammt das Zitat?
Das Zitat stammt von Bürgern, die ich am Rande von Pegida-Versammlungen befragt habe, warum sie so zornig sind. Mein eigentlicher Job ist ja Integrationsministerin für geflüchtete Menschen. Und da haben mich Demonstranten skeptisch angeguckt und gesagt: „Jaja, Sie immer mit Ihren Geflüchteten. Integrieren Sie doch erstmal uns.“  

Die Bürger fühlen sich als Fremde im eigenen Staat?
Sie haben zumindest das Gefühl, dass für sie nicht so viel getan wird wie für jemanden, der als Flüchtling nach Deutschland kommt. Dabei richten sich die  Angebote für Begegnungen, die wir für Sachsen aufgelegt haben, an alle Menschen, nicht nur an Flüchtlinge. Mir ist aber dabei erst richtig deutlich geworden, dass es auch in Sachsen Menschen gibt, die fragen: Wer kümmert sich denn um uns?

Interessante Analogie. Wer ist denn schwerer zu integrieren: Ostdeutsche in Gesamtdeutschland - oder Flüchtlinge in Sachsen?
Ich werde die eine Gruppe nicht gegen die andere ausspielen. Für mich ist Integration Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Wenn ich kein Geld habe, ist die Teilhabe nicht möglich. Und das trifft auf beide Gruppen zu: auf geflüchtete Menschen und auf Hartz IV-Empfänger. Natürlich hat es jemand leichter, der schon die deutsche Sprache spricht. Andererseits hat er es aber auch schwerer, wenn er nach der Wiedervereinigung aus dem Arbeitsleben gefallen ist. Nicht jeder, der 1990 seinen Job verloren hat, hat wieder Arbeit gefunden.

Nach einer aktuellen Umfrage der Sächsischen Zeitung fühlen sich zwei von drei Sachsen als Bürger zweiter Klasse. Woher rühren diese Minderwertigkeitskomplexe?
Das sind keine Minderwertigkeitskomplexe, das sind ernst zu nehmende Gefühle. Die hängen natürlich auf der einen Seite damit zusammen, dass es im Westen immer noch höhere Löhne und Gehälter gibt. Das hat eine Folge für die Zukunftsperspektive: Jeder Vierte in den neuen Bundesländern wird von Altersarmut betroffen sein, weil der Osten ja nach 1990 mit Billiglöhnen geworben hatte. Und dann geht es natürlich auch um die Anerkennung von Lebensleistungen.

Was meinen Sie damit genau?
Die Freude über die wiedergewonnene Freiheit nach dem Mauerfall ist sehr schnell Ernüchterung gewichen. Die Leute haben schnell gemerkt, dass die Realität nicht ihre Erwartungen erfüllt hat. Es war ein krasser Wandel, weg von der Vollversorgungsmentalität in der DDR, hin zu dem Bewusstsein: Jetzt bist du ganz allein für dich verantwortlich. Ich glaube, dass die Leistung, die diese Anpassung an das neue System kostete, nie anerkannt wurde. Es ging ja um mehr als nur darum, sich einen neuen Job zu suchen.

In kaum einem anderen Bundesland hat die AfD so viel Zulauf wie in Sachsen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Gefühl des Gekränktseins und der Affinität zu dieser rechten Partei?
Es gibt eine Gemeinsamkeit in der gesamten Republik, die die Menschen zur AfD drängt:  Das ist der Anstieg der Flüchtlingszahlen, den wir 2015 erlebt haben. Weder die Politik noch die Bürger waren auf diese Situation vorbereitet. Wenn man den Westen mit dem Osten vergleicht, gibt es allerdings tatsächlich einen Unterschied. Ich glaube, dass die Demütigungen der Menschen im Osten zu einem höheren Zulauf zur AfD geführt haben.

Aus reinem Protest?
Genau. Die Menschen hatten das Gefühl, dass die demokratische Parteien wie CDU, SPD oder Linke sich nicht um ihre Probleme gekümmert haben. Sie haben dann die AfD gewählt, um den Parteien zu signalisieren: Wacht endlich auf!

