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Gemüse-Bürgertum - Veganer sind moralische Totalitaristen

In der urbanen Bürgerschaft grassiert der Trend zum Veganismus. Die Anhänger geben sich als übertriebene Moralisierer: Für sie ist allein die Tatsache, dass der Mensch lebt, unerhört

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Ein Gespenst geht um in den deutschen Medien: der Veganismus. Plötzlich scheint es kein anderes Thema mehr zu geben. Halb Deutschland, so hat man den Eindruck, lässt plötzlich nicht nur Bratwust und Fleischpflanzerl links liegen, sondern gleich auch noch Latte Macchiato und Schokoeis. Selbst Haustiere werden schon, glaubt man einem Online-Bericht, vegan gefüttert. Und wehe, Miezi erlegt nachts eine Maus.

Sich Gedanken über Ernährung zu machen, ist ein Privileg. Über Jahrtausende waren die allermeisten Menschen froh, überhaupt etwas zu essen zu haben – und für zu viele Menschen gilt das auch heute noch.

Andererseits haben Menschen, sobald sie den dringendsten ökonomischen Sorgen enthoben waren, stets damit begonnen, ihre Nahrung zu verfeinern. Die Speisepläne der Oberschichten der frühen Hochkulturen legen davon beredtes Zeugnis ab. Der Versuch, sich delikater, exklusiver oder auch nur ausgefallener beziehungsweise „anders“ zu ernähren, ist daher mindestens ebenso ein Zeichen menschlicher Kultur wie Literatur, Theater, Musik oder andere Kulturtechniken – man braucht sie nicht zum Überleben, sie machen das Leben aber schöner und lebenswerter. Und sie stiften Identität.

Die Kulturverachtung hat Tradition


Kultur ist Luxus. Insofern ist der Vorwurf der Dekadenz gegenüber kulturellen Errungenschaften wohlfeil. Wer ihn pauschal erhebt, huldigt einem Primitivismus, der jede Form der Verfeinerung, der Raffinesse, des Schönen und damit letztlich auch Überflüssigen nicht nur als degeneriert ansieht, sondern vor allem auch als unmoralisch.

Kulturverachtung im Namen irgendeiner Ethik hat allerdings Tradition. Man darf annehmen: seitdem es Kultur gibt. Vermutlich hat auch schon irgendein steinzeitlicher Grieskram gegen das Garen von Fleisch gewettert, als der erste Spieß über ein Feuer gehalten wurde.

Das Kernargument gegen jede Form kultureller Verfeinerung hat sich seit jenen prähistorischen Zeiten – so dürfen wir annehmen – kaum geändert. Es lautet: Entfremdung. Kultur und Veredlung entfremden den Menschen von der Natur und von sich selbst.

Die natürliche Natur ist schlecht


Nun ist im Vergleich zu veganer Ernährung jeder Big Mac ein total authentisches Lebensmittel. Die Veganerbewegung kann daher nur schwer für sich in Anspruch nehmen, besonders „natürlich“ zu sein. Zugleich will man auf dieses in ökologisch bewussten und hochgradig nachhaltigen Zeiten so wertvolle Attribut nicht verzichten. Als künstlich und artifiziell möchte man schon gar nicht gelten – selbst wenn man es ist.

Aus diesem Grund hat sich im veganaffinen Milieu eine Art höherer Naturbegriff entwickelt. Als natürlich gilt nicht das Ursprüngliche, sondern das ethisch Gebotene. Denn die natürliche Natur ist schlecht: hier herrscht in der Regel Mord und Totschlag allein aus dem perfiden Motiv der eigenen Lebenserhaltung. In der veganen Natur hingegen grast der Löwe neben dem Lämmlein, die Affen greifen nur zu Bananen, die freiwillig vom Baum fallen, und auch der Mensch ernährt sich ausschließlich von Fallobst, auf dass keinem Lebewesen ein Haar oder auch nur ein Ästchen gekrümmt werde.

Postmoderner Wohlstandsökologismus


Das Ganze grenzt natürlich an Irrsinn. Allerdings ist es die logische Konsequenz unseres postmodernen Wohlstandsökologismus. Denn leider ist aus ökologischer Perspektive nicht einmal die Natur so richtig ökologisch: Tierarten sterben aus, das Klima wandelt sich auch ganz ohne Menschen so erheblich, dass es in Mitteleuropa von Wüsten bis zu riesigen Gletschern schon alles gab, Vulkane verwandeln blühende Haine in marsähnliche Landschaften – es ist ein Grauen.

