Ein Plakat mit der Aufschrift «Nazis? Nein Danke» hängt am 11.03.2017 in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) an der Fassade des Rathauses.
Die betonte Vielfalt der Linken wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden / picture alliance

Deutsche Geschichte - Die Nazibeschimpfung

Als Nazi beschimpft zu werden, gilt als sicheres Erpressungsmittel. Doch damit wird kritisches Denken auf gefährliche Weise eingedämmt. Die betonte Vielfalt der Linken wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden. Von Sabine Bergk

Autoreninfo

Sabine Bergk ist Schriftstellerin. Sie studierte Lettres Modernes in Orléans, Theater- und Wirtschaftswissenschaften in Berlin sowie am Lee Strasberg Institute in New York. Ihr Prosadebüt „Gilsbrod“ erschien 2012 im Dittrich Verlag, 2014 „Ichi oder der Traum vom Roman“.

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„Nazi“. Mit diesem Stempel möchte niemand leichtfertig gebrandmarkt werden. Dennoch wird viel zu schnell geurteilt, nicht nur in Politikerkreisen. Auch unter Freunden geschehen solche Beschimpfungen, teilweise aus völlig irrationalen Anlässen. Das Private und das Politische sind in dieser Frage stark miteinander verknüpft. Es ist zum Haare raufen, wie oft man wegen Nichtigkeiten als Nazi beschimpft wird. Sei es, dass man jemanden kritisiert hat – „Nazi“ tönt es zurück. Hat man eine andere Ansicht, denkt etwas schärfer oder wagt es, die Zahlentabellen des Bamf zu lesen – ist man gleich ein Nazi. 

Die Erbschaft der 68er

Durch die Nazibeschimpfung wird kritisches Denken auf gefährliche Weise eingedämmt. Die betonte Vielfalt der Linken wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden. Dagegen wettert der rechte Populismus, ebenfalls einer breiigen Meinung. Schattierungen, Kanten, Krümmungen und Kurven des Denkens werden durch die Nazibeschimpfung begradigt. Aus Angst vor der Nazibeschimpfung wagt man schließlich gar nicht mehr, zu denken. Damit ist sie ein Teil der modernen Angstkultur. Sie ist wie eine Tretmine – erwischt sie einen, ist ein Teil von einem weg. Die Nazibeschimpfung ist eine direkte Form der Gewaltausübung, eine Allzweckwaffe, die immer trifft. Aus welchem Grund sie auch immer benutzt wird (und sei der Grund noch so absurd), sie haut einen um. Es braucht eine Weile, bis man so etwas abschütteln kann, die Dinge sortiert und versteht, dass jemand, der einen anderen leichtfertig als Nazi beschimpft, über keine differenzierte Sprache verfügt.

Unter 68ern war die Nazibeschimpfung gang und gäbe. Sie ist eine Erbschaft der 68er – mit dem Unterschied, dass man 1968 versucht hat, Altnazis aus den Ämtern zu verscheuchen. Es wurden Nazis als Nazis beschimpft und die Beschimpfung traf zu. Aus dem konkret Zutreffenden wurde schließlich ein Dauerbrenner. Die Nazibeschimpfung wirkt wie ein Erhitzungsmittel in allen Angelegenheiten.

Ein Zeichen gegen die Naziecke

In einer permanent kochenden Atmosphäre geht uns jedoch jegliche Komplexität und Gedankenschärfe verloren. Rationale Abkühlung ist nicht in Aussicht, gegenseitiges Zuhören scheint auch nicht en vogue zu sein. Die alles eindämmende Kanzlerin wählt sich ihre Räume der Selbstzustimmung geschickt aus. Dass sich nun Horst Seehofer in die Naziecke gerückt fühlte und nicht zum Integrationsgipfel erschien, kann unterschiedlich interpretiert werden. Natürlich bedient er damit die Interessen seiner Partei. Dennoch hat er konkret ein Zeichen gegen das Rücken in die Naziecke gesetzt. Sein Vorhaben ist es ja gerade, der AfD das Wasser abzugraben. Ob der Zweck alle Mittel heiligt, ist wieder eine andere Frage.

Wir brauchen ein differenzierteres Gesprächsklima, im politischen, wie auch im privaten Bereich. Stattdessen wird die Nazibeschimpfung immer wieder leichtfertig aufgekocht – selbst auf internationaler Ebene. Passt einem Land die deutsche Politik nicht, werden wir als Nazis gebrandmarkt. Wenn wir das ändern wollen, sollten wir in allen Bereichen, in den Medien, in der Politik und auch privat vorsichtiger miteinander umgehen. Fast alle unsere Vorfahren waren Nazis. Dennoch verhalten wir uns, als wäre unsere Familienweste rein, als wären immer die anderen Nazis gewesen. Mit der Nazibeschimpfung schimpft man sich selbst das belastete Herz frei. 

Deutschland, ein Wintermärchen

Es ist immer wieder interessant, im Rahmen privater Zusammenkünfte über Großväter zu sprechen. Fragt man in die Runde, ist es erstaunlich, wie harmlos alle im Nachhinein waren. Ich frage mich manchmal, wo die denn alle hergekommen sind – in der DDR soll es keine Nazis gegeben haben (und die Opportunisten?) und in bundesdeutschen Familien waren eigentlich auch alle lieb. Dieses Vertuschungsklima wird mit dem flammenden Schwert der Nazibeschimpfung nur verstärkt. Die Nazibeschimpfung ist nicht selten an eine Naziverleugnung geknüpft. Günter Grass war ein Paradebeispiel dieser seltsamen Verknotung. 