Und warum war diese Wut in Sachsen besonders groß?
Wir hatten in Sachsen seit 1990 mit Kurt Biedenkopf (CDU) einen politisch erfahrenen Ministerpräsidenten. Der hat den Bürgern das Gefühl vermittelt: Bei uns geht es voran. Die Sachsen sind der FC Bayern München. 

Tatsächlich hat sich Sachsen wirtschaftlich so gut entwickelt wie kaum ein anderes Land im Osten. Warum hat das die Bürger nicht mit der Republik versöhnt?
Nicht alle haben von diesem Aufwärtstrend profitiert. Und wenn man immer hört, es klappt doch alles, wir sind die Größten, hat man schnell das Gefühl: Bei mir kommt davon gar nichts an. Das kann doch nicht an mir liegen. Das liegt doch an der Politik. Ich habe 2016 bei einem Vortrag in einer Gemeinde gesagt, Sachsen ginge es wirtschaftlich super. Wissen Sie, was dann passiert ist?

Nein.
Da sind eine ganze Reihe von Bürgern aufgestanden und haben den Saal mit Türenknallen verlassen.

Nach dem Mord an einem 35-jährigen Deutsch-Kubaner in Chemnitz hat die AfD Seite an Seite mit Pegida-Mitgliedern demonstriert. Sollte die Partei vom Verfassungsschutz überwacht werden?
Ich glaube, dass man das sehr genau beobachten sollte. Die AfD hat ja auch Schulter an Schulter mit Mitgliedern der rechtsextremen Organisation „Der Dritte Weg“ demonstriert. Es wurden offen Hitler-Grüße gezeigt. Auch das ist ein Versäumnis der Vergangenheit. Kurt Biedenkopf hat immer gesagt, dass wir gegen Rechtsradikalismus immun wären. In Chemnitz hat sich gezeigt, dass das nicht so ist. In Sachsen hatten wir zehn Jahre lang die NPD im Landtag. Ihre Mitglieder sind ja nicht einfach verschwunden, weil die NPD nicht mehr im Landtag sitzt. Diesen Schulterschluss, den wir jetzt beobachten, halte ich für sehr gefährlich.

Warum?
Weil sich die bürgerliche Mitte und Rechtsradikalismus vermischen. Deshalb muss man genau aufpassen, wohin die AfD driftet, wenn sie sich von diesen rechtsradikalen Gruppierungen nicht abgrenzt. 

Sie sind Ministerin für Gleichstellung und Integration. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Meine ursprüngliche Aufgabe war die Integration geflüchteter Menschen und die Gleichstellung von Mann und Frau. Aber als die Forderung aufkam: „Integriert doch erstmal uns!“, wurde mir klar, dass es mehr um einen gesellschaftlichen Zusammenhalt geht. Es gibt auch Menschen, die verstehen unter Gleichstellung etwas völlig anderes als das, wofür ich mich eigentlich einsetzen sollte ...

 ... die Gleichstellung von Ost- und Westbürgern?
Genau. Der Begriff ist aus seinem Rahmen gefallen. Ich finde das gut. Politik sollte sich nicht an alten Begrifflichkeiten festhalten, sondern sich weiterentwickeln.

Petra Köpping
Petra Köpping


Jetzt hat Sachsen schon eine Integrationsministerin, und trotzdem ist der Ausländerhass in Chemnitz eskaliert. Wirft das nicht ein schlechtes Licht auf Ihr Amt?
Nein, das glaube ich nicht. Sachsen hat ja erst spät mit dem Thema Integration begonnen. Als ich 2014 Ministerin wurde, tauchte das Thema Integration überhaupt nicht als Posten im Etat auf. Dabei hatten wir seit der Wende schon immer geflüchtete Menschen in Sachsen. Die Menschen wurden am Rande der Dörfer oder in Wäldern untergebracht, teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Der Staat hat die Menschen sich selber überlassen?
Es gab natürlich Angebote vom Bund wie Integrationskurse, die richtete sich aber nur an Menschen aus bestimmten Ländern. Es waren Ehrenamtliche, die sich um diese Menschen gekümmert haben. Erst 2015 haben wir in Sachsen erste Programme aufgelegt, die aus meiner Sicht auch sehr wirksam sind, zum Beispiel die Unterstützung für kommunale Flüchtlingssozialarbeit. Wie gesagt, das Wort Integration hat seither eine neue Bedeutung bekommen. Mir geht es darum, dass jedem geholfen wird, der Hilfe braucht.

