Meyers Blick auf... - Städte und Überbevölkerung

Der Schweizer Journalist, Medienberater und Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer spricht mit Cicero-Redakteur Alexander Kissler darüber, wie teuer das Leben in den Städten geworden ist. Ein Problem sei die schwindende soziale Durchmischung

Städte verkommen durch Kommerzialisierung, meint Frank A. Meyer

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Bernhard jasper | Do., 16. August 2018 - 21:02

Die Gesellschaft bildet sich in den Städten ab, das ist so! Der Flächennutzungsplan galt auch einmal als endzeitliche Friedensordnung der Kommune, gleichsam als entmaterialisierte Stadtmauer, als säkularisiertes himmlisches Jerusalem. Heute repräsentieren unsere Städte und Wohngebiete die Tendenzen zum unverwechselbaren Eigenleben, auch zur letztlich unerbittlichen Ausgrenzung und Vertreibung. Event und Lifestyle ist angesagt, so aufgeklärt-zeitgenössisch sich das auch das alles gibt.

Ich möchte aber noch ein anders Fenster öffnen. „Haus“ und „Stadt“ bedeutet auch Zuflucht, Heim, Wohnsitz und ist eine Einfriedung und hat nichts mit Unterbringung zu tun. Die Vielfalt der Formen die Häuser und Städte annehmen können, zeigen, in welcher Weise die Bewohner mit ihrem Dasein und dem Ort ihres Lebens ihren Frieden machen.

Hallo Herr Jasper! Ihre Definition des Flächennutzungsplanes ist unübertrefflich und sie sollte in jeden Baurechtskommentar/Lehrbuch übernommen werden: Mr./Herr Jasper twelve, douce points, zwölf Punkte!!! - Ich bin in Koblenz aufgewachsen, eine überschaubare aber seit langem wieder sehr feine Stadt (das Deutsche Eck; Confluentes sagten die Römer). Koblenz war nach WW2 zu 95 % zerstört!!! WIR schaffen das! Inzwischen ist es ja überall schier unbezahlbar in einer halbwegs angemessenen Wohnung zu leben und auch noch ein "passendes Viertel/Block" zu erwischen; das auszuführen würde itzo jedoch mein Posting sprengen. Herr Jasper, nochmals: Ihr Kommentar war das Beste was ich hier seit langem gelesen habe, echt klasse!
Zitat: "Ich möchte aber noch ein weiteres Fenster öffnen" => na klar, why not? "Hoppla jetzt komm ich, alle Türen auf, alle Fenster auf etc", der olle Hans Albers - Unsere Tochter lebt seit 8j in Edinburgh; "schweineteuer" jedoch wunderschön! §276 BGB: Geld hat man zu haben

Bernhard Jasper | Do., 16. August 2018 - 21:20

Wir gehen ja wieder den Spuren der Vergangenheit nach, entdecken die traditionelle Stadt neu und befassen uns wieder mit Stadt-Räumen- als Reaktion auf die Moderne. Die Raum-Stadt, ein zeitweiliges Leitbild der städtebaulichen Moderne hat maßlos enttäuscht. Diese Zweck-Rationalität wurde zu einem „Brutalismus“ (leider auch bei heutigen Neubauprojekten). Unverzeihlich! Schon das Bauhaus hat diesen „Elementarismus“ als Heiligtum der Vernunft in einer chaotischen Welt dargestellt. „Funktionalismus“ und „Neue Sachlichkeit“- auch eine dunkle Seite des deutschen Bauhauses. Wie sich die Gesellschaft neu aufstellt, wird auch maßgeblich von „Kultur“ bestimmt werden.

David Rengeling | Fr., 17. August 2018 - 13:20

Zunächst: Es gibt ein Grundrecht auf ein Leben an jedem Ort in der Bundesrepublik Deutschland, auch in der Stadt (Art. 11 Abs. 1 GG). Das Problem der Überbevölkerung, der Teuerung und der ‚Eventisierung ‘ von Städten sehe ich durchaus, all das ist nichts Neues, das gab es schon im vorchristlichen Rom. Nur ist es eben heute so, dass eine riesige Gruppe hochqualifizierter Menschen ihre Arbeit eben nicht in der Uckermark oder im Schwarzwald findet, sondern in Berlin und Stuttgart. Ich persönlich verspüre die Lebenserhaltungskosten und freue mich auch wenig darüber, aber Arbeitslosigkeit ist auch keine Option, der Trend wird weitergehen bei aktuell alleine 2.85 Mio. Studierenden in der BRD. Vielleicht werden wir in 50 Jahren mit der Digitalisierung so weit sein, dass wir auch aus der Uckermark oder dem Schwarzwald per Homeoffice tätig sein können und dass Stadt dann wieder für alle bezahlbar sein wird. Die derzeitige Bevölkerungskurve suggeriert jedoch eine andere Entwicklung.