Ein denkwürdiges Kleinereignis will mir nicht aus dem Sinn. Als ich im Rahmen einer Veranstaltung der Nietzsche-Gesellschaft auf dem Ettersberg saß und der Schriftsteller Henning Ritter im Prachtsaal des Schlosses seine scharfsinnigen Spitzen gegen Nietzsche lancierte, ging ein Seufzen durch das Publikum. Ich dachte, es ginge der Nietzsche-Gesellschaft um Nietzsche, doch mit einem Mal saß ich mitten in einer Therapiestunde. Niemand wollte über Nietzsche sprechen. Ritters Spitzen fielen hinter den Tisch. Ein Klagen erhob sich im Raum. „Wir wurden schon als Kinder nach Buchenwald gezwungen“, hieß es. Diese Last wollte man nun loswerden. Sie ist aber nicht loszuwerden, weder durch zwanghafte Beschimpfungen – noch durch Verleugnungen. Der zwanghafte Umgang mit der deutschen Geschichte hat wieder einmal nur Zwanghaftes hervorgebracht. Eine zwanghafte Linke beschimpft zwanghaft zwanghafte Populisten. Deutschland, ein Wintermärchen.

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Dana Meier | So., 17. Juni 2018 - 10:57

„In einer permanent kochenden Atmosphäre geht uns jedoch jegliche Komplexität und Gedankenschärfe verloren. Rationale Abkühlung ist nicht in Aussicht, gegenseitiges Zuhören scheint auch nicht en vogue zu sein.“ Und das reicht weit ins Privatleben hinein. Freundschaften und Familienbande werden brüchig, wenn man zu viele Themen aussparen muss. Und wenn in der Diskussion diese Nazi- bzw. Rassismuskeule wird. Was sind wir für eine verdruckste Gesellschaft geworden?! Zu Beginn der 68er Bewegung am Kranzlereck auf dem Ku’damm in Berlin: Jeden Tag diskutierten die Studenten mit den Bürgern. Ja, man schrie sich auch an, es blieb nie sachlich, doch man wollte noch miteinander reden. Heute verweigert sich die gesamte Linke jedem Diskurs.

Sabine Schönfeld | Mo., 18. Juni 2018 - 21:59

Antwort auf von Dana Meier

Das habe ich eigentlich anders erlebt, die Leute reden durchaus. Sie sind nur im Prinzip bar jeglichen echten Argumentes. Sobald man ihnen fundierte Fakten entgegenstellt, sieht man sofort, dass einfach nichts mehr stimmt in ihrer Argumentation. Persönliche Erfahrungen werden wild verallgemeinert und Statistiken einfach ignoriert. Man wiederholt irgendjemandes Behauptungen als Fakten. Früher hatten Frauenrechte bei den Linken wie selbstverständlich Bedeutung, heute scheinen sie sch...egal zu sein, sobald es Muslime betrifft. Religiöse Rechte der Muslime vor Frauenrechten - ganz selbstverständlich für heutige Linke. Und schickt man ihnen UN-Menschenrechtsberichte über die Situation der Frauen in islamischen Ländern, werden die eben einfach nicht gelesen. Glücklich in der eigenen Ideologie und strunzignorant gegenüber Fakten. Als würden sie alle gemeinschaftlich dauerkiffen.

Rüdiger Tatus | So., 17. Juni 2018 - 11:22

Für alle HIER innerhalb DEUTSCHLANDS Grenzen LEBENDE, ZUGEWANDERTE,NEUGEBORENE, ZEITWELIG WOHNENDE, EU-Bürger? Für die mit und ohne MHG, Touristen? Müssen die nun alle nach Grenzübertritt Buße tun, nach Auschwitz fahren, Erinnerungskultur pflegen, "eine besondere Verantwortung übernehmen", besonders "gut sein", bis zur Selbstaufgabe? Die ZUGEWANDERTEN aller"coleur" werden, profan ausgedrückt, sagen: Mit mir nicht, das ist Sache der Deutschen, die sich gerne der Unterwerfung anheim geben,Schulden abtragen,und uns den VOGEL zeigen.Zurecht. Ich habe einen Deutsch-Türken gefragt, genauso hat er es gesagt.-Und genau diese Grundsatz-Diskussion wird hier im Lande verhindert, weil alle die darüber reden"NAZI"sind. Das ist der HEXENHAMMER und die INQUISITION des Politisch-Ideologischen Medialen-Komplex, zur Disziplinierung eines ganzen Volkes und zum Machterhalt.-Warum redet keiner gerade darüber?- Erbärmlich ein Volk, das sich selbst hasst oder auch einreden lässt. Das macht so kein anderes.

und auch nicht für alle Nachgezogenen. Es gibt auch keine Verantwortung mehr für die damaligen Untaten und Greuel, denn sie starb unrettbar mit den Tätern! Die Verantwortung der Nachgeborenen und Nachgezogenen erstreckt sich heute maximal auf die Verantwortung des Erinnerns und des Gedenkens. In vernünftigem Maße und in aller erlaubten persönlichen Distanziertheit dieser lange zurückliegenden Geschehnisse können wir diese Verantwortung auch gut und gerne tragen (allerwenigstens ertragen). Hierzu wäre aber ein unverkrampfter, sich nicht selbst die Sicht verstellender Blick von Nöten. Den sehe ich nur leider noch immer nicht. Und es ist eine historische Tragik, dass die ständige Konfrontation mit einem Thema, mit dem man nichts zu tun hat, dazu führt, dass niemand mehr etwas davon wissen will. Die Verantwortung für die stetig wachsende Erosion der Verantwortung des Gedenkens trifft aber nicht NPD, AfD und andere Bürgerliche, sondern die Linken, die Antideutschen und die rote SA (Antifa).

Reiner Kraa | So., 17. Juni 2018 - 11:43

Wenn überhaupt, so beschimpft eine zwanghaft populistische Linke zwanghaft zwanghafte Populisten. Wer ist denn populistischer als die zwanghaft populistische Linke mit ihren zwanghaft populistischen Verteilungsmodellen?