Was können Sie denn als Integrationsministerin tun, um das Selbstwertgefühl der Menschen im Osten zu stärken?
Die Menschen nehmen es unheimlich dankbar auf, dass man sich ihre Geschichten anhört, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet und sie wertschätzt. Ein Mann, der mein Buch schon gelesen hat, hat mir eine Email geschrieben: Frau Köpping, Sie haben mein Buch geschrieben. Danke!

Ihre eigene Biographie ist ein gutes Beispiel dafür, dass man den Umbruch der Wende auch aus eigener Kraft bewältigen kann. Ist es nicht eine typisch ostdeutsche Eigenschaft, zu erwarten, dass die Politik für das Wohl des Einzelnen verantwortlich sei? 
Ich würde es so formulieren: Wer braucht schon Politik, wenn er stark ist? Klar, ich persönlich hätte keine Sonderprogramme gebraucht. Aber nicht alle Menschen hatten die Möglichkeiten, die ich hatte – und auch nicht die Kraft. Und genau um diese Menschen muss ich mich kümmern.

Die potenziellen AfD-Wähler?
Nein, in meinem Buch kommen auch Menschen vor, die es geschafft haben. Auch diese Menschen wählen gern die AfD.

Was glauben Sie, aus welchen Gründen?
Die Menschen haben Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg. Das ist anders als in den alten Bundesländern, wo ich vielleicht eine Erbschaft oder ein Vermögen mitbekommen habe. So etwas ist im Osten eher die Ausnahme. Die Bürger dort haben sich alles selber erarbeitet.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)  hat  Ihnen vorgeworfen, Sie machten den Menschen falsche Hoffnungen. Warum haben Sie als Integrationsministerin in der Landesregierung einen schweren Stand?
Weil wir unterschiedliche Sichtweisen auf meine Arbeit haben. Es gibt Leute, die sagen, lasst die Vergangenheit Vergangenheit sein. Kümmert Euch um die Zukunft. Ich möchte, dass Vergangenheit und Zukunft miteinander verbunden werden. 

Gegen den Willen der CDU fordern Sie die Einrichtung einer Wahrheitskommission, die die Arbeit der Treuhand aufarbeitet. Warum wäre das wichtig?
Ich habe in Gesprächen mit Bürgern gemerkt, wie emotional dieses Thema besetzt ist. Gestandene Männer, die schon sechzig Jahre und älter sind, haben mit Tränen in den Augen erzählt, was da nach der Wende abgelaufen ist und was das für sie bedeutet hat. Dass ihre Familien daran kaputtgegangen sind, dass sie ihren Job verloren haben.

2019 wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Ob CDU und SPD dann noch die nötige Mehrheit bekommen, ist ungewiss. Würden Sie auch zur AfD wechseln, um Ihr Amt auszuüben?
Meinen Sie die Frage ernst? Nein, ganz bestimmt nicht. 

Dabei spricht diese Partei doch die Klientel an, um die Sie werben.
Ich möchte, dass die AfD-Anhänger wieder Vertrauen zur SPD haben. Dass sie erkennen, dass die SPD eine Partei ist, die sich um die kümmert, die Hilfe und Unterstützung brauchen.

Um die Daheim-Gebliebenen?
Irgendwer hat mal gesagt, die SPD solle aufhören, sich um Randgruppen zu kümmern. Wenn Sie die Wahlergebnisse der vergangenen Bundestagswahl und die Prognosen für die nächsten Landtagswahl sehen, erkennen Sie: Das ist keine Randgruppe.

