Schilderwald
Weil die Menschen auf dummen Ideen kommen in ihrer Freizeit: Es hagelt Warnhinweise, Strafsteuern und Verbote / picture alliance

Demokratie und Sozialstaat - Auf dem Weg in den neofeudalen Staat

Herrschaft setzt die Zustimmung der Beherrschten voraus, schrieb Max Weber einst. So versucht sich der spätmoderne Staat dadurch zu legitimieren, indem er als vermeintlicher Advokat der Bürgerinteressen auftritt. Der freie Bürger aber wird letztlich zum Vasallen eines neuen neofeudalen Adels

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Nie lebte der Mensch ein behüteteres Leben als in der westlichen Moderne. Insbesondere in Deutschland hat man sich in einer Art betreutem Wohnen auf Lebenszeit eingerichtet. Von der Wiege bis zur Bahre, vom Elterngeld und dem garantierten Krippenplatz über den Mindestlohn und die gesetzlich geregelten Wiedereingliederungsmaßnahmen bis hin zur Frühverrentung wird der Bundesrepublikaner führsorglich an die sozialstaatliche Hand genommen.

Das Ziel ist der angepasste Bürger

Da es aber noch viel zu viele Freiräume gibt und der Mensch, insbesondere der jüngere Mensch, alles Mögliche tut, nur wahrscheinlich aber nichts, was dem Arbeitsmarkt nützt oder der Zivilgesellschaft dient, muss die Rundumbetreuung dringend ausgebaut werden – und zwar verpflichtend: Zwangsganztagskitas, Zwangsganztagskindergärten, Zwangsganztagsschulen. Wann endlich gibt es die Zwangsganztagsarbeitsstelle und die Zwangsganztagsrentnerbetreuung? Sicher ist sicher, man weiß ja nie, auf was für sozial abträgliche Gedanken die Menschen so kommen in ihrer Freizeit.

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Christa Wallau | Sa., 11. August 2018 - 12:32

Der deutsche Staat, in dem wir Bürger nur mehr Vasallen sind, während Politik- , Medien- und Verbandsfunktionäre unsere feudalen Herrscher abgeben, wird irgendwann kollabieren. Denn die Gelder, die fließen müssen, um das Abhängigkeitssystem zu erhalten, werden zur Neige gehen. Was danach kommt, ist jedoch nicht wieder das Eldorado aller Bürger, die sich in einem sicheren, geordneten Staat f r e i entwickeln können (Wir hatten diese guten Verhältnisse in der 2.Hälfte des 20. Jhdts.),sondern der s c h w a c h e Staat. In diesem werden starke Unter-Strukturen entstehen, wie es sie immer in solchen Staaten gibt: mafiöse, ethnisch verschiedene Gruppierungen, welche die Macht und die Geschäfte an sich reißen (siehe Italien!). Im Mittelalter stand am Ende des Lehenswesens das Raubrittertum.
Weder der jetzige Zustand noch der zu erwartende - beide schlimm - wären zwingend nötig, wenn die Bürger endlich aufwachten u. klüger wählten.
Leider aber sind die Dummen i m m e r in der Mehrheit!

Thorsten Rosché | Sa., 11. August 2018 - 13:16

Man macht sich vom Staat unabhängig ( wenn man kann ) führt ein unbehütetes Leben und regelt seine Probleme selbst. Und man erspart sich : Von der Wiege bis zur Bahre - Formulare,Formulare..........

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 11. August 2018 - 17:25

Man kann es nicht besser sagen. Glückwunsch zu dieser Analyse.

Dieter Freundlieb | So., 12. August 2018 - 09:38

Der von Grau zurecht gescholtene Neofeudalismus ist nicht nur typisch für die Politik der Regierung und selbst große Teile der Opposition, sondern auch für den Journalismus. Auch viele Medien versuchen ihren Konsumenten das selbständige Denken abzunehmen und ihnen vorzuschreiben, was die richtige Politik und die richtige Moral ist.

Holger Stockinger | So., 12. August 2018 - 12:46

"Germanien delendam esse!" - 3 expressionistische Maler (zwei deutsche und ein Franzose) als Expressionisten besuchten kurz vor dem 1. Weltkrieg mal Karthago. Paul Klee und Macke (ohne eine "Macke" zu haben). Macke fiel sofort als Soldat in irgendeiner "Schlacht" ...

... als "Schwarzseher" philosophisch betrachtet sehe ich das Magazin "Cicero" nicht, weswegen ich seine Autoren auch sehr schätze und gerne lese. taz, ZEIT oder SPIEGEL pflegen eher "Unterforderung" als "kritisches Denken", für eine Habermas-Schule eh nicht angesagt.

Der Begriff ANPASSUNG wird mental und vielfarbig von unserer Bundeskanzlerin (Vorbild das Chameleon) vorgeführt.

"Überanpassung" scheint das Phänomen des deutschen Durchschnittsbürgers geworden zu sein.

"Wehe (Hüte dich!) anderes wahrzunehmen als die herrschende Meinung erlaubt ..." - Aus Heinrich Manns Untertan wurde inzwischen der deutsche vorauseilende Sichselbst-Unterwerfer ...

Christoph Kuhlmann | So., 12. August 2018 - 14:42

bundesdeutschen Wirtschaftskraft durch Gerhard Schröder. Sie ging primär zu lasten der einkommensschwachen Schichten und anderer durch die Gewerkschaften vertretener Interessen, die sich in jahrzehntelanger Lohnzurückhaltung ausdrückte. Erst diese Politik hat im Zusammenspiel mit einem niedrigen Eurokurs die staatlichen Kassen soweit gefüllt, dass dieser die Illusion der uneingeschränkten Herrschaft des Wohlfahrtsstaates erzeugen konnte. Diese Illusion, bzw. dieser Feudalismus hat leider ein kurzes Gedächtnis. Die Gewinne durch das Wachstum, das durch Sozialstaatskürzungen und Lohnverzicht entstand, wurde nicht den betroffenen Gruppen zurückgegeben, stattdessen wurden Banken subventioniert und eine exorbitante Zuwanderung finanziert, die wiederum auf vielfältige Weise das Einkommen der durch die Agenda 2010 betroffenen Gruppen schmälert. Wohnungsnot, Marktpreise des Arbeitslohns, Sozialkassenbeiträge etc.. Die Moral der Feudalisten ist leider eine, die sie selbst nicht belastet.

helmut armbruster | So., 12. August 2018 - 16:30

die große Mehrheit ist vermutlich ganz zufrieden, wenn sie jemand bei der Hand nimmt und ihr sagt wo es lang geht.
Diese Mehrheit wird den neofeudalen Staat sicherlich ohne weiteres akzeptieren.
Aber was soll der wirklich freiheitsliebende Mensch machen? So einer, der nicht ohne Freiheit kann, der nicht dem Herdentrieb folgt und der sich nicht von irgendwelchem Gruppenzwang beeinflussen lässt.
Bleibt wohl nur innere Immigration oder frei nach Epikur "lebe im Verborgenen".