Mathias Trostdorf | So., 17. Juni 2018 - 12:38

Der Artikel macht denselben Fehler wie andere zum Thema. Zunächst wird der Dauereinsatz der "Nazikeule" durch Politkorrekte beklagt, und richtig festgestellt, daß das oft das Fehlen von Argumenten ersetzt.
Dann wird aber wieder der Schuldkult bemüht. Wobei ich "FAST ALLE unsere Vorfahren waren Nazis" dann doch schon starken Tobak finde. Aber selbst wenn es so war: Warum muß man den Enkeln und Ur-Enkeln das täglich neu aufs Brot schmieren? Auch in allen anderen europäischen Ländern gabs zu der Zeit jede Menge Nazis, die schlimme Sachen gemacht haben- trotzdem wird woanders nicht ständig versucht, Andersdenkende mit der "Nazikeule" kleinzuhalten.
Und wenn eine Bundestagsvizepräsidenterln hinter "Deutschland verrecke" Demos herläuft, und wie aktuell aufruft, bei der WM nur die kleinen Fähnen rauszuhängen und sich nur ein bißchen zu freuen, dabei aber nicht zu "nationalistisch" zu sein, dann läuft hier schon gewaltig was was schief. Das gibts in keinem andern Land.

Klaus Dittrich | So., 17. Juni 2018 - 12:39

Zunächst ein großes DANKE für diesen Artikel – auch wenn ihn vermutlich die Leute nicht lesen, welche darin „behandelt“ werden.
„Durch die Nazibeschimpfung wird kritisches Denken auf gefährliche Weise eingedämmt. Die betonte Vielfalt der Linken wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden. . . . Die Nazibeschimpfung ist eine direkte Form der Gewaltausübung, eine Allzweckwaffe, die immer trifft. . . . versteht, dass jemand, der einen anderen leichtfertig als Nazi beschimpft, über keine differenzierte Sprache verfügt.“
Die sogenannte Linke ist mehrheitlich im Niedergang – politisch durch die inneren Dauerkämpfe; geistig-theoretisch durch das Nichtnachwachsen intelligenter Denker. Den Ausgleich suchen diese Personenkreise im zumindest fahrlässigen Brandmarken anderer Positionen. Wagenknecht kann sicher ein Lied davon singen. Und in Berlin folgen dem Brandmarken nicht selten Brandstiftungen.

Klaus Dittrich | So., 17. Juni 2018 - 12:40

„Wir brauchen ein differenzierteres Gesprächsklima, im politischen, wie auch im privaten Bereich.“
Vor allem brauchen wir Medien, welche nicht vordergründig auf Demagogie aus sind!

wolfgang spremberg | So., 17. Juni 2018 - 12:54

Werte Frau Bergk haben Sie wirklich "Freunde" die Sie mit den Mördern / Verantwortlichen z.B. für Auschwitz gleich setzen ? Diese Leute verharmlosen die Verbrechen der Nazis in schlimmster weise.
Wie nennen Ihre "Freunde" denn richtige Nazis ?
Und Ihre Freunde sind "links" wenn sie den Arbeitsmarkt globalisieren wollen ? Den Sozialstaat durch Überlastung ruinieren ?
Der Welt zeigen das die tollen Deutschen mit allen Multikulti können (mal so als Versuch) ?
Die Meinung dieser "Freunde" ist Ihnen wichtig ?
Ich kann auf solche Freunde sehr gut verzichten.
Es gab und gibt Situationen da brauchte man wirklich Mut um zu seiner Meinung zu stehen...bei solchen Freunden nicht.

Ralph Lewenhardt | So., 17. Juni 2018 - 13:24

All das endet, wenn Ideologie nicht mehr in Parteienmacht begründet. Wenn Regierungsämter nicht mit Parteifunktionären sondern mit Sachmanagern besetzt werden und Abgeordnete wirlich nach ihrem Gewissen in der Sache entscheiden dürfen und nicht nach Parteien-Fraktionszwang entscheiden müssen. Artikel 21 (1) GG verlangt, dass die Parteien lediglich an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Sie wirken aber nicht mit, immer hektischer diktieren und bestimmen sie für alle, obwohl nur lächerliche 2,9 % der Wahlberechtigten bei ihnen Mitglied sind und ihre Wahlstimmen immer weniger werden. Und wenn ihr Geld deswegen knapp wird, beschließt man halt neue Millionen, wie gestern im Bundetag geschehen. Ist das noch Volksdemokratie nach Artikel 20 (2) GG?

Jürgen Waldmann | So., 17. Juni 2018 - 13:55

Das ist mir mit 75 Jahren nicht neu , dass die Linken durch ihr lautes Geschrei , alle anders denkenden Bürger mit der Nazikeule nieder machen wollen .
Obwohl in Bayern keine Linke Partei die 5 % schafft , bei öffentlichen Debatten sind sie lautstark dabei .Das war schon so , wenn Franz Josef Strauss auf dem Hauptmarkt in Nürnberg redete , plötzlich versuchten Linke ihn am Reden zu hindern . Dass ist heute üblich , den Gegner nicht reden lassen .
Wenn jemand wie Stefan Aust sagt :
Stefan Aust schrieb schon im November 2015 in der Welt fast gleichlautend: „Das Asylrecht sagt klipp und klar: Wer als Flüchtling aus einem sicheren Land kommt, hat kein Recht auf Einlass. Doch daran hält sich niemand mehr, allen voran die Kanzlerin.“,,Wenn Aust 2018 ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zitiert, das feststellte: „Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt !
Der ist automatisch ein Nazi !

Petra Führmann | So., 17. Juni 2018 - 14:03

dass sich viele oder gar die meisten von solcherart Beschimpfung oder Titulierung beeindrucken und abschrecken lassen; mir ist sie schlichtweg egal, und ich beuge mich niemals der Meinung solcher Leute; ich denke selbst, weiß, was Nazis waren und dass ich sicher keiner bin. Man darf und soll die Zeit nicht vergessen wollen, aber wir Heutigen waren nicht dabei, und Greuel geschahen und geschehen immer wieder, weltweit, nicht nur von Deutschen. Ist das Relativierung oder Tatsache? Die einen nennen die anderen Nazi; ich denke mir, äußere aber nicht, meinen Teil, was ich von Leuten halte, die meinen, ihre Gegner damit mundtot machen zu können. Mundtot vielleicht einige, hirntot aber sicher nicht.