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Georg Silva | Di., 2. Oktober 2018 - 17:03

diese und alle andere Regierungen scheitern, ob im Land oder Inder EU.
Die EU muß an der Masseneinwanderung scheitern und es gibt dazu keine Alternative, die Zeit wird dies bestätigen, nur wir müssen sie es erleben.....

Ursula Horvath | Di., 2. Oktober 2018 - 17:22

Frau Köpping, dann geht es natürlich auch um die Anerkennung von Lebensleistungen. Da fangen wir mal an mit der o.g. Anerkennung. Seit Jahren versucht ein Verein der in der DDR geschiedenen Frauen, gerecht behandelt zu werden. Viele dieser geschiedenen Frauen haben bis zur Wende gearbeitet, Kinder alleine groß gezogen und sind durch Schäuble beim Einigungsvertrag vom Tisch gewischt wurden, mit dem Satz, "Zu Teuer"! Während im Westen diese Frauen seit 1972 Versorgungsausgleich erhalten, hat man im Osten den Männern Bestandsschutz zu gesichert. Viele dieser Frauen leben seit drei Jahrzehnten in bitterer Armut und Niemanden stört das. Ja, ich weiß, Versuche wurden unternommen Seitens der SPD, doch die kleine Ostdeutsche SPD hatte gegen die große West SPD Null Chancen. Von ehem. 800 000 Betroffenen, leben heute noch nicht mal 200 000 und schamlos lässt man diese Frauen weiter vegitieren, vom Leben kann man da nicht reden. Alt, krank und ihrer Lebensleistung beraubt doch D geht es Gut!

Michaela Diederichs | Di., 2. Oktober 2018 - 19:53

Antwort auf von Ursula Horvath

Die ehemalige DDR wurde einfach vereinnahmt, besetzt. Der Westen wurde über gestülpt und es wurde erwartet, dass das ausschließlich positive Resonanz findet. Es gibt da viele verstörende Biographien, die wir als Wessis nicht nachvollziehen können. Ganze Städte entleerten und entleeren sich, weil die Bedingungen im Westen besser erschienen und erscheinen. Die Menschen im Osten wurden und werden schlicht und ergreifend komplett übergangen, die unterschiedlichen Blickwinkel spielten und spielen für die Politik keine Rolle. Mit der Migration wird dem Osten wieder etwas aufgedrückt. Ihre sich entleerenden Städte und Landstriche werden mit Migranten aufgefüllt, die nie erwünscht oder gewollt waren. Irgendwann ist auch mal gut mit Diktatur. Seit AH kennt man im Osten nur das. Die Menschen wehren sich. Ich kann es verstehen.

claudie cotet | Mi., 3. Oktober 2018 - 12:23

Antwort auf von Ursula Horvath

schaeuble : schwarze 0
merkel: rote 0
haben aus deutschland
00
gemacht
auch wc genannt....

Hans-Hasso Stamer | Di., 2. Oktober 2018 - 18:02

Da könnte Petra Köpping gleich etwas in der eigenen Partei tun. Im Einigungsvertrag ist von Anerkennung der Lebensleistung die Rede, die sich in einer Grundrente ausdrücken solle.

Leider ist dies eine Mogelpackung, denn im nächsten Satz wird die Grundrente auf diejenigen eingeschränkt, die sozial bedürftig sind, also Grundsicherungsempfängern gleichgestellt sind. Das hat aber mit Lebensleistung nichts zu tun und zeigt ganz klar, worum es der SPD wirklich geht: PR und im Kleingedruckten kommt dann die Einschränkung.

