Stefan Löfven, Ministerpräsident von Schweden, äußert sich bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel nach ihrem Gespräch im Bundeskanzleramt.
Trotz großer Verluste spielt sich der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven zum Sieger auf / picture alliance

Presseschau zur Wahl in Schweden - „Ein großer Verlierer: der schwedische Staat und sein politisches System“

Bei der Wahl in Schweden wurden die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stefan Löfvens trotz Verlusten erneut zur stärksten Kraft gewählt. Doch die alten Parteienblöcke funktionieren nicht mehr - weder die Sozialdemokraten noch die Konservativen konnten die Mehrheit erlangen

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Welt Online (Deutschland), Sonja Gillert
Paradoxerweise gibt dieses Wahlergebnis aber auch einen winzigen Funken Hoffnung. Es zeigt, dass Rechtspopulismus zumindest gebremst werden kann. Anders als bei den Wahlen 2014 konnten die Schwedendemokraten ihr Ergebnis nicht erneut verdoppeln. Wenn auch zu spät, so hat die rot-grüne Regierung 2016 begonnen, die Zuwanderung zu steuern – mit einer erheblichen Verschärfung der Migrations- und Integrationsgesetze.

Zeit Online (Deutschland), Clemens Bomsdorf
Bei der Wahl haben jene Parteien gewonnen, die ihrer Linie in der Asyl- und Integrationspolitik treu geblieben sind. Das gilt für die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die seit jeher Ausländer als Bedrohung ausgemacht haben und de facto keine Asylbewerber mehr ins Land lassen möchten. Zugelegt haben aber auch die Linkspartei und das grün-liberale Zentrum, die beide etwa acht Prozent der Stimmen geholt haben. Beide setzen sich für eine liberale Flüchtlingspolitik ein. Zusammen haben sie in etwa so viele Stimmen dazu gewonnen wie die Schwedendemokraten.

Süddeutsche Zeitung (Deutschland), Gunnar Herrmann
Lange Zeit gab es in Schweden immer diese zwei politischen Blöcke – sozialdemokratisch-links und bürgerlich-konservativ. Zwischen ihnen wurden Wahlen entschieden. Damit ist es vorbei, nun gibt es mit den Rechtspopulisten einen dritten Block, sie haben die politische Landschaft Schwedens gespalten. Da ist es egal, dass die Schwedendemokraten in Umfragen vor der Wahl teilweise mit mehr als 20 Prozent stärkste Kraft waren, sie also eigentlich auf ein noch besseres Ergebnis hätten hoffen können – sie sind stark genug, um Macht auszuüben. Das allein zählt, bläut Åkesson seinen Anhängern ein.

The Local (Schweden), Emma Löfgren
Was passiert jetzt? Löfven ist nicht zurückgetreten, also bereiten Sie sich auf eine unsichere Periode langer und intensiver Verhandlungen darüber vor, wer Schweden in den kommenden vier Jahren leiten wird. Es ist unwahrscheinlich, dass entweder die Linken oder die Rechten in diesem Stadium bereitwillig zulassen würden, dass der andere eine Regierung bildet. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass die Schwedendemokraten mit mehr als 17 Prozent der Stimmen für die künftige Regierung Platz machen würden, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – wie zum Beispiel hohe Ämter in Legislativkomitees.

NZZ (Schweiz), Rudolf Hermann
Trotz so vielen „Siegern“, deren Resultate in Teilaspekten indes allesamt auch als Niederlagen interpretiert werden könnten, gibt es einen unzweifelhaften und großen Verlierer: den schwedischen Staat und sein politisches System. Die Realität sieht nun so aus, dass es zwei praktisch gleich große Minderheitsblöcke gibt, die links beziehungsweise rechts der Mitte stehen. Man wird bis Mitte der Woche warten müssen, bis die Briefstimmen aus dem Ausland ausgezählt sind, um zu wissen, ob die Lager wirklich exakt gleich groß sind oder ob die linke Seite einen minimalen Vorteil hat. Und dann gibt es noch den mächtigen, zum dritten Mal in Folge erstarkten Spielverderber der Schwedendemokraten.

The Guardian (Großbritannien), Jon Henley
Trotz jahrzehntelanger Feindseligkeit zwischen den beiden Parteien können die Moderaten und Sozialdemokraten eine Form der breit angelegten Zusammenarbeit zwischen den Blöcken erkunden. Analysten vermuten, dass dies nicht völlig unmöglich ist: Während der vierjährigen Amtszeit der scheidenden Regierung einigten sich die beiden Parteien auf 26 Rechtsvorschriften, insbesondere zu Einwanderung, Energie und Klima.