Fritz Gessler | So., 17. Juni 2018 - 14:28

vor den '68ern unter kommunisten nur so hagelte: 'sozial-imperialisten' - 'sozial-faschisten' war die offizielle bezeichnung seitens der chinesischen KP unter maos führung gegenüber dem moskautreuen und der kreml-KPdSU... und vorher seitens stalins gegen den abtrünnigen tito in jugoslawien: 'tito-faschisten'. entlarvend, dass linke immer gleich im anderen (oft linken) einen 'faschisten' sehen.
ich meine jedoch, als 'nazi' beschimpft zu werden, ist nicht das schlimmste. das wirklich schlimme an dieser politischen begriffsinflation ist, dass echte nazis und die zeit der nazi-diktatur damit verharmlost wird. wenn heute alle (rechten) 'nazis' sind, dann war hitler gar nicht so schlimm, ist die implizite lehre für alle nachgeborenen.

Sabine Schönfeld | So., 17. Juni 2018 - 14:36

Wer einen anderen als "Nazi" beschimpft, sagt im Prinzip "sadistischer totalitärer Massenmörder" zu seinem Gegenüber, das ist der - auch so gemeinte - Gehalt dieses Wortes. Wer aber so etwas zu einem andern sagt, ohne wirkliche Begründung - und die ist ganz offensichtlich nicht gegeben - sollte einfach konsequent aus dem Freundes- und Bekanntenkreis entfernt werden. Wenn die betreffenden Personen solches einige Male erleben, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein entsprechender Lerneffekt eintreten. Es geht hier ja nicht darum, auf angemessene Weise eine politische Meinung zu äußern, sondern um die Unterdrückung der Argumentation des Gegenübers durch übelste Diffamierung. Dies kann man in meinen Augen nicht tolerieren.

Martin Breusch | So., 17. Juni 2018 - 14:58

"Durch die Nazibeschimpfung wird kritisches Denken auf gefährliche Weise eingedämmt. Die betonte Vielfalt der Linken wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden. Dagegen wettert der rechte Populismus, ebenfalls einer breiigen Meinung. "
An dieser Stelle habe ich nicht mehr weitergelesen.

Joachim Wittenbecher | So., 17. Juni 2018 - 15:01

In letzter Zeit habe ich keinen besseren Artikel gelesen, als diesen von Frau Bergk. Die Bewältigung der nationalsozialistischen Verbrechen war nötig und schmerzhaft. Die Vergangenheitsbewältigung hat sich aber verselbstständigt - also sich losgelöst vom ursprünglichen Zweck, der Selbstläuterung - und wurde zum Herrschaftsinstrument in tagespolitischen Auseinandersetzungen. Heute benutzen bisweilen sogar Rechte dieses Instrument. Wir sollten uns überlegen, ob wir nicht den "akuten" Teil der Vergangenheitsbewältigung "zurückfahren", d.h. einfach akzeptieren, dass uns der zeitliche Ablauf der Geschichte immer weiter von diesem Verbrechen wegträgt. Manchmal hatte ich schon Angst, wir machen so viel Vergangenheitsbewältigung, dass die Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehren muss.

Claudia Martin | So., 17. Juni 2018 - 15:21

hat sich doch weitgehend abgenutzt. Der Merkelianer ist doch der wahre Bösewicht. Bald wird sich niemand mehr zu Angela Merkel bekennen. Keiner hat sie je gewählt. Soll ich aus der Partei austreten? Wird man die Parteimitglieder dereinst zur Verantwortung ziehen? Wird es eine Entmerkelisierung geben? Und was ist mit den Grünen? Sind die nicht noch schlimmer? Fragen über Fragen.

Peter Maier | So., 17. Juni 2018 - 15:42

Unsere Vorfahren waren fast alle Nazis? Wirklich? Wieviele Mitglieder hatte die NSDAP? Und der Rest der Bevölkerung, der stand (fast) komplett hinter allen Taten der damaligen Regierung? Alle wussten im Detail, was und in welcher Größenordnung da vor sich ging, und haben es gutgeheißen? So ganz ohne Internet, Blogs, Fernsehen, regelmäßige Reisen quer durchs Reich? Wow! Fast alle waren Nazis, mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet! Ich jedenfalls weigere mich, von Ihnen als Nachfahre von Nazis bezeichnet und damit pauschalisierend einer gruppenbezogenen Diskriminierung unterworfen zu werden. Verbreiten Sie Ihre Ansichten bitte bei der FAZ, die dortigen Leser stehen geradezu darauf, sich selbst niederzumachen und in einen Kollektivschuldkomplex pressen zu lassen.

Michaela Diederichs | So., 17. Juni 2018 - 16:13

Nazi, Rassist - was interessiert es noch länger. Das ganz große Besteck im "Kampf gegen rechts" hat sich abgenutzt, ist stumpf geworden. Ganz normale durchschnittliche Menschen, die mit der Flüchtlingspolitik der etablierten Parteien nicht einverstanden sind, haben solche Beschimpfungen vielleicht anfänglich erschreckt und mundtot gemacht. Jetzt verfängt es nicht länger. Die Begriffe sind durch die ständige Wiederholung ihres Schreckens beraubt worden. Eben bloß tumbe Beleidigungen wie Idiot, Dummkopf und dergl. mehr. Früher hat man sich intelligent und subtil beleidigt - auch und gerade in der Politik und in den Medien. Alles atmet Verfall und Verwahrlosung: die guten Sitten, der Umgang miteinander, Sprache, Kultur. Alles wird scheinbar entkernt und seines Wesens entfremdet oder gar beraubt. Dazu gehören auch die Begriffe Nazi und Rassist. Es ist den sogenannten Eliten geschuldet, die, ihrer Glaubwürdigkeit beraubt, wild um sich schlagen.

Manfred Steffan | So., 17. Juni 2018 - 18:48

als Nazi beschimpft wird, regen sich die meisten darüber doch gar nicht mehr auf. Auch die Justiz kommt nicht mehr damit nach, solche Beleidigungen zu ahnden. Zeigt die überhaupt noch jemand an?

Edgar Timm | So., 17. Juni 2018 - 19:35

ist die Einfalt der Gleichdenkenden.

