Flüchtlinge gehen am 22.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) nach Deutschland. Der Wintereinbruch in Bayern trifft auch die Flüchtlinge in der Passauer Grenzregion.
Flüchtlinge gehen am 22.11.2015 an der deutsch-österreichischen Grenze nahe Wegscheid (Bayern) nach Deutschland / picture alliance

Asylrecht - Endstation Dublin

Bei der erbittert geführten Debatte über eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Landesgrenze kommen ständig auch juristische Argumente ins Spiel. Und weil die Sache so kompliziert ist, behauptet jeder, was ihm passt. Das gilt auch für die Kanzlerin

Porträt Frank Schorkopf

Autoreninfo

Frank Schorkopf ist Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Göttingen

So erreichen Sie Frank Schorkopf:

Es ist ein starkes Argument: Das Unionsrecht hat Vorrang vor deutschem Recht. In der europäisch wie national schwelenden Migrationskrise, die sich im politischen Berlin zuletzt auf die Frage der möglichen Zurückweisung an den deutschen Außengrenzen zuspitzte, wird zusehends auch mit Rechtsargumenten gerungen.

Bis in Zeitungen und Blogs hinein wird über die Inhalte der einschlägigen EU-Verordnung („Dublin III“) und die Normativität des Grundgesetzes diskutiert. Die einen weisen auf den klaren Wortlaut des deutschen Asylgrundrechts hin, wonach Flüchtlinge aus sicheren Herkunfts- und Drittstaaten prinzipiell keinen Asylanspruch in Deutschland haben. Die anderen lenken die Aufmerksamkeit auf das vorrangig anzuwendende EU-Recht, das den Grenzübertritt jedes Ausländers gestatte, der an der deutschen Grenze um Schutz nachsuche. Diese migrationsfördernde Rechtsauskunft irritiert wiederum diejenigen, die Migration weiter begrenzen wollen und die dachten, das Grundgesetz adressiere höchstverbindlich Grundfragen der Gesellschaft, die Bürger und die Politik bewegen.

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Markus Michaelis | Do., 28. Juni 2018 - 16:21

Ich finde die Diuskussion der juristischen Fragen wichtig, insbesondere auch zu verstehen, mit welchem Ziel und vor welchem Hintergrund die Gesetze so gemacht wurden. Wichtig finde ich aber auch die Grenzen des Juristischen zu sehen. Das Juristische ist so komplex, dass ich am Ende bestimmten Personen und Institutionen vertrauen muss, letztlich dem Staat und der Gesellschaft, die den Staat trägt. Ist das Vertrauen darin bei zu vielen Menschen erschüttert, werden mir Gesetze wenig nützen - es wird nicht funktionieren. Das sind dann politische Fragen, die politisch zu lösen sind. Als Bürger sollte man zwar verantwortungsvoll und gemäßigt handeln, was bedeutet Vertrauen in die Institutionen zu haben. Die Fragen um die Migration (etwas schwächer auch Euro) könnten den Rahmen aber sprengen. Hält man dann zu lange an Formalien, Gesetzen und Institutionen fest und vermeidet das Politische (weil es dann offen ist), kann es auch schiefgehen.

Reiner Kraa | Do., 28. Juni 2018 - 16:56

Was sollen wir mit einem (Europa-) Recht, das dazu führt, dass Deutschland von Millionen Armutsmigranten überströmt wird. Das einzig erkennbare Ergebnis eines solchen Rechts ist der Kollabs unserer Gesellschaft. Jeder, der es mit den Deutschen und ihrem Land auch nur halbwegs gut meint, hilft ihnen dabei, sich dagegen aus Leibeskräften zu wehren. Ein Recht, das uns nicht schützt und praktisch nicht wirkt, brauchen wir nicht. Da nehmen wir lieber unser eigenes.
An dieser Wahrheit gemessen ist die Situation keinesfalls kompliziert. Nur Leute in Elfenbeintürmen, nach BAT bezahlt, können auf diese Ideee kommen. In Europa wirken Kräfte, die es mit uns Deutschen nicht gut meinen. Neben unserer Kanzlerin ist der EZB-Rat das beste Beispiel, in dem sich Leute, sehr wesentlich auf Kosten der Deutschen, bestellen können, was sie haben wollen. Und sie kriegen es auch. Dem Europarecht sei Dank.