Wer es nämlich bis zur Grundsicherung geschafft hat, der hatte noch Glück. Es gibt jede Menge Renten im Osten, die unter diesem Betrag liegen - mit weit über 35 Jahren Beitrag. Das betrifft betrifft auch Hochqualifizierte (in der abgewickelten ostdeutschen Industrie z.B.), falls diese um die Wendezeit über 40 Jahre alt waren und danach, was oft der Fall ist, aufgrund des Alters den Anschluss an einen „ordentlichen“ Job nicht mehr geschafft haben.

hätte nach der Wende davon ausgehen sollen, dass die SED eine Einheitspartei aus dem Zusammenschluss von SPD und
KPD war und somit eine Vielzahl von Mitgliedern mit unterschiedlichen Biographien und Meinungen hatte. Während die Parteifreunde aller anderen ostdeutschen Parteien mit Kusshand von ihren westdeutschen gleich- oder ähnlichnamigen Parteien übernommen worden sind, selbst wenn sie sich in der DDR als überzeugte Kommunisten gebärdet hatten, durften SED-Mitglieder nicht in die SPD eintreten. Außerdem haben viele Ostdeutsche die Ablehnung der SPD-Führung hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands nicht verstanden. Damit hatte sich die SPD im Osten selber der Möglichkeit beraubt, fähige Köpfe für politische Ämter zu gewinnen.

Das mieseste war doch, daß mit der Einführung von H4 alle, die im Osten 20 oder 30 Jahre gearbeitet hatten und nach der Wende arbeitslos wurden, mit dem westdeutschem Sozialadel (der nie gearbeitet hatte), gleichgestellt wurden, und erstmal ihr Angespartes verbrauchen mußten, ehe sie überhaupt Leistungen beanspruchen durften.
Doch die aktuelle Benachteilung vieler Armer in Deutschland im Vergleich mit den Eingereisten, welche zu den Leistungen noch alle möglichen Bezuschussungen, freien Nahverkehr, freie Schwimmbadbesuche etc erhalten, scheint dem Faß nun so langsam den Boden auszuschlagen.

Hans-Hasso Stamer | Di., 2. Oktober 2018 - 18:09

Da könnte Frau Köpping gleich etwas in der eigenen Partei tun. Im Einigungsvertrag ist von Anerkennung der Lebensleistung die Rede, die sich in einer Grundrente ausdrücken solle.

Leider ist dies eine Mogelpackung, denn im nächsten Satz wird die Grundrente auf diejenigen eingeschränkt, die sozial bedürftig sind, also Grundsicherungsempfängern gleichgestellt sind. Das hat aber mit Lebensleistung nichts zu tun und zeigt ganz klar, worum es der SPD wirklich geht: PR und im Kleingedruckten kommt dann die Einschränkung.

Wer es nämlich bis zur Grundsicherung geschafft hat, der hatte noch Glück. Es gibt jede Menge Renten im Osten, die unter diesem Betrag liegen und trotzdem herausfallen - mit weit über 35 Jahren Beitrag. Das betrifft auch Hochqualifizierte (in der abgewickelten ostdeutschen Industrie z.B.), falls diese um die Wendezeit über 40 Jahre alt waren und danach, was oft der Fall ist, aufgrund des Alters den Anschluss an einen „ordentlichen“ Job nicht mehr geschafft haben.

gabriele bondzio | Di., 2. Oktober 2018 - 18:53

Das Wissen, welches bei Frau Köpping einen recht langen Reifeprozess durchlaufen musste. Und in einem Buch verarbeitet wurde. Ist mit Türen-knallen noch recht gut bedient. Das diese Asylpolitik, man muss schon sagen Einwanderungspolitik(weil auch Abgelehnte bleiben). Zu aller erst diejenigen trifft, welche wenig haben, war abzusehen. Darin werden sich Ost und West nicht groß unterscheiden. Diese Analogie wird auch den größten Teil der schon früher Zugewanderten eingeholt haben. Ich denke aber, dass der Weg „von sich unter der Hand beschweren“ bis hin auf die Straße zu gehen. Bei den Ostdeutschen ein viel kürzerer ist. Weil ihnen ein Leben reicht, wo sie stillhalten mussten.