Ihrer Aussage: „Fast alle unsere Vorfahren waren Nazis.“ verdient Widerspruch, denn der Stimmenanteil der NSDAP entwickelte sich wie folgt: 14.09.1930: 18,3 % / 31.07.1932: 37,4% /06.11.1932: 33,1% / 05.03.1933: 43,9%.
***
Die „Nazis“ konnten bei einer Wahlbeteiligung zwischen 80 und 90% nie die Mehrheit der Stimmen erreichen, obgleich es vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 (der letzten Reichstagswahl, an der mehr als eine Partei teilnahm) bereits zur Anwendung diktatorischer Instrumente kam. Dabei kam der Regierung (Kabinett Hitler) auch der Reichstagsbrand vom 27. auf den 28. Februar 1933 zugute. Mit Hilfe der tags darauf erlassenen Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat („Reichstagsbrandverordnung“) wurden die Grundrechte außer Kraft gesetzt.
***
Wie danach mit „Regimegegnern“ umgegangen wurde dürfte hinlänglich bekannt sein.

Gabriele Tesche | So., 17. Juni 2018 - 19:49

Wenn man es mit dem Beschimpfen übertreibt, führt das bei den Beschimpften nur zur Abstumpfung! Daher empfinden selbst Nicht-AfDler das Bundestagsverhalten der etablierten Parteien-Vertreter auch nur noch als lächerlich! Wenn eine Schweigeminute für ein ermordetes Kind von fanatisierten “demokratischen” Volksvertretern niedergebrüllt wird, weil der Vorschlag dafür aus der falschen Ecke kam, betrachtet man es auch als nicht-AfDler als Ehre, dort nicht dazu zu gehören!

Dimitri Gales | So., 17. Juni 2018 - 20:07

Die Nazis haben ein beispielloses Verbrechen an Millionen Menschen begangen; die Hitler-Bande war eine politische Banditen-und Mördergesellschaft - und unzählige (nicht nur) Deutsche haben mitgemacht, dem Regime zugearbeitet. Aber die Generation, die 1933 geboren wurde, trifft keine Schuld. Die Kollektivschuld trifft nur jene, die damals Erwachsene waren. Deshalb ist es unsinnig, sich jetzt noch mit der Schuldfrage zu kasteien. Kollektivschuld vererbt sich nicht. Die Nazi-Zeit hat jedoch bewiesen, wie schnell und deutsch-gründlich eine hochentwickelte Kulturnation zu mörderischen Kollektivtaten fähig sein kann.

betrifft auch nicht alle damals Erwachsenen, das ist meines Erachtens nach vollkommen falsch. Die NSDAP hat ein Repressionsystem aufgezogen - Pass auf, sonst kommst du auch ins KZ- da haben nur wenige sich getraut gegen zu halten. Es ist so billig im nach hinein Schuldsiegel zu verteilen. Die Deutschen in den neuen Bundesländern sind dann, nach Kriegsende, nahtlos in ein neues Repressionssytem überführt worden, dass sie erst 1989 abschütteln konnten.

Peter Seidler | So., 17. Juni 2018 - 20:12

was anfangs noch getroffen hat, weil man der "Nazi"-Beschimpfung einen Sinn beigemessen hat, hat sich nach den Jahren der Diffamierungen nicht nur abgenutzt, sondern in's Gegenteil verkehrt. Mittlerweile haben AfD-Symphatisanten erkannt, dass die Nazikeulenschwinger ihre Diffamierungen nur deshalb verwenden, weil sie gegen die Politik der AfD keine vernünftigen Argumente vorzubringen haben. Diese Erkenntnis und Erfahrungen der antidemokratischen Ausgrenzung durch linke "Demokraten" haben die Rechtspopulisten zusammengeschweisst, deshalb wird diese Partei auch noch in 10 Jahren eine wichtige Rolle in der deutschen Parteienlandschaft spielen, wahrscheinlich eine ähnlich grösse wie die der FPÖ in Österreich schon heute.

Dennis Staudmann | So., 17. Juni 2018 - 20:51

Welche linke Gesellschaftsform war jemals tolerant oder hat abweichende Meinungen ausgehalten? Lenin, Stalin, Mao oder auch aktuell Maduro in Venezuela - alle einte ein wichtiger Bestandteil ihrer Politik, dass sie die Meinungsfreiheit nicht duldeten und auch erbittert bekämpften. Warum sollte heute eine links-grün dominierte Gesellschaft also toleranter sein? Man ist nicht in der Lage, sich mit abweichenden Meinungen auseinanderzusetzen, weil man, so wie die linken Gesellschaften des 20. Jahrhunderts, wenig anzubieten hat. Ob man sich diesem bizarren Mechanismus der Nazibeschimpfung bei Kritik beugt, liegt natürlich an jedem selbst. Vermeintliche Freunde, die in einer Diskussion als "Nazi" beschimpfen, sind wohl nicht die, für die ich sie gehalten habe. Es gibt eine eigentlich unpolitische Weisheit: "Wer schreit, hat keine Argumente." Die würde ich ergänzen: "Wer Nazi schreit, hat keine Argumente und Angst davor, dass ich welche habe."

Günter Hager | So., 17. Juni 2018 - 22:05

Blöd zu sein oder AfD zu wählen? Aber die auf uns zukommenden Probleme mit den nicht versiegenden "Facharbeiterströmen", die uns die EU aufdrückt, werden auch die letzten CDU-Wähler (zu denen ich auch 42 Jahre gehört habe) endlich aufwachen lassen - wahrscheinlich schon zu spät! Lieber bin ich "AfD-Nazi" als mich von diesen Politikdarstellern (dazu gehört auch Frau Merkel und ihre Klatschhasen) veralbern zu lassen!

Martin Lederer | So., 17. Juni 2018 - 22:49

Ich habe rechtlich keine Ahnung. Aber entweder ist es strafbar, jemanden als "Nazi" zu bezeichnen. Dann würde ich die entsprechenden Leute einfach anzeigen. Ich glaube Heino hat es mit einem linken "Sänger" so gemacht.
Oder wenn Gerichte urteilen, dass das unter "Kunstfreiheit" oder so fällt und erlaubt ist, würde ich die entsprechenden Leute auch als "Nazis" bezeichnen.
Mal ganz provokant gesagt: Seit 1945 ist der Ausdruck "Nazi" nicht mehr geschützt und steht zur freien Verfügung für jedermann.