Joachim Wittenbecher | Do., 28. Juni 2018 - 17:05

Merkel hat heute (28.06.18) in der Regierungserklärung betont, dass in der Asylfrage europäisches Recht den Vorrang vor deutschem Recht habe. Dies ist insofern falsch, als GG Art. 16a und Dublin III weitestgehend wirkungsgleich sind. Tatsächlich hat Merkel im Herbst 2015 deutsches Recht gebrochen und Dublin III für funktionsunfähig erklärt. Sie hat also eine Grauzone ohne feste Regeln geschaffen, in der sie glaubt, nach Belieben hin - und her argumentieren zu können. Den Schaden haben die deutsche Bevölkerung und - was oft übersehen wird - die Transitländer der Balkanroute und ihre Bürger. Vollends unverständlich wird diese Politik, wenn bilaterale Abkommen, die Merkel im Gegensatz zu Frankreich versäumt hat, als europäische Lösung (gegen Seehofer) deklariert werden. Dies sind sie natürlich nicht - es sind zwischenstaatliche Regelungen. Ein Untersuchungsausschuss im Parlament ist notwendig - hier kann Merkel ihre Rechtsauffassung detailliert darlegen. Dank an Prof. Schorkopf.

auch ich hoffe, dass nun auch der Letzte bemerkt, was wir für ein Kuckucksei hier haben.
Ich habe lange überlegt, weshalb sie die deutsche Fahne in die Ecke geworfen hat.
Sie hat sich total der EU verschrieben, egal was mit Deutschland passiert und was es uns kostet - materiell wie auch ideell.
Sie ist es nicht würdig, eine deutsche Kanzlerin zu sein.

Jürgen Waldmann | Do., 28. Juni 2018 - 17:42

" Stefan Aust schrieb schon im November 2015 in der Welt fast gleichlautend: „Das Asylrecht sagt klipp und klar: Wer als Flüchtling aus einem sicheren Land kommt, hat kein Recht auf Einlass. Doch daran hält sich niemand mehr, allen voran die Kanzlerin.“,,Wenn Aust 2018 ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zitiert, das feststellte: „Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt, und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt.“, dann zitierte Aust schon im November 2015 folgenden Wortlaut eines Urteil des Amtsgerichts Passau: „Angesichts der Zustände an den Grenzen ist die Rechtsordnung von der deutschen Politik ausgesetzt. (…) Asylsuchende werden von der deutschen Bundeskanzlerin eingeladen nach Deutschland zu kommen.“
Besser kann man es nicht formulieren !

Werner Gottschämmer | Do., 28. Juni 2018 - 19:47

1. Wie kann ich denn noch daran glauben, dass AM noch, hat sie es mal?, berechtigte Interessen der Bürger in Deutschlands vertritt? Eine Auslegung oder eine Interpretation gegen, oder für unsere Interessen, AM vertritt garantiert die, Deutschland und seine Bürger und schlechter stellt.

2. Wer hat denn wann beschloßen, das unser GG einem EU Recht unterliegt? Der Bundestag? Das BVerfG? Ist das EU Recht demokratisch legitimiert, durch wen?

3. Was war das Motiv den Artikel 5 in das GG Paragraph 16 aufzunehmen, und ist das nicht sehr ungenau formuliert? Es kann, es darf, steht nicht gegenüber usw. aber muss etwas?

4. AM ist die EU, und Italien hat mit Frankreich bilaterale Abkommen, das ist für uns nicht drin oder wie muss ich das verstehen?

5. Nach Dublin IV sollen Migranten mehr oder weniger entscheiden dürfen wo sie einen Asylantrag stellen, was soll das denn? Aber extrem unterschiedliche Soialleistungen werden nicht harmonisiert, muss man das verstehen?

Birgit Fischer | Fr., 29. Juni 2018 - 08:28

Jetzt heißt es wieder, Merkel habe in Brüssel viel erreicht. Was für eine Lüge? Nichts hat sie erreicht.
Asyl-Zentren in Form geschlossener Lager in der EU, ja und dann? Dann laufen diese Lager voll. Und was passiert? Verteilung. An wen, wie lange, wie viele? In Afrika sitzen 60-70 Millionen Binnenflüchtlinge. Wenn nur 10 Prozent davon auf Boote steigt, dann knallt es in Europa, denn so viele Lager kann und will niemand bauen. Die Ansage an Afrika muss lauten: Niemand von dort hat eine Zukunft in Europa. Und diese Ansage bedarf sichtbarer Umsetzung. Was muss passieren? Außengrenzen dicht machen, alle Migranten konsequent ausschaffen oder in Abschiebehaft nehmen, klare Botschaften an Afrika senden, dass keine Migration mehr stattfinden wird. Leistungen an Migranten sind unverzüglich einzustellen. Das Asylrecht ist zu ändern. Es kann nicht sein, dass der Bevölkerungsdruck aus Afrika darüber bestimmt, was in Europa passiert. Merkel hat bisher nichts erreicht.