"Weil ihnen ein Leben reicht, wo sie stillhalten mussten". Da haben Sie recht, Frau Bondzio. Ein weiterer, nicht unwesentlicher Grund ist aber auch, dass die Ostdeutschen den Westdeutschen eine Erfahrung voraus haben. Nämlich die, dass man eine Regierung, die falsch regiert, aus dem Amt jagen kann.

Klaus Gerster | Di., 2. Oktober 2018 - 20:06

Solange wir über Flucht und Migration sprechen, ohne die Hintergründe auch im Bezug auf unser Geld-, Wirtschaftssystem und unseren Lebensstil zu tiefgreifend zu reflektieren, wird sich in meinen Augen nichts Fundamentales ändern, dann wird es immer nur ein Arrangieren mit sehr schweren Bedingungen bleiben, bei dem ein unbefriedigendes Gefühl zurückbleibt, weil Flucht- und Migration vielleicht gar nicht nötig wären, zumindest nicht in dieser enormen Zahl. Sein wir doch ehrlich, kaum jemand hat ernsthaft Lust darauf, sich zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben anzustrengen und die schwierige Arbeit zu leisten, welche die Integration mit sich bringt. Aus Pflichtgefühl ja, aber nur soviel wie unbedingt nötig.

Marianne Bernstein | Di., 2. Oktober 2018 - 20:57

So ist z.B. Herr Dulig Ost-Beauftragter seiner Partei, wer kennt eigentlich einen West-Beauftragten?

Mathias Trostdorf | Di., 2. Oktober 2018 - 21:27

Komplett ausser acht läßt dieser Artikel wieder den entscheidenden Aspekt, daß viele Menschen in Ostdeutschland einfach keine aufgestülpte "multikulturelle" Geselllschaft mit ungebremster Masseneinwanderung in die Sozialssysteme und all ihren anderen Nachteilen wollen. Wenn man im Aufgang der letzte verbliebene Einheimische zwischen Leuten aus fremden Kulturkreisen ist, oder das Kind das einzige verbleibene einheimische und deutsch sprechende in der Klasse ist, kommt die Entfremdung nicht daher, daß der eine oder andere wirtschaftlich nicht so erfolgreich ist.
Wie inzwischen bekannt ist, sind viele AfD-Wähler ja keinesfalls ausschließlich sozial Abgehängte.
Solange einem die Politik nicht plausibel erklärt, warum eine forcierte Masseneinwanderung in die Sozialsysteme und eine Arabisierung und Afrikanisierung Deutschlands gut sein soll, aber deutsche Traditionen und Kultur abgewertet werden, wirds auch weiter jede Menge Bürger geben, die sich gegen so eine Entwicklung wehren.

Klaus Dittrich | Di., 2. Oktober 2018 - 22:32

„Das sind keine Minderwertigkeitskomplexe, das sind ernst zu nehmende Gefühle.“
ZU der durch „political correctness“ verordneten Meinungsunfreiheit kommt die einfache Tatsache, dass die meisten Chefsessel mit Westdeutschen besetzt wurden und sind. Die Revolutionäre von 1989 gingen meist leer aus.

„Die Menschen hatten das Gefühl, dass die demokratische Parteien wie CDU, SPD oder Linke sich nicht um ihre Probleme gekümmert haben.“
Eine wirkliche Opposition gab es mal bei der PDS in den 90ern; jetzt wollen sie am Kuchen der Macht naschen. Aber eine Protestpartei ist eben vonnöten!

Justin Theim | Mi., 3. Oktober 2018 - 08:24

Diese Dame war dem Honecker-Regime offensichtlich fest verhaftet. Wie sonst wird man mit 19 Jahren Bürgermeisterin?

Und solche Leute kommen in Gesamtdeutschland wieder in politische Ämter! Das ist genauso kritikwürdig wie damals der Einzug angeblich geläuterter, jedoch immer noch überzeugter Nazis in die politische Szene Westdeutschlands.