Holger Stockinger | So., 17. Juni 2018 - 23:36

Mein Großvater, gebürtiger Franke, war im "Dritten Reich" nicht in "der" Partei, also der NSdAP, wie auch in der "Deutschen Demokratischen Republik" in der Partei, also der "SED".

Vielmehr wurde enteignet, was Großvater und Großmutter zusammen geschafft hatten: mein Aufwachsen in einer Apotheke gegenüber einer "Russenkaserne".

Als "Anführer" einer kleinen Gassenbande wußten wir, wie der kleine normale Soldat befüttert wurde und sammelten mal zusammen, um vom Bäcker ein paar Brötchen denen hochzuschmeißen, die vielleicht noch vom Soldaten einsam an der Wolga träumten.

Als "linker Student", Sartre wegen des SIEs in der Benennung und Anrede Respekt zollend, fand das MAO-Getue bei mir rasch ein Ende:

In der deutschen Ausgabe der "Pekinger Zeitung" irgendeiner KPD/ML oder sonstigen "K"- (kommunistische) Gruppe-Journaille wurde meine "Gipserrungenschaft auf dem Klavier" als Kleinbürger bezeichnet: Ludwig, sagte ich mir, Sie mögen nicht adlig sein, aber Beethoven trotzt!

Peter Wagner | Mo., 18. Juni 2018 - 03:53

Sabine Bergk hat absolut recht. Diese Diskussion ist schon lange überfällig! Es ist ja so schön einfach, andere als Nazis zu beschimpfen, um sich selbst gleichzeitig als moralische Instanz zu überhöhen!
Ich habe im Herbst 2015 im Bekanntenkreis in größerer Runde gesagt, dass mein Halswirbel bereits völlig ausgeleiert ist, weil ich ständig kopfschüttelnder Weise über Merkels Flüchtlingspolitik, herumlaufe!
Wer im Herbst 2015 eine solche Kritik äußerte, machte sich einsam und konnte nur ein Nazi sein.
Inzwischen hat sich der Wind gedreht, aber nur wenige haben den Mut es zuzugeben. Wer will schon gerne ein Nazi sein.
Wir Deutsche sollten endlich begreifen, dass ein Sachverhalt richtig oder falsch, und nicht als linke oder rechte Politik eingestuft werden sollte.
Wir Deutsche sollten endlich begreifen, dass ein Sachverhalt als richtig oder falsch eingestuft werden sollte und völlig unabhängig davon, wer diese Meinung vertritt!

Dieter Erkelenz | Mo., 18. Juni 2018 - 06:47

Sehr verehrte Frau Bergk,
natürlich stimme ich Ihrem Essay voll und ganz zu. Die Sache muss Sie ja fürchterlich aufregen - und das am frühen Morgen. Ich bin Jahrgang 1939 und deshalb in den Meinungen einiger Halbidioten ein 'Nazi'. Regt mich das auf? Nicht im geringsten! Genauso könnte man von den schönen Klischees 'Stalinist', 'Maoist' und anderen "-ists" Gebrauch machen. Aber 'Nazi' hört sich so schön wohllautend und kurz an und reimt sich nicht nur auf 'Bazi' unserer bayerischen Freunde. Sie sehen, ich bin der Semantik auf der Spur.

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Schabert Albert | Mo., 18. Juni 2018 - 07:00

Politikverdrosse,Wutbürger und Abgehängte,so negativ bezeichneten unsere Politiker ihre Bürger.Mit dem Vorwurf "Nazis" oder "Rassiten"zu sein versuchten sie jede Kritik auszuschalten.Beide Begriffe sind moralisch behaftet und das nicht zu sein,ist schwer zu widerlegen.Die Leitmedien verwenden sie seit den letzten Bundestagswahlen nicht mehr.Ersatzweise gibt es keine Berichte mehr über die AfD.Breite Teile der Bevökerung hat man damit erreicht und mundtot gemacht,man redet einfach nicht mehr miteinander,damit geht der Bürger einer Konfrontation aus dem Weg.Goggeln Sie mal"Schweigespirale"von Elisabeth Noelle-Neumann,die das in den 1970 iger Jahren erforscht und entwickelt hat.Die Methode uns zu manipulieren ist aktell wie nie zuvor.

André Oldenburg | Mo., 18. Juni 2018 - 07:01

Der Höhepunkte der Nazikeule war 2015 und 2016, zu der Zeit wurde ich häufig als Rechte, Nazi und ähnliches Tituliert, da ich eine andere Meinung zur Flüchtlingskrise, die für mich damals und heute nur eine Politikkrise war und ist.
Inzwischen teilen die meisten in meiner Umgebung meinen Standpunkt und haben ihn angeblich schon immer geteilt.
Die Keule wird schon schächer und man verdächtigt inzwischen immer mehr den, der diese Keule schwingt.

Christof Wechsler | Mo., 18. Juni 2018 - 08:27

Sicherlich ist es zu verurteilen, dass Politiker, Medien, Kirchen und große Teile der "Zivilgesellschaft" Andersdenkende als Nazis diffamieren. Das sollte unter aufgeklärten Demokraten als trivial gelten. Absurd ist aber ihre These, dass fast alle unsere Vorfahren Nazis waren. Beziehen Sie sich auf unsere direkten Vorfahren, liegen sie sicherlich falsch, denn nur bis 1912 Geborene konnten an den letzten freien Wahlen (Nov. 1932) teilnehmen und wählten nur zu 33,1 % die NSDAP. Der Bevölkerungsanteil dürfte bis 1945 kaum zugenommen haben, wenn man berücksichtigt, dass danach ohne große Widerstände ein demokratischer und ein kommunistischer Staat etabliert werden konnten.
Beziehen Sie sich auf alle unsere deutschen Vorfahren, liegen Sie noch mehr daneben. Beginnt man bei Otto I im 10. Jahrhundert, gab es ungefähr 35 Generationen Deutsche, von denen nur 2 zu ungefähr einem Drittel vermeintlich Nazis waren. Damit wären überschlagsmäßig weniger als 2% unserer Vorfahren Nazis.