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Joachim Wittenbecher | Mo., 10. September 2018 - 17:45

Der schwedische MP Löfven gehört sicherlich nicht zu den Visionären in der europäischen Politik. Ich würde ihn einfältig und machtbewusst nennen. Er hat 2015 die gleiche Flüchtlingspolitik betrieben wie Merkel - open borders. Mit den gleichen fatalen Folgen für Recht und Gesetz. Im Gegensatz zu Merkel war er aber immerhin weitsichtig genug, nach dem Fiasko umzusteuern: Schweden will in Bezug auf die Flüchtlingsaufnahme nur noch die Mindeststandards der EU erfüllen. Ergebnis: die vernichtende Niederlage für die schwed. Sozialdemokraten ist ausgeblieben - 28%, immerhin vielleicht noch Volkspartei. Ähnlich ist der frühere österr. Kanzler Kern verfahren, 26% SPÖ bei der letzten Wahl - zwar Opposition, aber nicht perspektivlos. Anders in Deutschland: die Asylpolitik wird zwar von CDU und SPD modifiziert, der Kurswechsel als solcher aber nicht propagiert.
Die Etikette lässt das nicht zu.
Ergebnis: SPD-Umfragewerte zwischen 16% und 18% - der Status Volkspartei verloren. Nachdenken, SPD

Per L. Johansson | Mo., 10. September 2018 - 18:01

Zitat: „Paradoxerweise gibt dieses Wahlergebnis aber auch einen winzigen Funken Hoffnung. Es zeigt, dass Rechtspopulismus zumindest gebremst werden kann.“

Mir erschließt sich nicht, warum „rechte“ Positionen immerzu „populistisch“ sein sollen.
Und daß die Altparteien/Medien es auch in Schweden geschafft haben, die langfristigen Gefahren der Einwanderung zu verschleiern und vor der Wahl der Schwedendemokraten abzuschrecken, hat vielmehr den Funken der Hoffnung zerstört.
Die Mehrheit der Schweden wird vermutlich erst dann „Rechte“ wählen, wenn ihre Heimat flächendeckend irreparablen Schaden genommen hat.
Bisher terrorisieren und erschießen sich Zuwanderer ja meist gegenseitig in ihren Vierteln. Aus dem Auge, aus dem Sinn...

Zitat: "hat die rot-grüne Regierung 2016 begonnen, die Zuwanderung zu steuern – mit einer erheblichen Verschärfung der Migrations- und Integrationsgesetze."

Aber nicht aus Einsicht, sondern aus Angst vor den Schwedendemokraten. Gut, daß es diese gibt!

Dimitri Gales | Mo., 10. September 2018 - 19:42

Es stimmt, dass viele Bürger Schwedens die Migrantenflut der letzten Jahre missbilligen, weil sie sehen, wie schwierig die Integration dieser Menschen ist. Aber die rechtsnationale Partei hat auch deswegen seit 2010 (5 Prozent der Stimmen, 2014: 10 Prozent) Erfolg, weil auch Schweden von der Globalisierung und dem ungehemmten Kapitalismus betroffen sind. Man sollte also nicht nur die Migration als Ursache des Aufstiegs der rechtsnationalen Partei sehen. Die Menschen sehen doch, dass die Wirtschaftsglobalisierung Gewinner, aber auch eine Menge Verlierer generiert. Auch fürchten viele Schweden, dass der Sozialstaat, Vorbild für andere europäische Staaten, wegen der Masseneinwanderung an seine Grenzen gekommen ist.

Heidemarie Heim | Mo., 10. September 2018 - 20:37

Also im Grunde jeder Bürger. Der wievielte ist es mittlerweile, der durch eine verfehlte Migrationspolitik ins Schleudern geraten ist? Aber immer noch weigern sich genug aus Politik und Medien das Kind beim Namen zu nennen. Jetzt fehlt nur noch die bisher noch immer stattgefundene Wählerbeschimpfung von Seiten der wahren Demokraten. Und schon hat man eine neue Grabentiefe der Gesellschaft erreicht. "Man reiche ihnen den Lorbeerkranz!"
MfG

Lisa Lehmann | Mo., 10. September 2018 - 21:19

ich kann diesen Artikel wirklich nicht verstehen.
die ganze Welt ist informiert was täglich dem schwedischen Volk angetan wird.
Banden,-Revierkämpfe, Vergewaltigungen, Feuerwehr und Polizei wird angegriffen um nur einige zu nennen.
die Bürgerliche Mitte fordert Löfven zum Rücktritt auf.
Einen Rücktritt lehnte der aber ab.
Es gibt wohl keine Alternative zu den jetzigen Personalien, warum soll es in S anders sein als in D

Reinhold Wurian | Di., 11. September 2018 - 04:54

..viel zu gut. Daraus resultieren dann eben solche Wahlfehlverhalten. Gut das wir in D, Frau Wirschaffendas sei gedankt, solche Problem nicht erkennen koennen. Da ist - alternativlos - nichts anders zu machen.

