
- Weniger ist mehr
Das Bundesverfassungsgericht hält einen Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro im Monat für gerechtfertigt. Aber das Urteil darf für die Radio- und Fernsehsender kein Freibrief sein. Der Gesetzgeber muss sie dazu anhalten, dass sie ihre Programme und Inhalte abspecken
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Rundfunkbeitrag im Wesentlichen verfassungsgemäß ist. Das Urteil überrascht nicht wirklich. Eine Revolution hatte niemand ernsthaft erwartet. Ein jahrelanger Streit um den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag, der 2013 die gerätebezogene Rundfunkgebühr abgelöst hat, ist somit zu Ende gegangen.
Geklagt hatten unter anderem ein bekannter Autovermieter und ein Zweitwohnungsbesitzer. Autovermieter müssen auch in Zukunft für jeden Mietwagen Rundfunkbeträge abführen. Dagegen sind privat genutzte Personenwagen nicht gebührenpflichtig. Der Preis ist schon in den 17,50 Euro enthalten, die jeder Mieter oder Wohnungseigentümer im Monat zahlen muss. Freuen dürfen sich hingegen Zweitwohnungseigentümer: Bislang doppelt beitragspflichtig, muss hier nun der Gesetzgeber tätig werden. Die Länder hatten sich 2013 dafür entschieden, die Wohnung als Anknüpfungspunkt für einen Beitrag zu nehmen – andere Möglichkeiten wie die gemeldete Person wären ebenfalls möglich gewesen (Kopfpauschale), doch die Politik hatte bei der Wahl des Anknüpfungspunktes laut Bundesverfassungsgericht einen weiten Spielraum.
Wieviel Grundversorgung ist erforderlich?
Die Rundfunkpolitik darf das Urteil jedoch nicht zum Anlass nehmen, von den tatsächlichen Problemen weiter abzulenken. Denn über die Frage, wieviel Programme und Online-Inhalte zur Grundversorgung erforderlich sind, muss der Gesetzgeber in jedem Fall nachdenken dürfen. Dies betrifft auch die Frage, ob Nicht-Rundfunkinhalte wie die Online-Angebote der Rundfunk- und Fernsehsender überhaupt zur Grundversorgung gehören. Menschen, die jünger als 40 Jahre alt sind, erreicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk kaum noch. Die Argumentation, die Jugendlichen informierten sich online, sie bräuchten verlässliche Infos, um mündige Bürger in einer demokratischen Gesellschaft zu sein, heißt ja noch nicht, ohne die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre das Netzangebot defizitär. Hier scheut die Politik übrigens die Klärung und Auslegung des Rundfunkbegriffs im Lichte des EU-Rechts.
Die gegenwärtige rundfunkpolitische Diskussion geht an diesen Fragen vorbei. Sie hält den Status quo der öffentlich-rechtlichen Angebote für „gegeben“. Dies hat auch realpolitische Gründe, denn welcher Politiker würde schon auf Spartenkanäle verzichten? Das Gegenteil ist der Fall: Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist keine Zielgruppe zu klein, um nicht doch noch durch eine weitere „Verspartung“ bedient zu werden.
Poker um die Beitragshöhe
Zugegeben: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, Kostensteigerungen zum Beispiel durch gemeinsame Technik-, Verwaltungsstrukturen und redaktionelle Zusammenarbeit in der ARD und durch das „Auftauen zurückgelegter Beitragsüberschüsse“ zu begrenzen. Gleichzeitig darf der Gesetzgeber nur bedingt in den Programm- und Produktionsbereich sowie auf das Personal einwirken. Dies führt zum bekannten medialen Ping-Pong-Spiel: Die Ministerpräsidenten fordern ARD und ZDF auf, zu sparen. Und die Sender beteuern: Mehr geht nun wirklich nicht.
Richtig ist auch, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Haushaltsbeiträge solange sachgerecht erscheint, wie man den potentiellen Vorteil, öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen zu können, überhaupt für gesellschaftlich notwendig und damit finanzierungspflichtig hält.
Wir finanzieren Institutionen, keine Inhalte
Eine ehrliche Auftragsdiskussion in Richtung „Weniger ist Mehr" wäre nun aber dringend wünschenswert. Derzeit finanzieren wir Institutionen, keine Inhalte. Deswegen stellt sich die Frage, ob ein öffentliches Finanzierungsmonopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Form der Landesrundfunkanstalten, des ZDF und des Deutschlandfunks besteht. Können qualitativ-wertvolle Public-Value-Inhalte auch außerhalb dieser Strukturen finanziert werden? Müssen wir dafür dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erst ein Defizit nachweisen, bevor man andere Inhalte öffentlich finanzieren darf?
Wenn wir uns darauf einigen können, die logische Herangehensweise beizubehalten, zunächst über Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu reden und erst in einem zweiten Schritt über die dann – reduzierte – Finanzierung, weshalb dreht sich die aktuelle Debatte um eine automatische Erhöhungsspirale?
Ein Werbeverbot für ARD und ZDF
Interessant wäre auch die Frage, wann sich die Rundfunkpolitik endlich zu einem Werbeverbot für ARD und ZDF durchringen kann. Insbesondere Paul Kirchhof, der Bruder des derzeitigen Verfassungsrichters Ferdinand Kirchhof, hatte in seinem Gutachten zur Zulässigkeit des Rundfunkbeitrags gefordert, die Einführung des Rundfunkbeitrags mit dem Ende der Mischfinanzierung zu koppeln. Sein Kernargument ist, es solle schon nicht der Anschein entstehen, dass die Werbeindustrie überhaupt Einfluss auf die Inhalte oder deren Kommerzialisierung nimmt. Aus der gleichen Argumentation heraus hätte sich übrigens der Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhoff, beim Streit um seine mögliche Befangenheit aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse selbst aus dem Verfahren nehmen sollen.
Ein System, das auch regionale Berichterstattung übernehmen könnte, wäre ausreichend. Im Übrigen könnte man, wenn es politisch gewollt wäre, publizistische Inhalte, die einen erhöhten Public-Value erkennen lassen, ausschreiben und beitragsfinanzieren. Deswegen sollte der Beitrag beibehalten werden. Angebote und Strukturen müssen aber grundlegend optimiert und der Beitrag gesenkt werden.