...ist wohl stark übertrieben. Ich sehe das etwas anders.
Es wird nicht so lange dauern bis hochqualifizierte Menschen ihren Job
auch von der Uckermark oder vom Schwarzwald ausüben können.
In Zukunft wird es jede Menge Migration geben.
Und zwar von der Stadt aufs Land.
Man kann die Vorzüge des ländlichen Lebens genießen, sei es das hohe gegenseitiges Vertrauen und zivilgesellschaftliche Engagement – oder auch die Abwesenheit dunkler Gassen.
siehe auch achgut: Hipster gegen Landeier

Bernhard K. Kopp | Fr., 17. August 2018 - 16:42

Nach dem Krieg gab es noch reichlich 'soziale Durchmischung', aber die Reichen und die Armen, aus dem gleichen Mehrfamilienhaus, aus der gleichen Nachbarschaft, trafen sich am Sonntag in der Kirche. Wohlhabende Grossbürger, Bildungsbürger und Kleinbürger hatten immer noch viel gemeinsam. Dieser soziale Kitt ist schon lange verloren gegangen.

Mathias Trostdorf | Sa., 18. August 2018 - 22:48

Soziale "Durchmischung" funktioniert(e) nur da, wo die unterschiedlichen sozialen Schichten noch nicht zu weit auseinander waren, und die allgemeinen Regeln des Zusammenlebens von der Mehrheit der Teilnehmer akzeptiert und gelebt wird/ wurde. "Wohnen"/ Leben ist heut ein immens wichtiger Wert. Viele Leute arbeiten hart, so daß für sie ein angenehmes Zuhause und ein entsprechendes Wohnumfeld immer wichtiger werden. Warum sollten sie also dieses Wohnumfeld teilen wollen mit Leuten, die es "abwerten" (was heute weniger eine Frage des Einkommens, sondern mehr und mehr eine Frage von Werten oder fehlenden Werten ist).
Gerade auch Politiker und Intellektuelle leben ja oft im Widerspruch zu dem, was sie anderen Leuten empfehlen, nämlich nicht im Schöneberger "Sozialpalast", um diesen vielleicht ein bißchen positiver zu "durchmischen", sondern doch lieber im Penthouse in (Ost-)Mitte oder im Grünen.
Ich halte die Entwicklung der sozialen "Entmischung" für unaufhaltbar.

Heidrun Schuppan | So., 19. August 2018 - 13:39

viel – jedoch nur im hochpreisigen Bereich, meist Eigentumswohnungen, auch gern in die Höhe und mit viel Glas. Gleichzeitig wird von denen, die meinen, sich sozial zeigen zu müssen, mehr für den sozialen Wohnungsbau gefordert. Bezahlen darf diese mit Steuergeldern subventionierten Wohnungen auf der grünen Wiese oder noch weiter draußen die untere Mittelschicht, die selbst keine subventionierte Wohnung erhalten wird – die sich aber auch die hochpreisigen Glaspaläste nicht leisten kann. Für diese Gruppe gibt es immer weniger Wohnungen. Eine soziale Mischung wird immer illusorischer, aber die Stadtplaner wollen es nicht anders – Grundstücke werden an meistbietende abgegeben – ein neuer Sargnagel für eine "soziale" Stadt. Übrigens: Wo sollen all die Rentner mit den Minirenten demnächst wohnen?

jean Batato | Mo., 20. August 2018 - 00:18

Das Gespräch benennt das Problem richtig. Diese Überstädterung ist allerdings teils auf die Überbevölkerung zurückzuführen. Vergleicht man die Bevölkerungsdichte Frankreichs mit Deutschland, als Anhalt nebenbei, müsste Deutschland eine Bevölkerungszahl von unter 60 Millionen Menschen haben. Im Laufe der Zeit wird das Problem der Überbevölkerung wahrscheinlich nur unter großen Einschränkungen zu lösen sein. China und Indien (ein Drittel der Menschheit) hatten die Geburtenkontrolle seinerzeit eingeführt, um das Problem in den Griff zu bekommen.Meiner Ansicht nach ist die Geburtenkontrolle weltweit die einzige Lösung nicht nur für die Überstädterung sondern für die meisten Probleme, und zwar weltweit. Wir reden allerdings von einer Jahrthundertspanne, die doch von Anfang an Wirkungen zeigen könnte.

Reinhold Schramm | Mo., 20. August 2018 - 10:16

Ein Mieter aus Berlin Alt-Mariendorf berichtete über die Höhe seiner monatlichen Mietzahlung. Für 65 Quadratmeter zahlt er monatlich eine Warmmiete von 1200 bis 1300 Euro. Demnach im Durchschnitt pro m² etwa 19 Euro.

Die Berliner Baugenossenschaft bewarb modernisierte Altbauwohnungen in Berlin-Kaulsdorf für einen mtl. Mietpreis von 1100,- bis 1600,- Euro (für 88 bis 110 m²).

Frage: Welche Altenpflegerin, ohne und mit Familie, oder Beschäftigte an der Kasse, kann sich diese Wohnungen zur Miete leisten? – wenn nicht der Staat die Mietkosten übernimmt.