ROMUALD VESELIC | Di., 11. September 2018 - 06:49

endlich begreifen, dass auch politisches System auf der Aktion u. Reaktion basiert. Die Probleme sollten präventiv gelöst werden, u. nicht erst nachhinein, wenn sie sich exponentiell verstärken. Das subjektive Bewusstsein der gesellschaftlichen/politischen Mehrheit, sollte man nie ignorieren. Sich damit zu trösten, dass die konterkarierten Politrivalen doch nicht so gut bei den Wahlen abgeschnitten haben, ist meiner Ansicht nach eine typische Selbsttäuschung der Eliten vor Ort. Erinnert mich auf die Freude von einem, der sich glücklich schätzt, dass nicht sein Haus abgebrannt ist, sondern das Haus des Nachbars.

Bernd Wollmann | Di., 11. September 2018 - 09:08

Nein, es gibt zwei große Verlierer. Nachdem Schweden schon früher und im Verhältnis zur Bevölkerungzahl noch mehr muslimische „Flüchtlinge“ aufgenommen hat als Deutschland, stehen viele jüdische Gemeinden vor der Auflösung. Die Gewalt durch Moslems gegen Juden wird immer unerträglicher und viele sind deshalb schon nach Israel ausgewandert (siehe Reportage H.M. Broder). Der zweite Verlierer sind die Schweden, die in Nachbarschaft mit den Zugewanderten leben müssen, weil sie sich nicht die Wohnlagen der Politiker und die Privatschulen für deren Kinder leisten können. Der Versuch einer Integration ist dort grandios gescheitert. Anstatt Lehren daraus zu ziehen werden bei uns die selben Fehler wiederholt, ja schlimmer noch, die Täter werden geschützt, nicht die Bevölkerung. Da bekommt ein Mörder 8,5 Jahre Haft für den Mord an der 15-jährigen Mia und bei dem letzten Tod eines Einheimischen, dem am Boden liegend noch mehrmals gegen den Kopf getreten wurde, war es Herzversagen...

Dieter Hegger | Di., 11. September 2018 - 10:00

...........braucht das Land, oder besser die Länder in der EU. Der SPD stirbt die Klientel weg, sie werden die ersten sein die unter "andere Parteien" laufen werden. Dieses ganze bräsige Getue der Etablierten, diese altbackenen Typen, passen doch nicht mehr in unsere Zeit. Merkel,Kauder, Nahles, Bouffier, Laschet, Seehofer, Roth.......das Grauen hat viele Gesichter, ich kenne sie Alle.

Claudie cotet | Di., 11. September 2018 - 13:14

Antwort auf von Dieter Hegger

sie sollten kramp-karrenbauer nicht unterschlagen

Wolfgang Tröbner | Di., 11. September 2018 - 10:47

Wie wahr. Und wer ist dafür ursächlich verantwortlich, wenn nicht das linke politische System? Ohne Not haben die Sozialdemokraten den Staat und seine Menschen für ihre politischen Ziele missbraucht und wollen nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, die politische Verantwortung dafür den Schwedendemokraten in die Schuhe schieben? Einer Partei, die noch nie regiert hat? Nicht die Schwedendemokraten haben das Land gespalten, sondern die Sozialdemokraten. Das erinnert mich fatal an Deutschland.

Claudie cotet | Di., 11. September 2018 - 13:17

noch scheint schweden
nicht verloren.
rechts verkoerpert hoffnung

Giesela Kramski | Di., 11. September 2018 - 16:57

Antwort auf von Claudie cotet

Wenn noch ein paar satte Bürger zur (Wahl-)Besinnung kommen sollten, sind allerdings weitere 4 Jahre vergangen und die Zustände garantiert noch schlimmer und vor allem: verfestigter.
Man kann also sagen - wie bei uns.

wolfgang spremberg | Di., 11. September 2018 - 17:24

Das verlorene "Paradies".
Verloren durch moralischen Dünkel. Wir, die Tollen, können das.

Christoph Rist | Mi., 12. September 2018 - 15:48

enden und sich eine neue Ordnung herausbildet. Im Gegenteil - i . d. R. ist das sehr heilsam! Wer sich verbissen an die marode gewordenen politischen Gebilde Westeuropas klammert, der ist im Fortgang der Geschichte nichts anderes als ein Deutscher Monarchist in den 20ern. Ein Relikt aus einer anderen Zeit, ein Dinosaurier, ein letzter Mohikaner...
Politische Systeme sind von ihrer Natur her angelegt, dynamisch zu sein und sich an neue Situationen anzupassen. Tun sie das nicht und entwickeln sich dadurch nicht fort, dann werden sie verschwinden. Die aktuelle Politikergeneration und die Medien erkennt nicht, dass sie selbst durch ihre Starrhalsigkeit und Ihren ausgeprägten Lernunwillen selbst die größte Axt an das derzeitige System legen. Die sog. "repräsentative Demokratie" ist längst in der Defensive und verliert Anerkennung bis hin zu Akzeptanz. Die Zukunft wird deswegen aber nicht totalitär, wie die Irrlichter glauben, sondern direktdemokratischer und damit natürlich populistischer.

Karin Zeitz | Di., 18. September 2018 - 09:33

steuern wir auch in Deutschland zu, wenn die aktuelle Politik weitergetrieben wird.