Diese Leute können nicht mehr Abstand von ihrer Indoktrination finden. Wie schon Filbinger, der Nazi-Richter und spätere Ministerpräsident Baden-Württembergs sagte: was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein.

Der Einzug solcher Ex-SED-Schranzen in die gesamtdeutsche Politik hat unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung großen Schaden zugefügt (siehe Merkel, siehe Göring-Eckardt, siehe Gauck, die LINKE etc. pp.).

Komischerweise sind oft genau sie es, die an maßgeblichen Stellen zur Umsetzung der Flutung unseres Landes mit kulturfremden Migranten sitzen! Zufall?

ingrid dietz | Mi., 3. Oktober 2018 - 08:47

ob "Grund"rente oder "Grund"sicherung !
Hauptsache ist, dass diese "Grund"leistung nicht aus Steuern finanziert wird und nicht aus den Kassen der Beitragszahler !

Übrigens:
Ich schlage das Wort "abgehängt" als das Unwort des Jahres 2018 vor !

Bernhard K. Kopp | Mi., 3. Oktober 2018 - 09:23

Die meisten Wessies verstehen, dass ihre Lebensleistung, Stand 1990, darin bestand, dass sie mit ihrer bisherigen Arbeitsleistung zum Wohlstand der Bundesrepublik beigetragen und mit ihren Sozialbeiträgen Ansprüche erworben haben, nicht nur Renten, auch Gesundheitsleistungen, Bildung und öffentliche Infrastruktur. Sie wissen, dass sie finanzielle Ansprüche nicht an den 'Staat' haben, sondern an die Sozialsysteme. Viele Ostdeutsche meinen, dass sie für ihre Arbeitsjahre in der DDR, die keinen Wohlstand und keine geldwerten Ansprüche geschaffen haben, Ansprüche an den Staat hätten. Neben dem Wiederaufbau-Ost in seiner Gesamtheit von öffentlich und privatwirtschaftlich, haben sie diese Ansprüche an die Sozialsysteme auch erhalten. An Ungenauigkeiten kann man arbeiten und nachbessern, aber die von der DDR-Misswirtschaft gestohlenen Teile der Arbeitsleistung kann man nicht individuell ersetzen.

Ralph Lewenhardt | Mi., 3. Oktober 2018 - 10:07

Die Spaltung der Gesellschaft zieht sich durch alle sozialen Schichten. Das spiegelt die Mitgliedschaft und Wählerschaft der Protestpartei AFD wieder. Sie ist eine der Parteien mit dem höchsten Anteil an Intellektuellen. Ursache ist ein Demokratieproblem in unserer Gesellschaft. Es bedarf dringen neuer Gesetze der wirklichen Mitentscheidung der Bürger aller Schichten bei den Themen, die die Gesellschaft dauerhaft prägen.Das ist keine PEGIDA-Kategorie! Das ehrfurchtsvolle Hoffen auf grundsätzliche Lösungen durch die systemverhafteten politischen Altforderen, ist bei den meisten Bürgern Deutschlands und Sachsens unwiderbringlich und berechtigt dem Misstrauen gewichen.

Thorsten Rosché | Mi., 3. Oktober 2018 - 11:03

Ich war kürzlich in einem Frankfurter Stadtteil in dem ich meine Jugend verbrachte. Mit deutscher Sprache wäre ich in dieser Gegend nicht mehr weit gekommen und im ehemaligen Äppelwoi -Lokal kann man jetzt Tee trinken oder ein Pfeiffchen rauchen. Und ehemalige Nachbarn - Fehlanzeige ! Alle weg !