Giesela Kramski | Fr., 29. Juni 2018 - 12:21

Antwort auf von Birgit Fischer

Ihre Ausführungen sind wunderbar und ihnen ist uneingeschränkt zuzustimmen. Jetzt muss der ängstliche Deutsche-Wahl-Michel sich nur noch dazu aufraffen sein Kreuzchen bei einer Partei zu machen, die diese Forderungen auch umsetzt. Er müsste sich gegen die Dauer-Mediale-Gehirnwäsche auflehnen.
Ehrlich gesagt: ich traue es ihm nicht zu. Viele Wähler sind politisch nicht interessiert und rennen den täglich eingetrichterten Aussagen der Mainstreammedien nach - und sind noch stolz "keine Populisten" gewählt zu haben. Die Gehirnwäsche wirkt.

Arne Bruhn | Sa., 30. Juni 2018 - 20:25

Antwort auf von Birgit Fischer

Guten Abend Frau Fischer!
Im Januar 2016 (!) schrieb ich an Frau Merkel, Herrn de Maiziére, Herrn Kauder etc. und bat um die Beantwortung folgender (wie mir scheint einfacher) Fragen:
1. Wer verteilt die Flüchtlinge wohin?
2. Wer kontrolliert, ob die dort bleiben?
3. Wenn nicht, wer sorgt für den Rücktransport an den Verteilort - und wie oft?
4. Wer bezahlt das alles?
Das ist jetzt 17 Monate her.... Ob die Angeschrieben immer noch über den Antworten brüten?

Das hält doch kein Vogel aus! Musste sehr schmunzeln Herr Bruhn. Könnten wir mal Mäuschen spielen, wären die "untersten", wahrscheinlich von derartigen Anfragen überquellenden Schubladen in Kanzleramt und den Ministerien Ziel Nummer eins? Eher finden Sie wahrscheinlich die Büchse der Pandora und überlisten deren Öffnungsmechanismus als die Antwort auf Ihre und meine Fragen. Die sind, falls schriftlich niedergelegt, entweder inhaltlich komplett geschwärzt oder unterliegen strengster Geheimhaltung. Generationen nach uns finden sie vielleicht im "Berg, der nichts vergisst" ;-). Schönen Abend noch! MfG

Petra Führmann | Fr., 29. Juni 2018 - 09:28

was so ungeheuerlich und staatstragend an der rechtlich einwandfreien Forderung Seehofers, die zudem bestenfalls eine Marginalie und nahezu ohne Auswirkung ist, sein soll. Wenn das schon eine solche Krise auslöst, dann müsste die Welt bei der wirklichen Krise, nämlich dem Hauptthema, schon untergegangen sein. Und wer hat bestimmt, dass EU-Recht höher zu bewerten sei als nationales? Will man sich hier dahinter verstecken, den Schwarzen Peter weiterreichen? Und war es nicht auch so, dass der Termin 1. Juli schon vorher feststand und nicht von Seehofer gesetzt wurde? Auf jeden Fall ist etwas in Gang gekommen, aber wie ich sehe, geht es wieder oder weiter in die falsche Richtung. Einzig Orban hat erkannt, wo es langgehen soll.

Bernhard Mayer | Fr., 29. Juni 2018 - 09:33

Das gegenwärtige Polit-Gelaber wird keine Rolle spielen!

Horst Seehofer wird seine Rückweisungs-Anweisung geben, dann wird sich entscheiden wie die Kanzlerin Handelt Punkt!!