Romuald Veselic | Mo., 18. Juni 2018 - 08:46

miteinander umgehen. Was die Linken immer ausblenden, ist die tatsächliche Vergangenheit, im Sinne der Linken. Man sollte nur die zeitgenössischen Chroniken aus der Sowjetunion lesen - immerhin ein Paradies der Werktätigen -
wie man dort mit Andersdenkenden umgegangen hatte. Wie man die Mittelasien in den 20 - 30-ern/20.Jh. pazifizierte - eine Gewaltherrschaft gegen die vorwiegend islamische Bevölkerung in dem die Moscheen v. Buchara u. Samarkand zur Museen umfunktioniert wurden. Von Roten Khmer vor 40 Jahren ganz zu schweigen, oder aktuell Nordkorea, wo ganze Familie in den Knast geht, wenn einer davon Kriminell werde.
Ich habe schon erlebt, wie die "Nazi"-Beschimpfer, als Faschisten im Konter beschimpft wurden.
Auch wenn es traurig war, musste ich lachen.

Ralf Vormbaum | Mo., 18. Juni 2018 - 08:50

Th.W.Adorno befürchtete, dass die Aufklärung in ihr Gegenteil umschlagen werde, wenn sie ihre Prämissen nicht reflektiert. Heute erleben wir in der Tat die Totalität der Irrationalität, die darauf beruht, dass nur noch verabsolutierte Abstraktionen das Handeln bestimmen. Dadurch führt sich Sittlichkeit ad absurdum, weil Sittlichkeit nicht im Abstrakten sondern nur im Konkreten zu verwirklichen ist. Da der Wahrheitsbegriff mittlerweile radikal destruiert wurde, schwebt der gesellschaftliche Diskurs, was moralische Fragen anbetrifft, im luftleeren Begriffsraum. Bei der Nazibeschimpfung geht es denjenigen, die sie inflationär nutzen, nicht um Inhalte, sondern lediglich um die Durchsetzung von politischer Macht mittels jeder für erlaubt gehaltenen Methode. Erlaubt meint dabei nicht das Sittliche sondern allein das Funktionale; die Aufrechterhaltung der eigenen Machtposition. Wir erleben also heute die völlige Abdankung von Sittlichkeit, genauso, wie es Adorno früh ahnte.

Heidemarie Heim | Mo., 18. Juni 2018 - 10:36

Eine wunderbar unaufgeregte wie treffsichere Analyse gegenwärtiger Verhaltensweisen, was den völlig indifferenten Umgang untereinander betrifft. Und zwar quer durch alle Schichten. Insbesondere hat man Eindruck, das diese Form der Instrumentalisierung zum Zwecke der Diskreditierung des Gegenübers gerade von vermeintlich intellektuelleren Kreisen unserer Gesellschaft forciert werden. Besonders in der aktuellen Parteipolitik wiederholt sich dieses Phänomen doch explizit aus den gleichen Gründen wie damals. Man negierte aus den Parteien heraus die Anwesenheit und das Seit an Seit mit originalen Nazis, besonders in der Justiz, wie man heute versucht ehemalige Parteimitglieder, Politiker und Genossen aus eigenen Reihen zu verleumden. Um sich dann zu wundern, wenn diese dann irgendwann genau so aggressiv dagegen agieren.Am besten entlarvt sich diese angewandte Systematik in unseren Schlagzeilen, wo gleichlautende Aussagen von Politikern völlig indifferent bewertet werden. MfG

Heinz Stiller | Mo., 18. Juni 2018 - 10:55

Ich weiss nicht, wie alt Sie sind, Frau Bergk, aber ich habe die 68iger an der Uni. noch erlebt. Mit Sitzblockaden, dem lauten Dauer-Absingen der "Internationale", Gebrüll oder massenhaftem Einsatz von Trillerpfeifen wurden Seminare ruiniert, die einem missliebig waren. Es ging nicht um Nazis. Es ging darum, alles zu unterbinden, was nicht links genug war. Und diese Denk- und Verhaltensweise haben die Erben der 68iger geerbt. Alles, was nicht ihrer Meinung ist, muss gnadenlos niedergebügelt werden. Die Antifa mit ihrer Gewalt ist nur ein Aspekt davon. Ja, es gibt hier bei unsNazis. Aber bei weitem nicht nur auf der rechten Seite.

Wer ist ihr wohl erlegen? Der Vertreter der bürgerlichen Mitte, bedacht auf Äquidistanz zu Links-, Rechts- und Islamofaschismus?

Oder jener Schöpfer (jene Schöpferin) der hier abgebildeten, vortrefflich ästhetisierten, schwarz-weiß-roten Hitlerfratze ?

Wibke Nolte | Mo., 18. Juni 2018 - 11:29

"In einer permanent kochenden Atmosphäre geht uns jedoch jegliche Komplexität und Gedankenschärfe verloren."

Ein sehr treffender Satz. Mittlerweile findet die politische Diskussion fast nur noch in Form von Pauschalisierungen statt. Es gibt nur noch ein Schwarz oder Weiß. Das spaltet eine Gesellschaft.

Tomas Poth | Mo., 18. Juni 2018 - 11:37

wird zur Vielfalt der Gleichdenkenden? Müßte es nicht richtigerweise heißen zur EINFALT der Gleichdenkenden!?

Monique Nilsen | Mo., 18. Juni 2018 - 12:59

möglicherweise orientiert sich in der heutigen Zeit die wieder (modern) gewordene Bezeichnung Nazi eher an den, dem Faschismus zugeordneten Begrifflichkeiten, die der autoritäre Charakter, das stark hierarchisch geprägte Unternehmertum, mit eigenem exquisitem Status etc. mitgeprägt haben.
Nicht jeder recherchiert, bevor er dieses Wort, oft unter emotionalem Druck, ausspricht.
Diesen Text habe ich in Abstand zur aktuellen politischen Lage Seehofer/Merkel geschrieben.