Konsequenterweise muss man daher die Natur vor sich selber schützen. Dass das allerdings mit der Lehre vom Haushalt der Natur sehr wenig und mit Anthropozentrismus sehr viel zu tun, lässt die Jünger des Veganismus vollkommen ungerührt.

Das wiederum liegt daran, dass es dieser Bewegung auch darum geht, ethische und ästhetische Normen gegeneinander auszuspielen. Ernährung, genauso wie Kleidung, Literatur oder Musik, hat zunächst einmal etwas mit Geschmack zu tun. Menschen essen, hören, lesen und ziehen an, was ihnen gefällt, was ihnen Spaß macht und Wohlbefinden bereitet. Ethische Normen spielen da erst einmal keine Rolle. Das Schöne ist ethikfrei – zum Glück.

Vegetarismus und seine Extremform Veganismus versuchen hingegen, das Ästhetische, den Genuss zu moralisieren. Das geht am einfachsten dadurch, dass man sich darüber echauffiert, dass es überhaupt Menschen gibt, für die es neben ethischen Normen auch noch andere Maßstäbe des Handelns gibt – ästhetische zum Beispiel. Ethischen Normen nicht die allerhöchste und alleinige Priorität einzuräumen, gilt in diesen Kreisen als moralischer Hochverrat.

Diese Ideologen einer lupenreinen ethischen Lebensführung übersehen allerdings, dass kaum etwas unmoralischer ist als moralischer Totalitarismus. Eine Ethik, die nicht zu ihrer Karikatur verkommen will, muss auch immer in der Lage sein, sich selbst zu relativieren. Ethik, die sich absolut setzt, ist keine Ethik mehr.

Veganismus als Wohlstandsdekadenz


Im Grunde ist der Veganismus nichts anderes als eine besonders bizarre Mischung aus Wohlstandsdekadenz und Hypermoralismus. Dass sie im Alltag keine Rolle spielt, stimmt daher hoffnungsfroh. Selbst optimistische Studien kommen auf bestenfalls 0,5 Prozent Veganer.

Glaubt man hingegen den Medien, werden wir gerade von einer Welle des Veganertums erfasst, veröden die Milchregale in den Supermärkten, schimmeln Tonnen von Käse in den Kühlregalen und vergammeln ganze LKW-Ladungen von Hühnereiern.

Das ist zwar Blödsinn, erinnert aber mal wieder daran, wie Medien funktionieren. Die interessieren sich naturgemäß für das Abartige, Bizarre und Absonderliche. Wenn es dann auch noch scheinbar an einen Trend wie halbwegs gesunde Ernährung anschließbar ist, umso besser. Fertig ist der neue Hype. Traurig nur, dass jetzt auch schon harmlose Hauskatzen darunter leiden müssen.

 

 

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Johannes Lehmann | Do., 24. August 2017 - 19:06

Hallo und danke für diesen spannenden Beitrag. Ich finde ihn jedoch in sofern kritisch als dass die heute geltenden Standards als normal angesehen werden. Veganern geht es auch um die Kritik an Massentierhaltung und dem geradezu perversen Umgang mit Leben, der in der Tat Realität ist. Nie zuvor hat der Mensch solche Mengen an Fleisch verzehrt. Nie zuvor war es möglich ohne aktives Töten sein leben lang täglich Fleisch zu essen. Die extreme vegane Position kann ich nicht teilen, die des normalen nicht reflektierenden Bürgers aber schon gar nicht.

so etwas ähnliches hab ich (Veganer, langjähriger selbstkritischer Tierrechtsaktivist) mir auch gedacht.

eines hat der artikel zumindest geschaftt: er hat mich zum lachen gebracht

Fabian Müller | Mi., 27. Juni 2018 - 21:20

Aufgrund der immensen Anzahl an widersinnigen Aussagen in ihrem Beitrag, kann ich nicht einmal entscheiden zu welcher ich Stellung nehmen möchte.
Daher nur Folgendes:
Bevor Sie einen Beitrag veröffentlichen sollten Sie ein großes Glas Wasser trinken, ihr Produkt lesen, einen Moment innehalten und dann entscheiden, ob die Worte der Veröffentlichung würdig sind.
Auch wenn Sie dies bei dem obigen Text offensichtlich nicht getan haben, ist es nicht zu spät den Fehler einzusehen und den Text von der Plattform zu nehmen.

Viele Grüße von einem besorgten Leser