Erkenntnisse bringen wird. Merkel ist europäisch gescheitert. Es wird keine Umverteilung geben und Rücknahmen höchstwahrscheinlich auch nicht, dafür soll Frontex endlich gestärkt und die Außengrenzen besser gesichert werden. Die nationalen Maßnahmen müssen kommen und sie sind zweifellos auch verhältnismäßig (geeignet, erforderlich, angemessen). Heute liest man pikanterweise bei der Welt, dass über die deutsche Grenze seit Jahresbeginn mehr "Asylzuwanderer" [wann werden die Medien sie endlich illegale Migranten nennen?] eingereist sind, als seither an europäischen Außengrenzen registriert wurden (siehe https://www.welt.de/politik/deutschland/article178426692/Illegale-Migra…). Frau Merkel liegt also mal wieder falsch. So falsch wie nur irgend möglich. Die propagierte Gefahr, dass illegale Migranten dann künftig unregistriert an unsere deutschen Grenzen kommen, ist nämlich schon längt Fakt. Auch sie müssen - zuständigkeitshalber - abgewiesen werden.

Christoph Rist | Fr., 29. Juni 2018 - 15:14

als dass es NICHT mit der deutschen Verfassung - dem Grundgesetz - in Widerspruch steht. Dies und kein anderer(!) ist der juristische Grundsatz im Verhältnis von nationalem, deutschen Recht zum europäischen Gemeinschaftsrecht! Europäisches Recht bricht eben NICHT deutsches Verfassungsrecht. Niemals. Die einschlägigen Urteile des BVerfG und deren Tenor sollten inzwischen auch gebildeteren Nichtjuristen hinlänglich bekannt sein. Das Krude an dieser Debatte ist auch: Das derzeit gültige EU-Recht steht de jure in keinerlei Widerspruch zu Artikel 16a GG und umgekehrt. Das bedeutet auch, dass sog. "nationale Maßnahmen" zur Zurückweisung an der Grenze grundsätzlich statthaft sind. Es bedarf zur Durchführung keiner zusätzlichen "europäischen Lösung" oder gar irgendwelchen bilateralen Vereinbarungen. Auf Grundlage des bereits bestehenden europäischen und nationalen Rechts, kann eine Zurückweisung an den Grenzen erfolgen. Sogar so, dass gar kein Asylantendarsteller mehr nach Deutschland kommt.

Birgit Bauer | Mo., 2. Juli 2018 - 12:38

Keine Ahnung wie hoch die Dunkelziffer wirklich ist von Menschen die hier schon lange untergetaucht sind und nicht "auffindbar". Was sind dagegen die paar Rückweisung, außer dem ist die grüne Grenze offen.

Hans Herzberger | Mo., 2. Juli 2018 - 13:26

Schengen, Dublin usw. hat sich und wird sich weiter als kompletter politischen Unsinn erweisen. Wenn die Einwanderung in die sozialen Systeme vorwiegend Deutschlands und der EU weiterhin anhalten und das wird sie aller Voraussicht nach, unterstützt von nicht weitblickenden und im humanitären Gutglauben (von Linken und Grünen Unterstützern). Wird sich in einigen Jahren der politische radikale Wandeln mittels Revolution auf der Straße vollziehen. Es wird nicht gutgehen denn der Abstrich am eigenen Wohlstand wird selbst die letzten Zweifler der Humanität beseitigen. Denn es geht Allen an die Substanz ihrer erarbeiteten Leistung und das wird das Volk nicht hinnehmen. Verteilungskämpfe werden die Tagesabläufe bestimmen.

Heidemarie Heim | Mo., 2. Juli 2018 - 13:38

was eigentlich schon jeder EU-/ Landesbürger längst für sich selbst gezogen hat. Denn schon immer war die Absicht hinter jedwedem Gesetzestext mit seinen Artikeln, Paragraphen, Absätzen, Ergänzungen I-V usw. , dem gemeinen Volk die Inhalte vorzuenthalten bzw. die Auseinandersetzung damit von vornherein abzuwürgen. Wenigen ist es vorbehalten, nach scheinbarem Gutdünken und oft aus "politischen"
Erwägungen heraus, das Recht auszulegen und zu vollziehen. "Recht haben und Recht bekommen" in den sich widersprechenden oder gar untereinander sich aufhebenden Instanzen, war doch von Anfang an für den sogenannten
"nicht-systemrelevanten" Normalbürger einem Glücksspiel nicht unähnlich. Die inzwischen angewachsene Dimension und der damit verbundene Vertrauensverlust gegenüber der wichtigsten Säule eines jeden Staates und seiner Gesellschaft sind mehr als bedenklich. Am schlimmsten hierbei sind offensichtlich nicht umgesetztes oder gar unterschiedlich angewandtes Recht. MfG