Monique Nilsen | Mo., 18. Juni 2018 - 13:03

möglicherweise orientiert sich in der heutigen Zeit die wieder (modern) gewordene Bezeichnung Nazi eher an den, dem Faschismus zugeordneten Begrifflichkeiten, die der autoritäre Charakter, das stark hierarchisch geprägte Unternehmertum, mit eigenem exquisitem Status etc. mitgeprägt haben.
Nicht jeder recherchiert, bevor er dieses Wort, oft unter emotionalem Druck, ausspricht.
Diesen Text habe ich in Abstand zur aktuellen politischen Lage Seehofer/Merkel geschrieben.

Jürgen Lehmann | Mo., 18. Juni 2018 - 14:26

Nachdem mein Beitrag vom 17. Juni nicht erschienen ist, sehe ich es als kontraproduktiv an hierzu nochmals einen – dem CICERO angenehmen – Kommentar abzugeben!

Robert Schmidt | Mo., 18. Juni 2018 - 14:32

Die Nazis waren eine Kriegspartei, die die Revanche des verlorenen 1. Weltkriegs wollte.
Es gab noch Millionen Ex-Soldaten und vor allem gab es noch die einflussreichen Stände, aus einer Zeit in der das Militär unangefochten der erste Stand im Land war.
Die Vernichtung der Juden war in erster Linie eine kriegerisch strategische Entscheidung. Sicher gab es einen weitverbreitete Vorurteile gegenüber Juden, aber gleichzeitig waren Juden fast nirgendwo sonst in Europa so arriviert und in weiten Teilen assimiliert wie in Deutschland. Die Geschichte der Juden in Deutschland, hätte meiner Meinung auch leicht völlig anders verlaufen können (Ich habe selbst einen jüdischen Grossonkel in der Familie gehabt), … es war letztlich eine Entscheidung aus einem kleinen Zirkel heraus.
Die Belegung der heutigen Deutschen mit dem Urteil "Nazi" ist aus Meiner Sicht meilenweit von den damaligen Umständen entfernt, nichts als eine Art gesellschaftspolitischer „Superwaffe" zur Erlangung der Diskurshoheit.

Ruth Teibold-Wagner | Mo., 18. Juni 2018 - 14:44

 
den zeige ich bei der Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung an.
Denn dies ist die schlimmste Beleidigung, die es gibt.
Falls die Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse sieht, erhebe ich Privatklage.
Beleidigung ist eine Straftat, die mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden kann.
Bei "Nazi" kann sogar "Volksverhetzung" einschlägig werden.
Es ist jedem Beleidigten dringend zu empfehlen, den Klageweg zu beschreiten.
Aus Gründen der Spezial-, wie der General-Prävention, damit die inflationäre Benutzung des Nazis-Vorwurfs eingedämmt wird, denn diese bedeutet in den meisten Fällen auch Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Christoph Rist | Mo., 18. Juni 2018 - 15:23

Die Legende der vereinigten Linken (ich verwende später ein Synonym) geht so; Alles was "rechts" ist (extrem muss es nicht sein) ist automatisch "nazi". Die einfache Gleichung lautet: Nazi = Rechts. So simpel die Gleichung, so ahistorisch falsch ist sie als vermeintlich feststehende Behauptung. Die echten Nazis - die Nationalsozialisten (und ihr hoffentlich bald verrotteter Wurmfortsatz, die NPD) - verstehen sich nicht nur dem Namen nach bis heute vor allem als sozialrevolutionäre Querfrontbewegung zum Wohle des eigenen Volkes und zur Überwindung alles Hergebrachten, auch des Konservativ-Rechten! Quellenstudium hilft. Alle Nazigrößen äußerten sich explizit dazu. Betrachtet man zudem die Realpolitik der Nazis ohne Scheuklappen, erkennt man den alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche umspannenden, tiefen Griff in die sozialistische Werkzeugkiste. Es ist darum eine Lebenslüge der internationalsozialistischen Linken, eine echte Gegenbewegung zu sein. In Wahrheit sind es eher Brüder im Geiste.

Karin Zeitz | Mo., 18. Juni 2018 - 17:21

Frau Bergks Behauptung: “fast alle unserer Vorfahren waren Nazis“ trifft nicht zu. Woher sie diese kühne Behauptung hat kann ich nicht nachvollziehen. Wir Kriegs- und Nachkriegskinder haben mit unseren Eltern und Großeltern intensiv die Fragen diskutiert: warum habt ihr nichts gegen den Nationalsozialismus getan, wie konntet ihr die Verbrechen zulassen? Die Antworten von allen, die ich kenne, lautete: vor 1933/34 kein Interesse an der Politik, weil man andere Sorgen hatte. Nach dem Ermächtigungsgesetz herrschte bei allen das blanke Entsetzen und die Angst. Man versuchte, nicht aufzufallen. Ich frage mich, bis ins wievielte Glied wir, unsere Kinder und Kindeskinder als Nachkommen der damals Erwachsenen noch in Regress genommen werden sollen. Om Übrigen halte ich das inflationäre Benutzen des Wortes “Nazi“ für eine unzulässige Verharmlosung der damals begangenen Verbrechen.

Jürgen Lehmann | Di., 19. Juni 2018 - 10:43

Frau Zeitz, „man versuchte nicht aufzufallen“ und war trotzdem Parteimitglied oder Anhänger.“
Das jetzt als extremes Schimpfwort benutzte NAZI wurde abgewandelt aus NATIONALSOZIALIST.
Um die Verbrechen der Vergangenheit zu bewältigen wird eine andere Aufarbeitung benötigt als nur die Verwendung von NAZI.
Zum größten Teil haben uns die Eltern oder Großeltern auch nicht die pure Wahrheit geschildert, bzw. nur ein geringer Teil von diesen.

Die damaligen Verbrechen waren so groß, dass auch unsere Kinder… noch sehr lange damit konfrontiert werden müssen.