Genau so sieht es auch in meiner Heimatstadt im Ruhrgebiet aus, in der ich seit 2014 - nach 60 Jahren - nicht mehr lebe, und zwar aus genau DIESEN Gründen. Wir waren die Letzte der rund 50 Nachbarfamilien, die die Flucht angetreten haben. Aber erzählen Sie das mal den realitätsfernen Schichten der Grün-Links-Fraktion! Überall wo man hinschaut ist das hochgelobte BUNTE WELTOFFENE einem Grau, Vereinheitlichtem, einem Gleichgeschaltetem gewichen. Deutschland wird unter der künstlich erzeugten und vorgetäuschten Multi-Kulti-Welle täglich dunkler. Individuen sollen durch Stigmatisierung (Rechtspopulisten) zwangsweise grüngewaschen werden und mehr und mehr den aus H. G. Wells' Roman "Die Zeitmaschine" bekannten Eloi ähnlich werden. Mögen den weltoffenen Kiffern auch immer mehr Nichtsahnende zulaufen, mich kriegen die nicht!
Was will man denn "den Leuten, die schon länger hier leben" anbieten, wenn sie NICHT der Multi-Kulti-Sekte angehören möchten? Den "Morlocks" zum Fraß vorwerfen?

Robert Friedrich | Mi., 3. Oktober 2018 - 14:23

Warum könnte es so sein wie es empfunden wird?
Die Wiedervereinigung war für viele eine Kolonialisierung, ein über Nacht in den Schoss gefallener Absatzmarkt, billige Immobilien, billiges Land und Forst, lukrative hochdotierte Stellen, Posten in den Landesregierungen, Stellen vom Museumsdirektor bis zum Landgerichtsdirektor, vom Oberarzt über den Klinikdirektor, die Aufzählung ließe sich unendlich fortführen. Stellen gab und gibt es genug. In den ostdeutschen Amtsstuben wurde schwäbisch, bayrisch, norddeutsch aber weniger sächsisch oder thüringische gesprochen. Das frustriert die Menschen.

Paul J. Meier | Mi., 3. Oktober 2018 - 21:17

Eine Dame aus dem Osten hat mir einmal an den Kopf geworfen, sie habe hart arbeiten müssen, während die Frauen im Westen im Kosmetikstudio waren. Das hat mich sehr an diesen Unfug hier erinnert. Ein schönes Indiz für die Entfernung der SPD von der Lebenswirklichkeit des gemeinen Volkes und von falschen Vorstellungen zwischen Ost und West. Dass die Leute im Osten nur schwer integriert werden können, trotz idealer Voraussetzungen wie Sprache, Kultur, Bildung, Geld durch Soli etc. zeigt doch ganz klar, wie schwer gar die Integration von Kulturfremden ohne Sprachkenntnisse und oft auch Bildungsferne sein wird. Und das ist nicht den Leuten anzulasten, sondern einem planlosen, politischen Versagen. Die in Interviews und Sonntagsreden große Worte machen, nur vom wirklichen Leben in diesem Land keine Ahnung haben, sonst würden sie nicht permanent diese unrealistischen Versprechen machen, letztendlich um gewählt zu werden.

Wolfgang Breiter | Do., 4. Oktober 2018 - 08:35

Immer die gleichen Textbausteine bei Frage und Antwort. Hat sich mal jemand die Mühe gemacht zu zählen, wieviel „wir müssen“, „wir sollten“, „wir hätten“ etc. heutzutage innerhalb einer Diskussion o.ä. vorkommen? Und dann noch diese „Ängste“ allüberall! Es geht nicht um Ängste, sondern um Wahrnehmungen der Menschen! Mehr als eine Legislaturperiode hatten wir im Bundestag eine linke Mehrheit. Diese Möglichkeit, liebe SPD, habt ihr verpennt. Erst kommt der Machterhalt und dann die Politik für die Menschen. Zu unseren Mitbürgern im Osten: Wieso setzt ihr nicht einfach das um, was ihr von anderen erwartet, nämlich die Forderung, sich integrieren zu wollen. Was lernen wir aus all dem? Man kann Menschen unterschiedlicher Herkunft nicht einfach zusammenpferchen und sagen, nun macht mal, ihr müsst euch nur so verhalten wie wir es euch in schönen Reden vorgeben. Der Erdogan Besuch war ein deutlicher Hinweis, dass das eben nicht so einfach funktioniert.